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Full text of "Sämtliche Schriften. Hrsg. von Karl Lachmann. 3., Auf's neue durchgesehene und verm. Aufl., besorgt durch Franz Muncker"

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Gokkhold Ephraim Leſſings 


Tämtliche Schriften. 


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Gokkhold Ephraim Tellings 


fä meliche Schriften. 





Berausgegeben von 


KRarl Tachmann. 


Dritte, auf's neue durchgeſehene und vermehrte Auflage, 


beforgf durch 


Franı Muncker. 


Dritter Band. 


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Stuttgart. 
G. I. Göſchen'ſche Verlagshandlung. 
| 1887. 





















8. Sefsugorutere gu Guttenberg 


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Papier, von der 6 per nal 














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Borrede. 


























„Nathan der, Weile“, die beiden von dem Verfaſſer jelbit ſpäter verwor- 
fenen Sugendluftipiele „Damon“ und „Die alte Jungfer“ und der theatralifche 
Nachlaß ſchließen in diefem dritten Bande die Reihe der dichteriichen Schriften 
Leſſings ab. 
Bon den drei eritgenannten Dramen find uns feinerlei Handjchriften er— 
halten; ihr Tert war alſo nur nach den echten, unter Aufficht des Autors ver- 
anftalteten Drucken feitzuitellen. Bei „Nathan“ und „Damon“ haben dies Lach- 
mann und die ihm folgenden Herausgeber ſchon im großen und ganzen gethan: 
ihre Arbeiten fonnten meijtens nur in Einzelheiten ergänzt werden; „Die alte 
Sungfer“ jedoch, die bisher jtet3 nach einem unberechtigten und durch manche 
Fehler entitellten Nachdruck mitgeteilt wurde, erjcheint jeßt zum erften Mal wieder 
genau im Wortlaut der überaus jeltenen Originalausgabe. 
Eine veichere Ausbeute ergab die vollitändig neue Bearbeitung des thea= 
traliichen Nachlafieg. Da mir ſämtliche Handſchriften der dramatiſchen Bruchſtücke 
und Entwürfe Leſſings zugänglich waren, ſowohl die, welche in den öffentlichen 
Bibliotheken zu Breslau und Berlin aufbewahrt werden, al3 die, welche fich in 
letzterer Stadt im Privatbeiiß befinden, jo fonnte ich zunächit zahlreiche Ander⸗ 
ungen ausmerzen, die von Karl Leſſing (wohl mit Hilfe Ramlers) beim erſten 

Druck des theatraliichen Nachlaſſes oft recht willfürlih an den urjprünglichen 
Lesarten vorgenommen und von den jpätern Herausgebern noch nicht vollftändig 
bejeitigt worden waren. In diefer Hinficht fam am meiften den Bruchitücen der | 
Matrone von Epheſus“ die jorgfältige Durchficht der (bisher nie nachgeprüften) 
Driginalpapiere zu gute. Mehrere Änderungen des Bruders in den Fragmenten 
arantula“, „Weiber find Weiber“ und „Vor diejen“ find bereits in den Hand» 
ſchriften mit Bleiftift angemerkt; auch fie blieben, wie jchon früher von Lachmann, 
unbeachtet, da. fich in ihnen nirgends weder die Hand noch der Geift des Dich— 
ters zeigt. Eben jo wenig nahm ich überflüffige Zuthaten Karl Leſſings auf, 
die in den Handichriften fehlen, wie 3. B. die Verfonenverzeichniffe zu „Weiber 
find Weiber“, „Das befreite Rom“, „Alcibiades“. 


VI vVorrede. 





Ferner aber galt es, die Grundſätze Lachmanns, die auf möglichſte Voll— 
ſtändigkeit und auf möglichſt ſtrenge chronologiſche Anordnung der dramatiſchen 
Bruchſtücke abzielten, ſo weit es der heutige Stand der Forſchung nur immer 
zuläßt, folgerichtig durchzuführen. Nach beiden Seiten hin, namentlich nach der 
erſten, hat die Hempel'ſche Ausgabe (die wieder dem Abdruck in Kürſchners 
„Deutſcher Nationallitteratur“ unmittelbar zu Grunde liegt) unſere Kenntnis über 
die von Lachmann gezogenen Schranken weit hinaus gefördert. Mit rühmlicher 
Genauigkeit verzeichnete hier Robert Borberger alles, was wir über etivaige dras 
matiſche Pläne Leſſings wifjen oder vermuten, jeien es auch bloße Titel, bloße 
Stoffe zu Arbeiten für die Bühne. Die Zahl der dafelbit fkizzierten Stücke 
fonnte ich troß emfigem Suchen nicht vergrößern; vielmehr erforderten die für 
meine Ausgabe geltenden allgemeinen Grundregeln, daß ich öfters auf die von Bor- 
berger breit angeführten Quellenwerfe, denen wir die Kenntnis eines Leſſingiſchen 
Entwurfes verdanken, nur fnapp hinwies, manchmal auch den Titel eines jolchen 
Fragmentes gar nicht nannte, weil fich dasſelbe als eine profaiiche Überfegung 
eines fremden Stücks heraußftellte und daher eben jo wenig wie die vollitändigen 
Überjegungen Leffings in Profa Aufnahme finden: fonnte. Aus diefem Grunde 
mußte ich die Überfegungsbruchitücte aus Thomſons Tranerjpielen „Tancred 
und Sigismunda“ und „Agamemnon“ ausfchließen. Nur diejerigen Fragmente 
durfte ih wieder abdruden, welche al3 originale Entwürfe des deutichen Dichters, 
als freie Bearbeitungen ausländiicher Dramen oder als metrijche Übertragungen 
eine künſtleriſch eigenartige Thätigfeit Leſſings aufwieſen, nur von denjenigen jonft 
unausgeführten Stücen den Titel nennen, deren Plan ohne allen Zweifel den 
Schöpfer unjerd neueren Dramas einmal beſchäftigte: was nur auf anfechtbare 
Vermutungen fi ftüßt, blieb unerwähnt. Sch Habe deshalb weder das mög— 
licherweife mit „Giangir“ identische Stück des jungen Leifing für den Schauspieler 
Koch mit aufgezählt, von welchem in der „Chronologie des deutichen Theaters“ 
mit unbeftimmten Worten geredet wird, noch aus Eckhofs Brief an Chriftian 
Felir Weiße vom 31. Zuli 1756, worin wahrscheinlich etwas ganz anderes ge= 
meint ift, den jonft nirgends bezeugten Namen eines Leſſingiſchen Luſtſpiels „Der 
Magiftertitel” Herausgetüftelt. Ebenſo ließ ich die von Ramler herrührende 
jprachliche Bemerkung zu „Nathan“, Aufzug III, Vers 40 weg (in Hempels Aus— 
gabe Teil XI, zweite Hälfte, ©. 778 f., Anm.). Und gleich den frühern Her: 
ausgebern jchloß ich das Traueripiel „Zorade”, welches Danzel aus den Bres— 
lauer Bapieren abdrudte und für Leifing in Anipruch nahm, von der Sammlung 
feiner nac)gelafjenen dramatischen Arbeiten aus: Das Stück ift nicht von Leſſings 
Hand gejchrieben, enthält aber ein Nachwort, Randbemerfungen und VBerbefjerungen, 
welche ebenjo wie die Überichrift und das Verfonenverzeichnis eine der Leſſingiſchen 
jehr ähnliche Hand verraten. Dazu ift das Nachwort mit einem deutlichen L 
unterzeichnet, da3 man bei genauem Zujehen nicht, wie einige wollten, als ein & 
lefen kann. Gleichwohl rührt das Trauerjpiel kaum von Leifing her. Sein In— 
halt und feine Form, der Aufbau der ziemlich undramatifchen Handlung, die 
GSharafteriitif der auftretenden Perſonen, die Sprache und der gefamte Stil trägt 


Porrede. vn 





nirgends ein beſtimmtes Leſſingiſches Gepräge; nicht einmal von dem Nachwort 
möchte ich dies behaupten, obwohl Danzel es „in jeiner Wendung Leffingijcher 
als Leſſingiſch“ genannt hat. Daß Karl Leſſing, der jogar bloße Titel im thea= 
traliihen Nachlaß aufbewahrt, diefes fertigen Stückes mit feiner Silbe gedenft, 
macht die Autorjchaft feines Bruders im höchiten Grade verdächtig; daß Leifing 
in jener frühen Zeit, in welche, wenn er der Verfafler wäre, das Drama auf 
jeden Fall gehörte, einen Abjchreiber, zumal für ein einaftiges Werk, in Anfpruch 
nahm, ift äußerſt unwahricheinlih. Zudem erklärt mir Herr Bibliothefar und 
Profeſſor Dr. Hermann Defterley in Breslau, den ich, nachdem ich ſelbſt die 
— Handjchrift verglichen, um eine nochmalige Prüfung derielben bat, er jei bereit, 
einen Sachverftändigeneid darauf zu leiften, daß auch die Zufäge, Korrekturen 
und Nachichrift der „Zorade“ troß aller jcheinbaren Gleichheit nicht von Leſſings 
Hand heritammen. Das Stück wurde vielmehr an Leifing zur kritiſchen Durchficht 
gejandt, und bei diefer Gelegenheit fügte vermutlich der Dichter des Trauerſpiels 
jene Änderungen und Zuſätze der Abjchrift bei. Wer diejer Dichter war, dar— 
über fehlt vorläufig jede Andeutung; für den Herausgeber der Leilingiichen 
Schriften kommt diefe Frage übrigens weniger in Betracht. 

‚Ein paar Mal machte mir e3 die neue Vergleihung der Handichriften aber 
doch möglich, die bisher befannten Bruchitücke zu vermehren oder zu ergänzen. 
So bringt meine Ausgabe zum eriten Mal den Anfang des eriten Planes der 
„Fatime“, den vollitändigen eriten und zweiten Entwurf des „Schlaftrunts“, 
mehrere Zufäge zur „Matrone von Epheſus“ und einige zuvor nicht entzifferte 
Beilen im Entwurf des „Nathan“ Berner fonnte ich mehrmals in diefem Ent- 
wurf des „Nathan“ und bisweilen in andern Stücken Fleine Lücken von wenigen 
Silben ausfüllen, welche die frühern Herausgeber in den mitunter äußerft un— 
leferlihen Handichriften nicht zu enträtjeln vermochten. Manchmal auch gelang 
es, Kleine Irrtümer, welche die undeutliche Handichrift Leſſings verjchuldet Hatte, 
zu berichtigen. Gleichwohl blieb noch immer die eine und andere Stelle unauf- 
geklärt, und öfter, als ich wünſchte, mußte ich mich troß vielftündigem Bemühen 
Schließlich doch begnügen, nur vermutungsweile anzudeuten, was allenfalls hinter 
den unbejtimmten und flüchtigen Buchftaben der Originalmanufcripte ftecfen mag. 
Ungleich mehr Neues könnte ich mitteilen, wenn es nicht gegen die allgemeinen 
Grundſätze diefer Ausgabe veritieße, die urfprünglichen Lesarten der Handfchriften, 


die Lejfing während des Schreibens jelbjt gleich verbefjerte, al® Varianten unter 





dem Tert zu verzeichnen. Den Fachgenofjen, für welche gerade dieſe beftändigen 
Ummodelungen des Tertes während der Arbeit merkwürdig und Iehrreich ‚find, 
hoffe ich diejelben bald in einer wiljenichaftlichen Zeitichrift vollitändig vorzulegen. 

Wenn ſich jomit meine Ausgabe des theatraliichen Nachlaffes hinfichtlich 
des Umfangs der mitgeteilten dramatifchen Bruchitüce nur wenig von der Box— 
bergers unterjcheidet, jo weicht fie defto mehr in der Anordnung diefer Bruchftüce 
von den frühern Ausgaben ab. Schon Lachınann ordnete feiner Zeit die Frag: 
mente, die er kannte, nicht genau chronologisch; und er kannte faum die Hälfte 
der handjchriftlich erhaltenen Entwürfe. Wendelin v. Maltzahn konnte, befonders 


VII Borrede. 





auf Grund der Forſchungen Danzels, den theatraliichen Nachlaß beträchtlich ver— 
mehren, verwirrte aber auf eine mitunter unbegreifliche Weije die Reihenfolge der 
einzelnen Stücde noch mehr. Für Borberger, der die Anzahl der mitgeteilten 
Titel und Entwürfe fat auf das Doppelte brachte, lag die Sache viel ſchwieriger; 
gleichwohl bejeitigte er einige gröbere Irrtümer jeines Vorgängers. Allein den 
Bruchſtücken, die er ſelbſt zum erſten Mal veröffentlichte, mies er keineswegs 
immer den Plaß an, der ihnen nach der Zeit ihres Entjtehens gebührte, und 
manchem der bereit3 früher befannten Entwirfe wußte er diefen Pla nur ganz 
allgemein zu bejtimmen. Seitdem hat Auguft Sauer das Jahr, in welchem 
„Kleonnis“ verfaßt wurde, genauer feitgeitellt, und namentlih Erich Schmidt in 
feiner Biographie Leſſings zahlreiche ſchätzbare Winfe gegeben, nad denen fich, 
wenn auch nicht endgültig, doch jchon ziemlich ficher über die Entſtehungszeit der 
wichtigern unter den dramatiſchen Bruchſtücken urteilen läßt. Diefen Winfen hatte 
ich bei der Anordnung der Fragmente meistens zu folgen; im Anſchluß an 
Schmidts Daritellung juchte ich dann auch bei den Stücken, die er nicht näher 
betrachtete, Merkmale der Abfafjungszeit aufzufpüren. Sch glaube dabei alles, 
was mir dienen fonnte, beachtet zu haben, auch die Züge der Handichrift ſowie 
gewiſſe Eigentümlichkeiten der Nechtichreibung, die bet Leſſing je nach den Jahren 
mwechjelten (3. B. den Gebrauch des ß oder fj, des 3 oder B, des f oder ff, des 
n oder nn bei der Endfilbe in), ebenfo das Einjchieben oder Anhängen der Buch— 
ftaben x und e (3. B. darwider, alleine u. dgl.). Dft freilich erwieſen fich 
diefe Merkmale als nicht genügend; bisweilen mußte ich auch bei dem Mangel 
aller äußerlichen Entjeheidungsgründe einzig und allein nach dem Snhalt und 
Charakter, nach dem Stil und Ton eines überdies fehr furzen oder ziemlich farb— 
loſen Fragments urteilen. Nichts dejto weniger hoffe ich, daß meine Vermutungen 
über die zeitliche Reihenfolge dieſer dramatifchen Entwürfe in den meiften Fällen 
nahe zum Ziele treffen. 
Sch beginne mit den Stücken, welche der Student Leifing in Leipzig ges 
meinſam mit Chriftian Felix Weiße aus dem Franzöfifchen metrifch übertrug oder 
frei bearbeitete oder auch im Wetteifer mit dem Freunde jelbitändig entwarf, mit 
dem „Hannibal*, den jchon der Bruder des Dichters 1786 für deijen ältejten 
dramatischen Verſuch hielt, dem „Spieler“, „Giangir“, nah der Handichrift 
im April 1748 begonnen und durch den Stil wie durch den reimlojen Alerandriner 
als etwas jünger denn der gereimte „Hannibal” erwiefen, und dem „Leicht: 
gläubigen“, den Weiße in feiner Selbitbiographie ausdrücdlich in die Leipziger 
Univerfität3zeit verlegt, wie auch Karl Leſſing ihm in Verbindung mit der gleich» 
namigen zweiten Theaterarbeit Weißes aus jenen Tagen bringt. Darnach Fällt 
diejer Entwurf etwa in die zweite Hälfte des Jahres 1748; denn Weißes erfter 
jelbftändiger Verfuch im Drama, „Die Matrone von Ephejus“, wurde bald nach 
der Aufführung des Leſſingiſchen „Sungen Gelehrten” (im Januar 1748 auf der 

Neuber’ichen Bühne) vollendet. Durch diefe „Matrone von Ephejus“ wurde auch 
‚ Leifing zum Entwurf eines Luſtſpiels angeregt, das denjelben Stoff behandelte. 
\ Gleichwohl durfte ich die Leſſingiſchen Fragmente, welche diefen Titel führen, nicht 








Borrede. IX 





unter feine erften Leipziger Stüde jegen; denn jene Fragmente gehören unzweifel- 
haft jamt und ſonders in eine viel jpätere Zeit, und jelbit die älteften Teile der— 
jelben find, wie die Handichrift und der Stil beweift, mindeitens um ein Jahr: 


zehnt jünger als die Verjuche des Leipziger Studenten: von dem Plan, den dieſer | 


nach der befannten Erzählung des Vetronius 1748 aufzeichnete, ift ung feine Zeile 


erhalten. Hingegen gehört ficher noch der Univerfitätszeit das Schäferjpiel „Die 
beiderjeitige Überredung“ an, Leifings einziger Verfuch in diefer Art des 
Dramas, fein Zoll an bie gerade damals und bejonders in Leipzig herrichende 
Bühnenmode. 

Bon den Berliner Fragmenten ift die metrifche Überjeßung des „Gatilina“ 
am ältejten. Bon ihr jpricht Leifing bereits in einem Brief an feinen Vater von 
10. April 1749, und zwar mit Worten, aus denen man jchließen darf, daß die 
Überfegung damals ſchon begonnen, daß alſo wahricheinlich das uns erhaltene 
Stück derjelben, welches ja nur den Anfang des Traueripiels von Erebillon bildet, 
damals jchon vollendet war. In dem folgenden Brief an den Vater vom 28. April 
1749 fündigt er den „Freigeift“ an, dejlen Plan wohl erjt damals in feinem 
Geiſt auftauchte. Daran ichließt fich die Poflenoper „Tarantula“; fie dürfte 
im Auguft 1749 aufgelegt worden ſein, da fie mehrfach auf ein in der „Voſſiſchen 
Zeitung“ vom 31. Juli 1749 gedrucdtes erdichtetes Schreiben des angeblichen 
Unterichulmeifter8 Claus Steffen zu „Teltow an der Tyber“ anjpielte. Wenige 
Wochen jpäter wurde „Samuel Henzi“ entworfen. Der Berner Revolutionär 
war am 17. Juli 1749 enthauptet worden; die Berichte der „Voſſiſchen Zeitung” 
über fein und feiner Genoſſen Schickſal, welche die wichtigfte Quelle für Leſſing 
bildeten, zogen fich durch den ganzen Monat Auguſt hindurch), in vereinzelten 
Ausläufern jogar bis in dem Oftober hinein. Unter ihrem unmittelbaren Ein 
druck begann Leſſing fein Traueripiel, ſpäteſtens im Oftober, vielleicht ſchon im 
August oder September. Gleichfall8 noch aus dem Jahr 1749 ftammt nach der 


Angabe der Handichrift das Fragment „Weiber find Weiber“. Lejling mag. 


es in den legten Wochen diejes Jahres in Angriff genommen haben, als die 
eindringliche Beihäftigung mit Plautus in ihm die Abficht erwecte, Stoffe des 
römiſchen Luftipieldichters für unfere Bühne neu zu geftalten. Mit „Suftin“, 
der fich unmittelbar daran jchließt und etwa in den Anfang des Jahres 1750 
fallen dürfte, it „Weiber find Weiber“ gewifjermaßen als Vorarbeit zum „Schaß“ 
zu betrachten, den Leſſing jelbit in das Jahr 1750 verlegte. Das furze Bruch- 
ſtück der Überjegung von „Das Leben ift ein Traum“ ift durch das genaue 
Datum der Handichrift (23. August 1750) feſt beitimmt. Unmittelbar dahinter 
jtelle ich die, beiden inhaltlich rätielhaften Fragmente „Eraclio“! und „Fenir“, 
welche Borberger erit in die Breslauer Zeit jegt. Gegen diefe Annahme jpricht 
jedoch nicht viel weniger als alles, die Handjchrift, mehrere Merkmale einer frühern 





1 Die von Borberger gewählte Überfchrift des Enttvurfs „Eraclio und Argila” behielt ich 
J nicht bei, da augenſcheinlich eine eben ſo große, auch gleichartige Rolle wie Argila ihr Bruder Claudio 
ſpielen ſollte und überdies die Zujammenftellung jener beiden Namen leicht zu dem Mißverſtändnis 
führen könnte, daß der Lejer dabei an ein Liebespaar ftatt an Vater und Tochter dächte. 


X Porrede. 





Orthographie, die häufig gebrauchten Formen darwider, darmit, darzır, alleine, die 
jeit 1753 bei Leſſing mehr und mehr verſchwinden, namentlich aber die am Rand der 
Handichrift von „Eraeclio“ nebit ihrer deutichen Bedeutung angemerkten ſpaniſchen 
Wörter. Unter diejen befinden fich viele ganz gewöhnliche Ausprüde, die fich 
Leſſing nur in einer Zeit aus dem Wörterbuch auszujchreiben brauchte, als er noch 
jehr wenig Spanijch wußte. Das Bruchſtück „Eraclio“, vielleicht nur eine Über: 
jegung aus dem Spanifchen, gehört daher fiher den Monaten an, da Leſſing eben 
angefangen hatte, Spaniſch zu lernen, alfo etwa dem Herbit 1750. „Fenix“ aber 
deutet auf ähnliche Spanische Vorbilder oder ftoffliche Quellen wie „Eraclio“ und 
ift im Stil und Ton diefem Stücde fo verwandt, daß man auf eine gleichzeitige Ent- 
ftehung der beiden Fragmente fchließen müßte, auch wenn die erwähnten Eigentüm— 
lichkeiten der Handichrift, der Nechtichreibung und der Gebrauch derjelben alter= 
tümlichen Wortformen diefe Vermutung nicht noch bejtätigten. In die legten Mo— 
nate des Jahres 1750 verlege ich endlich das Bruchſtück eines Franzöfiichen Luft- 
ſpiels „Palaion“, in die Zeit, da Leſſing Voltaires Tiſch teilte; Erih Schmidts 
Vermutung, daß der junge Dramatifer bei diefem franzöfiichen Verſuch urjprüng- 
lich feine Abficht auf Voltaire und König Friedrich lenkte, trifft ficherlich das Richtige. 

Sn den Jahren 1751 und 1752 ift mit Gewißheit fein dramatischer Ent- 
wurf Lejfings nachzumweiien. Es fcheint faft, als ob feine bedeutend vermehrte 
journaliftiiche und kritiſche Thätigfeit in Berlin und feine ftrengeren, vieljeitigen 
Studien zu Wittenberg alle theatraliihen Pläne eine Zeit lang zurücddrängten. 
Grit während feines zweiten Berliner Aufenthaltes wurde das dramatische Snterefie 
durch die Herausgabe der „Iheatraliichen Bibliothek“ und durch die Vorarbeiten 
zu „Miß Sara Sampfon” wieder lebhafter und thatfräftiger. Etwa 1753 mag 
jo „Der gute Mann“, gleichzeitig damit oder unmittelbar darnad) „Der Vater 


ein Affe, der Sohn ein Jeck“ entworfen worden fein; die Verwertung Con— 


greve’scher Hauptmotive macht es wahrjcheinlich, wie bereit3 Erich Schmidt erfannte, 
daß beide Fragmente nicht allzu lange vor „Mit Sara“ entitanden. Einige ähn- 
liche Züge weilt „Die aufgebrachte Tugend“ auf, deren ausländische Vorlage 


bis jetzt noch nicht entdeckt ift. Auch hier Steht im Mittelpunkt der Handlung ein 


Liebhaber, der aus Politik andern, verheirateten Frauen neben feiner Geliebten 
den Hof macht und darüber Gefahr läuft, die Geliebte felbft zu verlieren. Aber 
ihon fehlt die dienſtfertige und ränkeſüchtige Lifette, die im „Guten Mann” bos— 
haft immer auf’3 nene die Intrigue fpinnt, und das Ganze jcheint ftellenmweije in 
die Bahnen des rührenden Luftipiel® auslaufen zu wollen. Vielleicht darf man 
deshalb das Stück an die Wende der Jahre 1753 und 1754 rücken, in die Zeit, 
da Leſſing fich theoretiich mit diefer modernen Sondergattung der Komödie abgab. 
Auch die „Die Großmütigen“ nähern fich in einigen Motiven dem rührenden 
Luftipiel; da fie überdies in der Handjchrift, Orthographie und auch in der Sprache 
mit den Fragmenten aus der zweiten Berliner Zeit übereinftimmen, reihe ich fie, 
wie zuerjt ſchon Danzel, unmittelbar an dieſe Stüde an. Genau diejelben Schrift: 
züge wie im Manufeript der „Großmütigen“ begegnen in dem des „Dorfjuns 
kers“. Auch was man aus den dürftigen Angaben etwa von dem Inhalt des 














Porrede. HM 





Stücks erraten kann, deögleichen die den Charakter andeutenden Namen einzelner 
Perſonen (3. B. Herr von Wahn) weiſen im allgemeinen auf die nämliche Zeit 
der Vorarbeiten zu „Miß Sara“ und auf engliiche Vorbilder; deutſch hat Leſſing 
derartig bezeichnende Namen nur noch in „Weiber find Weiber“ und in „Der 
Bater ein Affe, der Sohn ein Sec“ gebildet, während er ſonſt gewöhnlich die 
charakteriftiichen englijchen Namen beibehielt. Und gleichfalls in diefe Jahre ver: 
fege ich nach reiflichem Bedenken den Plan von „Ludwig und Aurora“, den 
Borberger um ein volles Jahrzehnt jpäter anſetzt. Daß aber Leſſing in Breslau 
- den „Gil Blas“, dem er den Stoff diejes Stückes entnahm, wieder las, beruht 
jchließlih doch nur auf mehreren geſchickt verfnüpften Vermutungen. Hingegen 
muß er zuverläffig um 1753 oder 1754 den Roman von Lejage, wenigitend das 
vierte Buch desjelben (welches eben auch den Stoff unſers dramatifchen Bruch: 
ſtücks enthält) gelefen haben, als er Thomſons Trauerjpiel „Tancred und Sigis— 
munda‘, das er in jenen Jugendjahren ja auch zu überjfegen begann, in der 
„Theatraliichen Bibliothek” beſprach. In dieje frühere Zeit deutet nicht minder 
die Handichrift und Orthographie des Fragments, vielleicht auch der Mangel einer 
genauen Scenengliederung in dem Entwurfe und das Motiv der Verkleidung, das 
Leſſing eben jo bebdeutfam in dem „Guten Mann“ verwertete. Ebenfalls 1754 
ſtizzierte der Dichter in der „TIheatralifchen Bibliothek” (in dem Auffa über den 
„Rafenden Hercules“ des Seneca) die Charafterentwiclung, die er, wie ein viel 
jpäterer Brief an jeinen Bruder lehrt, damals an dem Titelhelden eines Trauer: 
ſpiels „Maſſaniello“ darftellen wollte. 

Nach feiner Überfiedlung nach Leipzig im Oftober 1755 beichäftigte fich 
Leſſing eingehend mit Goldonis Lujtipielen. Schon am 8. Dezember fonnte er 
an Mendelsjohn jchreiben, er habe fih „Die glückliche Erbin“ diejes Dichters 
angeeignet, indem er ein Stück nach feiner Art daraus verfertigt; im folgenden 
Sahre ließ er die eriten Bogen desjelben druden. Dem gleichen Jahr 1756 gehört 
nach der handichriftlihen Angabe „Vor diejen“, die deutiche Bearbeitung des 
älteren, franzöftiichen Verſuchs „Palaion*, an. Dann löften aber eine Zeit lang 
ernjtere tragische Entwürfe, deren Stoffe großenteils in die antife Geſchichte zurück 
führen, die leichtere Luſtſpieldichtung nach engliichen, Franzöfiichen und italienischen 
Muftern ab. Die Reihenfolge derjelben hat in jüngiter Zeit Erih Schmidt wohl 


unumftößlich richtig beitimmt. Voran ſteht „Das befreite Rom“, 1756 oder « 
1757 aufgejeßt. Aus diefem Plan entwicdelte fich der einer „Virginia“, an der . 


Leſſing bereit vor dem 22. Oktober 1757 arbeitete, die er aber im Januar des 
folgenden Jahres jhon mit dem bürgerlichen Trauerjpiel „Emilia Galotti“ ver— 
taufcht hatte. In demjelben Briefe vom 22. October 1757, der uns die erfte 
Nachricht von dem Entwurf der „Virginia” gibt, verſprach Leſſing den Berliner 
Freunden, jo bald er ein paar ruhige Stunden finde, einen Plan zu einem befjeren 
„Codrus“ aufzujegen als der, welcher in Cronegks Trauerfpiel ihnen vorlag. 
Am 21. Februar 1758 föfte er fein Wort ein; in die Zwiſchenzeit fällt aljo jeine 
Beihäftigung mit diefem dramatiichen Stoffe. Zu Anfang des Jahres 1758 trug 
ſich Leifing wahrscheinlich auch mit dem Gedanfen an ein Traueripiel „Seneca“ 


XI Borrede 





Kleiſts gleichnantiger dramatischer Verfuch, der’ den befreundeten Dichter zu dem 
verwandten Plan anregte, wurde im Winter 1757 ausgeführt und am 19. Januar 
1758 vollendet. Und gleichfall8 aus dem Januar oder wenigitens aus den eriten 
Monaten diejes Jahres ftammt „Kleonnis“, der größere Vorläufer des „Philo— 
tas“, die Tragddie in iambiſchen VBerfen, nach der Gleim am 16. April 1758 un 
. geduldig verlangte. Darauf folgen „Das Horoſkop“, von Schmidt mit Recht 
dem Jahre 1758 zugewieſen, und die Fragmente des „Faust“, deren zweites am 
16. Februar 1759 gedruckt erichien und wohl nicht lange zuvor entitanden iſt; viel— 
leicht reicht auch das erfte der uns erhaltenen Bruchjtücte bis in das Jahr 1758 
zurück. Die Briefe Blankenburgs und Engel hingegen beziehen fih auf merklich 
jpätere, in Hamburg oder gar erit in Wolfenbüttel ausgeführte Umarbeitungen 
des früheren Planes. Ein beftimmtes Datum bietet wieder die Handjchrift der 
„Fatime“; die proſaiſche Ausführung derjelben wurde am 5. August 1759 be— 
gonnen. Kurz vorher wird alfo der iiberfichtliche ſeeniſche Entwurf entftanden jein, 
bald darnach die beiden Auftritte in Verjen, welche eine wejentliche Umgeſtaltung 
des urjprünglichen Planes vorausſetzen. 

Sn Breslau arbeitete Leiffing an einem Drama „Alcibiades“, deflen 
Titel er noch jpäter, als er feine Kolleftaneen ſammelte, zugleich mit denen des 
„Faust“, „Kleonnis“ und „Nero“ ſich aufzeichnete. Ob aber die beiden Entwürfe 
des Stücks, die uns in den Handjchriften erhalten find, in die Breslauer Jahre 
fallen, kann nicht feſt entjchieden werden; nur für den einen von ihnen it Diele 
Entitehungszeit bezeugt. Für welchen, ift nicht minder zweifelhaft. Doch macht 
es die inhaltliche Übereinftimmung der beiden Pläne wahricheinlich, daß Fein großer 
Zeitraum zwiſchen ihnen liegt. Es dürften alfo entweder beide der Breslauer 
Periode entjtammen oder auch der ältere Plan furz, bevor Leifing nad) Schleſien 
enteilte, in Berlin aufgezeichnet, der zweite Entwurf dann aber bald nad) der An— 
funft in Breslau niedergejchrieben worden fein. Schon den eriten Plan an das 
Ende des jchlefiichen Aufenthaltes, den zweiten aber nah Hamburg zu rücden, 
verbietet unter anderm eine gewiſſe Verwandtichaft des jprachlichen Stils in jenem 
eriten Entwurf mit dramatischen Fragmenten aus dem Ende der fünfziger Jahre. 
Im allgemeinen gleichzeitig damit, etwa zwijchen 1760 und 1765, während der 
VBoritudien zum „Laokoon“, alfo jedenfalls in Breslau ftieg in Leſſings Geifte der 
Gedanke an ein Drama „Philoktet“ auf, von dem außer dem-Titel nichts auf 
uns gekommen ift. In eine viel frühere Zeit möchte man nach dem ganzen Chas 
rafter des Fragments „Die Wiglinge“ verlegen; da jedoch darin auf Berjonen 
des „Triſtram Shandy“ angejpielt ift, jo kann das Stücd nicht vor 1759 ent- 
worfen jein. Andrerjeit3 macht der Name der Dienerin Lijette, den Leifing jpäter 
vermeidet, die Entitehung diejes Planes vor „Minna von Barnhelm“ wahrichein- 
lich. Nun ergibt jih aus einem Briefe Mendelsjfohns vom Mai 1763, daß Leſſing 
in jenem Frühling den Roman Sternes mit Entzücden las und fih in einem nicht 
mehr erhaltenen Schreiben vor dem 17. April 1763 darüber gegen Mojes Außerte. 
In dieſer Zeit alfo, nicht lange, bevor er den Gedanken faßte, die „Minna” zu 
dichten, wird er „Die Witzlinge“ entworfen haben. 














- Borrede. XII 





Aus den Jahren, die Leſſing der Arbeit au der „Minna“ widmete, ift ung ' 
fein anderer dramatiiher Plan erhalten. Erjt nach der Vollendung diejes Luſt- 


ſpiels entitanden die Fragmente des „Schlaftrunks“, zufolge dem Bericht des 
Bruders 1766 zu Berlin der erite, kurze Entwurf, 1767 zu Hamburg der zweite, 
umftändlichere Plan und die Ausführung der eriten anderthalb Aufzüge. Im 
August 1767 wurde der Druck begonnen, 1768 die abgejegten drei Bogen auf 
neue® Papier umgedrudt. In die gleiche Zeit fällt vermutlich alles, was von 
der „Matrone von Epheius“, einem der früheiten Entwürfe Leſſings, auf 


uns gekommen ift. Der erite, furze Plan des Stücks könnte der Handichrift nach 


allenfalls auch dem Ende der fünfziger Jahre angehören; wahrjcheinlicher entitand 
auch er erit 1767 in den’erften Monaten des Hamburger Aufenthaltes. Sicherlich 
gehört in dieje Zeit, etwa in den Anfang des Septembers 1767, der zweite, 
breitere Entwurf, und auch die endgültige Ausführung des Fragments, die eben 


— 


falls nicht in Einem Zug erfolgte, fällt wohl nicht ſehr viel ſpäter. Auf Ham- 


burg deutet unter anderm Leſſings Aufzeichnung auf der legten Seite des Konzeptes, 
die lauter Hamburger Pläge und Straßen betrifft. Ob auch die Reinjchrift der 
uns erhaltenen Scenen noch in Hamburg oder jhon in Wolfenbüttel angefertigt 


wurde, ilt Schwer zu entjcheiden. Länger als bis in die erite Hälfte des Jahres | 


1771 hat fich die gelegentliche Arbeit Leifings an der „Matrone von Ephejus“ 
faum erjtredit; ala „Emilia Galotti“ neuerdings jein ganzes Dichten in Anſpruch 
nahm, ſchwand ihm bald völlig das Intereſſe an dem ſpröden Luitipielitoff, deſſen 
Bearbeitung im Weſen doch nur eine ftiliftiiche Vorübung auf jenes Traueripiel 
blieb. An die epigrammatiich zugeipiste Sprache der „Emilia“ erinnern übrigens 
ſchon in dem ausführlicheren Entwurf der „Matrone von Epheſus“ mehrere Stellen, 
die allein auch ohne weitere Gründe eine frühere Entftehung diejes zweiten Planes 


unwahricheinlihd machen würden. Desgleihen mahnt in der Schlußjcene die ° 


Verlobung der Dienitboten, die dem Beijpiel ihrer Herren folgen, an den Aus— 
gang der „Minna“. Geradezu in den Herbit 1767 weiſt aber der dritte Auftritt 
diejes zweiten Entwurfes. Der Traum Antiphilas dajelbit ift wohl ohne Zweifel 
dem Traum Gaddos im zweiten Aufzug de „Ugolino“ nachgebildet; Leifing hatte 
aber Gerjtenbergs Tragödie am 4. August 1767 eben gelejen. 
Gleichzeitig tauchte der Plan eines Trauerfpiels „Arabelle“ auf, welches 
Boie ſchon amt 16. December 1767 demnächit erwartete und Ebert bis zum 7. Januar 
1770 wiederholt dem befreundeten Verfaſſer ins Gedächtnis rief. Auch die färg- 
lichen Bruchftüce des „Saleerenjflaven“ fallen in das Jahr 1767 oder 1768, 
Das franzdfiihe Drama von Falbaire, welches dem Leſſingiſchen Entwurf zu 


Grunde liegt, „L’honnete criminel ou l'innocence reconnue*, erjchien 1767, in 


deutſcher Überjeßung zu Leipzig 1768. Daß aber Leifing gleich; damals fich 
anjchiekte, das franzöfiiche Stück zu bearbeiten, beweiſen die Worte, welche er 
auf die Nückjeite des Blattes jchrieb, worauf er feinen Plan aufzeihnete: „ES 
folgt nit — daß er darum ein Zeitverwandter des Polyfrates und Cröſus 
‚geweien. Poly. und Cröſus“. Dieje Worte gehören dem zweiundzwanzigſten 
der „Antiquariichen Briefe“ an, welcher im erjten Teil diefer Briefe 1768 erſchien 


XIV Borrede. 





und laut Leſſings Schreiben an Nicolai ſchon vor dem 5. Jult dieſes Jahres ver- 
faßt wurde: 

Daran reihe ich die Titel zu dramatifchen Entwürfen, welche Lejling in 
den (ſeit 1768 angelegten) Kolleftaneen nennt. Ich ftelle „Nero“ voraus, obgleich) 
der Gedanke an dieje Tragödie den Dichter noch 1779 bejchäftigt zu haben fcheint, 
da fie gemäß den Worten im Kolleftaneenheft zu den Stücken gehörte, die Leifing 
„zum Teil projeftiert, zum Teil ſchon auszuarbeiten angefangen“ hatte, als er die 
übrigen tragiſchen Sujets erſt in allgemeinen, noch ganz unbeſtimmten Umrifjen 
aus den Quellenfchriften ſich anmerfte. Sch habe für dieſe die Titel beibehalten, welche 
Borberger ihnen gab: manchmal zwar unterjcheiden fie die einzelnen Stoffe nicht 
icharf genug; aber bei unfrer mangelhaften Kenntnis derjelben und der Pläne, 
die Leifing damit verband, ift e& nicht wohl möglich, befjere Titel dafiir ausfindig 
zu machen. Nicht einmal den Namen des unglücklichen Königs von Siam vermag 
ich genauer anzugeben, da Leſſings Gewährsmann de l'Isle ihn nicht nennt. 
Ähnlich verfuhr ich mit den gleichfalls in den Kolleftaneen verzeichneten komiſchen 
Sujet3; nur betitelte ich deren erftes „Der Betrübte* im engeren Anſchluß an 
die Worte in der „Dramaturgie“, auf die Leſſing ſelbſt vermweilt. Obgleich noch 
nicht in den Kolleftaneen ‚erwähnt, reicht doch wohl auh „Spartacus“ mit 
jeinen Anfängen in die Hamburger Zeit zurüd. In Leſſings Briefen begegnet 
er ung zuerſt im Dezember 1770, doch nicht al ein Werk, deſſen Gedanke jegt 
zum eriten Male völlig neu in der Seele des Dichters aufftieg. Bis in den Früh— 
ling 1775 hinein bejchäftigte jich diefer immer wieder mit diefem Stüd. Nach 
Wolfenbüttel Hingegen fallen die zwei Pläne zu Nahfpielen mit Hansmwurft, 
beide den „Facetiae* des Poggio entnommen. Mit den leßtern befaßte fich Leſſing 
näher gelegentlich jeiner Forfhungen zur Geichichte der Fabel; man darf alio 
die Entwürfe der beiden Nachipiele etwa in die Jahre 1771 bis 1773 verlegen. 
Im Winter 1774/1775 oder jpäteitend im folgenden Frühling entitand das 
Fragment „Werther der Beſſere“; den Goethe’ihen Roman Hatte Leſſing 
im DOftober 1774 gelefen. Immer dürftiger werden nun die Nachrichten über 
weitere dramatiiche Pläne unſers Dichters. In den am 1. Auguſt 1777 ange 
fangenen Aufzeichnungen „Zur Gejchichte der deutichen Sprache und Litteratur“ 
merkte er fich die Erzählung von einer Ehebreherin aus den „Gesta Roma- 
norum* als Stoff für eine Tragödie an. In demjelben Herbit dachte er daran, 
Galderons „Richter von Zalamea“ volllommen zu verdeutichen, nicht bloß 
zu überjegen; am 20. September bat er feinen Bruder, ihm die franzöftiche Über: 
tragung diejes Stüces im „Mercure de France* zu ſchicken. In das nächite 
Sahr 1778 fällt in der Hauptſache der profaische Entwurf des „Nathan“, dejien 
Handichrift in ihren mannigfahen Teilen und Teilchen feine bedeutenden zeitlichen 
Unterjchiede aufweiſt, und aus der gleichen Zeit ftammt der Gedanke des Nach— 
jpiel8 „Der Derwiſch“, wovon in den Briefen Leſſings an jeinen Bruder aus 
den eriten drei Monaten des folgenden Jahres mehrmals die Rede iſt. Im Mai 
1779 tauchte die Abficht eines Trauerjpiel® „Der fromme Samariter” auf,, 
die Leſſing mindeſtens bis zum Ende des Jahres feithielt. Endlich beftimmte ihn 


u u a u a 











Borrede. | xV 


ein Verjprechen, das er der Hamburger Theaterleitung gegeben hatte, ſeit dem 
November 1780 den „London-Prodigal“ der ältern englijchen Bühne neuer: 
dings durchzugehen, um auf diefer Grundlage ein eignes Drama aufzubauen. 

Außerdem hat uns Karl Leifing noch drei Titel zu Stücken feines Bruders 
überliefert, über deren Inhalt ich jo wenig wie über die Zeit, da Leſſing fich mit 
diefen Plänen trug, eine Vermutung aufzustellen wage. Möglich, daß der erite 
bon ihnen nicht „Die Gebrüder Denner”, wie Karl las, jondern „Die Gebrüder 
Dürer” lautet und ſich auf den Entwurf bezieht, der in der Handichrift nur „Die 
Großmütigen“ betitelt ift. Da ich aber unter den Breslauer Papieren das Blatt 
nicht fand, worauf jener Titel fteht, wollte ich nicht ohne fichern Grund hier einen 
Leiefehler annehmen und den von Karl erwähnten. Namen eines jonjt völlig 
unbefannten Zuitipielplans ungenannt laſſen. Mit diefen drei chronologiich nicht 
beitimmbaren Titeln bilden die „Komijchen Einfälle und Züge“ den Schluß des 
theatraliichen Nachlaſſes. Die leßteren gehören zwar der allerfrüheiten Zeit Leſſings 
an: nach ihrem Inhalt und Stil, ebenio nach) der Handichrift und Orthographie 
zu jchließen, fallen fie noch in die Leipziger Studententage oder in die eriten 
Berliner Jahre, allem Anjcheine nach nicht nach 1750; da fie aber nur eine Art 
von Anhang zu den dramatiichen Entwürfen bilden, nicht jelbit Teile von ihnen 
find, jo glaubte ich den Plaß nicht verändern zu jollen, den ihnen hinter den 
dramatischen Bruchitücen die frühern Herausgeber angewieſen haben. 

Die einzelnen Abjchnitte der verichiednen Entwürfe find bereits von diejen 
meinen Vorgängern nad Angabe der Handichriften fait überall richtig geordnet 
worden. Nur einige wenige Male (in „Fatime“, im „Schlaftrunf“ und hie und 
da in der „Matrone von Ephefus“) habe ich ein paar Scenen an andrer Stelle als 
fie eingereiht; ich hoffe, daß hier in jedem einzelnen Falle mein Verfahren ſich von 
jelbjt rechtfertigen wird. Sp weit als möglich, juchte ich überall die verichiednen 
Entwiclungsftufen zu jondern, welche wir bei der Arbeit Leifings an einem und 
demjelben dramatischen Plane wahrnehmen. Äußerlich trennte ich dieje zeitlich 
unterichiedenen Entwürfe durch Fleine Striche (wie die Dramen jelbft durch große 
Strihe); was Hingegen auf der gleichen Entwiclungsitufe fteht, aljo zu dem 
nämlichen (eriten, zweiten oder dritten) Entwurf eines mehrfach umgemodelten 
Stückes gehört, jonderte ich durch Sternchen. Nur bei der projaiichen Skizze des 
„Nathan“ machte die eigentümliche Form der Handjchrift eine andere Bedeutung 
diefer Zeichen notwendig. Die Blätter des Manuferipts, welches Borberger aus— 
führlich bejchreibt, find nämlich in der Mitte gebrochen. Auf der innern Hälfte 
derjelben zeichnete Leſſing meiſtens die allgemeinen Umrifjfe der Handlung auf; 
auf die äußere Hälfte jchrieb er die Bruchſtücke des Dialogs, jo weit er dieje 
ſchon jet entwarf. Neichte bei nachträglichen Einfchaltungen oder Korrekturen 
der Raum hüben oder drüben nicht aus, jo benüßte er wohl auch den freien Platz 
nebenan und deutete durch allerlei Zeichen die Stellen an, welche dieſen jpäteren 
Zufägen gebührten. Da es niemals der Zweck meiner Ausgabe jein konnte, folche 
Äußerlichkeiten der Handichrift, welche fich im Druck überdies unſchön ausnehmen 
und den Lejer bisweilen nur verwirren würden, getreu nachzubilden, jo habe ich 


XVI Borrede. 





regelmäßig Scene für Scene zuerit die allgemeine Angabe des Inhalts (aljo, 
was Lejjing meiſt auf den innern Rand fchrieb), darnach, dur ein Sternchen 
davon getrennt, die Anfänge des Dialogs mitgeteilt, in leßteren aber ſogleich die 
von dem Verfaſſer angezeigten Einfchaltungen eingefügt, gleichviel ob jie rechts 
oder links in der Handjchrift ftehen. Diejer zweite Teil der einzelnen Scenen 
mit dem Entwurf des Dialog3 zerfällt öfter wieder in zwei oder mehrere Ab— 
jchnitte, welche verjchiednne Entwiclungsphafen der dichterifchen Arbeit bezeichnen ; 
dieſe Abjchnitte Habe ich, ähnlich wie das in der Handichrift meiſtens ſchon der 
Fall ift, durch eine Zeile Durchſchuß im Druck angedeutet. Die Schlußbemerfungen 
zum „Nathan“, teils auf den leßten Seiten des Quartheftes, welches das aus— 
führlihe Scenar enthält, teil® auf loſen Blättern verzeichnet, find durch Fleine 
Striche von dem eigentlichen Scenenentwurf getrennt, ohne daß dadurch angezeigt 
werden ſoll, fie gehörten frühern oder jpätern Entwicklungsſtufen der Arbeit am 
„Nathan“ an. Bei feinen nachträglichen Korrefturen des Dialogs in der Hand- 
Schrift hat Leſſing manchmal vergefjen, die urfprüngliche Faſſung der Rede aus— 
zuftreichen. In diefem Falle durfte ich, wie jonft regelmäßig bei Änderungen, die 
der Verfaſſer noch in der Handichrift vornahm, nur die legte, nicht aber auch die von 
Leſſing ſelbſt jogleich verivorfene erſte Ausdrucksform mitteilen. Aus diefem Grund 
enthält mein Abdruck manches nur einmal, was Borberger und zum Teil vorher 
ſchon Danzel doppelt angeben. Maltzahnı hat in folchen. Fällen willfürlich bald 
beide Faflungen, bald nur die zweite gejeßt. Das lettere wird ihm in der Hempel’- 
fchen Ausgabe, deren bejondere Vorzüge, gerade was den Entwurf des „Nathan“ 
betrifft, ich durchaus nicht verfenne, mit Unrecht als Fehler angerechnet, und ich 
vertwahre mich hiermit ausdrücklich gegen einen ähnlichen unbegründeten Vorwurf. 

Geändert habe ich wieder, wie in den beiden borausgehenden Bänden, nur 
offenbare Druck- und Schreibfehler. Bei den leßteren war ich vielleicht jogar ängit- 
licher als vordem. Sp habe ich im theatraliichen Nachlaß peinlich genau alle Eigen 
tiimlichfeiten der Schreibung Leſſings, ja ſelbſt alle Nachläffigfeiten feiner Inter— 
punftion beibehalten und 3.8. an dem franzöftichen Entwurf „Palaion“ viel weniger 
gebeſſert als Danzel und jeine bisherigen Nachfolger. Die im vorigen Sahrhundert 
zum Teil noch übliche ältere franzöſiſche Orthographie durch moderne zu erjeßen 
und die zahlreichen Accente einzufügen, welche Leſſing fich Halb im Einklang mit 
jener ältern Schreibung, halb aus bejonderer Bequemlichkeit eriparte, wie das 
die frühern Herausgeber thaten, dazu hielt ich mich nicht für befugt; noch weniger 
durfte ich gewiſſe ſprachliche Irrtümer bejeitigen,.die gerade für die franzöfiichen 
Kenntniſſe des jungen Schriftitellers jehr bezeichnend find. So verbefjerteih auh - 
hier «nur die augenfälligiten Schreibfehler und fügte nur folche Accente ein, die 
Lejling unzweifelhaft aus Verjehen das eine und andre Mal, nicht aber jolche, 
die er regelmäßig wegließ. Außerdem verjah ich wieder die Wörter Sie, Ihnen, 
Ihr, Eud, Er, Sein u. f. w. bei der Anrede überall mit großen Anfangs— 
buchitaben, auch wo Leſſing fie ſtets Hein fchrieb, wie in den erſten Druden des 
„Damon“ und der „Alten Jungfer*, in den Manufcripten des „Hannibal“ und 
der ältejten dramatiichen Entwürfe. Später ſchwankt in den Papieren des theatra= 














Borrede. XVII 





liſchen Nachlaſſes die Schreibung, bis zuletzt die großen Anfangsbuchſtaben durch— 
aus den Sieg behalten. In gleicher Weiſe habe ich, wo der erſte Druck des 
„Nathan“ gegen die ſtrenge grammatiſche Regel ſchwache Kaſusformen (z. B. allen, 
andern) hat, die der zweite oder dritte Druck in die richtigen ſtarken Formen (allem, 
anderm) ändert, die abweichende Lesart nicht angemerkt. Denn Leſſing ſchrieb 
damals ſchon jo undeutlich, daß nn und m bei ihm kaum mehr zu unterſcheiden 
war; die grammatiich ungenauen Formen, die er gleich darnach jelbjt verbefjerte, 
find daher wohl als Lejefehler des Setzers zu betrachten, nicht al3 Gigentümlich- 
feiten des Schriftitellers wie in frühern Jahren, da diefer in der That zwijchen 
beiden Formen jchwanfte. 

Wenn, wie ich mir fchmeichle, durch meine Arbeit in diefem Bande die 
Kenntnis der Leſſingiſchen Schriften neuerdings gefördert wird, jo verdanfe ich 
das in erfter Neihe der gütigen Bereitwilligkeit, mit welcher die Verwaltung der 
fönigliden und Univerfitätsbibliothef in Breslau die Papiere des 
Leſſingiſchen Nachlaſſes mir auf mehrere Wochen zur Benügung überließ. Nach: 
träglich hatte noch Herr Profeſſor Dr. Hermann Defterley die Freundlichkeit, 
in einigen mir befonders wichtigen Punkten nochmals die Handjchriften zu prüfen 
und jo mein Urteil zu beftätigen oder zu berichtigen. Herr Banquier Ernſt 
Mendelsjohn- Bartholdy in Berlin ließ mich in jeinem Haufe die Hand» 
jchrift des Entwurfs zum „Nathan“ neu vergleihen und jandte mir überaus 
zuborfommend jogar die beiden Hefte, in denen Leſſing die verjchiednen Pläne 
und Skizzen der „Matrone von Epheſus“ aufzeichnete, auf längere Zeit hierher 
nah München. Herr Landgerichtödireftor Robert Leſſing in Berlin, deſſen 
Aufſatz über die Unterjchiede der echten Drude des „Nathan“ in der Sonntags- 
beilage zur „Voſſiſchen Zeitung“ vom 6, Februar 1881 dem Herausgeber manchen 
brauchbaren Wink gibt, ftellte mir die überaus jeltne Originalausgabe der „Alten 
Jungfer“ zur Verfügung. Die Direktion der Münchner fgl. Hof- und 
Staatsbibliothef vermittelte mir wieder, wie früher, in liebenswürdigiter 
Weiſe die von auswärts an mich geichieten handjchriftlichen Schäße. Endlich bin 
ich für die Entzifferung der jchwierigiten, nur durch Konjektur zu enträtjelnden 
‚Stelle in der „Matrone von Ephejus“ (S. 443, 3.3) Herrn Brofefjor Dr. Michael 
Bernays in München, für fteten Nat und Beiltand bei der Korreftur meinem 
Verleger zu aufrichtigem Dank verpflichtet. 


München, im Juni 1887. 
Fran Munker. 


Leſſing, jümtlihe Schriften. ILL. II 


Tat m 














Inhalt. 


Seite 
Nathan der Weije. Ein Dramatifches Gedicht, in fünf Aufzügen. . 1 


Dramatiſcher Anhang. 
x Damon, oder die wahre —* Ein Luſtſpiel in einem 





use RIES 
>“ Die Alte Jungfer. Gin Luſtſpiel in Aufzůgen N 
Theatraliſcher Nachlaß. 
(Hannibal. Nah Marivaur.]-. -. » » . AN —— 
[Der Spieler. Nah Regnard.) . . . 246 
Giangir, oder der verſchmähte Ehron. Verſuch eines Trauerfpield 247 
Der Leihtgläubige. Ein Luftipiel in fünf Aufzügen . . . . . .. 252 
Die beyderjeitige Heberredung. Ein Schäferipiel .-. . . . . 256 
Gatilina. Ein Trauerjpiel des er Bow Grebilion, :: . ............ 008 
X Der Freygeiflt. . . . EEE 
Tarantula. Eine BohenOper. ee A pe Me DE RE 
| Samuel Henzi. Ein Trauerſpiel . . a N. 
Weiber find Weiber. Ein Luftjpiel in 5 Aufaögen. a ba 
JJuſtin. Nach dem Pseudolus des Plautus.] . . . 299 
Das Leben ift ein Traum. Ein Schauspiel aus beim Spamſchen des 
Don Pedro Calderon de la Barca überießt . . . 2 2... 303 
nenn. 08 
DER, . N —— 
Palaion. Comedie ı en un ER a Te 
Der gute Mann. In fünf Aufzügen . . . 27 7 
Der Vater ein Affe, der Sohn ein Se In fünf Aufggen > 
Die aufgebradte Tugend. . . ; N 
en ee OR 
EBENE PIESSKG EEE; = | 
ie BR 
[MaſſanielloJ. . . 331 
Die Claujel im — — SD stüdtige 6 Ein. Ein Salt 
ipiel in fünf Aufzügen. . . . 1 .. "308 


Vor — Ein Luſtſpiel in einem Aufzuge J 06666 





ı XX Inhalt, 





Das befreyte Rom. 
[|Birginia.] 

[Eodrus.]. 

[Seneca] . 

Kleonnis. Ein aneriplet in fünf auhigen 

Der Horoscop. Tragödie, 

D. Fauſt 

Fatime. Ein ———— 

Alcibiades. — Alcibiades in TERN j 
[Bhiloftet.].. EL, 

Die Wißlinge. 

Der Shlaftrunf. Em Luſiſpiel im’ * Yufzügen 


Die Matronepon a Ein N in einem — 


[Mrabelle.] 

[Der Saleerenftiave] 

[Rero.] . ! % 

[der — PNTD } 

[Die feindlichen Brüder]. 

[Mathildiz.] { ; 

[Die Demoftraten.]. ELTERN EORZER ES ERR 
Der König: bon Siem uni) 
|Drahomira.] . — | 

[Epponina.]. 

[|Sinnadon.]. 

[Der Betrübte.] 

Mylord Roß.J. 

[Der en . 

Spartacus . \ = 

[Das Koboldden.] .. 

[der Stadtridter.]. 

Werther, der befjere. 

[Die Ehebrederin.] 

[Der Richter on Salames]. 

Nathan der Weije; in 5 Aufzügen 

|Der Derwiſch, ein Nachſpiel zum Nathan.]. i 
[Der fromme Samariter, ein Tranerjpiel in 5 Yufzügen.] ._ 
[London-Prodigal.] — 
[Die Gebrüder Rear, 

[Tonjine.] i . 

[Ernitvon Ständig]. Er 

Comiſche Einfälle und Züge 


— — — — 














Dathan der Weile. 


Ein Dramatilhes Gedicht, in fünf Hufzügen. 


Introite, nam et heie Dii sunt! 
APVD GELLIVM. 


[Die Handihrift, welche Engel beſaß, ift verichollen. Gebrudt erfhien das Drama 1779 in 
drei echten Ausgaben. Die erjte, auf Subffription veranftaltet, (2 Blätter und 276 Seiten 8%) hat 
auf dem Titel unter dem Namen des Verfaſſers nur die Jahrszahl 1779 (= 1779a); die zweite 
(2 Blätter und 240 Seiten 8%) bat den Zufag: „Mit Churfürftl. Sächſiſchem Rrivilegio. Berlin, bey 
Chriftian Friedr. Voß und Sohn, 1779.” (= 1779b). Genau den gleichen Umfang und Titel weiſt 
die dritte Ausgabe auf, deren Korrektur jedoch vermutlich nicht von Leſſing felbit oder von jeinem 
Bruder gelefen wurde (= 1779c); der Drud derjelben beruht auf 1779b. Die nämliche Ausgabe 
iſt auch den jpätern Voſſiſchen Druden zu Grunde gelegt, jo der bereits in einigen Stellen moderni— 
fierten „dritten Auflage” von 1791, dem Abdruck im achtzehnten Teil der ſämtlichen Schriften von 
1793 und den übrigen Ausgaben. Der folgende Drud beruht auf 1779c; doc find die zahlreichen 
Drudfehler diefer Ausgabe nach 1779b, unter Umftänden auch nach 1779a verbefjert, wie das feiner 
Zeit ſchon Lachmann und jüngjt wieder Karl Robert Leifing in feiner Jubiläumdausgabe 1881 that. 
Dagegen wurde eine unechte Ausgabe (255 Seiten 8), die im Titel und fogar in den meijten Drud- 
fehlern mit 1779a übereinftimmt und ſelbſt wieder in drei Druden vorliegt, nicht zur Verbefjerung 
 berbeigezogen. Der Entwurf des Dramas befindet fich im theatraliſchen Nachlaß am Schlufje die— 
ſes Bandes.] 





Sejfing, ſämtliche Schriften. ILL 1 


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Be —— ——— 





F * * — 9 — 
EN 2er — or 
in — * 
⸗ * — 
ER 
* 
Perſonen. 


Sultan Saladin. 

Silkkah, deſſen Schweſter. 

Bathan, ein reicher Jude in Jeruſalem. 

Reha, deſſen angenommene Tochter. 

Daja, eine Chriftinn, aber in dem Haufe des Ziden, als 6 
ichafterinn der Recha. 

Ein junger Tempelherr, 

Ein Derwiſch. 

Der Pakriarch von Serufalen. 

Ein Klofterbruder, Br: 

Ein Emir nebſt verſchiednen Mantelnken des Saladin. 





Die Scene it in Jeruſalem. 


















| Erſter Aufzug. 


Erſter Auftritt. 


(Scene: Flur in Nathans Haufe,) 


Daja. 
ri es! Nathan! — Gott jey ewig Dank, 
3 Ihr doch endlich einmahl wiederfommt. 
Dathan. 
— Gott ſey Dank! Doch warum endlich? 
ab' ich denn eher wiederkommen wollen? 
) wiederfommen können? Babylon 
von Serufalem, wie ich den Meg, 
t ab bald rechts, bald links, zu nehmen bin 
nöthigt worden, gut zwey hundert Meilen; ! 
Schulden einkaſſiren, iſt gewiß 
— ——— das merklich föbert, das 


a 


ER 3 — O Nathan, 
d, elend hättet Ihr indeß | 
fönnen! Euer Haus... 
e Batihan. 
* Das brannte. 
vernommen. — Gebe Gott, 
ſchon vernommen habe! 


* 


Bathan von der. Reife tommend. Daja ihm entgegen. 


10 


4 Bathan der Weife. 





Daja. 
Und wäre leicht von Grund aus abgebrannt. 
Datham 
Dann, Daja, hätten wir ein neues ung 
Gebaut; und ein bequemeres. 
Daja. 
Schon wahr! — 
Doch Recha wär’ bey einem Haare mit 
20 VBerbrannt. 
Daihan. 
Verbrannt? Wer? meine Reha? fie? — 
Das hab’ ich nicht gehört. — Nun dann! So hätte 
Sch Feines Haufes mehr bedurft. — Verbrannt 
Bey einem Haare! — Ha! fie ift es wohl! 


Sit wirklich wohl verbrannt! — Sag’ nur heraus! 
25 Heraus nur! — Tödte mich: und martre mich 
Nicht länger. — Fa, fie ift verbrannt. 
Daja. 
Nenn fie 
Es wäre, würdet Ihr von mir es hören? 
| Dalhan. 


Warum erjchredeit du mich denn? — O Recha! 
D meine Reha! 
| Daja. 
Eure? Eure NRedba? . 
Balhan. 
30 Wenn ich mich wieder je entwöhnen müßte, 
Dieß Kind mein Kind zu nennen! 
Daja. 
Kennt hr alles, 
Was hr bejigt, mit eben jo viel Nechte 


Das Eure? 
Dathan. 


Nichts mit gröſſerm! Alles, was 
Ich ſonſt beige, hat Natur und Glüd 
35 Mir zugetheilt. Dieß Eigenthum allein 
Dank' ich der Tugend. 




























a O wie En, laßt 
{ — Güte, Nathan, mich bezahlen ! 
in Güt’, in folder Abficht ausgeübt, 
ch Güte ro kann! 
= Bafhan. 
Br An ſolcher Abſicht? 
In welcher? 
* Daja. 
Mein Gewiſſen ... 
Dathan. 
Daja, laß 
ie Dingen dir 
| Daia. 
m Mein 
jewillen, jag’ ich... 
Rn Bafhan. 
Was in Babylon 
x einen ſchönen Stoff ich dir gekauft. 
Bus, und mit Geihmad jo reich! Ich bringe 
ir Recha ſelbſt kaum einen ſchönern mit. 
Daja. 
8 hilfts? Denn mein Gewiſſen, muß ich Euch 
Eee, läßt ſich länger nicht betäuben. 
Dathan. 
e die Spangen, wie die Ohrgehenke, 
ing und Kette dir gefallen werden, 
Damascus ich dir ausgejucht: 
anget mich zu jehn. 


A (78 Ex 


Daja. 

—— So ſeyd Ihr nun! 

nur könnt! nur ſchenken könnt! 

| Bathan. 

, ala ih dir geb’: — und ſchweig! 
2 Daja. 

3 Air zweifelt, Nathan, daß Zhr nicht 


45 


6 Bathan der Meile. 








55 Die — die Großmuth ſelber ſeyd? 


Und doch. 
Dalhan. 
Doch bin ich nur ein Jude. — Gelt, 


Das willit du jagen? 
Daja. 


as ich jagen will, 
Das wißt Ihr beiier. 
DBalhan. 
Nun jo ſchweig! 
Daja. 
Ich ſchweige. 
Was Sträfliches vor Gott hierbey geſchieht, 
60 Und ich nicht hindern kann, nicht ändern kann, — 
Nicht kann, — komm' über Euch! 
Balhan. 
Komm’ über mich! — 
Wo aber it jie denn? wo bleibt fie? — Daja, 
Wenn du mich bintergehit! — Weiß ſie es denn, 
Daß ich gekommen bin? 
Daja. 
Das frag’ ih Euch! 
65 Noch zittert ihr der Schred durch jede Nerve. 
Noch mahlet Feuer ihre Phantafte 
Zu allem, was fie mahlt. Im Sclafe wadıt, 
Im Wachen jchläft ihr Geiſt: bald weniger 
AS Thier, bald mehr- als Engel. 
Dathan. 
Armes Kind! 
70 Was find wir Menjchen! 
Daja. 
Diejen Morgen lag 
Sie lange mit verihloßnen Aug’, und war 
Wie todt. Schnell fuhr fie auf, und rief: „Hoch! horch! 
„Da kommen die Kameele meines Vaters! 
„Hoch! jeine janfte Stimme ſelbſt!“ — Indem 
75 Brad) fich ihr Auge wieder: und ihr Haupt, 


























E n kom 5 ©: ztüte fh entzog, 
türzt u düſſen. — Ich, zur Pfort’ hinaus! 
nd ih: da Ihr wahrlich! kommt Ihr wahrlih! — 
3 Wunder! ihre ganze Seele war 
ie Zeit her mır bey Guch — und ihn. — 
Be 2 Dathan. 
= | Bey ihm? 
—* Ihm? 
a Daja. 
— Bey ihm, der aus dem Feuer 
ie rettete. 
| Dalhan. 
* Wer war das? wer? — Wo iſt er? 
r vettete mir meine Recha? wer? 
Daja. 
in junger Tempelherr, den, wenig Tage 
uvor, man hier gefangen eingebracht, 
In Saladin begnadigt hatte. | 
Dathan. 
Wie? 
1 Tonpelder, dem Sultan Saladin 
s Leben ließ? Durch ein geringres Wunder 
—— nicht zu retten? Gott! 
Daja. 
Ohn' ihn, 
er ſeinen unvermutheten Gewinſt 
chr wagte, war es aus mit ihr. 
TB Dathan. 
| x, Doja, diejer edle Mann? — 
it er‘ n. * mich zu ſeinen Füßen. 
— vors erſte, was an Schätzen 
ı hatte? gabt ihm alles? 
Se ihm Be weit mehr? 
N Daja. 
Wie Fonnten wir? 
 Bathan 


3 


8 Balhan der Weile. 





Daja. 
Er fam, und niemand weiß woher. 
Er ging, und niemand weiß wohin. — Ohn' alle 


Des Haufes Kundichaft, nur von feinem Ohr 
100 Geleitet, drang, mit vorgejpreigtem Mantel, 
Er Fühn dur Flamm’ und Rauch der Stimme nad, 
Die ung um Hülfe rief. Schon hielten wir 
Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme 
Mit eins er vor uns ftand, im ftarfen Arm 
105 Empor ſie tragend. Kalt und ungerührt 
Dom Jauchzen unjers Dank, jeßt jeine Beute 
Er nieder, drängt fi unters Volk und ift — 
Verſchwunden! | 
Dathan. 
Nicht auf immer, will ich hoffen. 
Daja. 
Nachher die eriten Tage jahen wit 
110 Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln, 
| Die dort des Auferftandnen Grab umfchatten. 
Sch nahte mich ihm mit Entzüden, dankte, 
Erhob, entbot, beſchwor, — nur einmahl noch 
Die Fromme Kreatur zu jehen, die 
115 Nicht ruhen könne, bis fie ihren Dank 
Zu feinen Füßen ausgeweinet. | 
Dalhan.- 
Kun? 
Daja. 
Umſonſt! Er war zu unjrer Bitte taub; 
Und goß jo bittern Spott auf mich bejonders .. 
-Balhan. 
Bis dadurch abgejchredt ... . 


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Daja. 
Nichts weniger! 
120 Ich trat ihn jeden Tag von neuem an; 
Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen. 
Was litt ih nit von ihm! Was hätt’ ich nicht 






























1. Aufzug. 1. Auftritt. 





So liebenswürdig ! 


LEIE: 


E Noch gern ertragen! — Aber lange ſchon 
Kommt er nicht mehr, die Palmen zu bejuchen, 
Die unſers! Auferftandnen Grab umſchatten; 
Und niemand weiß, wo er geblieben iſt. — 


| Su ftaunt? Ihr finnt? 


Bathan. 
Ach überdenfe mir, 


Was das auf einen Geiſt, wie Rechas, wohl 

Für Eindruck machen muß. Sich jo verſchmäht 

Von dem zu finden, den man hochzuſchätzen 

Sich ſo gezwungen fühlt; ſo weggeſtoßen, 

Und doch ſo angezogen werden; — Traun, 

Da müſſen Herz und Kopf ſich lange zanken, 

Ob Menſchenhaß, ob Schwermuth fiegen foll. 

Oft fiegt auch Feines; und die Phantajie, 

Die in den Streit fich mengt, macht Schwärmer, 

Bey welchen bald der Kopf das Herz, und bald 

Das Herz den Kopf muß ſpielen. — Schlimmer Tauſch! — 
Das letztere, verkenn' ich Recha nicht, 

Iſt Rechas Fall: ſie ſchwärmt. 


Daja. 
Allein ſo fromm, 


Dathan. 
Sit doch auch geihwärmt ! 


Daja. 


ehmlich Eine — Grille, wenn Ihr wollt, 
ft ihr jehr werth. Es jey ihr Tempelherr 

n irdiſcher und feines irdiſchen; 

er Engel einer, deren Schuße fich 

Bee Herz, von Kindheit auf, jo gern 


t glaubte, jey aus feiner Wolke, 


* 7 er jonft verhüllt, auch noch im Feuer, 
— — mit eins als Tempelherr . 


— Lächelt nicht! — Wer weiß? 


125 


130 


135 


140 


145 


150 


10 Dafhan der Weile. 


Laßt lächelnd wenigitens ihr einen Wahn, 

In dem ſich Jud' und Chriſt und Mufelmann 

Vereinigen; — Jo einen ſüßen Wahn! 
Dafthan. 

Auch mir jo ſüß! — Geh, wadre Daja, geb; 

155 Sieh, was fie macht; ob ich fie ſprechen kann. — 
Sodann ſuch' ich den wilden, launigen 
Schußengel auf. Und wenn ihm noch beliebt, 
Hiernieden unter uns zu wallen; nod) 

Beliebt, jo ungefittet Ritterfchaft 
160 Zu treiben: find’ ich ihn gewiß; und bring’ 
Shn ber. 
Daja. 
Ihr unternehmet viel. 
Daihan. 
Macht dam 
Der ſüße Wahn der jüßern Wahrheit Platz: — 
- Denn, Daja, glaube mir; dem Menjchen ift 
Ein Menſch noch immer lieber, als ein Engel — 
165 So wirft du doch auf mich, auf mich nicht zürmen, 
Die Engelihwärmerinn geheilt zu jehn? 
Daja. 
Ihr jeyd jo gut, und jeyd zugleich fo ſchlimm! 
Ich geh! — Doch hört! doch jeht! — Da fommt fie felbit. 


4 


Zweyter Auftritt, 


Reha, und die Porigen. 


Reha. 
So jeyd Ihr es doch ganz und gar, mein Bater? 
170 Ich glaubt’, Ihr hättet Eure Stimme nur | 
Vorausgeſchickt. Wo bleibt Ihr? Was für Berge, 
Für Wüften, was für Ströme trennen ung 
Denn noh? Ihr athmet Wand an Wand mit ihr, 
Und eilt nicht, Eure Reha zu umarmen ? 
175 Die arme Recha, die indeß verbrannte! — 








— 





| A Auf. 2. Rufe 


J faſt — Faſt nur. Schaudert nicht! 
66 iſt ein garſtger Tod, verbrennen. O! 
Rakhan. 























Mein Kind! mein liebes Kind! 
an: Reha. 
5 r Ihr mußtet über 
den — Tygris, Jordan; über — wer 
Weiß was für Waſſer all? — Wie oft hab’ ich 
Um Euch gezittert, eh das Feuer mir 
So nahe fam! Denn jeit das Feuer mir 
So nahe kam: dünkt mich im Waſſer ſterben 
Erquickung, Labſal, Rettung. — Doch Ihr ſeyd 
Ja nicht ertrunken: ich, ich bin ja nicht 


Gott, loben! Er, er trug Euch und den Nachen 
Auf Flügeln feiner unfihtbaren Engel 
- Die ungetreuen Ström’ hinüber. Er, 
Er winkte meinem Engel, daß er ſichtbar 
Auf feinem weißen Fittiche, mich durch 
Das Feuer trüge — 

BDathan. 


3 (Weißen Sittiche ! 
‚ ja! der weiße vorgejpreigte Mantel 


D | 3 Tempelherrn.) — 


Er ſichtbar, ſichtbar mich 
$ Feuer trüg', von feinem Fittiche 

ht. — Ich alſo, ich hab’ einen Engel 
n Singen zu Angejicht gejehn; 

E meinen Engel. 
® Balyan. 

* Recha wär' es werth; 
rd' an ibm nichts ſchönres ſehn, als er 


R echa. (achelnd.) 


, rn Euch? 


Verbrannt. Wie wollen wir ung freun, und Gott, 


11 


180 


185 


190 


195 


12 Bathan der Weile. 





Dalhan. 
Doch hätt’ auch nur 
Ein Menih — ein Menjch, wie die Natur fie täglich 
Gewährt, dir diefen Dienft erzeigt: er müßte 
Für dich ein Engel ſeyn. Er müßt’ und würde. 
Rema. 
205 Nicht jo ein Engel; nein! ein wirklicher; 
Es war gewiß ein wirkliher! — Habt hr, 
Ihr ſelbſt die Möglichkeit, daß Engel find, 
Daß Gott zum Beſten derer, die ihn lieben, 
Auch Wunder könne thun, mich nicht gelehrt? 


210 Ich lieb’ ihn ja. 
Dathan. 


Und er liebt dich; und thut 
Für dich, und deines gleichen, jtündlih Wunder; 
sa, hat fie ſchon von aller Ewigkeit 


Für euch gethan. 
Recha. 


Das hör' ich gern. 
Dalhan. 
Wie? weil 
Es ganz natürlich, ganz alltäglich klänge, 
215 Wenn dich ein eigentlicher Tempelherr 
Gerettet hätte: jollt’ e8 darum weniger 
Ein Wunder jeyn? — Der Wunder höchftes it, 
Daß uns die wahren, echten Wunder fo 
Alltäglicd werden fünnen, werden jollen. 
220 Ohn' diejes allgemeine Wunder, hätte 
Ein Denkender wohl ſchwerlich Wunder je 
Genannt, was Kindern bloß jo heißen müßte, 
Die gaffend nur das Ungewöhnlidite, 
Das Neufte nur verfolgen. 
Daja. (zu Nathan.) 
Wollt Ihr denn 
225 hr ohnedem jchon überjpanntes Hirn 
Durch) ſolcherley Subtilitäten ganz 
Beriprengen? 





1. Aufug. 2. Rufkrikk. 


13 








il; Dalihan. 
Laß mih! — Meiner Recha wär’ 


Es Wunders nicht genug, daß fie ein Menſch 


1 Gerettet, welchen jelbjt Fein Eleines Wunder 
Erſt retten müfjen? Ja, fein Kleines Wunder! 


Denn wer hat jehon gehört, daß Saladin 


Je eines Tempelherrn verjchont? daß je 


Ein Tempelherr von ihm verjchont zu werden 
Verlangt? gehofft? ihm je für feine Freyheit 
Mehr als den ledern Gurt gebothen, der 


Sein er ſchleppt; und höchſtens jeinen Dolch? 


Recha. 


Das ſchließt für mich, mein Vater. — Darum eben 
War das fein Tempelherr; er ſchien es nur. — 












3 


-  Kömmt fein gefangner Tempelherr je anders 
Als zum gewiſſen Tode nach Jeruſalem; 


Geht Feiner in Jeruſalem jo frey 


uUnmher: wie hätte mic des Nachts freywillig 
Denn einer retten können? 


Dathan. 
Sieh! wie jinnreid. 


’ Jetzt, Daja, nimm das Wort. Ich hab’ es ja 
- Von dir, daß er gefangen bergejchict 
Iſt worden. Ohne Zweifel weißt du mehr. 


Daja. 


Nun ja. — So ſagt man freylich; — doch man ſagt 
Zugleich, daß Saladin den Tempelherrn 


Begnadigt, weil er feiner Brüder einem, 
Den er beſonders lieb gehabt, jo ähnlich jehe. 


Doch da es viele zwanzig Jahre her, 


Er diefer Bruder nicht mehr lebt, — er hieß, 


ch weiß nicht wie; — er blieb, ich weiß nicht wo: — 
50 Elingt das ja jo gar — jo gar unglaublich, 


3 an ber ganzen Sache wohl nichts ift. 


Bathan. 
y, Daja! Warum wäre denn das jo 


230 


235 


240 


245 


250 


255 


14 Bathan der Weile. 





Unglaublih? Doch wohl nicht — wie’s wohl geſchieht — 
Um lieber etwas noch unglaublichers 
Zu glauben? — Warum hätte Saladin, 
260 Der ſein Geſchwiſter insgeſammt ſo liebt, 
In jüngern Jahren einen Bruder nicht 
Noch ganz beſonders lieben können? — Pflegen 
Sich zwey Geſichter nicht zu ähneln? — Iſt 
Ein alter Eindruck ein verlorner? — Wirkt 
265 Das Nehmliche nicht mehr das. Nehmliche? — 
Seit wenn? — Wo ſteckt hier das Unglaublihe? — 
Ey freylich, weile Daja, wär’s für dic) 
Kein Wunder mehr; und deine Wunder nur 
Bedürf . . . verdienen, will ich jagen, Glauben. 
Daja. 
270 Ihr Ipottet. 
Balhan. 
Weil du meiner jpotteft. — Doch 
Auch jo noch, Necha, bleibet deine Rettung 
Ein Wunder, dem nur möglich, der die ftrengiten 
Entihlüfje, die unbändigiten Entwürfe 
Der Könige, jein Spiel — wenn nit jein Spott — 
275 Gern an den Ihwächiten Fäden lenft. 
Recha.“ 
Mein Vater! 
Mein Vater, wenn ich irr', Ihr wißt, ich irre 
Nicht gern. | 
Bathan. 
Vielmehr, du läßit dich gern belehren. — 
Sieh! eine Stirn, jo oder jo gemwölbt; 
Der Rüden einer Naſe, jo vielmehr 
280 Als jo geführet; Augenbraunen, die 
Auf einem jcharfen oder ftumpfen Knochen 
So oder fo ſich jchlängeln; eine Linie, 
Ein Bug, ein Winkel, eine Falt’, ein Mahl, 
Ein Nichts, auf eines wilden Europäer 
285 Geſicht: — und du entkömmſt dem Feur, in Aſien! 
































une 2. Auftritt. De. 15 





E 3 wär’ fein — wunderſücht'ges Volk? 
arum bemüht ihr bein noch einen Engel? 


Daja. 

Was ſchadets — Nathan, wenn ich ſprechen darf — 
Bey alle dem, von einem Engel lieber 

Als einem Menſchen ſich gerettet denken? 290 
5 ühlt man der erjten unbegreiflichen 

| u ache jeiner Nettung nicht fich fo 


näher? 


z Er 


. 


Dathan. 


Stolz! und nichts als Stolz! Der Topf 

Bon Eijen will mit einer filbern Zange 

6 ern aus der Gluth gehoben jeyn, um jelbit 295 
Ein Topf von Silber fh zu dünfen. — Pah! — | 

er was e3 jchadet, fragſt du? was es jchadet? 

Was hilft es? dürft ich nur binwieder fragen. — 

° n dein „Si Gott um jo viel näher fühlen,“ 

t Unſinn oder Gottesläfterung. — 300 
Mein e3 jchadet; ja, es jchadet allerdings. — 

K nme! hört mir zu. — Nicht wahr? dem Weſen, das 

Dich rettete, — es jey ein Engel oder 

Ein Menſch, — dem möchtet ihr, und du bejonders, | 

Gern wieder viele große Dienfte thun? — 305 
Nicht wahr? — Nun, einem Engel, was für Dienite, | 
für große Dienfte könnt ihr dem wohl thun? 

hr könnt ihm danken; zu ihm jeufzen, beten; 

Könnt in Entzüdung über ihn zerſchmelzen; 

= an dem Tage jeiner Feyer faften, 310 
mojen jpenden. — Alles nichts. — Denn mic) 

wi immer, daß ihr jelbit und euer Nächiter 

) weit mehr gewinnt, als er. Er wird 

Er duch euer Faiten; wird nicht veich 

h eure. Spenden; wird nicht herrlicher 315 
h eur Entzücken; wird nicht mächtiger 

\ 4 dur Vertraun. Nicht war? Allein ein Menſch! 


16 Bathan der Weile. 





Daja. 
Ey freylich hätt' ein Menſch, etwas für ihn 
Zu thun, uns mehr Gelegenheit verſchafft. 
320 Und Gott weiß, wie bereit wir dazu waren! 
Allein er wollte ja, bedurfte ja 
So völlig nichts; war in ſich, mit ſich ſo 
Vergnügſam, als nur Engel ſind, nur Engel 


Seyn können. 
Reha. 


Endlih, als er gar verſchwand ... 
Bathan. 
325 Verſchwand? — Wie denn verihwand? — Sich untern Balmen 
Nicht Ferner jehen ließ? — Wie? oder habt 
Ihr wirklich ſchon ihn weiter aufgejucht? 
Daja. 
Das nun wohl nicht. 
Dathan. 
Nicht, Daja? niht? — Da ſieh 
Kun was es jchadt! — Graufame Schwärmerinnen! — 
330 Wenn diefer Engel nun — nun krank geworden!... 
Reha. 
Krank! 
| Daja. 
Kranf! Er wird do nicht! 
Reda. 
Welch Falter Schauer 
Befällt mih! — Daja! — Meine Stirne, ſonſt 
So warm, fühl! ift auf einmahl Eis. 
Dalhan. 
Er ijt 
Ein Franke, diejes Klima's ungewohnt; 
335 Iſt jung; der harten Arbeit jeines Standes, 
Des Hungerns, Wachens ungewohnt. 
; Reha. 
Krank! Franf! 
Daja. 
Das wäre möglich, meint ja Nathan nur. 




















0, Bathan. 
du Haft ihn getödtet! — 


EN 17 
Ah, mein Bater! 
er: 00.0. Balhan. 
gt — ee ohne Rath und Zuſprach, 
Bu der Schmerzen und des Todes da! 
necha. 
| i mo? 
Be Bathan. 
as... der für eine, die er nie _ 
‚efannt, gejehn — genug, es war ein Menſch — 
Ins Feur ſich ſtürzte ... 
J Daja. 
Nathan, ſchonet ihrer! 
Dathan. 
E, 208 er rettete, nicht näher kennen, 
t weiter * mocht', — um ihm den Dank 
ſr J——— 
— Daja. 
Schonet ihrer, Nathan! 
Bathan. 
Meiter 
& ni zu jehn verlangt’, — es wäre denn, 
im n zweyten Mahl es retten ſollte = 
gnu es iſt ein Menſch. 
Daia. 
— 3 Hört auf, und jeht! 
2 Bathan 
© bat — ſich zu laben, nichts — 
en ı diefer That! 
Te Dajia . 
Hört auf! 


345 


18 Dathan der Weile. 





Hättit jo ihn tödten können. — Reha! Recha! 
355 Es iſt Arzney, nicht Gift, was ich dir reiche. 
Er lebt! — komm zu dir! — iſt auch wohl nicht krank; 
Nicht einmahl frank! 
Reha. 
Gewiß? — nicht todt? nicht frank? 
Dalhan. 
Gewiß, nicht todt! — Denn Gott lohnt Gutes, hier 
Gethan, auch hier noch. — Geh! — Begreifit du aber, 
360 Wie viel andächtig ſchwärmen leichter, als 
Gut handeln ift? wie gern der jchlaffite Menſch 
Andächtig Ihwärmt, um nur, — tft er zu Zeiten 
Sich ſchon der Abficht deutlich nicht bewußt — 
Um nur gut handeln nicht zu dürfen? 
Recha. 
Ah, 
365 Mein Vater! laßt, laßt Eure Recha doch 
Nie wiederum allein! — Nicht wahr, er kann 
Auch wohl verreift nur jeyn? — 
Dalhan. 
Geht! — Allerdings. — 
Sch jeh, Dort muſtert mit neugier’gem Blid 
Ein Mujelmann mir die beladenen 
370 Kameele. Kennt ihr ihn? 
Daja. 
Ha! Euer Derwijch. 
Balhan. 
Wer? 
Daja. 


Euer Derwiſch; Euer Schachgeſell! 
BDalhan. 
Al-Hafi? das Al-Hafi? 
Daja. 
Itzt des Sultans 
Schatzmeiſter. 
Pakhan. 
Wie? Al-Hafi? Träumſt du wieder? — 





1. Aufzug. 3. Rufkritt. 


19 






















Er iſts! — wahrhaftig, iſts! — kömmt auf uns zu. 
- Hinein mit Euch, geſchwind! — Was werd’ ich hören! 


Pritter Auftritt. 
Bathan und ver Derwiſch. 


ur Perwild. 

Reit nur bie Augen auf, jo weit Ihr könnt! 
—* Rakhan. 
B du's? du es nicht? — In dieſer — 
Ein Derwiſch!. 


Bi Perwild. 
4 Nun? warum denn nicht? Läßt fich 
Aus einem Derwiſch denn nichts, gar nichts machen? 

| Bathan. 


Ey wohl, genug! — Ich dachte mir nur immer, 
Der Derwiſch — jo der rechte Derwiſch — wol 
Aus ſich nichts machen laſſen. 

2 Derwiſch. 

— Beym Propheten! 
Bis fein vechter bin, mag auch wohl wahr jeyn. 
I ar wenn man muß — 
{ Bathan. 


sin Menſch muß müſſen, und ein Derwiſch müßte? 
a Bart er denn? 
— Derwiſch. 
2 | Warum man ihn recht bittet, 
der für gut erkennt: das muß ein Derwiſch. 
Bathan. 
t Gott! da jagit du wahr. — Laß dich 


Derwiſch. 
ist erſt, was ich geworden bin? 
"Ace 


h Muß! Derwiih! — Derwiih muß? 


—* — Du biſt doch noch mein Freund? 


375 


380 


20 Bafhan der Weile. 





Derwild. 
Könnt’ ih nicht 
Ein Kerl im Staat geworden jeyn, des Freundichaft 
Euch ungelegen wäre? 
Dafihan. 
Wenn dein Herz 
Noch Derwiſch iſt, jo wag’ ich drauf. “Der Kerl 
3% Im Staat, ift nur dein Kleid. 
Derwiſch. 
Das auch geehrt 
Will ſeyn. — Was meint Ihr? rathet! — Was wär' ich 
An Eurem Hofe? 
DBathan. 
Derwiſch; weiter nicht3. 
Doch neben her, wahrſcheinlich — Koch. 
Dermild. 
Kun ja! 
Mein Handwerk bey Euch zu verlernen. — Koch! 
400 Nicht Kellner auh? — Gefteht, daß Saladin 
Mich beijer kennt. — Schatmeifter bin ich bey 
Ihm worden. 
Dathan. 
Du? — bey ihm? 
Dermwild. 
Verſteht: 
Des kleinern Schatzes, — denn des gröſſern waltet 
Sein Vater noch — des Schatzes für ſein Haus. 
Dathan, 
405 Sein Haus ijt groß. 
Derwild,. 
| Und gröfjer, al3 Ihr glaubt; 
Denn jeder Bettler ift von feinem Haufe. 


Daflhan. | | 
Doch ijt den Bettlern Saladin fo find — — 


Derwiſch. 
Daß er mit Strumpf und Stiel ſie zu vertilgen 
| 









Ber 3. Rufkritt. 


21 






























R i n u, —* tod er ſelbſt darüber 


 Balhan. 

Brav! — So meyn’ ichs eben. 
Be: Derwild. 
Er iſts auch ſchon, troß einem! — Denn jein Schat 
Iſt jeden Tag mit Sonnenuntergang 
Viel leerer noch, als leer. Die Fluth, jo Hoch 
; >ie morgens eintritt, ift des Mittags längit 
Verlaufen — 

hr; Dalhan. 
ER. Weil Kanäle fie zum Theil 

erſchlingen, die zu füllen oder zu 

ſtopfen, gleich unmöglich iſt. 
Derwiſch. 
| Getroffen! 
Br Bathan. 
Ich kenne das! 
VE Derwild. 
Be... Es taugt nun freylich nichts, 
e Bern Fürften Geyer unter Aeſern find. 
h find fie Aeſer unter Geyern, taugts 
zehnmal weniger. 
| Balhan. 
4— O nicht doch, Derwiſch! 
icht dochl 

Derwiſch. 


er mir? fo tret’ ich meine Stell’ 


Balhan. 
g Es wu bringt dir deine Stelle? 
* J * | re 


5 Cu, Euch kann fie treflich —— 
Be Schatz, — wie öfters if, — 

e Schleuſen auf: Ihießt vor, 

‚ was Euch nur gefällt. 


Ihr habt gut reden, Ihr! — Kommt an: 


410 


415 


420 


425 


22 BDafhan ber Weile. 





Bathan. 
Auch Zins vom Zins der Zinjen? 
Derwiſch. 
Freylich! 
Datlhan. 
| Dis 
430 Mein Kapital zu lauter Zinjen wird. 
Derwiſch. 
Das lockt Euch nicht? — So ſchreibet unſrer Freundſchaft 
Nur gleich den Scheidebrief! Denn wahrlich hab’ 
Ich jehr auf Euch gerechnet. 
Dalhan. 
Wahrlih? Wie 
Denn jo? wie jo denn? 
Derwild. 
Daß Ihr mir mein Amt 
435 Mit Ehren würdet führen helfen; daß 
Ich allzeit offne Kafje bey Euch hätte. — 
Ihr jehüttelt ? 


Dathan. 
Kun, verjtehn wir uns nur recht! 
Hier giebts zu unterjcheiden. — Du? warum 
Nicht du? Al-Hafi Derwiſch ift zu allem, 
440 Was ich vermag, mir jtetS willfommen. — Aber 
Al-Hafi Defterdar des Saladin, 
Der — dem — 
Derwiſch. 


Errieth ichs nicht? Daß Ihr doch immer 
So gut als klug, fo klug als weiſe ſeyd! — Fe 
Geduld! Was Ihr am Haft untericheidet, De } 
445 Soll bald gejchieden wieder jeyn. — Seht da — 
Das Ehrenkleid, das Saladin mir gab. 
Eh es verjchoffen ift, eh es zu Lumpen 
Geworden, wie fie einen Derwijch Eleiden, 
Hängts in Jeruſalem am Nagel, und 
450 Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß 
Den heißen Sand mit meinen Lehrern trete. 





1. Aufzug. 3. Auftvitt. 23 











u. J Pr Bathan. 
Dir ähnlich gnug! | 
ir Derwild. 
Und Schach mit ihnen jpiele. 
Bafhan. 
Dein höchſtes Gut! 
4 Derwiſch. 














“ Denkt nur, was mich verführte! — 
| Damit ich ſelbſt nicht länger betteln dürfte? 
Den reichen Mann mit Bettlern ſpielen könnte? 
Vermögend wär' im Huy den reichſten Bettler 
In einen armen Reichen zu verwandeln? 
J Rakhan. 
Das nun wohl nicht. 
54 Derwiſch. 
Weit etwas abgeſchmackters! 
Ich fühlte mich zum erſtenmahl geſchmeichelt; 
Durd Saladins gutherz’gen Wahn gejchmeichelt — 
ER Dathan. 
Der war? 
J Derwiſch. 

J „Ein Bettler wiſſe nur, wie Bettlern 
a Muthe jey; ein Bettler habe nur 
„Gelernt, mit guter Weiſe Bettlern geben. 
„Dein Vorfahr, ſprach er, war mir viel zu Kalt, 
„gu rauh. Er gab jo unhold, wenn er gab; 
digte jo ungeftüm fich erſt 
) dem Empfänger; nie zufrieden, dat 
‚Er nur ven Mangel kenne, wollt’ er auch 
Enge Urach willen, um die Gabe 

h diefer Urſach filzig abzumwägen. 
m Al-Hafi nicht! So unmild mild 
Saladin im Haft nicht ericheinen! 
i gleicht verjtopften Röhren nicht, 
ie ie far und till empfangnen Wafjer 
Eugen > jo fprudelnd wieder geben. 
Al Gafi fühlt wie ich!“ — 












ah 
444 
* 
— 





Be 


— 
— 
— ee ⸗ 


455 


460 


465 


470 


475 


24 Bathan der Weile. 





Sp lieblich Hang des Vogler Pfeife, bis 
Der Gimpel in dem Nebe war. — Ich Ged! 
Sch eines Geden Ged! 
Dalhan. 
Gemach, mein Derwilch, 
480 Gemach! 
Derwiſch. 
Ey was! — Es wär' nicht Geckerey, 
Bey Hunderttauſenden die Menſchen drücken, 
Ausmärgeln, plündern, martern, würgen; und 
Ein Menſchenfreund an Einzeln ſcheinen wollen? 
Es wär' nicht Geckerey, des Höchſten Milde, 
485 Die ſonder Auswahl über Böſ' und Gute 
Und Flur und Wüfteney, in Sonnenjchein 
Und Regen fich verbreitet, — nachzuäffen, 
Und nicht des Höchſten immer volle Hand 
Zu haben? Was? es wär’ nicht Gederey ... 
Balhan. 
490 Genug! hör auf! 
Derwild. 
| Laßt meiner Gederey 
Mich doch nur auch erwähnen! — Was? es wäre 
Nicht Gederey, an ſolchen Gedereyen 
Die gute Seite dennoch auszujpüren, 
Um Antheil, diefer guten Seite wegen, 
495 An dieſer Gederey zu nehmen? Heh? 
Das nicht? 
Dalhan. 
Al-Hafi, made, daß du bald 
Sn deine Wüjte wieder kömmſt. Sch fürchte, 
Grad’ unter Menjchen möchteft du ein Menſch 
Zu ſeyn verlernen. 
Derwiſch. 
Recht, das fürcht' ich auch. 
500 Lebt wohl! 
Dalthan. 
Sp hajtig? — Warte dod, Al-Hafi. 






















Bf — Warte doch! — 
jörte: ge, Al-Hafi! hier! — 
did & Hit ihn noch jo gern 
mpelher ' gefragt. Vermuthlich, 


Vierter Auftritt. 
— Daja eilig herbeh. Balhan. 
at Daja. 
Br O Nathan, Nathan! 
i Bathan. | 
Bee; Nun? 505 
Bas giebts? | 
J—— Daja. 
Fr Er läßt ſich wieder jehn! Er läßt 
Sid wieder jehn! 
n- Bathan. 
| Wer, Daja? wer? 
| Daja. 

Er! er! 
Bathan. 


v a rs jr er. — Das ſollt' er nicht! 
= un er auch ein Engel wäre, nicht! 510 
Ei Paja. 

t untern Palmen wieder auf 
a ; und — von Zeit zu Zeit ſich Datteln. 
Ren 


Daja. 

3 Was quält 

r — Aug’ errieth ihn hinter | 

hränkten Palmen jchon; und folgt \ 515 
RS — Euch bitten, — Euch 

ungeſäumt ihn en 


26 Dafhan der Weile. 





O eilt! Sie wird Euch aus dem Fenjter- winken, 
Ob er hinauf geht oder weiter ab 
520 Sich Schlägt. O eilt! 
Dathan. 

So wie ih vom Kameele 
Geſtiegen? — Schidt fi das? — Geh, eile du 
Ihm zu; und meld’ ihm meine Wiederfunft. 
Sieb Acht, der Biedermann hat nur mein Haus 
In meinem Abjeyn nicht betreten wollen; 

525 Und fümmt nicht ungern, wenn der Vater jelbit 
Ihn laden läßt. Geb, jag’, ich laß’ ihn bitten, 
Ihn herzlich bitten... 

Daja. 
AM umſonſt! Er kömmt 
Euch nit. — Denn kurz; er kömmt zu feinem! Juden. 
Dalhan. 
Sp geb, geh wenigftens ihn anzuhalten; 

530 Ihn wenigitens mit deinen Augen zu 

Begleiten. — Geh, ih komme glei dir nad). 


(Nathan eilet hinein, und Daja heraus.) 


Fünfter Aufteitt, 


Scene: ein Platz mit Palmen, 2 
unter welchen der Tempelherr auf und nieder geht. Ein Klofferbruder folgt som. An E 


einiger Entfernung von der Seite, immer ald ob er ihn anreden wolle, J ichE 2 
Tempelherr. — 
Der folgt mir nicht vor langer Weile! — Sieh, — J— 


Wie ſchielt er nach den Händen! — Guter Bruder,... — 
Ich kann Euch auch wohl Vater nennen; nicht? 
Rloſterbruder. 
535 Nur Bruder — Layenbruder nur; zu dienen. 
Tempelherr. 
Sa, guter Bruder, wer nur jelbit was hätte! 
Bey De n Gott! ich habe nichts — 





1 feinen [1779a] 




























Bloferbeuden, 
| Und doch 
| en Dank! Gott — Euch tauſendfach 
—————— wolltet. Denn der Wille 

1 nicht die Gabe mad den Ohr — Au 

d ich dem Heren Almofens wegen gar 

pt nachgejchidt. - 


Tempelherr. 
Doch aber nachgeſchickt? 
— Klofferbruder. 
a; aus dem Kloſter. 
a Tempelherr. 


BG: 


Mo ich eben jegt 
1 eines Pilgermahl zu finden hoffte? 
% Klofferbruder. 
h Tiſche waren ſchon bejeßt: komm’ aber 
er Herr nur wieder mit zurück. 
N | Tempelhberr. 
En | Wozu? 
In Fleiſch wohl lange nicht gegeſſen: 
ı was thuts? Die Datteln find ja veif. 
Rlofferbruder. 
I der Herr in Acht mit diefer Frucht. 
Eee taugt jie nicht; verftopft 
; macht melancholijches Geblüt. 
Tempelherr. 
. nun melancholifch gern mich fühlte? — 
Eanung wegen wurdet Ihr 
nich 
— Kloſterbruder. 
ae O nein! — Ich foll 
D erfunden; auf den Zahn 


a x Rn Tempelherr. 
Und das jagt Ihr mir jo jelbit? 
00 Rinferbruder. 


540 


545 


550 


555 


28 Balhan der Weile. 





Tempelherr. 
(Ein verihmister Bruder!) — Hat 
Das Klojter Eures gleichen mehr? 
Rloferbruder. 
Weiß nicht. 
Ich muß gehorchen, lieber: Herr. 
Tempelherr. 
Und da 
560 Gehorcht Ihr denn auch ohne viel zu Flügeln? 
Kloferbruder. 
Wär's jonft gehorchen, lieber Herr? 
Tempelherr. 
(Daß doch 
Die Einfalt immer Necht behält!) — Ihr dürft 
Mir doch auch wohl vertrauen, wer mich gern 
Genauer fennen möchte? — Daß Ihrs ſelbſt 
565 Nicht jeyd, will ich wohl ſchwören. 
Rloferbruder. 
Ziemte mir? 
Und frommte mir? 
Tempelherr. 
Wem ziemt und frommt e3 denn, 
Daß er jo neubegierig ift? Wem denn? 
Elofferbruder. 
Dem Patriarchen; muß ich glauben. — Denn 
Der jandte mich Euch nad). 
Tempelherr. 
Der Batriarh? 
570 Kennt der das rothe Kreuz auf weißem Mantel 
Nicht beſſer? 
Eloferbruder. 
Kenn’ ja ichs! 
Tempelherr. 
Nun, Bruder? nun? — 
Ich bin ein Tempelherr; und ein gefang’ner. — 
Seß’ ich hinzu: gefangen bey Tebnin, 








1. Aufıng. 5. Auftritk. 





EIERN 


Fe Burg, die mit des Stillftands legter Stunde 
Wir gern erftiegen hätten, um ſodann 
Auf Sidon los zu gehn; — ſetz' ich hinzu: 
- Selbzwanzigiter gefangen und allein 
e En Saladin begnadiget: jo weiß 
Der Patriarch, was er zu wiſſen braucht; 2 
| Ber: als er braucht. 






















Rlofferbruder, 
Wohl aber jchwerlich mehr, 


Der Herr vom Saladin begnadigt worden; 
Er ganz allein. 
—3 Tempelherr. 

% Weiß ich das jelber? — Schon 
Den Hals entblößt, kniet' ih auf meinem Mantel, 
Den Streich erwartend: als mich jchärfer Saladin 
Ins Auge faßt, mir näher ſpringt, und winkt. 
Man hebt mich auf; ich bin entfeſſelt; will 

Ihm danken; ſeh' ſein Aug’ in Thränen: ſtumm 
Iſt er, bin io; er geht, ich bleibe. — Wie 

Nun das zufammenhängt, enträthile ſich 

Der Patriarche jelbit. 

3 | Klofferbruder. 

n Er ſchließt daraus, 

Daß Gott zu großen, großen Dingen Euch 

Nüß' aufbehalten haben. 
“ / Tempelherr. 
E BR Ya, zu großen! 
Sir in Judenmädchen aus dem Feur zu retten; 
Re Rai neugier’ge Pilger zu 

1; und dergleichen mehr. 

E. ER Kloferbruder. 
— Wird ſchon 


— ſelbſt der Patriarch bereits 
| e Gehäfte für den Herrn. 


i; i 
Als er jehon weiß. — Er wüßt' auch gern, warum 


9 fommen — Sit inzwiſchen auch nicht übel. — 


575 


580 


585 


590 


595 


30 Bathan der Weile. 





Tempelherr. 
600 So? meynt Ihr, Bruder? — Hat er gar Euch ſchon 


Was merken laſſen? 
Rloſterbruder. 


Ey, ja wohl! — Ich ſoll 
Den Herrn nur erſt ergründen, ob er ſo 


Der Mann wohl iſt. 
Tempelherr. 


Kun ja; ergründet nur! 
(Ich will doch jehn, wie der ergründet!) — Nun? 
Rlofferbruder. 
605 Das kürzſte wird wohl jeyn, daß ich dem Herrn 
Ganz grade zu des Patriarchen Wunſch 
Eröffne. 
Tempelherr. 
Wohl! 
Kloferbruder. 
Er hätte durch den Herrn 
Ein Briefchen gern beitellt. 
Tempelherr. | 
Durch mih? Ich bin 
Kein Bothe. — Das, das wäre das Gejchäft, 
610 Das weit glorreicher jey, als Judenmädchen 
Dem Feur entreißen? | 
Rloferbruder. 
Muß doh wohl! Denn — jagt 
Der Patriarch — an diefem Briefhhen jey 
Der ganzen Chrijtenheit jehr viel gelegen. 
Dieß Briefchen wohl bejtellt zu haben, — jagt 
615 Der Patriarch, — werd’ einft im Himmel Gott 
Mit einer ganz bejondern Krone lohnen. 
Und diefer Krone, — jagt der Patriarch, — 
Sey niemand würd’ger, als mein Herr. 
Tempelherr. 
Als ich? 
Klofferbruder. 
Denn dieje Krone zu verdienen, — jagt 





1. Aufzug. 5. Auftritt. 





31 





Fan Be En ſchwerlich jemand auch 
— als mein Herr. 




















Tempelherr. 
Als ich? 
SF Klofferbruder. 
Er. Gr jey 
Hier frey; könn' überall ſich hier beſehn; 
wie eine Stadt zu ſtürmen und 
— könne, — ſagt der Patriarch, — 
Die Stärk' und Schwäche der von Saladin 
“ eu aufgeführten, innern, zweyten Mauer 
Am beiten Sägen, fie am deutlichiten 
‚Den Streitern Gottes, — jagt der Patriarch, — 
Beſchreiben. 

Tempelherr. 
Guter Bruder, wenn ich doch 
in auch des Briefchens nähern Inhalt wüßte. 
a Rlofferbruder. 


Das Briefchen aber it an König Philipp. — 
* Patriarch ... Ich hab’ mich oft gewundert, 
= die doch ein Heiliger. der jonjt jo ganz 
n Himmel lebt, zugleich jo unterrichtet - 
| Yon Dingen diefer Welt zu feyn herab 
Sid h laſſen kann. Es muß ihm jauer werden. 
“en Tempelherr. 
bann? der Patriarch? — 
Rlofferbruder. 
Weiß ganz genau, 
nz zuverläffig, wie und wo, wie ftarf, 
n welche Seite Saladin, im Fall 
8 öll 3 wieder losgeht, jeinen Feldzug 
a er Tempelherr. 
— Das weiß er? | 
a Kloferbruder. 
* Ja, und möcht' 


* den, — den weiß ich nun wohl nicht ſo recht. 


620 


630 


640 


32 Balhan der Weile. 





Es gern dem König Bhilipp wiſſen laffen: 
Damit der ungefähr ermeſſen könne, 

645 Ob die Gefahr denn gar jo jchredlich, um 
Mit Saladin den Waffenftilleftand, i 
Den Euer Orden jchon jo brav gebrochen, 
Es koſte was es wolle, wieder her 


Zu ftellen. 
Tempelherr. 


Welch ein Patriarch! — Ja jo! 
650 Der liebe tapfre Mann will mich zu feinem 
Gemeinen Bothen; will mich! — zum Spion. — 
Sagt Euerm? Batriarchen, guter Bruder, 
So viel Jhr? mich ergründen fünnen, wär’ 
Das meine Sache nit. — Ich müſſe mich 
655 Noch als Gefangenen betrachten; und 
Der Tempelherren einziger Beruf 
Sey mit dem Schwerte drein zu ſchlagen, as 
Kundjchafterey zu treiben. 
Kloferbruder. 
Dacht' ichs doch! — 
Wills auch dem Herrn nicht eben ſehr verübeln. — 
660 Zwar kömmt das Beſte noch. — Der Patriarch 
Hiernächſt hat ausgegattert, wie die Veſte 
Sich nennt, und wo auf Libanon fie liegt, 
Sn der die ungeheuern Summen jteden, 
Mit welchen Saladins vorfihtger Vater 
665 Das Heer bejoldet, und die Zurüftungen - 
Des Kriegs beftreitet. Saladin verfügt 
Bon Zeit zu Zeit auf abgelegnen Wegen 
Nach diejer Veſte fich, nur kaum begleitet. — 
Ihr merkt doch? 
Tenipelherr. 
Kimmermehr ! 
Rloferbruder. 
Was wäre da 





1 er will mich [1779] 2 Sag! deinem [1779 a]. 3 du [1779 a] 





1. Auhug. 5. Aufkrikt. 33 








y Wohl leichter, als des Saladins ſich zu 670 
Bemächtigen? den Garaus ihm zu machen? — 

Idhr ſchaudert? — O es haben ſchon ein Paar 

Gottsfürchtge Maroniten ſich erbothen, 

Wenn nur ein wackrer Mann ſie führen wolle, 

9 Stück zu wagen. 





















— Tempelherr. 
— Und der Patriarch 675 
m auch zu diefem wadern Manne mic 
Mein! 
Rlofferbruder. 


a Er glaubt, daß König Philipp wohl 
Von Ptolemais aus die Hand hierzu 
Am beiten bieten könne. 
Sn Tempelherr. 
Mir? mir, Bruder? 
Nirt Habt Ihr nicht gehört? nur exit gehört, 680 
3 für Verbindlichkeit dem Saladin 
& babe? 

Kloferbruder. 
Wohl hab ichs gehört. 

Tempelberr. 

Und do? 

Rlofferbruder. 
„— Mmeynt der Patriarch, — das wär’ jehon gut: 
t aber und der Orden ... 
Tempelherr. 

Aendern nichts! 


Rlofferbruder. 
eo Gewiß nicht! — 685 
ur, — meynt der Patriarch, — jey Bubenftüd 

= RR er auch Bubenſtück vor Gott. 

= Tempelherr. 

wir” dem Saladin mein Leben ſchuldig: 

t ihm ſeines? 


effing, „ſamtliche Schriften. III. 3 


34 Bathan der Weile. 





Kloferbruder. 
Pfuy! — Doch bliebe, — meynt 
690 Der Patriarch, — noch immer Saladin 
Ein Feind der Chrijtenheit, der Euer Freund 
Zu jeyn, fein Necht erwerben Fünne. 


. " Tempelherr. 
Freund? 
An dem ich blos nicht will zum Schurken werden; 
Zum undanfbaren Schurken ? 


Rloferbruder. 
Allerdings! — 

695 Zwar, — meynt der Patriarch, — des Dankes jey 
Man quitt, vor Gott und Menſchen quitt, wenn uns 
Der Dienft um unjertwillen nicht gejchehen. 
Und da verlauten wolle, — meynt der Patriarch, - 
Daß Euch nur darum Saladin begnadet, 

700 Weil ihm in Eurer Mien’, in Euerm Wejen, 
Sp was von feinem Bruder eingeleuchtet ... 


Tempelherr. 
Auch diejes weiß der Patriarch; und doch? — 
AH! wäre das gewiß! Ah, Saladin! — 
Mie? die Natur hätt? auch nur Einen Zug 
705 Bon mir in deines Bruder Form gebildet: 
Und dem entjpräche nicht3 in meiner Seele? 
Was dem entipräce, könnt ich unterdrüden, 
Um einem Patriarchen zu gefallen? — 
Katur, jo leugit du nit! So widerfpricht 
710 Si Gott in jeinen Werfen nicht! — Geht Bruder! — 
Erregt mir meine Galle nicht! — Geht! geht! 
Rlofferbruder. 
Ich geh’; und geh’ vergnügter, als ich fan. 
Berzeihe mir der Herr. Wir Klojterleute 
Sind ſchuldig, unjern Dbern zu gehorchen. 






















= ne die den Tempelherrn ſchon eine Zeit lang von weiten beobachtet 
hatte, und ſich nun ihm nähert. 
Di Daja. 
r Klofterbruder, wie mich dünkt, ließ in 
: beiten Zaun’ ihn nit. — Dod muß ich mein 
et nur wagen. 
Be Tempelherr. 
F Nun, vortrefflich! — Lügt 
is Sprichwort wohl: daß Mönch und Weib, und Weib 
d Mönch des Teufels beyde Krallen ſind? 
wirft mich heut aus einer in die andre. 
n — Daja. 
ag 13 ſeh ih? — Edler Ritter, Euh? — Gott Dank! 
taufend Dank! — Wo habt Ihr denn 
same Zeit geſteckt? — Ahr jeyd doch wohl 
Be gewejen ? 
Tempelherr. 
Wein. 
Daja. 
Geſund doch? 
Tempelherr. 
Ja. 
Daja. 
m Euecmegen wahrlich ganz 


Tempelherr. 
Daja. 
* vur wart gewiß verreiſt? 


Tempelherr. 


Ri Daja. 
= Heut exit wieder? 3 


N € [1779be] 


715 


720 


725 


36 ‘  Balhan der Weile. 





Tempelberr. 
Geſtern. 
Daja. 
Auch Recha's Vater ift heut angekommen. 
Und nun darf Necha doch wohl hoffen? 
‚ Tempelherr. 
Was? 
Daja. 
730 Warum fie Euch jo öfters bitten laſſen. 
Ihr Vater ladet Euch nun jelber bald 
Aufs dringlichſte. Er fümmt von Babylon ; 
Mit zwanzig hochbeladenen Kameelen, 
Und allem, was an edeln Specereyen, 
735 An Steinen und an Stoffen, Indien 
Und Berfien und Syrien, gar Sina, 
Koitbares nur gewähren. 
Tempelherr. 
Kaufe nichts. 
Daja. 
Sein Volk verehret ihn als einen Fürjten. 
| Doch daß e3 ihn den Weiſen Nathan nennt, 
740 Und nicht vielmehr den Neichen, hat mich oft 


Gemwundert. 
Tempelherr. 


Seinem Volk ift reich und weiſe 
Vielleiht das nehmliche. 
Daja. 
Bor allen aber 
Hätt’3 ihn den Guten nennen müfjen. Denn 
Ihr ftellt Euch gar nicht vor, wie gut er ift. 
745 Als er erfuhr, wie viel Euch Recha ſchuldig: 
Was hätt’, in diefem Augenblide, nicht 
Er alles Euch gethan, gegeben! 
Tempelherr. 
Ey! 
Daja. 
Verſuchts und fommt und jeht! 








1. Ruftug. 6. Aufkrikk. 


37 





W 
Ein ON vorüber ift? 
























E Ben er jo gut nicht wär”, 


ß ich nur darum meinem 


— gen! lieber Gott! 


Ja, 


— und fort erinnert 


—— von mir ſelbſt 
| b fi nicht gern bereuen. 


Tempelherr. 


Mas denn? wie jchnell 


Daja. 
Hätt’ ich, 


e3 mir jo lange 


E Bey ihm gefallen laſſen? Meynt Ihr etwa, 
> fühle meinen Werth als Chriftinn nicht? 
Auch mir wards vor der Wiege nicht gefungen, 


Ehgemahl 


- h Paläftina folgen würd’, um da 

e n Judenmädchen zu erziehn. Es war 
Mein lieber Ehgemahl ein edler Anecht 
In | ae Friedrichs Heere — 


Tempelbherr. 


Bon Geburth 


Ein Schweiger, dem die Ehr’ und Gnade ward 
Mit Seiner Kaiferlihen Majeftät 

Po inen Fluſſe zu erfaufen. — Weib! 

Sie vielmal habt Ihr mir das jchon erzehlt? 
Ihr denn gar nicht auf mich zu verfolgen? 


Daja. 


Tempelherr. 


ja, verfolgen. 


F nun einmal Euch nicht weiter ſehn! 
t hören! Will von Euch an eine That 


ſeyn, bey der 


> gedacht; die, wenn ich drüber denke, 


mir wird. Zwar möcht’ 
Aber jeht; 


ugnet fo ein Fall fid wieder: Ahr 


orher erfund’, — 


Bewahre Gott! 


> wenn ich jo raſch nicht handle; wenn 


und brennen lafje, 


Daja. 


750 


755 


760 


765 


770 


38 Dathan der Weile. 





Tempelherr. 
Bon heut’ an thut 
775 Mir den Gefallen wenigjtens, und kennt 
Mich weiter nicht. Ich bitt' Euch drum. Auch laßt 
Den Bater mir vom Halje. Jud' ift Jude. 
Ich bin ein plumper Schwab. Des Mädchens Bild 
Sit längſt aus meiner Seele; wenn es je 


780 Da war. 
Daja. 
Doch Eures ift aus ihrer nicht. 
Tempelherr. e 
Was jols nun aber da? was ſolls? 
Daja. 
Wer weiß! 
Die Menſchen find nicht immer, was fie jcheinen. 
Tempelherr. 
Doch jelten etwas beſſers. (Er geht.) 
Daja. 
Wartet doch! 
Was eilt Shr? 
Tempelherr. 


Weib, macht mir die Balmen nicht 
785 Verhaßt, worunter ich jo gern ſonſt wandle. 
| Paja. 
Sp geh’, du deutjcher Bär! jo geh’! — Und doc 
Muß id die Spur des Thieres nicht verlieren. 


(Sie geht ihm von weiten nad.) 


‘ 





Zweykter Aufzu 


Erſter Aufkriktk. a 
Die Scene: des Sultans Pallait. N ® 
Saladin un Siffah ſpielen Schach. 
Sikkah. 
Wo biſt du, Saladin? Wie ſpielſt du heut? 








Aug. 1. Aufteitf. 



















Saladin. 


ET RT Sillah. 
J | Für mid; und kaum. 
Nimm diefen Zug zur. 
J Saladin. 
! Warum? 
Sitkah. 
———— Der Springer 
Wird unbedeckt. 
Be. Saladin. 
Sit wahr. Nun jo! 
Siftah. 
So zieh’ 


Saladin. 

Wieder wahr. — Schach dann! 
Siltah. 

Se div das? Ich jege vor: und du 

‚ wie du warft. 


ʒeh in die Gabel. 


Ben Saladin. 
5 Aus diefer Klemme, ſeh' 
b wohl, iſt ohne Buße nicht zu kommen. 
nimm den Springer nur. 
| Sittah. 
Ich will ihn nicht. 


Saladin. 

Du ſchenkſt mir nichts. Dir liegt 
Pate mehr, als an dem Springer. 
Aral, 


Saladin. 
5 deine Rechnung nur nicht ohne 
Em Was gilts, das warſt du nicht 


ittah — 
nicht. Be tar ih au 


10 


un 


40 Bathan der Weile, 





15 Vermuthen, daß du deiner Königinn 
Sp müde wärſt? 
Saladin. 
Ich meiner Königinn? 
Siktkah. 
Ich ſeh' nun — ich ſoll heut meine tauſend 
Dinar', kein Naſerinchen mehr gewinnen. 
Saladin. 
Wie ſo? 
Sikkah. 
Frag noch! — Weil du mit Fleiß, mit aller 
20 Gewalt verlieren willſt. — Doch dabey find’ 
Ich meine Rechnung nicht. Denn auſſer, daß 
Ein ſolches Spiel das unterhaltendſte 
Nicht iſt: gewann ich immer nicht am meiſten 
Mit dir, wenn ich verlor? Wenn haſt du mir 
25 Den Satz, mich des verlornen Spieles wegen 
Zu tröſten, doppelt nicht hernach geſchenkt? 
Saladin. 
Ey ſieh! ſo hätteſt du ja wohl, wenn du 
Verlorſt, mit Fleiß verloren, Schweſterchen? 
Sikkah. 
Zum wenigſten kann gar wohl ſeyn, daß deine 
30 Freygebigkeit, mein liebes Brüderchen, = 
Schuld ift, daß ich nicht beſſer jpielen lernen. | u; 


Saladin. 

Wir fommen ab vom Spiele. Mach ein Ende! 
Sikkah. 

So bleibt es? Nun dann: Schach! und doppelt Schach! 
Saladin. 


Nun freylich; dieſes Abſchach hab' ich nicht 
35 Geſehn, das meine Königinn zugleich 
Mit niederwirft. 
Sitkah. 
War dem noch abzuhelfen? 
Laß ſehn. 





41 





















| Sittah. 
ik dem Steine? 
Saladin. 
4 Fort damit! — Das thut 
ir nicht. Denn fo ift alles wiederum 40 
ſchützt. 
—9* Sittah. 


— Wie höflich man mit Königinnen 
er fahren müſſe: hat mein Bruder mid 
u wohl gelehrt. " (Sie läßt fie ftehen.) 
Saladin. 
Nimm, oder nimm fie nicht! 
5 Habe feine mehr. 
Sikkah. 
E: Wozu fie nehmen? 
chach! — Schach! 
Br.‘ Saladin. 
- Kur weiter. 
DSiltah. 
Shah! — und Shah! — und Shah! — 45 
Be Saladin. 
nd matt! 
ns: Sittah. 
Nicht ganz; du ziehſt den Springer noch 
; oder was du machen willſt. 
Pr Saladin. 
i Be San get! — Du haft gewonnen: und 
ft zahlt. — Man laß ihn rufen! gleih! — 

t, Sittah, nicht jo unrecht; ich | 50 

giebt uns denn die glatten Steine 


! m nichts erinnern, nichts 
26° id) mit dem Iman denn 


42 | Bafhan der Weile. = 





55 Geſpielt? — Doch was? Verluſt will Vorwand. Nicht 
Die ungeformten Steine, Sittah, finds | 
Die mich verlieren machten: deine Kunft, 

Dein ruhiger und fchneller Blick ... 


Sitlah. I 
Auch jo 
Willſt du den Stachel des Verlufts nur jtumpfen. 
60 Genug, du warſt zeritreut; und mehr als ich. 
Saladin. 
Als du? Was hätte Dich zerjtreuet? 
Sikkah. 
Deine 


Zerſtreuung freylich nicht! — O Saladin, 
Wenn werden wir ſo fleißig wieder ſpielen! 
Saladin. 
So ſpielen wir um ſo viel gieriger! — 
65 Ah! weil es wieder los geht, meynſt du? — Mags! — 
Nur zu! — Ich habe nicht zuerſt gezogen; 
Ich hätte gern den Stilleſtand aufs neue 
Verlängert; hätte meiner Sittah gern, 
| Gern einen guten Mann zugleich verjchaft. 
70 Und das muß Richards Bruder jeyn: er ift 
Ja Richards Bruder. 2 
Sitkah. 
Wenn du deinen Richard 
Nur loben kannſt! 
Saladin. 
Wenn unſerm Bruder Melek 
Dann Richards Schweſter wär' zu Theile worden: 
Ha! welch ein Haus zuſammen! Ha, der erſten, 
75 Der beſten Häuſer in der Welt das beſte! — 
Du hörſt, ih bin mich ſelbſt zu loben, auch 
Nicht faul. Ich dünk' mich meiner Freunde werth. — 
Das hätte Menſchen geben follen! das! 
Sikkah. 
Hab' ich des ſchönen Traums nicht gleich gelacht? 





2. Aufzug. 1. Auftcift. 





43 





Du kennſt die Chriften nicht, willft fie nicht Fennen. 
- hr Stolz ift: Chriften ſeyn; nicht Menjchen. Denn 
Selbſt das, was, noch von ihrem Stifter her, 
Mit Menſchlichkeit den Aberglauben wirzt, 

Das lieben fie, nicht weil es menſchlich ift: 

Weils Chriſtus lehrt; weils Chriſtus hat gethan. — 
Wohl ihnen, daß er ein ſo guter Menſch 
Noch war! Wohl ihnen, daß ſie ſeine Tugend 
Auf Treu und Glaube nehmen können! — Doch 
Was Tugend? — Seine Tugend nicht; ſein Name 
Soll überall verbreitet werden; ſoll 
Die Namen aller guten Menſchen ſchänden, 
Verſchlingen. Um den Namen, um den Namen 
Iſt ihnen nur zu thun. 



















Saladin. 

Du meynſt: warum 

Sie ſonſt verlangen würden, daß auch ihr, 

Auch du und Melek, Chriſten hießet, eh 

Als Ehgemahl ihr Chriſten lieben wolltet? 

J Sitkah. 

da wohl! Als wär' von Chriſten nur, als Chriſten, 
Die Liebe zu gewärtigen, womit 

Der Schöpfer Mann und Männinn ausgeſtattet! 
Saladin. 

—* Chriſten glauben mehr Armſeligkeiten, 

3 daß ſie die nicht auch noch glauben könnten! — 
—r —— gleichwohl irrſt du dich. — Die Tempelherren, 
Die Chriſten nicht, ſind Schuld: ſind nicht, als Chriſten, 
Als Tempelherren Schuld. Durch die allein 

— di Br aus der Sache nichts. Sie wollen Acca, 

Das Richards Schweiter unjerm Bruder Melef 

gu Brautſchatz bringen müßte, ſchlechterdings 

Br Tone lajjen. Daß des Ritters Vortheil 

yr nicht laufe, jpielen fie den Mönch, 

n albern Mönd. Und ob vielleicht im Fluge 
Be Streich gelänge: haben ſie 


85 


95 


100 


105 


110 


44 Bathan der Weile. 





Des Waffenſtilleſtandes Ablauf faum > 
Erwarten können. — Lujtig! Nur jo weiter! 
Ihr Herren, nur jo weiter! — Mir Schon recht! — 
115 Wär alles jonjt nur, wie e8 müßte. 
Sikkah. 
ta Run? 
Was irrte dich denn jonit? Was könnte jonft 
Dich aus der Faſſung bringen? 
Saladin. 
Was von je 
Mich immer aus der Faflung hat gebradt. — 
Ich war auf Libanon, bey unjerm Vater. 
120 Er unterliegt den Sorgen no... ! 
Sillah:: 
D weh! ? 
| Saladin. | 
Er kann nicht duch; es klemmt fich aller Orten; 
Es fehlt bald da, bald dort — 
Sikkah. | 
Was klemmt? was fehlt? 
Saladin. 
Was ſonſt, al3 was ich faum zu nennen würd’ge? 
Was, wenn ichs habe, mir jo überflüßig, - 
125 Und hab’ ichs nicht, jo unentbehrlich jcheint: — 
Wo bleibt Al-Hafi denn? Iſt niemand nad 
Ihm aus? — Das leidige, verwünſchte Geld! — 
Gut, Haft, daß du kömmſt. 


Zweyker Auftritt. 
Der Derwiſch Al-Bafı. Saladin. Sitfah. 
Al-Bafi. 
Die Gelder aus 


Aegypten find vermuthlich angelangt. R 
130 Wenns nur fein viel it. 





ı Er unterlieget faft den Sorgen... [1779 a] 2 Armer Mann! [1779 a] 





2. Aufmug. 2. Auftritt. £ 5 





Saladin. 
Haft du Nachricht ? 
Al-Bafi. 


h nicht. Sch denke, daß ich hier fie in 


Emp ang ſoll nehmen. 



















Ich? 


Saladin. 
Zahl an Sittah tauſend 
x are! (In Gedanken bin und ber gehend.) 
E Al-Bafi. 
J Zahl! anſtatt, empfang! O ſchön! 
Das iſt für Was noch weniger als Nichts. — 
An Sittah? — wiederum an Sittah? Und 135 


Verloren? — wiederum im Schad verloren? — 
Da fteht es noch das Spiel! 
a Siltah. 
Du gönnjt mir doch 
Mein Glück? 

RI-Bafi. (das Spiel betrachtend.) 
| Was gönnen? Wenn — Ihr wißt ja wohl. 
Be. Sikkah. (ihm wintend.) 
Bit! Hafi! bit! 


RAl-Bafi. (noch auf das Spiel gerichtet.) 
Gönnts Euch nur jelber erjt! 
ie Siktkah. 

l-Hafi! bſt! 

— Al-Bafi. (zu Sittap.) 
Die Weißen waren Euer? 140 


r bietet Schach? 
Sitfah. 


Gut, daß er nichts gehört! 
Al-Bafi. 
* Zug an ihm? 


Sikkah. (ihm näher tretend.) 
— So ſage doch, 
2 mein Geld bekommen kann. 
— —— afi. (noch auf das Spiel geheftet.) 
| Nun ja; 
el eonmen, wie Ihrs ſtets bekommen. 


46 Bafhan der Weile. 





Sittah. 
145 Wie? biſt du toll? 
Al-Bafi. 
Das Spiel iſt ja nicht aus. 
Ihr habt ja nicht verloren, Saladin. 
Saladin. caum hinhörend.) 
Doch! doch! Bezahl! bezahl! 
Al-Bafi. 
Bezahl! bezahlt! 
Da jteht ja Eure Königinn. 
Saladin. (nod jo.) 
Gilt nicht; 
Gehört nicht mehr ins Spiel. 
Sikkah. 
So mach, und ſag, 
150 Daß ich das Geld mir nur kann hohlen laſſen. 
AI-Baft. (nod immer in das Spiel vertieft.) 
Berjteht fih, jo wie immer. — Wenn auch jchon; 
Wenn auch die Königinn nichts gilt: Ihr jeyd 
Doch darum noch nicht matt. 
Baladin, tritt Hinzu und wirft das Spiel um.) 
Sch bin es; will 
Es jeyn. 
RAl-Bafi. 
Ja ſo! — Spiel wie Gewinnſt! So wie 
155 Gewonnen, jo bezahlt. 
Saladin. (zu Sittah.) 
Was jagt er? was? 
Dillah. (von Zeit zu Zeit dem Haft winfend.) 
Du fennit ihn ja. Er ſträubt fi gern; läßt gern 
Sich bitten; ift wohl gar ein wenig neidiſch. — 
Saladin. 
Auf dich doch nicht? Auf meine Schweiter nicht? — 
Was hör’ ich, Hafi? Neidiſch? du? 
Al-Bafi. 
Kann jeyn! 
160 Kann jeyn! — Ich hätt’ ihr Hirn wohl lieber jelbit; 
Wär’ lieber jelbjt jo gut, als fie. 








2, Aufjug. 2. Auftritt. 


47 





Siltah,. 
# Indeß 
Hat er doch immer richtig noch bezahlt. 






















Geh nur, Al-Hafi, geh! Ich will das Geld 
Schon hohlen laſſen. 
J Al-Bafi. 
Nein; ich jpiele länger 
e Mummerey nicht mit. Er muß es doc 
Gi inmahl erfahren. 
u. Saladin. 
Wer? und was? 
Siltah. 
Al-Hafi! 
Iſt dieſes dein Verſprechen? Hältſt du ſo 
Mir Wort? 
5 Al-Bafi. | 
Wie konnt’ ich glauben, daß es jo 


Weit gehen würde. 
Saladin. 


| | “ Nun? erfahr ich nichts? 
4 Sitkah. 

Ich bitte dich, Al-Hafi; ſey beſcheiden. 

4 Saladin. 

das ift doch jonderbar! Was könnte Sittah 
o feyerlich, jo warm bey einem Fremden, 
jey einem Derwiſch lieber, als bey mir, 
zey ihrem Bruder ſich verbitten wollen. 

r daft, num befehl ich. — Rede, Derwiſch! 
r S Sittah. 
* Kleinigkeit, mein Bruder, dir 

ich t näher treten, als fie würdig iſt.“ 

x wei ich habe zu verſchiednen Mahlen 


d weil ic) it das Geld nicht nöthig habe; 
il itzt in Hafis Kaſſe doch das Geld 
allgubäufig üt: jo find 


x Se 
E BR 


Und wird auch heut’ bezahlen. Laß ihn nur! — 


ieſelbe Summ' im Schach von dir gewonnen. 


165 


170 


175 


180 


48 ‚ Bathan der Weile. 





Die Poſten ftehn geblieben. Aber jorgt 
185 Nur nicht! Jh will fie weder dir, mein Bruder, 
Noch Hafi, noch der Kaffe ſchenken. 
RAl-Bafi. 
Ja, 
Wenns das nur wäre! das! 
0 8ilfah. 
Und mehr dergleihen. — 
Auch das ift in der Kaſſe ftehn geblieben, 
Was du mir einmal ausgeworfen; ift 
190 Seit wenig Monden ftehn geblieben. 
Al-Bafi. 
Noch 
Nicht alles. 
Saladin. 
Noch nicht? — Wirſt du reden? 
RI-Batfi. 
Seit aus Es wir das Geld erwarten, 
Hat fie. 
Sillah. (su Saladin.) 
Wozu ihn hören? 
Al-Bafi. 
Nicht nur Nichts 
Bekommen ... | 
Saladin. 
Gutes Mädchen! — Auch beyher 
195 Mit vorgeſchoſſen. Nicht? 
Al-Bafi. 
Den ganzen Hof 
Erhalten; Euern Aufwand ganz allein 
Beltritten. 
Saladin. 
Ha! das, das ift meine Schweiter! die umarmend.) 
Siltah. 
Wer hatte, dieß zu können, mich jo reich 
Gemacht, als du, mein Bruder? 





2, Ruftug. 2. Auftritt. 


49. 








Al-Bafi. 
J. Wird ſchon auch 
= So bettelarm ſie wieder machen, als 
3 4 Er felber iſt. 
= Saladin. 
% Ich arm? der Bruder arm? 
Wenn hab' ich mehr? wenn weniger gehabt? — 
J Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, — und Einen Gott! 
Was brauch’ ich mehr? Wenn kanns an dem mir fehlen? 
Und doch, Al-Hafi, könnt’ ich mit dir jchelten. 
E Sikkah. 
Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unſerm Vater 
Auch ſeine Sorgen ſo erleichtern könnte! 
| Saladin. 
Ah! Ah! Nun ſchlägſt du meine Freudigkeit 
einmal wieder nieder! — Mir, für mich 
ehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm, 
| * fehlet; und in ihm uns allen. — Sagt, 
Bi foll ich machen? — Aus Aegypten kommt 
Er noch lange nichts. Woran das liegt, 
Beiß Gott. ES ift doch da noch alles ruhig. — 
; Abbrechen, einziehn, jparen, will ich gern, 
Mir gern gefallen laſſen; wenn es mich, 
Blos mich betrift; blos mich,! und ‚niemand jonit 
Darunter leidet. — Doch was kann das machen? 






















Und meinem Gott ift auch nichts abzudingen. 
Ihm gnügt jchon jo mit wenigem genug; 
Mit meinem Herzen. — Auf den Ueberſchuß 
Von deiner Kafje, Haft, hatt’ ich jehr 

hnet. 

Al-Bafi. 

E*  Ueberiduß? — Sagt jelber, ob 
—5— mich nicht hättet ſpießen, wenigſtens 

h droſſeln? laſſen, wenn auf Ueberſchuß 





0 ale Drude; Lachmann Ändert] blos ih, ? Mich Hängen [1779a] 
Br Leſſing, ſämtliche Schriften. III. 


Pferd, Ein Kleid, Ein Schwerd, muß ich doch haben. 


205 


210 


215 


220 


225 


50 h Bathan der Weile. 





Ich von Euch wär’ ergriffen worden. "Sa, 
Auf Unterjchleif! das war zu wagen. 


Saladin. 
Kun, 
Was machen wir denn aber? — Konnteft du 
230 Bor erit bey niemand andern borgen, als 
Bey Sittah? 
Sikkah. 
Würd' ich dieſes Vorrecht, Bruder, 
Mir haben nehmen laſſen? Mir von ihm? 
Auch noch beſteh' ich drauf. Noch bin ich auf 
Dem Trocknen völlig nicht. 
Saladin. 
Nur völlig nicht! 
235 Das fehlte noch! — Geh gleich, mac Anſtalt, Hafi! 
Nimm auf bey wen du kannſt! und wie du kannſt!— 
Geh, borg, verjprich. — Nur, Haft, borge nicht 
Bey denen, die ich rei) gemacht. Denn borgen 
Bon diejen, möchte wiederfodern heißen. 
240 Geh zu den Geizigiten; die werden mir 
| Am liebſten leihen. Denn fie wiſſen wohl, 
Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert. 
Al-Bafi. 
Sch kenne deren feine. | 
Sitkah. 
Eben fällt 
Mir ein, gehört zu haben, Hafi, daß 
245 Dein Freund zurüdgefonmen. 
Al-Bafi. (etroffen.) 
Freund? mein Freund ? 
Wer wär’ denn das? | 
Sitkah. 
Dein hochgeprieſner Jude. 
Al-Bafi. 
Geprieſner Jude? hoch von mir? 








2 Auhug. 2. Auftritt. 


51 
























hi Sitkah. 

— Dem Gott, a 
— * Ausdrucks noch recht wohl, deß einſt 
dich von ihm bedienteſt, — dem 
Gott von allen Gütern dieſer Welt 
8 Mleinfe und Größte jo in vollem Maas 
sethe et habe. — 
Bin. RAl-Bafi. 
En — ich ſo? — Was meynt' 
Ich denn damit? 
En Sikkah. 
Das Kleinſte: Reichthum. Und 
8 Grihte Weisheit. 

Al-Bafi. 

Wie? von einem AJuden? 
1 einem Juden hätt’ ich das gejagt? 

Sikkah. 
5 hätteſt du von deinem Nathan nicht 


t? 
ring Al-Bafi. 


Ya io! von dem! vom Nathan! — Fiel 

r der doch gar nicht bey. — Wahrhaftig? Der 
* wieder heim gekommen? Ey! 

o mags doch gar ſo ſchlecht mit ihm nicht ſtehn. — 
anz recht: den nannt' einmal das Volk den Weiſen! 
N 1 Reichen auch). 

Be: Sittah. 


Ei Den Reichen nennt es ihn 
en al3 je. Die ganze Stadt erjchallt, 
ser — Be was für Schäße, 


Al-Baft. 
—— Nun, ifts der Reiche wieder: 
au wo der Weije wieder feyn. 
er * Sikkah. 
meyn it du, Safı, wenn du diejen angingft? 
F Al-Bakfi. 


\ e ben ihm — Doch wohl nicht borgen? — Ja, 


250 


260 


265 


52 Bathan der Weile. 





Da kennt Ihr ihn. — Er borgen! — Seine Weisheit 
270 Sit eben, daß er niemand borgt. 


Sikkah. 
Du haſt 
Mir ſonſt doch ganz ein ande Bild von ihm 
Gemadt. % 
AI-Bafi, er 


Zur Noth wird er Euch Waaren. borgen. 
Geld aber, Geld? Geld nimmermehr! — Es iſt 
Ein Jude freylich übrigens, wie's nicht 
275 Viel Juden giebt. Er hat Verſtand; er weiß 
Zu. leben; jpielt gut Schach. Doch zeichnet er 
Sm Schlechten ſich nicht minder, als im Guten 
Bon allen andern Juden aus. — Auf den, 
Auf den nur rechnet nit. — Den Armen giebt 
280 Er zwar; und giebt vielleicht Troß Saladin. 
Wenn jehon nicht ganz jo viel: doch ganz jo gern; 
Doch ganz jo jonder Anjehn. Jud' und Chrift 
Und Mufelmann und Barfi, alles u 


Ihm eins. 
Sikkah. 


Und jo ein Mann... 
Daladin. 
Wie kommt e8 denn, 
285 Daß ich von diefem Manne nie gehört? ... | 
Sikkah. 
Der ſollte Saladin nicht borgen? nicht 
Dem Saladin, der nur für andre braucht, 


Nicht ſich? 
Al-Bafi. 


Da jeht nun gleich den Juden wieder; 
Den ganz gemeinen Juden! — Glaubt mir doch! — 
290 Er ift aufs Geben Eud jo eiferfüdhtig, 
Sp neidiih! Jedes Lohn von Gott, das in ed 
Der Welt gejagt wird, zög' er lieber ganz 
Allein. Nur darum eben leiht er feinem, 





2. Rufzug. 3. Auftritt. 


53 




















Damit er ftets zu geben habe. Weil 
Die Mild’ ihm im Geſetz geboten; die 
 Gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht 
Die Milo’ ihn zu dem ungefälligiten 
Er“ auf der Welt. Zwar bin ich jeit 


raumer Zeit ein wenig übern Fuß 


E n darum nicht Gerechtigkeit erzeige. 
Er ift zu allem gut: blos dazu nicht; 
Blos dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich 
Nur gehn, an andre Thüren Hopfen... Da 
Beſinn' ich mich jo eben eines Mohren, 
Der reich und geizig ift. — Ich geh’; ich geh”. 
M R Sikkah. 
Was eilſt du, Hafi? 

Saladin. 
Laß ihn! laß ihn! 


Drikter Auftritt. 
Sittah. Saladin. 


Sitkah. 

Eilt 

r 9 als ob er mir nur gern entkäme! — 
8 heißt das? — Hat er wirklich ſich in ihm 
| trogen, oder — möcht’ er uns nur gern 
triegen ? 
2 | Daladin. 

Re Wie? das fragit du mich? Ach weiß 
kaum, von wem die Nede war; und höre 

on euerm Juden, euerm Nathan, heut’ 

= Sittah. 

Iſts möglich? daß ein Mann 
8 Ben blieb, von dem es beißt, 
— und Davids Gräber 


t ihm gejpannt; doch denkt nur nicht, daß ich 


295 


305 


310 


‚315 


54 Bathan der Weile. 





Erforſcht, und wiſſe deren Siegel dur 
Ein mädhtiges geheimes Wort zu löſen? 
Aus ihnen bring’ er dann von Zeit zu Zeit 
320 Die unermeßlichen Neichthümer an 
Den Tag, die feinen mindern Duell verriethen. | — 
Saladin. SUPER} 
Hat feinen Reichthum diefer Mann aus Gräbern, 
Sp warens fiherlih nicht Salomons, 
Nicht Davids Gräber. Narren lagen da 
325 Begraben! 
Sillah. 
Oder Böjewichter! — Auch 
Iſt jeines Reichthums Duelle weit ergiebiger 
Weit unerjchöpflicher, als jo ein Grab 
Bol Mammon. | 
Saladin. 
Denn er handelt; wie ich hörte. 
Sitkah. 
Sein Saumthier treibt auf allen Straßen, zieht 
330 Durch alle Wüſten; ſeine Schiffe liegen 
In allen Häfen. Das hat mir wohl eh 
Al-Hafi ſelbſt geſagt; und voll Entzücken 
Hinzugefügt, wie groß, wie edel dieſer 
Sein Freund anwende, was ſo klug und emſig 
335 Er zu erwerben für zu klein nicht achte: 
Hinzugefügt, wie frey von Vorurtheilen 
Sein Geiſt; ſein Herz wie offen jeder Tugend, 
Wie eingeſtimmt mit jeder Schönheit ſey. 
Saladin. 
Und itzt ſprach Hafi doch ſo ungewiß, 
340 So kalt von ihm. | 
Sitktah. 
Kalt nun wohl nicht; verlegen. 
Als halt' ers für gefährlich, ihn zu loben, 
Und woll' ihn unverdient doch auch nicht tadeln. — 
Wie? oder wär' es wirklich ſo, daß ſelbſt 
Der Beſte ſeines Volkes ſeinem Volke 

































* — Hätte? — Sey JJ wie ihm wolle! — 
Der Jude ſey mehr oder weniger 
* Jud', iſt er nur reich: genug für uns! 
Bert‘ | Saladin. 
u oil ihm aber doch das Seine mit 350 


3 6 ewalt nicht nehmen, Schweiter? 

Sitkah. 

| Sa, was heißt 

Be Bey dir Gewalt? Mit! Feu'r und Schwert? Nein, nein, 

2 Bas braucht es mit den Schwachen für Gewalt, 

8 ihre Schwähe? — Komm vor igt nur mit 

dr ‚meinen Haram, eine Sängerinn 355 
ı hören, die ich geftern erſt gefauft. 

Es reift indeß bey mir vielleicht ein Anjchlag, 

R ih auf diefen Nathan habe. — Komm! 


Ber 
— 


Vierker Auftritt. 
Scene: vor dem Haufe des Nathan, wo es an die Palmen ſtößt. 
Reha und NVakhan tommen Heraus. Zu ifnen Daja. 
Reha. 

| IE Habt Euch jehr verweilt, mein Vater. Er 

ird ) kaum noch mehr zu treffen ſeyn. 
e: ' Bathan. 
RE -. Nun, nun; 360 
enn ier, bier untern Ralmen ſchon nicht mehr: 
dei t — Se ist nur ruhig. — Sieh! 

td t nicht Daja auf ung zu? 
j Recha. 


RN, 3 verloren ‚haben. 


rſt verbeſſert isis 


Sie wird 


56 Bathan der Weile. 





Bathan. 
Auch 
365 Wohl nicht. 
Recha. 
Sie würde ſonſt geſchwinder kommen. 
Dalhan. 
Sie hat uns wohl noch nicht geſehn ... 
Reha. 
Kun fieht 


Sie uns. 
Dathan. 


Und doppelt ihre Schritte. Sieh! — 
Sey doch nur ruhig! ruhig! 
Reha. 
Wolltet Ihr 
Wohl eine Tochter, die hier ruhig wäre? 
370 Sich unbefümmert Lieffe, weilen Wohlthat 
Shr Leben jey? Ihr Leben, — das ihr nur 
So lieb, weil fie es Euch zu erjt verdanfet. 
Datihan. 
Ich möchte dich nicht anders, als du bilt: - 
Auch wenn ich wüßte, daß in deiner Seele 
375 Ganz etwas anders noch jich rege. 
Reha. 
Was, 
Mein Bater? | 
Bathan. 
Fragit du mich? jo ſchüchtern mich? 
Was auch in deinem innen vorgeht, ift 
Katur und Unihuld. Laß es feine Sorge 
Dir machen. Mir, mir macht e8 feine. Nur 
380 Verſprich mir: wenn dein Herz vernehmlicher 
Sich einjt erklärt, mir jeiner Wünſche feinen 
Zu bergen. 
Reha. 
Schon die Möglichkeit, mein Herz 
Euch lieber zu verhüllen, macht mich zittern. 





—— 


















= i Rufrug. 4. Rufteitt DR 





| | Y  Bathan. 

Nichts mehr hierva iger für allemahl | 

” —— Dr it ja Daja. — Nun? 385 

R — Daja. 

en v a er hier untern Balmen; und 

® d gleich um jene Mauer kommen. — Seht, 

Da J— er! 

Ber Rue. 

= AH! und jcheinet unentſchloſſen, 
Bohin? ob weiter? ob hinab? ob rechts? 

Ob links? 

3 Ar D aja. 

3 Nein, nein; ev macht den Weg ums Klofter 390 

Gewiß noch öfter; und dann! muß er hier 

Er — Was gilts? 


W 


Recha. 
Recht! recht! — Haſt du ihn ſchon 
ʒeprohen Und wie et er heut? 


Daja. 
Wie immer. 
T Bathan. 
nur, daß er euch hier nicht gewahr 
E fir ). Tretet mehr zurüd. * lieber ganz 395 
Recha. 
Nur — Blick noch! — Ah! die Hecke, 
em ihn ftiehlt. 
Daja. 


ke = Kommt! kommt! Der Vater hat 
n Fe Ihr * —— wenn er Euch ſieht, 


— ; 
Ah! die Hede! 
BDaihan. 
dort aus ihr hervor: | 400 


— 


58 Dathan der Weile, 





So kann er anders nicht, er a euch- ur ® 
Drum geht doch nur! | RR: 
Daja. rn St 
Kommt! kommt! Ich weiß ein Feniter, 
Aus dem wir fie bemerken fünnen. a 
Reha. | 
Sa? 


. 
DB 2 ze 


(beyde hinein.) I 


Fünfter Auftritt. 


Balhan und bald darauf ver Tempelherr. 


Dalhan. 
Faft ſcheu' ich mich des Sonderlings. Faſt macht 
405 Mich jeine rauhe Tugend ftugen. Daß 
Ein Menſch doch einen Menſchen jo verlegen 
Soll machen können! — Ha! er kömmt. — Bey Gott! 
Ein Jüngling wie ein Mann. Ich mag ihn: wohl 
Den guten, troggen Blid! den prallen! Gang! 
410 Die Schaale kann nur bitter jeyn: der Kern 
Iſts ſicher nicht. — Wo jah’ ich doch dergleihen? — 
Derzeihet, edler Franke... 
Tempelherr. 
Was? 
Dalhan. 
Erlaubt... 
Tempelherr. 
Was, Jude? was? 
Dalhan. 
/ Daß ich mich unterjteh’, 
Euch anzureden. 
| Tempelherr. 
Kann ichs wehren? Doch | 4 
415 Nur kurz. | A 
Dalhan. 
Verzieht, und eilet nicht jo ſtolz, — AN 





1 prallen [1779 a] 





%- en —— 9 Kl i a Ani 
Bere. 
Fanta 


ni: lan. 5. Auftrift. 


59 

























Nicht ſo veruchtlich ei einem Mann vorüber, 
\ er Ihr auf ewig Euch verbunden habt. 


Tempelberr, 


Dathan. 

Ih heiſſe Nathan; bin des Mädchens Later, 

Das Eure Großmuth aus dem Feu’r gerettet; 

Und komme... | 

' Tempelherr. 

— Wenn zu danken: — ſparts! Ich hab' 

Um dieſe Kleinigkeit des Dankes ſchon 

Zu viel erdulden müſſen. — Vollends Ihr, 

Ihr ſeyd mir gar nichts ſchuldig. Wußt' ich denn, 

Daß diefes Mädchen Eure Tochter war? 

Es ift der Tempelherren Pflicht, dem Eriten 

- Dem Beten beyzujpringen, deſſen Noth 

Sie jehn. Mein Leben war mir ohnedem 

In diefem Augenblide läftig. Gern, 

Sehr gern ergriff ich die Gelegenheit, 

; 63 für ein andres Leben in die Schanze 

Zu ſchlagen: für ein andres — wenns auch nur 

Er Leben einer Jüdinn wäre. 

Dathan. 

J Groß! | 
Groß und ie — Doch die Wendung läßt 

eu denfen. Die bejcheidne Größe flüchtet 

Sich hinter das Abjcheuliche, um der 

Bewundrung auszumweichen. — Aber wenn 

Sie jo das Opfer der Bewunderung — 

Ver rſchmäht: was für ein Opfer denn verſchmäht 

Sie minder? — Nitter, wenn Ihr hier nicht fremd, 

Un nicht gefangen wäret, wird’ ich Euch 

x >0 dreiſt nicht fragen. Sagt, befehlt: womit 

Kar ı man Euch dienen? 

Se A Tempelherr. 


Ihr? Mit nichts. 


j Wie das? — Ah, fait errath’ ichs. Nicht? Ihr jeyd... 


420 


425 


430 


435 


440 





60 Batfhan der Weile. 


Bathan- | 
Ich bin 
Ein reiher Mann. 
Tempelherr. 
Der reichre Jude war 
445 Mir nie der beiire Jude. 
Balhan. 
Dürft Ihr denn 
Darum nicht nüßen, was dem ungeachtet 
Er bejires hat? nicht feinen Reichtum nützen? 
Tempelherr. 
Nun gut, das will ih auch nicht ganz verreden; 
Um meines Mantel3 willen nit. Sobald 
450 Der ganz und gar verjchlilien,; weder Stich 
Noch Fee länger halten will: fomm’ ich 
Und borge mir bey Euch zu einem neuen, 
Tuch oder Geld. — Seht nicht mit eins fo finfter! 
Noch jeyd Ihr ſicher; noch iſts nicht jo weit 
455 Mit ihm. Shr feht; er ift jo ziemlich noch 
Im Stande! Nur der eine Zipfel da 
Hat einen garjtgen Fled; er ift verjengt. 
Und das befam er, al3 ich Eure Tochter 
Durchs Feuer trug. 
Dath an. (der nah dem Bipfel greift und ihn betrachtet.) 
Es iſt doch jonderbar, 
460 Daß jo ein böjer Fled, daß jo ein Brandmahl 
Dem Mann ein bejireg Zeugniß redet, als 
Sein eigner Mund. Ich möcht ihn Fühlen gleich — 
Den Fleden! — Ah, verzeiht! — Ich that es ungern. 
Tempelherr. 
Was? 
Balhan. 
Eine Thräne fiel darauf. 
Tempelherr.“ 
Thut nichts! 
465 Er hat der Tropfen mehr. — (Bald aber fängt 
Mich diefer Jud’ an zu verwirren.) 





2. Aufzug. 5. Aufteift. 


61 


















mi au Dathan. 

ı * | Wär't 

J —4 wohl ſo gut, ir RE Euern ! Mantel 
J einmal meinem Mädchen? 
= Tempelherr. 

R Was damit? 
e  Bathan. 

Auch ihren Mund auf diefen Fleck zu drüden. 
j J Eure Kniee ſelber zu umfaſſen, 
Beust fie nun wohl vergebens. 


Tempelherr. 
Aber, Jude — 


R Ihr heifjet Nathan? — Aber, Nathan — Ihr 


34 bin betreten — Mllerdingg — ich hätte... 
| Dathan. 
Stellt und verftellt Euch, wie Ihr wollt. Ich find’ 
ee bier Euch aus. Ahr wart zu gut, zu bieder, 
Bilder zu jeyn. — Das Mädchen, ganz 
hl; der weibliche Gejandte, ganz 
® Dienknnit, der Vater weit entfernt — 
Ihr trugt für ihren guten Namen Sorge; 
j } ht ihre Prüfung; floht, um nicht zu fiegen. 
Auch dafür dank ich Euch — 
= Tempelherr. 
4 Ich muß geftehn, 
J wißt, wie Tempelherren denken ſollten. 
Pakhan. 
t —— ſollten blos? und blos 
wu es die Ordensregeln jo gebieten? 
5 wie gute Menſchen denken; weiß, 
3 alle Länder gute Menden tragen. 
Tempelherr. 


it Unterfie, doch hoffentlich? 


| um 





Setzt Eure Worte jehr — ſehr gut — ſehr ſpitz — 


470 


475 


480 


485 


62 Bafhan der Weile. 





Bathaı. 
Ja wohl; 
An Farb', an Kleidung, an Geſtalt verſchieden. 
Tempelherr. 
490 Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort. 
BDalhan. 
Mit diefem Unterſchied iſts nicht weit her. 
Der große Mann braucht überall viel Boden; 
Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerichlagen 
Sich nur die Nejte. Mittelgut, wie wir, 
495 Findt fich Hingegen überall in Menge. 
Nur muß der eine nicht den andern mädeln. 
Kur muß der Knorr den Knuppen hübſch vertragen. 
Kur muß ein Gipfelhen fich nicht vermeſſen, 
Daß e3 allein der Erde nicht entſchoſſen. 
Tempelherr. 
500 Sehr wohl gejagt! — Doc fennt Ihr auch das Volk, 
Das diefe Menjchenmädeley zu erſt 
Getrieben? Wißt Ihr, Nathan, welches Bolt 
Zu erſt das auserwählte Volk fih nannte? 
Wie? wenn ich diejes Volk nun, zwar nicht haßte, 
505 Doch wegen jeines Stolzes zu verachten, 
Mich nicht entbrechen könnte? Seines Stolzes; 
Den es auf Chriſt und Mufelmann vererbte, 
Nur jein Gott jey der rechte Gott! — Ihr ſtutzt, 
Daß ich, ein Chrift, ein Tempelherr, jo rede? 
510 Wenn bat, und wo die fromme Raſerey, 
Den bejjern Gott zu haben, diejen bejjern 
Der ganzen Welt als beiten aufzudringen, 
In ihrer ſchwärzeſten Geftalt fih mehr 
Gezeigt, als hier, als ist? Wem hier, wen igt 
515 Die Schuppen nicht vom Auge fallen... Doc 
Sey blind, wer will! — Vergeßt, was ich gejagt; 
Und laßt mich! (will gehen.) j 
Bathan. 
Ha! Fhr wißt nicht, wie viel feiter 


=) 








63 













— werde. — Kommt, 
W e ſeyn! — Verachtet 
—* ein Volk fo ſehr hr wolt. Wir haben beyde 
3 unfer- Volk nicht auserlefen. Sind 

N ir Sie unſer Volk? Was heißt denn Volk? 

sind Chriſt und Jude eher Chrijt und Jude, 

Als 5 Meuf? AH! wenn ich einen mehr in Euch 
ft den hätte, dem es gnügt, ein Menſch 
Bi! 

& e Tempelherr. 

er Ya, bey Gott, das habt Ihr, Nathan! 
) 18 habt Ihr! — Eure Hand! — Ich ſchäme mich 
uch einen Augenblid verfannt zu haben. 

“ Bathan. 

Ind ich bin jtolz darauf. Nur das Gemeine 

se rkennt man jelten. 

% 28 Tempelherr. 

J Und das Seltene 

a man jchwerlih. — Nathan, ja; 

Bu mäfien, müſſen Freunde werden. 


Dalhan. 
Sind 
s fon. — Wie wird ſich meine Recha freuen! — 
d oh! welch eine heitre Ferne jchließt 
Een Bliden auf! — Kennt fie nur exit! 


Tempelherr. 
vor Verlangen — Wer ftürzt dort 


Eu zuerm auſet dis nicht ihre Daja? 
| Dalhan. | 
— 














Tempelherr. 
Unſrer Recha iſt 


525 


530 


535 


64 Bathan der Weile. 





Sechster Auftritt. 
Die Vorigen und Paja eilig. 


Daja. 
Kathan! Nathan! 
Dalhan. 
| Kun? 
Daja. 
540 Verzeihet, edler Ritter, daß ich Euch 
Muß unterbrechen. 
Balhan. 
Kun, was iſts? 
Tempelherr. 
Mas its? 


Daja. 
Der Sultan hat geihidt. Der Sultan will 
Euch ſprechen. Gott, der Sultan! 


Dathan. 
Mi? der Sultan? 
Er wird begierig jeyn, zu jehen, was 
545 Ich Neues mitgebradt. Sag nur, es jey. 
Noch wenig oder gar nicht3 ausgepadt. 


Daja. 
Nein, nein; er will nicht? jehen; will Euch — 
Euch in —* und bald; ſobald Ihr könnt. 


Bathan. 
Sch werde fommen. — Geh nur wieder, geh! 


Daja. 

550 Nehmt ja nicht übel auf, gejtrenger Ritter. — 
Gott, wir find jo befümmert, was ber Sultan 
Doch will. 

Bathan 1,30 AN 
Das wird fich zeigen. Geh nur, geh! | 5 





65 








2. Aufzug. 7. Auftrift. 


Siebender Auftritt, 


Bafhan und ver Tempelherr. 
Tempelberr. 


| F So kennt Ihr ihn noch nicht? — ich meyne, von 


on. 











Ron 
ALS jehn. Doch nun, — wenn anders dem jo ilt, — 
Hat er dur) Sparung Eures Lebens... 


4 






JE 

























nd 


Bathan. 
Den Saladin? Noch nicht. Ich habe 
nicht vermieden, nicht gejucht zu Fennen. 
allgemeine Ruf ſprach viel zu gut 
ihm, daß ich nicht lieber glauben wollte, 


Tempelherr. 
Sa; 
allerdings ift jo. Das Leben, das 


h leb', ijt fein Geſchenk. 


Bathan. 
Durch das er mir 


doppelt, dreyfach Leben ſchenkte. Dieß 
at alles zwijchen uns verändert; hat 


eins ein Seil mir umgemworfen, das 


ich h jeinem Dienft auf ewig fejlelt. Kaum, 


En, fann ich es nun erwarten, was 


r mir zuerjt befehlen wird. Ich bin 


2 Sg allem; bin bereit ihm zu 

, daß iö es Euertwegen bin. 
Tempelherr. 

d hab ich ſelber ihm nicht danken können: 

ich auch ihm in den Weg getreten. 


—5 den ich auf ihn machte, kam 


> schnell, als jchnell er wiederum verſchwunden. 
r —* ob er ſich meiner gar erinnert. 

> dennoch muß er, einmahl wenigſtens, 

ch meiner noch erinnern, um mein Schickſal 
nn ı entfheiden. Nicht genug, daß ic) 


—— Schriften. II. 


kr 

Be «.“ 
Ener 
Dt 2 


Ba; 
> RE 





555 


560 


565 


570 


575 


66 Bathan der Weile. 





Auf jein Geheiß noch bin, mit jeinem Willen 
Noch eb’: ich muß nun auch von ihm erwarten, 
580 Nach weilen Willen ich zu leben habe. 


BDalhan. 
Nicht anders; um jo mehr will ich nicht ſäumen. — 
Es fällt vielleiht ein Wort, das mir, auf Euch 
Zu kommen, Anlaß giebt. — Erlaubt, verzeiht — 
Ich eile — Wenn, wenn aber jehn wir Euch 

585 Bey uns? 
Tempelherr. 
So bald ich darf. 
Dathan. 
So bald Ihr wollt. 


Tempelherr, 


Noch Heut. 
Dalhan. 
Und Euer Name? — muß ich bitten. 


Tempelherr. 
Mein Name war — iſt Eurd von Stauffen. — Eurd! 
Dathan. ; 
Bon Staufen? — Staufen? — Stauffen? 
Tempelherr. 
Warum fällt 
Euch das jo auf? 
Balkan. 
Bon Stauffen? — Des Geſchlechts 
590 Sind wohl jehon mehrere . 
ee 
| D ja! bier waren, 
Her faulen des Geſchlechts ſchon mehrere. 
Mein Oheim jelbft, — mein Vater will ih jagen, — 
Doch warum jehärft fih Euer Blick auf mid) 
Je mehr und mehr? 
Datihan. 
O nichts! o nichts! Wie kann 
595 Ich Euch zu ſehn ermüden? 





2. Aufzug. 8. Auftritt. 67 








Tempelherr. 
J Drum verlaß 
A Euch zuerſt. Der Blick des Forſchers fand 
Nicht ſelten mehr, als er zu finden wünſchte. 
Icch fürcht' ihn, Nathan. Laßt die Zeit allmälig, 
Und nicht die Neugier, unſre Kundfchaft machen. (Cr gest.) 
Er Bafhan. (der ihm mit Erftaunen nachfieht.) 
j „Der Foricher fand nicht jelten mehr, als er 600 
u finden wünfchte.” — Sit es doch, als ob 
3 meiner Seel’ er leſe! — Wahrlic ja; 
3 fünnt auch mir begegnen. — Nicht allein 
*— Wuchs, Wolfs Gang: auch ſeine Stimme. So, 
Lollkommen jo, warf Wolf ſogar den Kopf; 605 
Trug Wolf jogar das Schwerd im Arm’; ftrich u 
Sogar die Augenbraunen mit der Hand, 
Hleihjam das Feuer feines Blicks zu bergen. — 
Wie jolche tiefgeprägte Bilder doc) 
Zu Zeiten in ung ſchlafen können, bis 610 
5 Wort, ein Laut fie wedt. — Bon Stauffen! — 
Be techt, ganz recht; Filnek und Stauffen. — 
) will das bald genauer willen; bald. 
ur erſt zum Saladin. — Doc wie? laufcht dort 
icht Daja? — Nun jo komm nur näher, Daja. 615 






















Aıhter Auftritt, 
Daja. Bafhan. 


Rakhan. 
15 gilts? nun drückts euch beyden ſchon das Herz, 
bh ganz was anders zu erfahren, als 
3 Saladin mir will. 
Su Daja. 
we ;, Verdenkt Ihrs ihr? 
er; eben an, vertraulicher 
| dm ——— als des Sultans —— 620 
e ſcheuchte. | 


68 Nakhan der Weile. 





Dathan. 
Kun jo jag. 
Ihr nur, daß fie ihn jeden Augenblict 
Erwarten darf. 
Daja. 
Gewiß? gewiß? 
Dathan. 
Ich kann 
Mich doch auf dich verlaſſen, Daja? Sey 
625 Auf deiner Hut; ich bitte dich. Es ſoll 
Dich nicht gereuen. Dein Gewiſſen ſelbſt 
Soll ſeine Rechnung dabey finden. Nur 
Verdirb mir nichts in meinem Plane. Nur 
Erzähl und — mit Beſcheidenheit, 
630 Mit Rüdhalt . 
Daja. 
Daß hr doch noch erit, jo was 
Erinnern könnt! — Ih geh; geht Ihr nur auch. 
Denn jeht! ich glaube gar, da fümmt vom Sultan 
Ein zweyter Both’, Al-Hafı, Euer Derwiich. (seht ab.) 


Beunfer Auftritt. 
Vathan. Al-Bafi. 


Al-Bafi. 
Ha! ha! zu Euch wollt ich nun eben wieder. 
Bathan. 
635 Iſts denn jo eilig? Was verlangt er denn 
Bon mir? 
Al-Bafi. 
Wer? 
 Bathan. 
Saladin. — Ich komm’, ich komme. 
| Rl-Batfi. 
Zu wem? Zum Saladin? ER 





69 



























ESchickt Saladin 

Am 
| * Al-Bafi. 

Mich? nein. Hat er denn ſchon geſchickt? 


ee " Bathan. 
Ja freylich hat er. 

9— | Al-Bafi. 
Kun, jo ift es richtig. 
— | Bathan. 

Las? was ijt richtig? 

ge Al-Bafi 

7 Daß... ich bin nidt Schuld; 640 
dot t weiß, ih bin nicht Schuld. — Mas hab ich nicht 

Euch gejagt, gelogen, um es abzuwenden! 


J Bathan. 
08 abzuwenden? Was ift vihtig? 


— Al-Bafi. 
J— Daß 
un Ihr ſein Defterdar geworden. Jh 


eta Euch. Doch mit anſehn will ichs nicht. — 645 
hgeh von Stund an; geh, Ihr habt es ſchon | 
hört, wohin; und wißt den Weg. — Habt hr 
3 Wege was zu beitellen, jagt: ich bin 
Dienſten. Freylih muß es mehr nicht jeyn, 
was ein Nakter mit fich jchleppen kann. i 650 


| u) ), — 


Dathan. 
et Beſinn dich doch, Al-Hafi. 
Am * ich noch von gar nichts weiß. 
Eu denn da? 
— Al-Bafi 


* bringt ſie doch 


Bath an. 
‚ Beutel? 


WEAMEAER MA a hard 


70 Bathan der Weile. 





RI-Bafi. 
Nun, das Geld, 
655 Das Ihr dem Saladin vorjhießen jollt. 
‚.  Balhan. 
Und weiter ift es nichts? 
Al-Batfi. 
Sch jollt es wohl 
Mit anjehn, wie er Euh von Tag zu Tag 
Aushöhlen wird bis auf die Zehen? Sollt’ 
Es wohl mit anjehn, daß Verfhwendung aus 
660 Der weiſen Milde ſonſt nie leeren Scheuern 
So lange borgt, und borgt, und borgt, bis auch 
Die armen eingebornen Mäuschen! drinn 
Berhungern? — Bildet Shr vielleiht Euch ein, 
Wer Euer Gelds bedürftig jey, der werde 
665 Doch Euerm Nathe wohl au folgen? — a; 
Er Rathe folgen! Wenn hat Saladin 
Sich rathen laſſen? — Denkt nur, Nathan, was 
Mir eben ist mit ihm begegnet. 
Dathan. 
Kun? 
Al-Bafi 
Da komm ich zu ihm, eben daß er Schad 
670 Gejpielt mit jeiner Schweiter. Sittah jpielt 
Nicht übel; und das Spiel, das Saladin 
Berloren glaubte, jchon gegeben hatte, 
Das jtand noch ganz jo da. Ich ſeh Euch hin, 
Und jehe, daß das Spiel noch lange nicht 
675 Verloren. 
Dathan. 
Ey! das war für dich ein Fund! 
Al-Bafi. 
Er durfte mit dem König an den Bauer 
Nur rüden, auf ihr Shah — Wenn ichs Euch gleich 
Nur zeigen könnte! 





1Mäuschens [1779c] 
































2. Aufzug. 9. Auftritt. 


71 





ii: er: N BMathan. 
3 O ich traue dir! 
Al-Bafi. 
Den jo befam der Roche Feld: und fie 
War hin. — Das alles will ih ihm nun weijen 
Und ruf ihn. — Dentt! . 
Ei | ehe 


E. Al-Bafi. 
ah mich gar nicht an, und wirft verächtlich 
3 ganze Spiel in Klumpen. 

BDathan. 

Sit das möglich? 

RAl-Bafi. 
Und jagt: er wolle matt nun einmal jeyn; 
sr wolle! Heißt das jpielen ? 
2 Bathan. 
Schwerlich wohl; 
eißt mit dem Spiele ſpielen. 
—9 RAI-Bafi. 
SR Gleihwohl galt 
58 feine taube Nuß. 
a Bathan. 
Geld bin, Geld her! 
3 it das wenigjte. Allein dich gar 
pt anzuhören! über einen Punkt 
n jolcher Wichtigkeit dich nicht einmal 
Den! deinen Adlerblick nicht zu 
inbern | das, das ſchreyt um Rache; nicht? 
x RAl-Bafi. 
9 was 132 Ich ſag Euch das nur ſo, damit 
9— könnt, was für ein Kopf er iſt. 
, ich halts mit ihm nicht länger aus. 
Ei uf ich num bey allen ſchmutzgen Mohren 
r m, und frage, wer ihm borgen will. 
der ich nie für mich gebettelt habe, 


* * 


Eh: 


Er ift nicht deiner Meinung? 


685 


690 


695 


72 Vakhan der Weile. 





Soll nun für andre borgen. Borgen tft 
700 Viel befjer nicht als betteln: jo wie leihen, 
Auf Wucher leihen, nicht viel beijer ift, 
Als jtehlen. Unter meinen Ghebern, an 
Dem Ganges, brauch ich beydes nicht, und brauche 
Das Werkzeug beyder nicht zu jeyn. Am Ganges, 
705 Am Ganges nur giebt3 Menſchen. Hier ſeyd Ihr 
Der Einzige, der noch jo würdig wäre, | 
Daß er am Ganges lebte. — Wollt Ihr mit? — 
Laßt ihm mit eins den Plunder ganz im Stiche, 
- Um den e8 ihm zu thun. Er bringt Euch nad 
710 Und nach doch drum. So wär’ die Pladerey 
Auf einmal aus. Ich ſchaff Euch einen Delk. 
Kommt! kommt! 
Dalhan. 
Ich dächte zwar, das blieb uns ja 
Noch immer übrig. Doch, Al-Hafi, will 
Ichs überlegen. Warte... 
Al-Bafi. 
Veberlegen ? 
. 715 Nein, jo was überlegt jih nicht. 
Bathan. 
Nur bis 
Ich von dem Sultan wiederfomme; bis 


Ich Abſchied erit... 
Al-Bafi. 


Mer überlegt, der jucht 
Bewegungsgründe, nicht zu dürfen. Wer 
Sih Knall und Fall, ihm jelbft zu leben, nicht 
720 Entſchlieſſen kann, der lebet andrer Sklav 
Auf immer. — Wie Ihr wollt! — Lebt wohl! wies Euch 
Wohl dünkt. — Mein Weg liegt dort; und Eurer da. 


Dalhan. 
Al-Hafi! Du wirft jelbit doch erſt das Deine | 5 
Berichtigen ? Die 
Al-Bafı, 


Ah Poſſen! Der Beftand 





2 — erg EN a a 
pi MIiY “ 





























3. Ruhnug. 1. Auftritt. | 2.28 
meiner am des Zählens werth; | . 725 
d meine Rechnung bürgt — Ihr oder Sittah. 
ie wohl! (ab) | 
ae Vakhan. (ihm nachſehend.) 
— Die bürg' ich! — Wilder, guter, edler — 


Bi nenn id ihn? — Der wahre Bettler ift 
Doch einzig und allein der wahre König! 


(von einer andern Seite ab.) 


Dritter Aufzug. 


Erſter Auftritt. 


(Scene: in Nathans Haufe.) 


Reha und Paja. 


Recha. 
ie, drückte fi mein Vater aus? 
ch dürf' ihn jeden Augenblid erwarten?” 
3 klingt — nicht wahr? — als ob er noch jo bald 
* en werde. — Wie viel Augenblicke 
ind aber ſchon vorbey! — Ah nun: wer denkt 5 
n die verflojjeren? — Ich will allein 
n jedem nächſten Augenblide Leben. 
F* doch einmal kommen, der ihn bringt. 
2 Daja. 
— ⸗ Bothſchaft von dem Sultan! 
Ehen hätte ficher ohne fie 10 
—* wi hergebradit. 
Recha. 

Und wenn er nun 
——7 wenn denn 
n meiner Wünſche wärmſter, innigſter 
| fe * was dann? — was dann? 


74 Bafhan der Weile. 








Daja. 
Was dann? 

15 Dann hoff' ich, daß auch meiner Wünſche wärmſter 
Soll in Erfüllung gehen. 

Recha. 
Was wird dann 
In meiner Bruſt an deſſen Stelle treten, 
Die ſchon verlernt, ohn einen herrſchenden 
Wunſch aller Wünſche ſich zu dehnen? — Nichts? 
20 Ab, ich erſchrecke! ... 
Daja. 
Mein, mein Wunſch wird dann 
An des erfüllten Stelle treten; meiner. 
Mein Wunſch, dich in Europa, did in Händen 
Zu willen, welche deiner würdig find. 
Reha. 
Du irrſt. — Was diefen Wunsch zu deinem macht, 

25 Das nehmliche verhindert, daß er meiner 
Se werden kann. Dich zieht dein Vaterland: 

Und meines, meines jollte mich nicht halten ? 
Ein Bild der Deinen, das in deiner Seele 
Noch nicht verloſchen, jollte mehr vermögen, 

30 Als die ich jehn, und greifen Tann, und hören, 

Die Meinen? | 
Daja. 

Sperre dich, jo viel du willſt! 
Des Himmels Wege find des Himmels Wege. 
Und wenn e3 nun dein Netter jelber wäre, 
Durch den jein Gott, für den er kämpft, di in 

35 Das Land, dich zu dem Volke führen wollte, 
Für welche du geboren wurdeſt? 

Reha. 
Daja! 
Was jprichit * da nun wieder, liebe Daja! 
Du haft doch wahrlich deine ſonderbaren 





ı Als die ich jeh, und greiff’, und höre, [1779a] 





3. Aufzug. 1. Auftritt. 





75 





aufe! „Sein, ſein Gott! für den er kämpft!“ 
Wem eignet Gott? was iſt das für ein Gott, 
Der einem Menſchen eignet? der für ſich 

zu fämpfen lafjen? — Und wie weiß; 

Man denn, für welchen Erdflos man geboren, 

} Wenn mans für den nicht ift, auf welchem man 
Geboren? — Wenn mein Vater dich jo hörte! — 
Was that er dir, mir immer mır mein Glüd 

So weit von ihm als möglich vorzufpiegeln? 
Was that er dir, den Saamen der Vernunft, 
Den er jo rein in meine Seele ftreute, 

Mit deines Landes Unkraut oder Blumen 

So gern zu mijchen? — Liebe, liebe Daja,! 

Er will nun deine bunten Blumen nicht 

Auf meinem Boden! — Und ih muß dir fagen, 
h jelber fühle meinen Boden, wenn 

Die noch jo ſchön ihn kleiden, jo entkräftet, 

©: 50 ausgezehrt durch deine Blumen; fühle 

In ihrem Dufte, ſauerſüſſem Dufte, | 
Mich jo betäubt, jo ſchwindelnd! — Dein Gehirn 
t deſſen mehr gewohnt. Ich tadle drum 

D ftärkern Nerven nicht, die ihn vertragen. 

t jehlägt er mir nicht zu; und ſchon dein Engel, 
Bi wenig fehlte, daß er mich zur Närrinn 




















macht? — Noch ſchäm' ich mich vor meinem Vater 


er Poſſe! 
Daja. 
J Poſſe! — Als ob der Verſtand 

—9 — zu Hauſe wäre! Poſſe! Poſſe! 
wich nur reden dürfte! 

Recha. 

J Darfſt du nicht? 
der m war ich nicht ganz Ohr, jo oft es dir 
% tel, von deinen Glaubenshelden mich 
iz unterhalten? Hab’ ich ihren Thaten 


© em zu mifen? — Liebe Daja, [1779 a] 


40 


50 


76 Bathan der Weile. 





70 Nicht ſtets Bewunderung; und ihren Leiden 
Nicht immer Thränen gern gezollt? Ihr Glaube 
Schien freylicd mir das Heldenmäßigjte 
An ihnen nie. Doc jo viel tröjtender 
War mir die Lehre, daß Ergebenheit 
75 In Gott von unjerm Wähnen über Gott 
So ganz und gar nicht abhängt. — Liebe Daja, 
Das hat mein Vater uns jo oft gejagt; 
Darüber haft du jelbit mit ihm jo oft 
Di einverjtanden: warum untergräbjt 
so Du denn allein, was du mit ihm zugleich 
Gebauet? — Liebe Daja, das ift fein 
Geſpräch, womit wir unjerm Freund’ am beiten 
Entgegen jehn. Für mich zwar, ja! Denn mir, 
Mir liegt daran unendlih, ob aud er... | 
85 Horh, Daja! — Kommt e8 nicht an unjre Thüre? 
Wenn Er es wäre! horch! 


Zweyker Aufteitt, 


Reha. Daja und dev Tempelherr, dem Jemand von auffen die Thüre dfnet, mit dem 
Worten: 
Kur hier herein! 
Reh a. (fährt zufammen, faßt fich, und will ihm zu Füfjen fallen.) 
Er its! — Mein Retter, ah! | 
Tempelhberr. 
Dieß zu vermeiden 
Erſchien ich blos jo jpät: und doch — 
Rema. 
| Ich will 
Ja zu den Füſſen diejes jtolgen Mannes 
90 Nur Gott noch einmal danken; nicht dem Manne. 
Der Mann will feinen Dank; will ihn jo wenig 
Als ihn der Waffereymer will, der bey | 
Dem Löſchen jo geiehäftig fich erwiejen. 
Der ließ ſich füllen, ließ fich leeren, mir 






















3. Aufwg. 2. Auffeiff. 77 
| \ Nichts, dir nichts: aljo auch der Mann. Auch der 95 
1 Ward nun fo in die Glut hineingeftoßen ; 
Da fiel ich ungefähr ihm in den Arm; : 


Da blieb ich ungefähr, jo wie ein Funken 

Auf feinem Mantel, ihm in feinen Armen; 

Bis wiederum, ich weiß nicht was, uns beyde 100 
Herausſchmiß aus der Glut. — Was giebt es da 

N. Zu danken? — In Europa treibt der Wein 

Zu noch weit andern Thaten. — Tempelherren, 

Die müſſen einmal nun ſo handeln; müſſen 

Wie etwas beſſer zugelernte Hunde, 105 
Sowohl aus Feuer, als aus Waſſer hohlen. 


Tempelherr. (der ſie mit Erſtaunen und Unruhe die Zeit über betrachtet.) 
O — Daja! Wenn in Augenblicken 
3 Kummers und der Galle, meine Laune 
2 Dich übel anließ, warum jede Thorbeit, 
Die meiner Zung’ ‚entfuhr, ihr hinterbringen ? 110 
Das hieß ſich zu empfindlich rächen, Daja! | 
Doch wenn du nur von nun an, beijer mich 
Bey ihr vertreten willit. 
| Daja. 
Ich denke, Nitter, 

Ich dente nicht, daß dieſe Kleinen Stacheln, 

3 an das Herz geworfen, Euch da jehr — 
Geſchadet haben. 
Recha. 
Wie? Ihr hattet Kummer? 

nd wart mit Euerm Kummer geiziger 
8 Euerm Leben? 


J Tempelherr. 

| Gutes, holdes Kind! — 

Bir ie ijt doch meine Seele zwiichen Auge 

d Ohr getheilt! — Das war das Mädchen nicht, 120 
Ni nein, das war es nicht, das aus dem Feuer 

Ich hohlte. — Denn wer hätte die gekannt, 


18 Bathan der MWeife. 





Und aus dem Feuer nicht gehohlt? Wer hätte 
Auf mich gewartet? — Zwar — verftellt — der Schred 
. (Baufe, unter der er, in Anſchauung ihrer, ſich wie verliert.) 
Reha. 
125 ch aber find Euch noch den nehmlichen. — 
(dergleichen; bis fie fortfährt, um ihn in feinem Anjtaunen zu unterbrechen.) 

Kun, Ritter, jagt uns doch, wo Ihr jo lange 

Geweſen? — Faſt dürft’ ich auch fragen: wo 

Ihr itzo ſeyd? 

Tempelherr. 


Ich bin, — wo ich vielleicht 
Nicht Jollte jeyn. — 
Reha. 
Wo Ihr geweſen? — Auch 
130 Wo Ihr vielleicht nicht ſolltet ſeyn geweſen? 
Das iſt nicht gut. 
Tempelherr. 
Auf — auf — wie heißt der Berg? 
Auf Sinai. 
Recha. 
Auf Sinai? — Ah ſchön! 
Nun kann ich zuverläſſig doch einmal 
Erfahren, ob es wahr... 
Tempelherr. 
Was? was? Obs wahr, 
135 Daß noch daſelbſt der Ort zu ſehn, wo Moſes 
Bor Gott geſtanden, als. 
| Reha. 
Kun das wohl nicht. 
Denn wo er ftand, ftand er vor Gott. Und davon 
Iſt mir zur Gnüge ſchon befannt. — Obs wahr, 
Möcht’ ih nur gern von Euch erfahren, daß — 
140 Daß e3 bey weitem nicht jo mühjam jey, 
Auf diefen Berg hinauf zu fteigen, als 
Herab? — Denn jeht; jo viel ih Berge noch 
Gejtiegen bin, wars juft das Gegentheil. — 























3. Aufing. 2. Auftritt. Be 





da 3? — Ihr fehrt Euch von mir ab? 


Tempelherrx. 
Weil ich Euch hören will. 145 
Reha. — 

il Ihr mich nicht wollt merken laſſen, daß 
{ 2 ehren Einfalt lächelt ; daß Ihr lächelt, 
3 ie ich Euch doch jo gar nichts Wichtigers 
on diejem heiligen Berg’ aller Berge 
u fragen weiß? Nicht wahr? 

Tempelherr. 

So muß 150 

6 06 Euch wieder in die Augen jehn. — 
13? Nun ſchlagt Ihr fie nieder ? nun verbeißt 
das Lächeln Ihr? wie ich noch exit in Mienen, 
n —— Mienen leſen will, 
“ ich jo deutlich hör’, Ihr jo vernehmlich 155 
: jagt — verjchweigt? — Ah Neha! Reha! Wie 
yat er jo wahr gejagt: „Kennt jie nur exit!” 
e Reha, 
| bat — von wen? — Euch das gejagt? 
% Tempelherr. 


w 


„Kennt fie 
ur exit!” hat Euer Vater mir gejagt; 


geſagt. 


Daja. 
— | Und ich nicht etwa auch? 160 
denn nicht auch? 
— Tempelherr. 
ee: Allein wo ift er denn? 
t denn Euer Vater? Sit er noch 
n Sultan‘ 
——— Recha. 
— Zweifel. 
Tempelherr. 
Noch, noch da? - — 


! Nein, nein; da iſt 


Bafhan der Weile. 





80 


165 Er jchwerlich mehr. — Er wird dort unten bey 
Dem Klofter meiner warten; ganz gewiß. | 
Sp redten, meyn ih, wir es ab." Erlaubt! 
Ich geh, ih hohl’ ihn... 
Daja. 
Daos iſt meine Sache. 
Ich bring ihn unverzüglich. 
Tempelherr. 
170 Nicht jo, nicht jo! Er fieht mir ſelbſt entgegen; 
Nicht Euch. Dazu, er fünnte leicht . . wer weiß?. 
Er fönnte bey dem Sultan leicht, ... Ihr kennt 
Den Sultan nit!... leicht in Verlegenheit 
Gefommen jeyn. — Glaubt mir; es bat Gefahr, 
175 Wenn ih nicht geh. 
Reha. 
Gefahr? was für Gefahr? 
Tempelherr. 
Gefahr für mid, für Euch, für ihn: wenn id) 
Nicht ſchleunig, Ichleunig geb. (ab.) 


‚Bleibt, Ritter, bleibt. 


Dritter Auftritt. 
Reha un Daja. 
Recha. 
Was iſt das, Daja? — 
So ſchnell? — Was kömmt ihm an? Was fiel ihm auf? 
Was jagt ihn? 
Daja. 
Laßt nur, laßt. Ich denk', es iſt 


180 Kein ſchlimmes Zeichen. 
Recha. 


Zeichen? und wovon? 
Daja. 
Daß etwas vorgeht innerhalb. Es kocht, 





1 wir ja ab. [1779 a] 





8 










= — Was iſt an mir? Du wirft, 
mir unbegreiflich. 



















Daja.“ 
Eur, Bald nun Fönnt 
r ihm die Unruh all vergelten, die 185 
ge h gemacht hat. Seyd nur aber auch) 
“ iſtreng, nicht allzu rachbegierig. 
* Recha. 
du ſprichſt, das magſt du ſelber wiſſen. 
* Daja. 
ſeyd denn Ihr bereits ſo ruhig wieder? 
ee Be 
as bin ich; ja das bin ich. 
E | Paja. 
Ta Wenigſtens 190 
| daß Ihr Euch ſeiner Unruh freut; 
id * Unruh danket, was Ihr itzt 
n a genießt. 
— Recha. 
Mir völlig unbewußt! 
3 id höchſtens dir geitehen könnte, 
— — mich ſelbſt befremdet, wie 195 
Sturm in meinem Herzen 


2 Still (e plölich folgen fönnen. 
voller re Anblie, fein Geſpräch, jein Thun ! 


Daja. 
Reha. ” ? 


Gefättigt, will 
— bey weitem nicht — 200 


82 | Bathan der Weile. 





- Daja. ° 
Den heiſſen Hunger nur geftillt. 
Reha. 
Kun ja; 
Wenn du jo willit. 
Daja. 
Ich eben nicht. 
Recha. 
Er wird 
Mir ewig werth; mir ewig werther, als 
Mein Leben bleiben: wenn auch ſchon mein Puls 
205 Nicht mehr bey ſeinem bloſſen Namen wechſelt; 
Nicht mehr mein Herz, jo oft ih an ihn denke, 
Geſchwinder, ſtärker ſchlägt. — Was ſchwatz' ich? Komm, 
Komm, liebe Daja, wieder an das Fenſter, 
Das auf die Palmen ſieht. 
Daja. 
So iſt er doch 
210 Wohl noch nicht ganz geſtillt, der heiſſe Hunger. 
Recha. 
Nun werd ich auch die Palmen wieder ſehn: 
Nicht ihn blos untern Palmen. 
Daja. 
Dieſe Kälte 
Beginnt auch wohl ein neues Fieber nur. 
Recha. 
Was Kalt’? Ich bin nicht kalt. Ich ſehe wahrlich 
215 Nicht minder gern, was ich mit Ruhe jehe. 


Bierfer Aufteitt, 


(Scene: ein Audienzfaal in dem Pallajte des Saladin.) 
Saladin um Siffah. 
Saladin. (im hereintreten, gegen bie Thüre.) 
Hier bringt den Juden her, ſo bald er kömmt. Re. 
Er jcheint ſich eben nicht zu übereilen. Se 








83 





| — 4. Auftritt. 





















Sittah. 
war auch u sc it bey der Hand; nicht gleich 
ee Arber. 
; Saladin. 
Schweſter! Schweiter! 
| Sitkah. 
J | Thuft du doch 
6 füne dir ein Treffen vor. 
Br. Saladin. 
Und das 
it Waffen, die ich nicht gelernt zu führen. 
ol nich ftellen; ſoll bejorgen laſſen; 
oll Fallen legen; joll auf Glatteiß führen. 
2 hätt’ ich das gekonnt? Wo hätt’ ich das 
lernt? — Und joll das alles, ah, wozu? 
ozu? — Um Geld zu fiſchen; Geld! — Um Geld, 
[d einem Juden abzubangen; Geld! 
ld kleinen Liſten wär’ ich endlich 
, der Kleinigkeiten kleinſte mir 
ı fönffen? | 
Ri. Kr Sikktah. 
E. Jede Kleinigkeit, zu jehr 
mäht, die rächt ſich, Bruder. 
Saladin. 
Leider wahr. — 
> wenn nun dieſer Jude gar der gute, 
—* ge Mann iſt, wie der Derwiſch dir 
beſchrieben? 
Siktkah. 
O nun dann! 
dann für Noth! Die Schlinge liegt 
* dem geizigen, beſorglichen, 
tſamen Juden: nicht dem guten, nicht 
u Manne. Diejer ift ja jo 
ie Schlinge. Das Vergnügen 
n folder Mann ſich ausredt; 
ten Stärk' entweder, er 


220 


230 


235 


84 Bafhan der Weile. 





Die Stride kurz zerreißet; oder auch " 
Mit welcher ſchlauen Vorficht er die Nebe 
Borbey fih windet: dieß Vergnügen haft 
245 Du obendrein. 
Saladin. 
Nun, das iſt wahr. Gewiß; 
Ich freue mich darauf. 
Sikkah. 
So kann dich ja 
Auch weiter nichts verlegen machen. Denn 
Iſts einer aus der Menge blos; iſts blos 
Ein Jude, wie ein Jude: gegen den 
250 Wirſt du dich doch nicht ſchämen, jo zu ſcheinen 
Wie er die Menjchen all fich denkt? Vielmehr; 
Mer fih ihm befjer zeigt, der zeigt ſich ihm 
Als Ged, als Narr. 
Saladin. 
So muß id ja wohl gar 
Schlecht handeln, daß von mir der Schlechte nicht 
255 Schlecht denke? 
| Sitfap,. 
Traun! wenn du jchlecht handeln nennit, 
Ein jedes Ding nad) jeiner Art zu brauchen. 
Saladin. 
Was hätt’ ein Weiberkopf erdacht, das er 
Nicht zu beihönen wüßte! 
Sillah. 
Zu beſchönen! 
Saladin. 
Das feine, jpige Ding, bejorg ich nur, 
260 In meiner plumpen Hand zerbricht!! — So was 
Will ausgeführt jeyn, wies erfunden ift: 
Mit aller Pfiffigkeit, Gewandtheit. — Doc, 
Mags doch nur, mags! Ich tanze, wie ich kann; 





1 zerbrichts! [Handichriftlihe Vermutung Lachmanns] 





Ze a ee A 


85 








| i h, lieber — ſchlechter noch 


J 
























— Silfah. 
er dir auch nur nicht zu wenig! 265 
he dir für dich! Wenn du nur willſt. — 
3 die Männer deines gleichen doch 
gern bereden möchten, nur ihr Schwert, 
r Schr pert nur habe fie jo weit gebracht. 
e ſchämt fich freylich, wenn er mit 270 
2 jagt: — des Fuchſes, nicht der Liſt. 
Saladin. 
3 die Weiber doch jo gern den Mann 
| Ernie hätten! — Geh nur, geh! — 
: “ aube meine Lection zu können. 


RB Sikkah. 

An ſoll gehn? 

5 Saladin. 

Du wollteſt doch nicht bleiben? 275 
Siltah. 

auch nicht bleiben... im Geficht euch bleiben — » 

—* im Rebenzinmer — 

— Saladin. 

ER Da zu horchen? 

3 nicht, Ebenen: wenn ich joll beftehn. — 

et! der Vorhang raufcht; er kömmt! — doch daß 

da verweilit! Sch jehe nad. 280 


* durch die eine Thüre entfernt, tritt Nathan zu der andern herein; und Saladin 


Hat ſich gejegt,) 
For . Ju: de 


en ae Fünfter Auftritt. 
— Saladin un Balhan. 


— Näher! — Nur ganz her! — 


86 Bathan der Weile. 





Saladin, 
Du nennt dich Nathan? 
Dalhan. 
Sa. 
Saladin. 
Den weiſen Nathan? 
Dathan. 


Hein. 
Saladin. 


Wohl! nennſt du dich nicht; nennt dich das Volk. 
“ Balhan. 


2855 Kann ſeyn; das Volk! | 
Saladin. 


Du glaubjt do nicht, daß ich 
Verächtlicd von des Volkes Stimme denfe? — 
Ich habe längſt gewünfcht, den Mann zu Fennen, 
Den es den Weiſen nennt. 
 Balfhan. 
Und wenn es ihn 
Zum Spott jo nennte? Wenn dem Bolfe weile 
290 Nichts weiter wär’ als Flug? und Flug nur der, 
Der fih auf jeinen Vortheil gut veriteht? 
. Baladin. 
Auf feinen wahren Vortheil, meynit du doch? 
Dathan. 
Dann freylic wär’ der Eigennüßigite 
Der Klügite. Dann wär’ freyli Flug und weije 


29 Nur eins. 
Saladin. 


Sch höre dich erweiſen, was 
Du widerſprechen willft. — Des Menjchen wahre 
Vortheile, die das Volk nicht kennt, kennſt du. 
Haft du zu kennen wenigſtens gejucht; 
Haft drüber nachgedacht: das auch allein 


300 Macht ſchon den Weijen. 
| Bathan. 
Der fich jeder dünkt 


Zu jeyn. 





3. Rufe. 5. Mufkcift > 37 


Saladin. 
“a * —— genug! 
n fie nur immerdar zu hören, wo 
trockene Vernunft erwartet, edelt. (Cr ipringt auf.) 
2 Sons zur Sache kommen! Aber, aber 
3, Zub’, aufrichtig! 
* J— Pakhan. 
J | Sultan, ich | 305 
Will 1 ſccherlich dich ſo bedienen, daß 
* deiner fernern Kundſchaft würdig bleibe. 
Saladin. 





















Bedienen? wie? 

* Beihan. 

— du ſollſt das Beſte haben 

all; ſollſt es um den billigften 

3 haben, 

Saladin. 

Wovon ſprichſt du? doch wohl nicht 310 
1 deinen Waaren? — Schachern wird mit dir 

hon meine Schweiter. (Das der Horcerinn!) — 

: S Hate mit dem Kaufmann nichts zu thun. 

5 Bafhan. 

du ohne Zweifel wiſſen wollen, 

as ich auf meinem Wege von dem Feinde, 315 

— Beine fich wieder reget, etwa 

merkt, getroffen? — - Wenn ich unverhohlen . 

Saladin. 

bin ich eben nicht mit dir 

teuert. Davon weiß ich jchon, I, viel 

nöthig habe. — Kurz; — 

— Bathan. | 
Gebiethe, Sultan. 320 

makabtn 


en eg ganz was anderm. — Da du nun 
ft: To fage mir doc einmal — 


88 Balhan der Weile. 





Was für ein Glaube, was für ein Gejeb 

325 Hat dir am meiſten eingeleuchtet? 

Dathan. 

Sultan, 
Ich bin ein Jud'. 

Saladin. 

Und ih ein Mujelmann. 
Der Chriſt ift zwifchen und. — Bon diejen drey 
Religionen kann doch eine nur 
Die wahre jeyn. — Ein Mann, wie du, bleibt da 

330 Nicht jtehen, wo der Zufall der Geburth 
Ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt, 
Bleibt er aus Einfiht, Gründen, Wahl des Befjern. 
Wohlan! jo theile deine Einficht mir 
Dann mit. Laß mich die Gründe hören, denen 

335 Ich jelber nachzugrübeln, nicht die Zeit 
Gehabt. Laß mich die Wahl, die dieje Gründe 
Beitimmt, — verjteht fih, im Vertrauen — willen, 
Damit ich fie zu meiner mache. — Wie? 
Du ſtutzeſt? wägſt mic) mit dem Auge? — Kann 

340 Wohl jeyn, daß ich der erite Sultan bin, 

| Der eine ſolche Grille hat; die mich 
Doch eines Sultans eben nicht jo ganz 
Unwürdig dünkt. — Nicht wahr? — So rede doch! 
Sprich! — Oder willft du einen Augenblid, 

345 Did zu bedenken? Gut; ich geb’ ihn dir. — 
(Ob fie wohl horcht? Ich will fie doch belaujchen; 
Will hören, ob ich& recht gemacht. —) Denk nad! 
Geſchwind dent nah! Ich ſäume nicht, zurüd 
zu fommen. (Er geht in das Nebenzimmer, nad welchem ſich Sittah begeben.) 


Sechsker Auftritt, 
Balhan allein. 


Hm! Hm! — wunderlid! — Wie ift 
350 Mir denn? — Was will der Sultan? was? — Ich bin 




























83, Aufn. 7. Auftritt. 89 








u uf Geld gefaht; und er will — Wahrheit. Wahrheit! 

Und will fie jo, — jo baar, jo blanf, — als ob 

ie Wahrheit Münze wäre! — Ja, wenn noch) 

> Münze, die gewogen ward! — 

$ ginge noch! Allein ſo neue Münze, 355 
e nur der Stempel macht, die man aufs Bret 

Bl darf, das ift fie doch nun nicht! 

ie Geld in Sad, jo ftrihe man in Kopf 

h Wahrheit ein? Wer ift denn bier der Jude? 

6 a er? — Doch wie? Sollt’ er auch wohl 360 
ie Wahrheit nicht in Wahrheit fodern? — Zwar, 

war der Verdacht, daß er die Wahrheit nur 

[3 Falle brauche, wär’ auch gar zu Klein! — 

u Hein? — Was ift für einen Groffen denn 

klein? — Gewiß, gewiß: er ftürzte mit 365 
er Thüre ſo ins Haus! Man pocht doch, hört 

och erſt, wenn man als Freund ſich naht. — Ich muß 

hutſam gehn! — Und wie? wie das? — So ganz 

tochjude ſeyn zu wollen, geht ſchon nicht. — 

id ganz und gar nicht Jude, geht noch minder. 370 
en ſ wenn kein Jude, dürft er mich nur fragen, 

t fein Muſelmann? — Das wars! Das kann 

h zeiten — Nicht die Kinder blos, ſpeiſt man 

—— ab. — Er kömmt. Er komme nur! 


Siebender Nufkrikk. 
Saladin und Ratkhan. 


u Saladin. | 
Ä da 3 Feld hier rein!) — Ich komm' dir doch) 375 
—* Ju id zurück? Du bift zu Rande 


Jeit 9. — Nun fo rede! 


Be | Bathan 
a  Möcht auch doch 
N lt uns hören. 


90 Bathan der Weil. 





Saladin. 
Sp gewiß 
380 Sit Nathan feiner Sache? Ha! das nenn’ 
Ich einen Weijen! Nie die Wahrheit zu 
Verhehlen! für fie alles auf das Spiel 
Zu ſetzen! Leib und Leben! Gut und Blut! 
Dalhan. 
Sa! ja! wanns nöthig ift und nußt. 
. Saladin. 
Von num 
385 An darf ich hoffen, einen meiner Titel, 
Berbejjerer der Welt und des Geſetzes, 
Mit Recht zu führen. 
Daihan. 
Traun, ein jehöner Titel! 
Doch, Sultan, eh ih mich dir ganz vertraue, 
Erlaubſt du wohl, dir ein Geſchichtchen zu 


390 Erzählen? 
Saladin. 


Warum das nicht? Ich bin jtets 
Ein Freund gewejen von Geſchichtchen, gut 


Erzählt. 
Datihan. 


sa, gut erzählen, das ift num 
Wohl eben meine Sache nicht. | 
Saladin. 
Schon wieder 
So jtolz beſcheiden? — Mach! erzähl’, erzähle! 
Bathan. 
395 Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann in Dften, 
Der einen Ning von unſchätzbarem Werth’ 
Aus lieber Hand bejaß. Der Stein war ein 
Dpal, der hundert jehöne Farben fpielte, 
Und hatte die geheime Kraft, vor Gott 
400 Und Menſchen angenehm zu machen, wer 
In dieſer Zuverficht ihn trug. Was Wunder, 
Daß ihn der Mann in Dften darum nie 



































3. Aufſug. 7. Auffeitt, 


Vom Finger ließ; und die Verfügung traf, 
Auf ewig ihn bey feinem Haufe zu 
Erhalten? Nehmlich jo. Er ließ den Ring 
Von feinen Söhnen dem Geliebteiten ; 
Und jeßte feit, daß dieſer wiederum 
% ı Ning von feinen Söhnen dem vermadhe, 
er v ihm der liebte jey; und ſtets der Liebite, 
n' Anjehn der Geburt, in Kraft allein 


| * mic), Sultan. 
@ Saladin. 


BDathan. 

Een nun diefer Ring, von Sohn zu Sohn, 
einen Vater endlich von drey Söhnen; 

die alle drey ihm gleich gehorfam waren, 

? e alle drey er folglich gleich zu lieben 

h nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit 

3 1 Beit ſchien ihm bald der, bald diejer, bald 
der dritte, — jo wie jeder ſich mit ihm 

Nein befand, und fein ergiefjend Herz 

E andern zwey nicht theilten, — mwürdiger 

es Ringes; den er denn auch einem jeden 

ie fromme Schwachheit hatte, zu verjprechen. 
Een nun fo, jo lang es ging. — Allein 
m zum Sterben, und der gute Vater 

in Berlegenheit. Es jehmerzt ihn, zwey 
er Söhnen, die fich auf jein Wort 

jo zu fränfen. — Was zu thun? — 
ſendet im geheim zu einem Künſtler, 

r er, nach dem Mufter feines Ringes, 
ey andere beitellt, und weder Kojten 

) Mühe ſparen heißt, fie jenem gleich, 

n gleich zu machen. Das gelingt 
tler. Da er ihm die Ninge bringt, 
t dev Vater feinen Mufterring 


3 Nings, das Haupt, der Fürft des Haufes werde. — 


Ich verfteh did. Weiter! 


410 


415 


420 


430 


435 


92 Bathan der Weile. 





Nicht unterfcheiden. Froh und freudig ruft 
Er jeine Söhne, jeden ins bejondre; 
Giebt jedem ins bejondre feinen Seegen, — le” 
Und feinen Ring, — und ftirbt. — Du hörſt doc, Sultan? ER 
Zaladin. (der fich betroffen von ihm gewandt.) Y 5 
440 Sch hör, ich höre! — Komm mit deinem Mährchen 
Nur bald zu Ende. — Wird? 
Dalhan. 
Ich bin zu Ende. 
Denn was noch folgt, verjteht fich ja von ſelbſt. — 
Kaum war der Vater todt, jo kömmt ein jeder 
Mit jeinem Ring’, und jeder will der Fürſt 
445 Des Haufes jeyn. Man unterfucht, man zankt, 
Man Eagt. Umfonft; der rechte Ring war nigt 
Erweislich; — 


(nach einer Pauſe, in welcher er des Sultans Antwort erwartet.) 


Faſt jo unerweislich, als 
Uns — — der rechte Glaube. 
Saladin. 
Wie? das ſoll 
Die Antwort ſeyn auf meine Frage?... 
Dafhan. 
Soll 
450 Mich blos entjchuldigen, wenn ich die Ringe, 
Mir nicht getrau zu unterjcheiden, die 
Der Vater in der Abficht machen lieh, 
Damit fie nicht zu unterjcheiden wären. 
Saladin. 
Die Ninge! — Spiele nicht mit mir! — Ich dächte, 
455 Daß die Religionen, die ich dir 
Genannt, doch wohl zu unterjcheiden wären. 
Bis auf die Kleidung; bis auf Speis und Trank! 
Dathan. 
Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. — ee 
Denn gründen alle fich nicht auf Geſchichte? eh 
460 Gejchrieben oder überliefert! — Und Br ren 
Geſchichte muß doch wohl allein auf Treu ind 





3. Aufzug. 7. Auffeiff. 





93 









































) Glauben‘ angenommen werden? — Nicht? — 
un weſſen Treu und Glauben zieht man denn 
2 q im eg in Zweifel? Doch der Seinen? 
Doch deren Blut wir find? doch deren, die 
Do 1 Kindheit an und Proben ihrer Liebe 
degeben? die ung nie getäufcht, al wo 
Getäufcht zu werden uns heilfamer war? — 
Wie kann ich meinen Vätern weniger, 
Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. — 
Kann ich von dir verlangen, daß du deine 
Vorfahren Lügen ftrafft, um meinen nicht 
u widersprechen? Oder umgekehrt. 
das nehmliche gilt von den Chrijten. Nicht? — 
E Saladin. 
Bey dem Lebendigen! Der Mann hat Recht. 
Sch muß verſtummen.) 
Dathan. 
Bi. "Lab auf unfre Ring’ 
ns wieder fommen. Wie gejagt: die Söhne 
erklagten fich; und jeder ſchwur dem Richter, 
Inmittelbar aus jeines Vaters Hand 
r Ning zu haben. — Wie aud wahr! — Nachdem 
| von ihm lange das Berjprechen ſchon 
e des Ninges Vorrecht einmal zu 
enieſſen. — Wie nicht minder wahr! — Der Vater, 
ei Bde jeder, fünne gegen ihn 
dt falſch gewejen jeyn; und eh’ er diejes 
m ihm, von einem ſolchen lieben Vater, 
si nen laß’: eh’ müß’ er feine Brüder, 
ge er ſonſt von ihnen nur das Beite 
reit t zu ne, jey, des faljchen Spiels 
zei Jen; und er wolle die VBerräther 
ee wiſſen; fich ſchon rächen. 
Saladin. 
nun der Richter? — Mich verlangt zu hören, 
: * — ſagen läſſeſt. Sprich! 


465 


470 


475 


480 


485 


490 


94 Bathan der Weile. 





Dathan. 
Der Nichter ſprach: wenn ihr mir nun den Bater 
495 Nicht bald zur Stelle jchafft, jo weil’ ich euch 
Von meinem Stuhle Denkt ihr, daß ih Räthſel 
Zu löjen da bin? Oder harret ihr, 
Bis daß der rechte Ring: den Mund eröffne? — 
Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring 
500 Beſitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; 
Bor Gott und Menfchen angenehm. Das muß 
Entjeheiden! Denn die falſchen Ninge werden 
Doch das nicht können! — Nun; wen lieben zwey 
Bon euch am meilten? — Macht, jagt an! Ihr ſchweigt? 
505 Die Ninge wirken nur zurüd? und nicht 
Nah auſſen? ever liebt fich jelber nur 
Am meilten? — D jo jeyd ihre alle drey 
Betrogene Betrieger! Eure Ringe 
Sind alle drey nicht echt. Der echte Ring 
510 Vermuthlich ging verloren. Den Berluft 
Zu bergen, zu erjeßen, ließ der Bater 
- Die drey für einen machen. 
Saladin. 
Herrlich! herrlich! 
Bathan. 
Und alio; fuhr der Richter fort, wenn ihr 
Nicht meinen Rath, ftatt meines Sprudhes, wollt: 
515 Geht nur! — Mein Rath ift aber der: ihr nehmt 
Die Sache völlig wie fie liegt. Hat von 
Euch jeder jeinen Ring von feinem Vater: 
So glaube jeder ficher jeinen Ring 
Den echten. — Möglich; daß der Vater num 
520 Die Tyranney des Einen Rings nicht länger 
Sn jeinem Haufe dulden wollen! — Und gewiß; 
Daß er euch alle drey geliebt, und gleich 
Geliebt: indem er zwey nicht drüden mögen, 
Um einen zu begünftigen. — Wohlan! 
525 Es eifre jeder jeiner unbejtochnen 














3. Rufing. 7. Auftritt, 96 























n freyen Liebe nach! 

von euch jeder um die Wette, 

t des Steins in feinem Ring’ an Tag 
komme diefer Kraft mit Sanftmuth, 
| er Verträglichkeit, mit Wohlthun, 530 
t in after Ergebenheit in Gott, 
Hulf'! Und wenn fi) dann der Steine Kräfte 
| * Kindes⸗Kindeskindern äuſſern: 
o lad’ ich über tauſend tauſend Jahre, | 
Ebern vor diefen Stuhl. Da wird 535 
Pier Mann auf diefem Stuhle figen, 
3 ich; und Iprechen. Geht! — So jagte der 
eſcheidne Richter. 
Be Saladin. 
— Gott! Gott! 

F Daflhan. 

Saladin, 
1 du dich fühleſt, diejer ee 
—*— hne Mann zu ſeyn:. 


tadin. (der auf ihn zuſtürzt, und ſeine Hand ergreift, die er bis zu Ende nicht wieder 
" fahren läßt.) 


J Ich Staub? Ich Nichts? 540 
J Dathan. 

Was iſt dir, Sultan? 
Saladin. 
RER Nathan, lieber Nathan! — 

ujend d taufenb Jahre deines Richters 

& nit um. — Sein Ricterftuhl ift nicht 

eine. — — — Geh! — Aber ſey mein Freund. 
Rakhan.“ 
hätt in mir nichts | —* 


Saladin. 


Balthan. 


96 Bathan der Weile. 





Saladin. 
Gar nichts. — Und warum? 
Dalhan. 
Ich hätte noch Gelegenheit gewünjcht, 


Dir eine Bitte vorzutragen. 
Saladin. 


Brauchts 
Gelegenheit zu einer Bitte? — Rede! 
Dalhan. 
550 Ich fomm’ von einer weiten Neil’, auf welcher 
Ich Schulden eingetrieben. — Faſt hab’ ich 
Des baaren Gelds zu viel. — Die Zeit beginnt 
Bedenklich wiederum zu werden; — und 
Sch weiß nicht recht, wo ficher damit hin. — 
555 Da dacht ich, ob nicht du vielleicht, — weil doch 
Ein naher Krieg des Geldes immer mehr 
Erfodert, — etwas brauchen könnteſt. 
Baladin. (ihm fteif in die Augen jehend.) 
Nathan! — 
Ich will nicht fragen, ob Al-Hafı ſchon 
Bey dir gewejen; — will nicht unterfuchen, 
560 Ob dich nicht jonft ein Argwohn treibt, mir dieſes 
Erbieten freyer Dings zu thun:... 
BDaflhan. 
Ein Argwohn? 
Saladin. 
Ich bin ihn werth. — Verzeih mir! — denn was hilfts? 
Ich muß dir nur geſtehen, — daß ich im 


Begriffe war — 
Batlhan. 
Doch nicht, das Nehmliche 

565 An mich zu juchen? / 
Saladin. 

Allerdings. 
 Bathan. 

Sp wär’ 


Uns beyden ja geholffen! — Daß ih aber 





— | ; 3, — Fi — 


97 





















| nicht fann ſhiden, 

elherr. — Du kennſt 

—— Sm hab’ ich eine große Poſt 

Borher ick zu — | 

E Saladin. 

Bi: | Tempelherr? 

1 mir bs meine ſchlimmſten Feinde nicht 
seinen ‚Geld! auch unterftügen wollen? 


 Balthan. 
5 iptede von dem einen nur, dem du 
) a8 Leben jparteit .. 
” Saladin. 

J Ah! woran erinnerſt 

ji u mic! — Hab’ ich doch diefen Jüngling ganz 
gelten! — Kennſt du ihn? — Wo ijt er? 


Dathan. : 

h Wie? 
) weißt du nicht, wie viel von deiner Gnade 

ir ihn, durch ihn auf mich geflojien? Er, 

: mit Gefahr des neu erhaltnen Lebens, 

. Br Tochter aus dem Feu'r gerettet. 


. 3aladin. 

? ? Hat er Has? — Ha! darnach jah er aus. 
18 > hätt traun! mein Bruder auch gethan, 

m er jo ähnelt! — Iſt er denn noch hier? 
bring ihn ber! — Sch habe meiner Schweiter 
1 dieſem ihren Bruder, den fie nicht 

| ‚jo viel erzählet, daß ich fie 

in 1 Chenbilh doch auch muß fehen laſſen! — 
h, bob ihn! — Wie aus Einer guten That, 
fie auch ſchon bloſſe Leidenſchaft, 

and gute Thaten fieflen! 


570 


580 


585 


590 


98 | Bafhan der Weife, 





Dalhan. (indem er Saladins Hand fahren läßt.) 
Augenblids! Und bey dem andern 
Bleibt e8 doch auch? «as. 
Saladin. 
AH! daß ich meine Schweiter 
Nicht horchen laſſen! — Zu ihr! zu ihr! — Denn - 
Wie joll ich alles das ihr nun erzählen? 


(ab von der andern Seite.) 





Aıhter Aufteitt. 


(Die Scene: unter den Palmen, in der Nähe des Klofters, wo der Tempelherr Nathan wartet.) 4 


Der Tempelherr. 
(Geht, mit fich jelbit kämpfend, auf und ab; bi er losbricht.) 


595 — Hier hält das Opferthier ermüdet ftill. — 
Kun gut! Jh mag nit, mag nicht näher willen, 
Mas in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern, 
Was vorgehn wird. — Genug, ich bin umfonft 
Geflohn! umſonſt. — Und weiter konnt' ich doch 

600 Auch nichts, als fliehn? — Nun komm’, was fommen joll! — 
Ihm auszubeugen, war der Streich zu ſchnell 
Gefallen; unter den zu kommen, ich 
So lang und viel mich- weigerte. — Sie jehn, 

Die ih zu jehn jo wenig lüjtern war, — 

605 Sie jehn, und der Entſchluß, fie wieder aus 
Den Augen nie zu laſſen — Was Entſchluß? 

Entihluß it Vorſatz, That: und ich, ich litt’, 
Ich litte blos. — Sie jehn, und das Gefühl, 
An fie verjtrict, in fie verwebt zu jeyn, 

610 War eins. — Bleibt eins. — Bon ihr getrennt u 
Zu leben, ift mir ganz undenkbar; wär’ er 
Mein Tod, — und wo wir immer nad) dem Tode 
Noch ind, auch da mein Tod. — Sit das nun Liebe: 0. 
So — liebt der Tempelritter freylich, — liebt a 

615 Der Chrift das Judenmädchen freylid. — Hm! ie 
Was thuts? — Ich hab’ in dem gelobten Lande, — 0... 





3. Aufzug. 9. Auftritt, 


99 






























nd uch mir gelobt auf immerdar! — 
) — nehr ſchon abgelegt. — 
3 will mein Orden auch? Ich Tempelherr 
n todt; war von dem Augenblick ihm todt, 
mich zu Saladins Gefangnen machte. 
r Kopf, den Saladin mir jchenkte, wär’ 
i n alter? — Sit ein neuer; der von allem 
chts weiß, was jenem — * — ward, 
as jenen band. — Und iſt ein beſſrer; für 
en väterlichen Himmel mehr gemacht. | 
a3 jpür’ ich ja. Denn erjt mit ihm beginn’ 
ch jo zu denen, wie mein Vater bier 
edacht muß haben; wenn man Mähren nicht 
In m ihm mir vorgelogen. — Mährchen? — doc 
anz glaubliche; die glaublicher mir nie, 
3 übt geſchienen, da ich nur Gefahr 
ı ftraucheln laufe, wo er fiel. — Er fiel? 
) will mit Männern lieber fallen, als 
it Kindern ftehn. — Sein Beyfpiel bürget mir | 
r feinen Beyfall. Und an weſſen Beyfall 


rung mehr, als Beyfall, kann es mir 
Eine: gebrechen. — Weld ein Jude! — 
d der jo ganz nur Jude ſcheinen will! 
kömmt er; kömmt mit Haft; glüht heitre Freude. 
: ham vom Saladin je anders? — He! 

than! | 


Beunfer Aufteift. 
Bathan und ver Tempelherr, 


Bi Bathan. 

—— Wwir joe Ihrs? 

Be ER Cempelherr. 
— Ihr habt 


eo dem Sultan ——— 


t mir denn ſonſt? — An Nathans? — O an deſſen 


620 


625 


630 


635 


640 





100 Bathan der Weile. 


Bathan. 
645 Sp lange nun wohl nit. Ich ward im hingehn 
Zu viel verweilt. — Ah, waäahrlich Curd; der Mann ftir SR 
Steht jeinen Ruhm. Sein Ruhm ift blos ſein FR —— 
Doch laßt vor allen — Euch geſchwind ie is ae | 
Nur jagen. a 
Tempelherr. — 
Was? — 
Dathan. 
Er will Euch ſprechen; will, 
650 Daß ungejäumt Ihr zu ihm fommt. Begleitet . 
Mih nur nah Haufe, wo ih noch für ihn 
Erſt etwas anders zu verfügen habe: 
Und dann, jo gehn wir. 
Tempelherr. 
Kathan, Euer Haus 
Betret’ ich wieder eher nit... 
Dathan. 
So jeyd 
655 Ihr doch indeß io da gewejen? habt 
Indeß fie doch geiprohen? — Nun? — Sagt: wie 
Gefällt Euh Recha? 
Tempelherr. 
Ueber allen Ausdrud! — 
Allein, — fie wiederjehn — das werd ich nie! 


Nie! nie! — Ihr müßtet mir zur Stelle denn 
660 Verſprechen: — daß ich fie auf immer, immer — 

Soll fönnen jehn. 

Dathan. 

Wie wollt Ihr, daß ich das 
Verſteh'? | 
Tempelherr. 
(nad einer kurzen Paufe ihm plötzlich um den Hals fallend.) 
Mein Bater! 
Pakhan. 


— Junger Mann! | — SE 








101 









* emp I | PrTE. —* eben ſo plötzlich wieder laſſend.) 
en Nicht Sohn? = 
bit Euch, er. * 
— Dathan. 
Lieber junger Mann! 

























— 0. TGempelherr. 
JE Sohn? — Ich bitt? Euch, Nathan! — Ich beſchwör' 
ch bey den eriten Banden der Natur! — 
ht jt ihnen jpätre Feſſeln doch nicht vor! — 
} griigt Euch doch ein Menſch zu jeyn! — Stoßt mic) 
t von — 
VPakhan. 
Sieber, lieber Freund! ... 
Tempelherr. 
Und Sohn? 

n nicht? — Auch dann nicht, dann nicht einmahl, wenn 
rke tlichkeit zum Herzen Eurer Tochter 
r Liebe ſchon den Weg gebahnet hätte? 
m nicht einmahl, wenn in eins zu jchmelzen 
Suern Wink nur beyde warteten? — 
f d ſchweigt? 
ä Bathan. 
En Ihr überrajcht mich, junger Ritter. 
E- Tempelherr. 
b err rraſch Euch? — überraſch' Euch, Nathan, 
eigenen Gedanken? — Ihr 
in if doch in meinem Munde nicht? — 
erraſch' Euch? 
*  Bathan. 
Eh ich einmal weiß, 
n.Euer Vater denn 


„Gempelherr. 
10 t Ihr, Nathan? was? — 
Sa Ihr nichts, 


665 


670 


675 


102 Bathan der Weile, 





Dathan. 
Denn ſeht! Ich habe jelbit 
Wohl einen Staufen ehedem gekannt, 


Der Conrad hieß. 
Tempelherr. 


Kun — wenn mein Vater denn 
685 Nun eben ſo geheiſſen hätte? 


Dalhan. 
Wahrlich? 
Tempelherr, 
Sch heile jelber ja nach meinem Vater: Curd 
St Conrad. 
Datihan. 


Jun — jo war mein Conrad doch 
Nicht Euer Bater. Denn mein Conrad war, 
Was Ihr; war Tempelherr,; war nie vermählt. 


Tempelherr. 


690 D darum! 
Dalhan. 


Wie? 
Tempelherr. 
| D darum könnt' er doch 
Mein Vater wohl gewejen jeyn. 
Dalhan. 
Ihr ſcherzt. 
Tempelherr. 
Und Ihr nehmts wahrlich zu genau! — Was wärs 
Denn nun? So was von Baltard oder Banfert! 
Der Schlag ift auch nicht zu verachten. — Doc) 
635 Entlaßt mi immer meiner Ahnenprobe. 
Ich will Euch Eurer wiederum entlafjen. 
Nicht zwar, als ob ich den geringften Zweifel 
Sn Euern Stammbaum jegte. Gott behütel 
Ihr könnt ihn Blatt vor Blatt bis Abraham 
700 Hinauf belegen. Und von da jo weiter, 
Weis ih ihn jelbit; will ih ihn jelbit beſchwören. 
Dalhan. 
Ihr werdet bitter. — Doch verdien’ ichs? — Schlug 























i ehe kick * Augenoin 
en. — nichts. 


Tempelherr. 
ee er Gewiß? — Nichts weiter? 705 
J ſo vergebt! 21303 7 
Ber: Bathan. 
Nun fommt nur, fommt! 
Tempelherr. 


. Wohin? 
Rn — Mit in Euer Haus? — Das nicht! das nicht! — 
— brenmts! — Ich will Euch Hier erwarten. Geht! — 
I ich fie wiederjehn: ſo jeh ich fie 
0 ch oft genug. Wo nicht: jo jah ich fie | 710 
E viel zu viel... 
L BDathan. * 
Ich will mich möglichit eilen. 


J—— Zehnker Auftrift. 
—3— Der Tempelherr und bald darauf Daja. 


® Tempelherr. 

on 1 mr als gnug! — Des Menſchen Hirn faßt jo 

Sa viel; und ift doch manchmal auch 

Sa voll! von einer Kleinigkeit 

zlich kat, — Taugt nichts, taugt nichts; es jey 715 
a es will. — Doch nur Geduld! 

Seele 1 mic den aufgedunfnen Stoff 

in einander, ſchafft fih Raum, und Licht 

kommen wieder. — Lieb’ ich dem 

— — war, was ich 720 


J— Ritter! Ritter! 


104 | Balhan der Weile, 





Temp elherr. 
Wer ruft? — Ha, Daja, Ihr? 
Daja. 
| Ich habe mich 
Bey ihm vorbey gejchlihen. Aber noch 
725 Könnt’ er uns jehn, wo Ahr da jteht. — Drum kommt 
Doch näher zu mir, hinter diefen Baum. 
Tempelherr. 
Was giebts denn? — So geheimnißvoll? — Was iſts? 
| | Daja. 
Sa wohl betrift es ein Geheimnik, was 
Mich zu Euch bringt; und zwar ein Doppeltes. 
730 Das eine weiß nur ich; das andre wißt 


Nur Ihr. — Wie wär e8, wenn wir taufchten? 
Vertraut mir Euers: jo vertrau’ ich Euch 
. Das Meine. 


Tempelberr. 
Mit Bergnügen. — Wenn ich nur 
Erit weiß, was Ihr für Meines achtet. Doch 
735 Das wird aus Euerm wohl erhellen. — Fangt 
Kur immer an. 
Daja. 
Ey denkt doch! — Nein, Herr Nitter: 
Erit Ihr; ich folge. — Denn verfichert, mein 
Geheimniß fann Euch gar nichts nußen, wenn 
Sch nicht zuvor das Eure habe. — Nur 
740 Gejhwind! — Denn frag’ ichs Euch erit ab: jo habt - 
Ihr nichts vertrauet. Mein Geheimniß dann , 
Bleibt mein Geheimniß; und das Eure jeyd 
Shr los. — Doch armer Nitter! — Daß ihr Männer 
Ein jolh Geheimniß vor uns Weibern haben 
745 Zu können, auch nur glaubt! 


Tempelherr. 
Das wir zu haben 
Oft ſelbſt nicht willen. 











105 





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—* J D 
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— 3. — 10. 
* 
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An 
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- nr wir — 
m AL” 





j Daja. 

— — wohl ſeyn. Drum muß 
— Euch ſelbſt damit bekannt 

1, ſchon die Freundſchaft haben. — Sagt: 
—9— denn das, daß Ihr jo Anall und Fall 
su dem Staube machtet? daß Ihr una 

n ließet? — daß Ihr nun mit Nathan 

B ekehertommi 1 — Hat Recha denn jo wenig 

| —* gewirkt? wie? oder auch, ſo viel? — 
viel! ſo viel! — Lehrt Ihr des armen Vogels, 
an der Ruthe klebt, Geflattre mich 

h kennen! — Kurz: geſteht es mir nur gleich, . 
5 Ihr fie liebt, liebt big zum Unſinn; und 


J \ fag' Euch was . 

























7 


J— 


Tempelherr. 
Er - zum Unfinn? Wahrlih; Ihr 
eriteht Euch trefflih drauf. 

— Daja. 

Nun gebt mir nur 

the zu; den Unfinn will ich Euch 


Cempelherr. 
J Weil er ſich von ſelbſt verſteht? — 
Temp ꝛelherr ein Judenmädchen Lieben! . 
*7 Daja. 
nf wenig Sinn zu haben. — Doc 
ni des Sinns in einer Sache 
De r, Ara wir vermuthen; und e3 wäre 
— nicht, daß uns der Heyland 
zu ſich zöge, die der Kluge 
if A betreten würde. 
2 = Tempelherr, 
> Das 
r Qi jeß’ 6 jtatt des Heylands 
orficht: hat fie denn nicht Recht? —) Ihr macht 
egieriger, als 16 vobl fon 
bin, 


750 


760° 


765 


770 


106 Bathan der Weile. 





Daja. 
D! das ift das Land 
Der Wunder! 
Tempelherr. 
Nun! — des Wunderbaren. Kann 
Es auch wohl anders jeyn? Die ganze Welt 
775 Drängt fi ja bier zufammen.) — Liebe Daja, 
Nehmt für gejtanden an, was Ihr verlangt: 
Daß ich fie liebe; daß ich nicht begreife, 
Wie ohne fie ich leben werde; daß... 
Daja. 
Gewiß? gewiß? — So jhwört mir, Ritter, fie 
780 Zur Eurigen zu machen; ſie zu retten; 
Sie zeitlich bier, fie ewig dort zu retten. 
Tempelherr. 
Und wie? — Wie kann ih? — Kann ich ſchwören, was 
In meiner Macht nicht fteht? 
Daja. 
In Eurer Macht 
Steht es. Ich bring’ es durch ein einzig Wort 
785 In Eure Mat. 
Tempelherr. 
J Daß ſelbſt der Vater nichts 
Dawider hätte? | 
Daja. 
Ey, was Bater! Vater! 
Der Vater joll ſchon müſſen. 
Tempelherr. 
Müſſen, Daja? — 
Noch iſt er unter Räuber nicht gefallen. — 
Er muß nicht müfjen. 
Daja. 
Kun, jo muß er wollen; 
790 Muß gern am Ende wollen. 
Tempelberr. 
Muß und gern! — 
Doch, Daja, wenn ih Euch nun. jage, daß 








—* 


107 


































je + ihm anzufchlagen 
Een zDaja, 
Was? und er fiel nicht ein? 
Be; Tempelherr. - 
Mn mi einem Mißlaut ein, der mih — 
er | Daja. 
| Was jagt Ihr? — Wie? Ihr hättet 
n Schatten eine Wunſches nur nad Recha 
n bliden laffen: und er wär’ vor Freuden 
jt aufgejprungen ? hätte froftig fich 
ückgezogen? hätte Schwierigkeiten 
ad ? 
n Tempelherr. 
So — 
Daja. 
Sp will ich denn 
& langer feinen Augenblick bevenfen — @aufe.) 
Tempelherr. 
2 bedenkt Euch doch? | 
Daja. 
R: Der Mann ijt jonit 
yut J — Ich ſelber bin ſo viel ihm ſchuldig! — 
a gar nicht hören will! — Gott weiß, 
blutet mir, ihn jo zu zwingen. 
Tempelherr. 
weis, Daja, jest mich kurz und gut 
—— Seyd Ihr aber 
ee; ob, was Ihr vorhabt, 
Böſe, Shändli oder Löblich 
ſchweigt Ich will vergeſſen, daß 
rſchweigen habt. 
F | Daja. 
en. Das jpornt 
halt n. Nun ; jo wißt denn: Necha 
n;. * iſt eine Chriſtinn. 


795 


805 


810 


Se en ae: 


108 Bathan der Weile. 





Tempelherr. datt) 
So? Wünſch' Euch Glüd! Hat jchwer gehalten? Saft 
815 Euch nicht die Wehen. jchreden! — Fahret ja 
Mit Eifer fort, den Himmel zu bevölfern; 
Wenn Yhr die Erde nicht mehr Fönnt! 
Daja. 
ie, Ritter? 
Berdienet meine Nachricht diefen Spott? 
Daß Recha eine Ehriftinn ift: das freuet 
820 Euch, einen Chriften, einen Tempelherrn, 
Der Ihr fie liebt, richt mehr? 
Tempelhberr. 
Beſonders, da 
Sie eine Sheiftinn ift von Eurer Mache. 
Daja. 
Ah! jo verſteht Ihrs? So mags gelten! — Nein! 
Den will ich ſehn, der die bekehren ſoll! 
825 Ihr Glück iſt, längſt zu ſeyn, was fie zu werden 
Berdorben ift. 
Tempelherr. 
Erflärt Euch, oder — geht! 
Daja. 
Sie ift ein 1 Chriftenfind: von Chrijtenältern 
Gebohren; ift getauft . 
ei (Haftig.) 
Und Nathan? — 
Daja. 
Nicht en 
Ihr Bater! en a ’ 
Tempelherr, — 1 
Nathan nicht ihr Vater? — Wißt 
830 Ihr, was Ihr jagt? 
Daja. 
Die Wahrheit, die ſo oft 
Mich blutge Thränen weinen machen. — Nein, 
Er iſt ihr Vater nicht ... 











— —— 
— Und hätte ſie, 
Tochter m > hätte 
ent al ne Ya 1 































Daja. 


J——— Tempelherr. 
J Sie wüßte nicht, 
gebohren jey? — Sie hätt’ es nie 
I erfahren, daß fie eine Chriftinn 

n jey, und feine Jüdinn? 


Daja. 
ie! 


— Tempelherr. 
i J in dieſem Wahne nicht das Kind 
8 auferzogen? ließ das Mädchen noch 
dieſem Wahne? 
J Daja. 
J Leider! 
F Tempelherr. 
- Nathan — Wie? — 

— Nathan hätte ſich 
ie Stimme der Natur jo zu 
hen? — Die Ergieſſung eines Herzens 
nn ten, die, fich ſelbſt gelafjen, 
e * nehmen würde? — Daja, 
t mir allerdings etwas vertraut — | 
cht — — was Folgen haben kann, — 

verwirrt, — worauf ich gleich nicht weiß, 
zu thun. — — laßt mir Zeit. — Drum geht! 
it hier wieder: m ts. Er möcht’ 


840 


845 


850 


110 Bathan der Weile, 





—— 
Ich bin ihn ist! zu ſprechen ganz und gar 
Nicht fähig. Wenn Ihr ihm begegnet, jagt 
855 Ihm nur, daß wir einander bey dem Sultan 
Schon finden würden. 
Daja. 
Aber laßt Euch ja 
Nichts merken gegen ihn. — Das foll nur jo 
Den letzten Drud dem Dinge geben; joll 
Euch, Nechas wegen, alle Skrupel nur y 
860 Benehmen! — Wenn hr aber dann, fie nad) 
Europa führt: jo laßt Ihr doch mich nicht 
Zurück? 
Tempelherr. 
Das wird ſich finden. Geht nur, geht! 





Vierter Aufzug. 


Erſter Aufteie, 


Scene: in den Kreuzgängen des Kloſters. 
Der Kloſterbruder und bald darauf ver Tempelherr. 


Kloferbruder. 
sa, ja! er hat ſchon Recht, der Patriarch! 
Es hat mir freylih noch von alle dem ” 
Nicht viel gelingen wollen, wa3 er mir 
Sp aufgetragen. — Warum trägt er mir 
5 Auch lauter jolde Sachen auf? — IH mag 
Nicht fein jeyn; mag nicht überreden; mag 
Mein Näschen nicht in alles fteden; mag 
Mein Händchen nicht in allem haben. — Bin - 





1 jegt-[1779 e] 





4. Aufzug. 1. Rufkrilk. 


111 
























Ka un 


— — — Welt — ich 
mich; um mich für andre mit der Welt 


och h exit recht zu verwickeln? 

Br Tempelherr. (mit Haft auf ihm zukommend.) 
u Guter Bruder! 

a jeyd Ihr ja. Ih hab’ Euch Lange ſchon 


Er; BRloſterbruder. 
Mid, Herr? 

Tempelherr, ' 
Ihr kennt mich jchon nicht mehr? 
x Rlofferbruder. 
cl doch! Ich glaubte nur, daß ich den Herrn 
meinem Leben wieder nie zu ſehn 
ekommen würde. Denn ich hoft' es zu 
m lieben Gott. — Der liebe Gott, der weiß 
e faur mir der Antrag ward, den ic) 
1 Heren zu thun verbunden war. Er weiß, 
\ ch gewünfcht, ein offnes Ohr bey Euch) 
finden; weiß, wie jehr ich mich gefreut, 
= eriten gefreut, daß Ihr jo rund 
—* — ohne viel Bedenken, von 
wieſ't, was einem Ritter nicht geziemt. — 
n Tom Ihr doch; nun hats doch nachgewirkt! 


Tempelbherr. 
— es ſchon, warum ich komme? Kaum 


* es ſelbſt. 


EEE ET GERT — —————— 


KRloſterbruder. 
Ihr habts nun überlegt; 
—— daß der Patriarch 
t doch nicht hat; daß Ehr' und Geld 
re zu gewinnen; daß 
ein Feind ift, wenn er unjer Engel 
0 — wäre. Das, 
nun mit Fleiſch und Blut erwogen, 
Er tragt Euch wieder an. — Ad Gott! 


10 


20 


112 Nakhan der Weile. 





Tempelherr. 
35 Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrieden, 
Deswegen komm’ ich nicht; deswegen will 
Sch nicht den Patriarchen jprechen. Noch, 
Noch dent’ ich über jenen Punkt, wie ich 3 
Gedacht, und wollt’ um alles in der Welt 
40 Die gute Meynung nicht verlieren, deren 
Mich ein jo grader, frommer, lieber Mann 
Einmal gewürdiget. — Ich komme blos, 
Den Patriarchen über eine Sache 
Um Rath zu fragen... 
Kloflerbruder. 
Ihr den Batriarchen? 
45 ein Ritter, einen — Pfaffen? (fich ſchüchtern umfehend.) 


Tempelherr. 
| Ja; — die Sad)’ 
Iſt ziemlich pfäffiſch. | 
Rloferbruder. 
Gleichwohl fragt der Pfaffe 
Der Nitter nie, die Sade ſey auch noch 
Sp ritterlich. 
Tempklückk 
Weil er das Vorrecht hat, 
Sich zu vergehn; das unfer einer ihm 
50 Nicht jehr beneidet. — Freylid, wenn ich nur 
Für mi) zu handeln hätte; freylich, wenn 
Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte: 
Mas braucht’ ih Euers! Batriarhen? Aber 
Gewiſſe Dinge will ich Lieber jchlecht, 
55 Nach andrer Willen, machen; als allein 
Nach meinem, gut. — Zudem, ich jeh nun wohl, 
Religion ift auch Parthey; und wer | 
Sich drob auch noch jo unparteyifch glaubt, 
Hält, ohn’ es felbit zu willen, doch nur jeiner 





1 Eures [1779c] 





% 


4 





au. 2. Ruftritt. 


113 





= 


— u 
SR ARE Jr , 
—— F — 
2 
ee * 5 un 
— F * 
32. 
irds ſo 
— 2* — J 
Der" =: 
— — 


Ent 


es 


denn ve den 


: Kt 


rten Rath?) — 


Bes iſt die. 


iß ſehn, warum mir eigentlich zu thun! 
m Mehlſpruch oder Rath? — Um lautern, oder 




















einmal nun — iſt: 


Alperbruder. 
Dazu ſchweig' ich lieber. 


Ser nicht recht. 


Tempelberr. 
Und doch! — 


Ich dank' Euch, Bruder; dank’ 


h für den guten Wink. — Was Batriarch? — 
d Ihr mein Patriarch! Ich will ja doch 
m Oprifen mehr im Patriarchen, als 


n Patriarchen in dem Chriften fragen. — 


Rloflerbruder. 
Nicht weiter, Herr, nicht weiter ! 


u? — Der Herr verfennt mich. — Wer viel weiß, 
jiel zu jorgen; und ich habe ja 

| — Einer Sorge nur gelobt. — O gut! 

r 9* Dort kömmt, zu meinem Glück, er ſelbſt. 
eibt hier nur ſtehn. 


Er hat Euch ſchon erblickt. 


Zweyker Rufkrikk. 


65 


70 


Pat | arch. welcher mit allem geiſtlichen Pomp den einen Kreuzgang berauffümmt, und die 









ya 


Borigen. 


Tempelberr. 


erden lieber aus. — Wär' nicht mein Mann! — 
er Prälat! 


Kloferbruder. 


Ir jolltet ihn exit jehn, 


Itzo kömmt 


114 Bafhan der Weite, 





Tempelberr. 2 — 


80 Wie ſich da 
Nicht Saladin wird ſchämen müſſen! 
Pakriarch. (indem er näher kömmt, winkt dem Bruber.) 4 
Hier! — —— 
Das iſt ja wohl der Tempelherr. Was will ———— 
Er? 
Kloſterbruder. 
Weiß nicht. 
Palriard. 


‚(auf ihn zugehend, indem der Bruder und das Gefolge zurüldiveten) 

Kun, Herr Ritter! — Sehr erfreut 

Den braven jungen Mann zu jehn! — Ey, nod) 

85 So gar fung! — Nun, mit Gottes Hülfe, daraus 
Kann etwas werden. 

Tempelherr. 
Mehr, ehrwürd’ger Herr, 
Wohl ſchwerlich, als ſchon iſt. Und eher noch, 


Was weniger. 
Pakriarch. 


Ich —ñ— wenigſtens, F 

Daß ſo ein frommer Ritter lange noch ee 
90 Der lieben Chriftenheit, der Sache Gottes ; 

Zu Ehr und Ftommen blühn und grünen möge! 

Das wird denn auch nicht fehlen, wenn nur fein 

Die junge Tapferkeit dem reifen Rathe 

Des Alters folgen will! — Womit wär’ ſonſt 
95 Dem Herrn zu dienen? 


MR 


Tempelherr. 
Mit dem nehmlichen, 
Woran e3 meiner Jugend fehlt: mit Kath. ee. 
Patriard. ‚Ay ‚a 





Recht gern! — Nur ift der Nath auch anzunehmen. - vr 
Iempelherr. vr 
Doch blindlings nicht ? \ 
Pakriarch. — 
Wer ſagt denn das? — Ey rreylih 2 


Muß niemand die Vernunft, die Gott ihm ur ee ER 
ph tj a j 






























ARE a 4. Aufing. 2. Auffeitt. ° | 115 
u Grauen — —wo ſie hin 100 


— Gehört ſie aber überall 
Be ı bin? — D nein! — Zum Beyjpiel: wenn uns Gott 
D * einen ſeiner Engel, — iſt zu ſagen, 
= irch einen Diener jeines Worts, — ein Mittel | 
3efannt zu machen würdiget, das Wohl 105 
der ganzen Chrijtenheit, das Heil der Kirche, 
f irgend eine ganz bejondre Weije 
— zu befeſtigen: wer darf 
ich da noch unterſtehn, die Willkühr def, 
* die Vernunft erſchaffen, nach Vernunft 110 
u unterſuchen? und das ewige 
jejeß der Herrlichkeit des Himmels, nach 
en Kleinen Regeln einer eiteln Ehre 
u prüfen? — Doch hiervon genug. — Was ift 
s denn, worüber unjern Kath für ist 115 
der Herr verlangt ?- 
m Tempelberr. 
Bi Geſetzt, ehrwürd’ger Vater, 
in Jude hätt’ ein einzig Kind, — es jey 
in Mädchen, — das er mit der größten Sorgfalt 
ı allem Guten auferzogen, das 
> liebe mehr als feine Seele, das 120 
m wieder mit der frömmiten Liebe liebe. 
d nun würd’ unfer Einem binterbracht, 
ya jey des Juden Tochter nicht; 
hab’ es in der Kindheit aufgelefen, 
kauft geitohlen, — was Ihr wollt; man wiſſe, 125 
Er jey ein Chriftenfind, und jey 
t; der Jude hab’ es nur als Jüdinn 
N; laß es nur als Südinn und 
Tochter jo verharren: — jagt, 
ger — was wär' hierbey wohl 130 


Ppakriarxch. 


@ 2 fanden — Doch zu —— 


/ 


116 Vakhan der Weile. 





Erkläre fi der Herr, ob jo ein Fall 
Ein Faktum oder eine Hypotheſ'. 
Das iſt zu jagen: ob der Herr fich das 
135 Nur blos jo dichtet, oder obs geſchehn, 
Und fortfährt zu geichehn. 
| Tempelberr. 
Ich glaubte, das 
Sey eins, um Euer Hochehrwürden Meynung 
Blos zu vernehmen. 
Palriard. 
Eins? — Da jeh der Herr 
Wie ſich die ſtolze menschliche Bernunft 
140 Im Geiftlichen do irren fann. — Mit nichten! 
Denn iſt der vorgetragne Fall nur fo 
Ein Spiel des Witzes: jo verlohnt es ſich 
Der Mühe nicht, im Ernſt ihn durchzudenken. 
Sch will den Herrn damit auf das Theater 
145 Berwiejen haben, wo dergleichen pro 
Et contra ſich mit vielem Beyfall fönnte 
Behandeln laſſen. — Hat der Herr mich aber 
Nicht blos mit einer theatral’ihen Schnurre 
Zum beiten; ift der Fall ein Faktum; hätt’ 
150 Er fih wohl gar in unfrer Didces’, 
In unjrer lieben Stadt Jeruſalem, 
Eräugnet: — ja alsdann — | 
Tempelherr. 
Und was alsdann? 
Palriard. 
Dann wäre mit dem Juden förderſamſt 
| Die Strafe zu voliehn, die Päbſtliches 
155 Und Kaijerliches Recht jo einem Frevel, 
So einer Lafterthat beftimmen. 
Tempelherr. 
©? 
Palriard. 
Und zwar bejtimmen obbejagte Nechte 





117 
































Tempelherr. 


Pakriarch. 

Bin, Und wie vielmehr dem Juden, 
e mit Gewalt ein armes Chrijtenfind 

n Bunde feiner Tauf entreißt! Denn ift 

t alles, was man Kindern thut, Gewalt? — 

—* — ausgenommen, was die Kirch' 

Kindern thut. 


Tempelherr. 
Wenn aber nun das Kind, 
nte ſeiner ſich der Jude nicht, 
lleicht im Elend umgekommen wäre? 
Pakriarch. 


—* hier im Elend umgekommen, 
3 zu ſeinem ewigen Verderben 
fo reitet ward. — Zu dem, was hat 
die Gott denn vorzugreifen? Gott 
N, wen er retten will, jhon ohn’ ihn retten. 
Tempelherr. 

5 20 ihm, jollt’ ich. meynen, — jelig machen. 
4 Palriard. 
nid der Jude wird verbrannt. 
Tempelherr. 
— Das geht 
zii 2 me, da man jagt, er habe 
Mädchen nicht ſowohl in feinem, als 
Me ieh rn in feinem Glauben auferzogen, 

mes nicht mehr nicht weniger 

© Vernunft genügt. 

Paflriard. 

Thut nichts! 
.. Sa, wär’ allein 


N ut nichts! der Jude wird verbrannt. — Denn beſſer, 


160 


165 


170 


175 


180 


118 -  Balhan der Weile. 





Schon diejerwegen werth, dreymal verbrannt 
Zu werden! — Was? ein Kind ohn’ allen Glauben 
Erwachſen lafjen? — Wie? die große Pflicht 

185 Zu glauben, ganz und gar ein Kind nicht lehren? 
Das ift zu — — Mich wundert ſehr, — Ritter, 
Euch jelbit . 


Tempelherr. 
| Ehrwürd’ger Herr, das Mebrige, 
Wenn Gott will, in der Beichte. (wit gehn.) 


e Palriard. 
Was? mir nun 
Nicht einmal Rede jtehn? — Den Böjewicht, 
190 Den Juden mir nicht nennen? — mir ihn nicht 
Zur Stelle fchaffen? — D da weiß ih Rath! 
Sch geh jogleih zum Sultan. — Saladin, 
Bermöge der Capitulation, 
Die er beihworen, muß uns, muß uns ſchützen; 
195 Bey allen Nechten, allen Lehren jchüßen, 
Die wir zu unſrer allerheiligiten 
Keligion nur immer rechnen dürfen! 
Gottlob! wir haben das Driginal. 
Wir haben feine Hand, fein Siegel. Wir! — 
200 Auch mach’ ich ihm gar leicht begreiflich, wie 
Gefährlich jelber für den Staat es iſt, 
- Nichts glauben! Mle bürgerliche Bande 
Sind aufgelöjet, find zerrifien, wenn 
Der Menſch nichts glauben darf. — Hinweg! hinweg 
205 Mit ſolchem Frevel!.. 


Tempelherr. 
Schade, daß ih nicht 
Den trefflichen Sermon mit beßrer Muſſe 
Genießen kann! Ich bin zum Saladin 
Gerufen. 
Pafriard. 
a? — Nun jo — Nun frylid — Dann — 








BA: Rufıug. 3. Ruttrit. KT, 
















ee: ——— | — 
an vorbereiten, wenn Ve 
x Sodehrmürben jo gefällt. ee 
J Pakriarch. 
Ein. — Ich weiß, der Herr hat Gnade funden 
or Saladin! — Ich bitte meiner nur 
1 Velten bey ihm eingedenf zu jeyn. — 
h treibt der Eifer Gottes lediglich. 
a 5 ich zu viel thu, thu ich ihm. — Das wolle 215 
och ja der Herr erwägen! — Und nicht wahr, | 
rr Nitter? das vorhin erwähnte von 
em Juden, war nur ein Problema? — ift 


Ia0a — 

er Tempelherr. 

— Ein Problema. (gebt ab.) 

* Pakriarch. 

* (Dem ich tiefer 

h auf den Grund zu kommen ſuchen muß. 220 
3 wär’ jo wiederum ein Auftrag für 

1 Bruder Vonafides) — Hier, mein Sohn! 


(er ſpricht im abgehn mit dem Kloſterbruder.) 


— 


Pritter Auffeitf. 


te Er Zimmer iin PBallafte des Saladin, in welches von Sklaven eine Menge Beutel getragen, 
a und auf den Boden neben einander geitellt werden. 


Saladin und bald darauf Sikkah. 
4 Saladin. er dazu kömmt.) 

1 wohl das hat noch fein Ende. — Sit 
5 a viel zurüd? 


En ⸗ 


Ein Sklave. 
| | Wohl noch die Hälfte. 
ee Saladin. | | | 
“ nebrige zu Sittah. — Und — 
] Ha i? Das hier ſoll ſogleich 
h nehmen. — Oder ob 
iehr dem Vater ſchicke? Hier 


120 Bathan der Weile. 





Fällt miv es doch nur durch die Finger. — Zwar 
230 Man wird wohl endlich hart; und nun gewiß 
Solls Künfte Foften, mir viel abzuzwaden. 
Bis wenigftens die Gelder aus Aegypten 
Zur Stelle fommen, mag das Armuth ſehn 
Wies fertig wird! — Die Spenden bey dem Grabe, 
235 Wenn die nur fortgehn! Wenn die Chriftenpilger 
Mit leeren Händen nur nicht abziehn dürfen! 
Wenn nur — 
Sitkah. 
Was ſoll nun das? Was ſoll das Geld 
Bey mir? 
Saladin. 
Mach dich davon bezahlt; und leg’ 
Auf Vorrath, wenn was übrig bleibt. 
: Siktkah. 
| Sit Nathan 
240 Noch mit dem Tempelherrn nicht da? 
Saladin, 
Er jucht 
Ihn aller Drten. 
| Sikkah. 
Sieh doch, was ich hier, 
Indem mir ſo mein alt Geſchmeide durch 
Die Hände geht, gefunden. (ihm ein Hein Gemählde zeigend.) 
| Saladin. 
Ha! mein Bruder! 
Das iſt er, it er! — War er! war er! ah! — a 
245 Ah wackrer lieber Junge, daß ich dich | | J 
So früh verlor! Was hätt' ich erſt mit dir, SS 
An deiner Seit’ erft unternommen! — Sittah, 
Laß mir das Bild. Auch kenn' ichs ſchon: er gab 
Es deiner ältern Schweiter, jeiner Lilla, 
250 Die eines Morgens ihn jo ganz und gar - ee 
Nicht aus den Armen lafjen wollt’. Es war tr 
Der lebte, den er ausritt. — Ab, ih ließ — 1 
Ihn reiten, und allein! — Ah, Lilla ſtarb er EM N 











ı 255 



















; Saladin. | 

Bruck J Laß nur gut 

“ Bi Einmal bleiben wir doch alle weg! — 

) — wer weiß? Der Tod iſts nicht allein, 

n Süngling feiner Art das Ziel 

errückt. Er hat der Feinde mehr; und oft 260 
lieg ‚der Stärkſte gleich dem Schwächſten. — Nun, | 

y wie ihm jey! — Ich muß das Bild doch. mit 

m jungen Tempelheren vergleichen ; muß 

5 fh, wie viel mich meine Phantafie 

— * Siltah,. 

FR - Nur darum bring’ ichs. Aber gib | 265 
| h, gib! Ich will dir das wohl jagen; das 

" fteht ein weiblich Aug am beiten. 


Sal a dim. (zu einem Thürſteher, der Hereintritt.) 


Bin, Mer 
da? — der Tenpelhent — Er komm'! 
— Sittah. 
Euch nicht 
ihn mit meiner Neugier nicht 
Im is ſeitwärts auf einen Sofa und läßt den Schleyer falten.) 
Saladin. 
Gut jo! gut! — (Und nun ſein Ton! - 270 


ei fen wird! — Aſſads Ton 
Ein meiner Seele noch!) 


“oo 


122 Bafhan der Weile, 





Saladin. 
Mein Gefangner? 
Wem ich das Leben ſchenke, werd’ ich dem 
275 Nicht auch die Freyheit ſchenken? 
Tempelherr. 
Was dir ziemt 
Zu thun, ziemt mir, erſt zu vernehmen, nicht 
Vorauszuſetzen. Aber, Sultan, — Dank, 
Beſondern Dank dir für mein Leben zu 
Betheuern, ſtimmt mit meinem Stand' und meinem 
280 Charakter- nicht. — Es ſteht in allen Fällen 
- u deinen Dienften wieder. 


Saladin. 
Brauch es nur 
Nicht wider mich! — Zwar ein Paar Hände mehr, \ ” 
Die gönnt’ ih meinem Feinde gern. Allein 
Ihm jo ein Herz auch mehr zu gönnen, fällt 
285 Mir ſchwer. — Ich habe mich mit dir in nichts 
Betrogen, braver junger Mann! Du bift 
Mit Seel und Leib mein Aſſad. Sieh! ich könnte 
Dich fragen: wo du denn die ganze Zeit 
Geſteckt? in welcher Höhle du geichlafen? 
290 In welchem Ginniftan, von welcher guten 
Div dieſe Blume fort und fort ſo friſch 
Erhalten worden? Sieh! ich Fünnte dich 
Erinnern wollen, was wir dort und dort 
Zuſammen ausgeführt. Ich könnte mit 
295 Dir zanken, daß du Ein Geheimniß doch 
Vor mir gehabt! Ein Abentheuer mir 
Doch unterſchlagen: — Ja, das könnt' ich; wenn 
Ich dich nur ſäh', und nicht auch mich. — Nun, mags! 
Von dieſer ſüſſen Träumerey iſt immer 
300 Doch ſo viel wahr, daß mir in meinem Herbſt 
Ein Aſſad wieder blühen ſoll. — Du biſt 
Es doch zufrieden, Ritter? 





* 
+ Tan 


4. Aufma. 4. Auftrift, 123 





Tempelherr. 
Alles, was 
Bon dir mir kömmt, — ſey was es will — das lag 
Als Wunſch in meiner Seele. 
Saladin. 
Laß uns das 
Sogleich verfuchen. — Bliebjt du wohl bey mir? 305 
Um mir? — Ms Chrift, als Mufelmann: gleich viel! 
Im weißen Mantel, oder Jamerlonk; 
Im Tulban, oder deinem Filze: wie 
Du mwillit! Gleich viel! Ich habe nie verlangt, 
Daß allen Bäumen Eine Rinde wachſe. 310 
Tempelbherr. 
Sonſt wärjt du wohl auch jchwerlich, der du biſt: 
Der Held, der lieber Gottes Gärtner wäre. 
Saladin. 
Nun — wenn du nicht ſchlechter von mir denkſt: 
So wären wir ja halb ſchon richtig? 
Tempelherr. 
Ganz! 
Saladin. (ibm die Hand biethend.) 
Ein Wort? 
Tempelherr. (einihlagend.) 
Ein Mann! — Hiermit empfange mehr 315 
Als du mir nehmen konnteſt. Ganz der Deine! 
3 Saladin. 
Zu viel Gewinn für einen Tag! zu viel! — 
Kam er nicht mit? 
. Tempelherr. 
er? 
Daladin. 
Nathan. 
Tempelherr. (roſtig.) 


Kein. Ih Fam 


Alllein. 


Saladin. 
Welch eine That von dir! Und welch 


124 — der Weiſe. 





320 Ein weiſes Glück, daß eine ſolche That 
Zum Beſten eines ſolchen Mannes ausſchlug. 
Tempelherr. 


Ja, ja! 
Saladin. 
So kalt? — Nein, junger Mann! wenn Gott 
Was gutes durch uns thut, muß man ſo kalt 
Nicht ſeyn! — ſelbſt aus Beſcheidenheit ſo kalt 
325 Nicht ſcheinen wollen! 


Tempelherx. 
Daß doch in der Welt 
Ein jedes Ding ſo manche Seiten hat! — 
Von denen oft ſich gar nicht denken — 
Wie ſie zuſammenpaſſen! 
Saladin. 
Halte dich 
Nur immer an die beſt', und preiſe Gott! | 
330 Der weiß, wie fie zufammenpafjen. — Aber, 
Wenn du jo jehwierig jeyn will, junger Mann: 
Sp werd’ auch ich ja wohl auf meiner Hut 
Mich mit dir halten müfjen? Leider bin 
Auch ih ein Ding von vielen Seiten, die 
335 BER nicht jo recht zu paſſen ſcheinen mögen. 
Tempelherr. 
Das ſchmerzt! — Denn Fe it jo — ſonſt 
Mein Fehler — 
Saladin. 
Nun, jo ſage doch, mit wen 
Dus haft? — Es ſchien ja gar, mit Nathan. Wie? 
Auf Nathan Argwohn? du? — Erklär' dich! ſprich! 
340 Komm, gib mir deines Zutrauns erſte Probe. 
Tempelherr. 
Ich habe — Nathan nichts. Ich zürn' 
Allein mit mir — 


Saladin. 
Und über was? 





125 





4. Aufzug. 4. Rufkrilk. 


a ri Tempelherr. 

Daß mir 
on; ein Jude fönn’ auch wohl ein Jude 
gi er verlernen; daß mir wachend jo 


* F 
EU J 


































Saladin. 

Heraus mit dieſem wachen Traume! 
Tempelherr. 

weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was 
cl Er fie that, das that ih, — weil ichs that. 
Er Danf einzuerndten, wo ich ihn 

t jäete, verſchmäht ih Tag für Tag 

Da: 3 Mädchen noch einmal zu jehn. Der Vater 
* fern; er kömmt; er hört; er ſucht mich auf; 
x dankt; er wünſcht, daß ſeine Tochter mir 
sefallen möge; jpricht von Aussicht, ſpricht 

son heitern Fernen. — Nun, ich laſſe mich 
eichwagen, komme, jehe, finde wirklich 


3 Saladin. 

ih jhämen? — daß ein Judenmädchen auf 
ch Eindruck machte: doch wohl nimmermehr? 
* Tempelherr. 

a iß Ben Eindrud, auf das liebliche 

eſchwätz des Vaters hin, mein raſches Herz 

, wenig Widerſtand entgegen jeßte! — 


J —— Saladin. 

rſchm aht 

J Tempelherr. 
„De weile Vater jchlägt nun wohl 
h platterdings nicht aus. Der weije Vater 
; — fh erit erfunden, erſt 

men. Allerdings! That ich denn das 

5 Erkundete, beſann ich denn 


in Mädchen . . . Ah, ih muß mich ſchämen, Sultan! — 


Fan ich fprang zum zweytenmal ins Feuer. — 
ı nun warb ich, und num ward ich, verſchmäht. 


345 


355 


360 


126 . Balhan der Weile. 





Mich erit nicht auch, als fie im Feuer ſchrie? — 
370 Fürwahr! bey Gott! ES ift doc gar was jchönes, 
So weile, jo bedächtig jeyn! 
Saladin. 
Kun, nun! 
So fieh doch einem Alten etwas nach! 
Wie lange können feine Weigerungen. 
Denn dauern? Wird er denn von dir verlangen, 
375 Daß du erit Jude werden jollft? 
Tempelherr. 
Wer weiß! 
 SRLADILN N 
Ber weiß? — der diejen Nathan befjer Fennt. 
Tenpelherr. 
Der Aberglaub’, in dem wir aufgewachien, 
Berliert, auch wenn wir ihn erfennen, darum 
Doch jeine Macht nicht über ung. — Es find 
380 Nicht alle frey, die ihrer Ketten ſpotten. 
Saladin. 


Sehr reif bemerkt! Doch Nathan wahrlich, Nathan... 


Tempelherr. 
Der Shoroleuben ſchlimmſter ift, den feinen 
Für den erträglichern zu halten... 
Saladin. 
REN Mag 
Wohl jeyn! Doch Nathan... 
Tempelherr. 
Dem allein 


3s Die blöde Menjchheit zu vertrauen, bis 


Sie hellern Wahrheitstag gewöhne ; dem 
Allein... | 
Saladin. 
Gut! Aber Nathan! — Nathans Loos 

Iſt dieſe Schwachheit nicht. 

Tempelherr. 

So dacht' ih audh!. 
Wenn leichwoh dieſer Ausbund aller Menjchen 


# Sch HR 
Be: : 





{ — En. 











2 DENE AR. 127 

































de wäre, daß 


890 
ten zu men juche, | 
us Sud ein: — wie dann? | RE 
Saladin. 


| # EN ik 
ser jagt 1 ihm ſo was nach? 
— J Tempelherr. 

Das Mädchen jelbit, 
| it melde er mich förnt, mit deren Hoffnung 
gern mir zu bezahlen jehiene, was 395 
h nicht umfonft für fie gethan joll haben: — | 
5 Mädchen felbit, ift jeine Tochter — nicht; 
in verzettelt Chriſtenkind. 

Saladin. 
n Das er 
a ı  ungendie dir nicht geben wollte? 
Tempelherr. (etig.) 
oder wolle nicht! Er ijt entdedt. 400 
| x tolerante Schwäzer iſt entdeckt! 
Pr de hinter dieſen jüd’schen Wolf 
philoſoph'ſchen Schafpelz, Hunde ſchon 
tingen willen, die ihn zaufen ſollen! 
E. Baladin. (emit.) 
1 uhig Chriſt! 
——— Tempelherr. 
— | Was? ruhig Chrift? — Wenn Jud' 405 
SR mann, auf Jud’, auf Mufelmann 
A allein der Chrift den Chriften 


R BRrfen % 
262," —* Saladin. (no erniter.) 
| A Ruhig, Chriſt! 


ea ne Tempelherr. (gelafien.) 





ki Ich fühle 
| r : Salt, - — die Saladin 
eßt! Ah, wenn ich wüßte, 410 


| * an meiner Stelle 
4, ER 


128 Bathan der Weile. 





Saladin. 
Nicht viel beſſer! — 
Bermuthlih, ganz jo braufend! — Doc, wer hat 
Denn dich auch ſchon gelehrt, mich jo wie er 
415 Mit Einem Worte zu beitehen? Freylich 
Wenn alles ſich verhält, wie du mir ſageſt: 


Kann ih mich felber kaum in Nathan finden. — 


Indeß, er ijt mein Freund, und meiner Freunde 
Muß feiner mit dem andern hadern. — Laß 
420 Dich weilen! Geh behutſam! Gieb ihn nicht 
' Sofort den Schwärmern deines Pöbels Preis! 
Verſchweig, was deine Geiftlichfeit, an ihm 

Zu rächen, mir jo nahe legen würde! 

Sey feinem Juden, feinem Mufelmanne 
425 Zum Trotz ein Ehrift! 

Tempelherr. 
Bald wärs damit zu jpät! 
Doch Dank der Blutbegier des Patriarchen, 
De Werkzeug mir zu werden graute! 
Saladin. 
Wie? 
Du kamſt zum Batriarchen eher, als 
zu mir? | 
| Tempelherr. 
Im Sturm der Leidenschaft, im Wirbel 

430 Der Unentjchloffenheit! — Verzeih! — Du wirft 

Bon deinem Afjad, fürcht' ich, ferner nun 

Nichts mehr in mir erfennen wollen. 


Saladin. 
Wär’ 


E3 dieſe Furcht nicht jelbjt! Mich dünkt, ich weiß, 


Aus welchen Fehlern unjre Tugend feimt. 
435 Pfleg' dieje ferner nur, und jene jollen 

Bey mir dir wenig ſchaden. — Aber geh! 

Sub du nun Nathan, wie er di geſucht; 


Und bring’ ihn ber. Sch muß euch doch zufammen 


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——— 


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4 Anfang. 5. Auffeiff. 


129 




















a indigen. — Wär’ um das Mädchen dir 
\ m Ext zu thun: jey ruhig. Sie ift dein! 
ich Toll es Nathan ſchon empfinden, daß 
* Schweinefleiſch ein Chriſtenkind 
Sxzieh dürfen! — Geh! 





Fünfter Auftritt, 
Saladin un Sikfal. 


Silfah. 
Ganz jonderbar! 
Saladin. 
t, Sittah? Muß mein Ajjad nicht ein braver, 
—— junger Mann geweſen ſeyn? 
Sikkah. 
u er jo war, und nicht zu dieſem Bilde 
x Tempelhert vielmehr geſeſſen! — Aber 
e haft du doch vergeſſen können dich 
h jeinen Aeltern zu erkundigen ? 
Saladin. 
b ins befonbre wohl nad jeiner Mutter? 
ſeine Mutter hier zu Lande nie 
vejen ſey? — Nicht wahr? 
| Sitkah. 


Saladin. 
— nichts! Denn Aſſad war 


nm Chriſtendamen jo willkommen, 


d e Chriftendamen jo erpicht, 
nal gar die Rede ging — Nun, nun; 


wieder! PR U mit allen jeinen Fehlern, 
ien La r jeines weichen Herzens 
ieder haben! — — das Mädchen muß 


(Der Tempelherr geht ab, und Sittah verläßt den Sofa.) 


Das machſt du gut! 


\ nicht. gern davon. — Genug; ich hab 


440 


450 


455 


460 


130 Bafhan der Weile. 





Billa). 
Ihm geben? 
Ihm laſſen! 
Saladin. 


Allerdings! Was hätte Nathan, 
So bald er nicht ihr Vater iſt, für Recht 
Auf ſie? Wer ihr das Leben ſo erhielt, 
465 Tritt einzig in die Rechte deß, der ihr 
Es ‚gab. 
| Sitktah. 
Wie alſo, Saladin? wenn du 
Nur gleich das Mädchen zu dir nähmſt? Sie nur 
Dem unrechtmäßigen Beſitzer gleich 
Entzögeſt? 
Saladin. 
Thäte das wohl Noth? — 
— 
Noth nun 
470 Wohl eben nicht! — Die liebe Neubegier 
Treibt mich allein, dir dieſen Rath zu geben. 
Denn von gewiſſen Männern mag ich gar 
Zu gern, ſo bald wie möglich, wiſſen, was 
Sie für ein Mädchen lieben können. 
Saladin. 
= Nun; 
475 So ſchick' und laß fie hohlen. 
Sikkah. 
Darf ich, Bruder? 
Saladin. 
Kur Ihone Nathans! Nathan muß durchaus 
Nicht glauben, daß man mit Gewalt ihn von 
Ihr trennen wolle. Dre Gi 
Sikkah. I 





Sorge nicht. —1 

Saladin. Aal 

Und ich, —— J 

Ich muß ſchon ſelbſt ſehn, wo Al-Hafi bleibt. — — 


—— 





Re 0 — 1 



















— Star in Auen Haufe, gegen die Palmen zu; wie im erjten Auftritte des erften 
— Aufzuges. 
Dean — 

n TH Fi waaren und Koſtbarkeiten liegt ausgekramt, deren eben daſelbſt gedacht wird. 


Bathan und Daja. 


Bi R u: 7 ce Se 
Es alles auserlejen! 480 
a es — wie nur Ihr es geben fünnt. 
9, mtb der Silberftoff mit goldnen Ranfen 
It? Was koſtet er? — Das nenn’ ich noch 
1 Nut Keine Königinn verlangt 
> Bathan. 
Brautkleid? Warum Brautkleid eben ? 485 


— Daja. 
* wur im! Ihr dachtet daran freylich nicht, 
; Ihr ihn kauftet. — Aber wahrlich, Nathan, 
e und fein andrer muß es jeyn! Er ift 
1 Brautkleid wie bejitellt. Der weile Grund; 
Si d der Unſchuld: und die goldnen Ströme, 490 
aller Orten diefen Grund durchſchlängeln; 
3 Id des Reichthums. Seht Ihr? Allerliebit! 
% Bafhan. 
ei du mir da? Bon weſſen Brautkleid 
EN du mir jo gelehrt? — Bilt du 
} Se 
Daja. 


TER en 
Run wer denn? 
Daja. 
Ich? — lieber Gott! 495 
0 Balhan 
Een —— du denn? — 


132 Bafhan der Weile. 





Daja, 
Sit mein? Soll mein jeyn? — Iſt für Necha nicht? 
Dalhan. 
Was ih für Recha mitgebracht, das liegt 
500 In einem andern Ballen. Mach! nimm weg! 
Trag deine Siebenſachen fort! 
Daja. 
Berjucher! 
Nein, wären es die Koftbarfeiten auch 
Der ganzen Welt! Nicht rühr an! wenn Ihr mir 
Vorher nicht ſchwört, von dieſer einzigen 
505 Gelegenheit, dergleichen Euch der Himmel 
Nicht zweymahl ſchicken wird, Gebrauch zu machen. 


Pakhan. 
Gebrauch? von Par — Gelegenheit? wozu? 
Daja. 
D ftellt Euch nicht jo fremd! — Mit kurzen Worten! 
Der Tempelherr liebt Reha: gebt fie ihm, 
510 So hat doch einmahl Eure Sünde, Die 
Ich länger nicht verſchweigen kann, ein Ende. 
So fümmt das Mädchen wieder unter Chrijten ; 
Wird wieder was fie ift; ijt wieder, was 
Sie ward: und hr, Ihr habt mit all’ dem Guten, 
515 Das wir Euch nicht genug verdanken können, 
Nicht Feuerfohlen bloß auf Euer Haupt 
Gejammelt. 
5 Dalhan. 
Doch die alte Leyer wieder? — 
Mit einer neuen Saite nur bezogen, 
Die, fürcht' ich, weder jtimmt noch hält. 
Daja. 
Wie jo? 
Balhan. 
520 Mir wär’ dev Tempelherr ſchon recht. Ihm gönnt” 
Ich Recha mehr als einem in der Welt. 
Allein... Nun, habe nur Geduld. 



































Zi Nur — Tage noch Geduld!. 
eh we Wer kömmt denn dort? Ein Rlofterbruber? 
b, frc ag' ihn was er will 

Ban Daja. 
Be, Was wird er wollen? 
J Pathän. 

R ieb! — et eh’ er bittet. — (Wüßt' ich nur 
BE Eempelberen erſt beyzufommen, ohne 
| e Urſach meiner Neugier ihm zu jagen! 
m n wenn ich ſie ihm ſag', und der Verdacht 
ohne Grund: jo hab’ ich ganz umſonſt 
Fee auf das Spiel gejeßt.) — Was ijts? 


. D aja. 
: i 0 ſprechen. 
TR Dathan. 
Nun, jo laß ihn kommen; 


Siebenter Auftritt. 
BDathan und ver Rloſterbruder. 


BDafhan. 

RR Gch bliebe Rechas Vater 

ai gem! - — Zwar kann ichs denn nicht bleiben, 
in ich aufhör’, es zu heißen? — Shr, 
rd' ichs s doc immer auch noch beißen, 
Een ichs wäre.) — Geh! — 
enjten, frommer Bruder? 

; RER 


(fie geht auf-ihn zu und fragt.) 


525 


530 


134 Vathan der Weile, 





Bathan. 
So fennt Ihr mich? 
Rlofferbruder. 
Se nu; wer fennt Euch nicht? Ihr habt jo manchem 
Ja Euern Nahmen in die Hand gedrüdt. 
Er jteht in meiner auch, jeit vielen Jahren. 
Dathan. (nad feinem Beutel langend.) 
545 Kommt, Bruder, kommt; ich friſch' ihn auf. 
Kloferbruder., 
Habt Dank! 
Sch würd’ es ärmern ftehlen; nehme nichts. — 
Wenn Ihr mir nur erlauben wollt, ein wenig 
Euch meinen Nahmen aufzufriihen. Denn 
Ich Tann mich rühmen, auch in Eure Hand 
550 Etwas gelegt zu haben, was nicht zu 


Verachten war. 
Dalhan. 


Berzeiht! — Ih Ihäme mid. — 
Sagt, was? — und nehmt zur Buße ftebenfad 
Den Werth dejjelben von mir an. 
Rloferbruder 
Hört doch 
Bor allen Dingen, wie ich jelber nur 
555 Erjt heut an dieß mein Euch vertrautes — 


Erinnert worden. 
NPakhan. 


Mir vertrautes Pfand? 
RlIvſterbruder. 
Vor kurzem ſaß ich noch als Eremit 
Auf Quarantana, unweit Jericho. 
Da kam arabiſch Raubgeſindel, brach 
560 Mein Gotteshäuschen ab und meine Zelle, 
Und ſchleppte mich mit fort. Zum Glück entkam 
Ich noch, und floh hierher zum Patriarchen, 
Um mir ein ander Plätzchen auszubitten, 
Allwo ich meinem Gott in Einſamkeit 
565 Bis an mein ſelig Ende dienen könne. 


u 





‚135 































ja Dathan. 
a uf RR: er Bruder. Macht 
Ss dur. Das Pfand! das mir vertraute Pfand! 
En Kloſterbruder. 
er Nathan. — Nun, der Patriarch 
Verf ip ac) mir eine Siedeley auf Thabor, 
sobald als eine leer; und hieß inzwijchen 
y En mich als — bleiben. . 
3a bin ich it, Here Nathan; und verlange 
des Tags wohl hundertmal auf Thabor. Denn 
er Patriarch braucht mich zu allerley, 
or ich großen Edel habe. Zum 
empel: | 
H. Bathan. 
Macht, id bitt! Euch! 
Rlofferbruder. 
Nun, es kömmt! — 
a ba ihm jemand heut’ ins Ohr gejeßt: 
> hier herum ein Jude, der 
a Chefin als feine Tochter fich 


— Dathan. 
Wie? (6etroffen.) 
Be Kloſterbruder. 
Hört mich nur aus! — Indem 
mie nun aufträgt, dieſem Juden ftrafs,! 
Fe auf die Spur zu kommen, und 
yaltig fich ob eines ſolchen Frevels 

der ihm die wahre Sünde wider | 
ge gen Geift bedünkt; — das ift, die Sünde, 


all ug größte Sind’ uns gilt, 


570 


575 


590 


ar 


136 Bafhan der Weile. 





Zu dieſer unverzeihlich großen Sünde | =: 
Gelegenheit gegeben haben. — Sagt: ee 


Hat Euch ein Neitknecht nicht vor achtzehn Jahren — — 
Ein ER gebracht von wenig Wochen ? we 
Dalhan. i 
59% Wie das? — Nun freylich > allerdings er = 
Rlofferbruder. | 
Ey, jeht 
Mich doc) recht an! — Der Reitknecht, der bin id. , u 
Pakhan. | Mr: — 
Seyd Ihr? ae 
| Klofferbruder. - — 


Der Herr, von welchem ichs Euch brachte, 
War — iſt mir recht — ein Herr von Filnek. — — 
Von Filnek! 
Dalhan. 
Richtig ! 
| Klofferbruder. 
Weil die- Mutter kurz 
600 —— BEER war; und fi der Vater 
Nach — meyn’ ih — Gazza plöglich werfen mußte, 
Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte: 
Sp jandt ers Euch. Und traf ich Euch damit 
Nicht in Darun? 
Dalhan. 
Ganz recht! 
Rloferbruder. 
Es wär’ fein Wunder, a 
605 Wenn mein Gedächtniß mich betrög’. Sch habe a 
Der braven Herren jo viel gehabt; und diejem a 
Hab’ ih nur gar zu kurze Zeit gedient. # Fr tue 
Er blieb bald drauf bey Azfalon ; und war — 
Wohl ſonſt ein lieber Herr. | — m 








1 Zöchterlein [1779 c] 


2 4 Au 7. Aufteitt 


137 





— 0 Balhan.. 
8a wohl! ja wohl! 
2 jo viel, io viel zu danken habe! 
* als einmal mich dem Schwert entriſſen! 
Kloſterbruder. 

in! So werd't Ihr ſeines Töchterchens 
uf lieber angenommen haben. 

— Bathan. 

s tt Ihr denfen. 































Rlofferbruder. 
Be: Nun, wo ift es denn? 
ſt doch wohl nicht etwa gar geſtorben? — 
ißts lieber nicht geſtorben ſeyn! — Wenn ſonſt 
Be um die Sache weiß: jo hat 
Ber — BDathan. 
* Hat es? | 
Rlofierbruder. 
Traut mir, Nathan! 
m feht, ich denfe jo! Wenn an das Gute, 
s ih zu thun vermeyne, gar zu nah 
3 gar zu Schlimmes gränzt: jo thu ich lieber 
3 Gute nicht ; weil wir das Schlimme zwar 
, ziemlich zuverläjfig kennen, aber 
— nicht das Gute. — War ja wohl 
); wenn das Chriſtentöchterchen 
* von Euch erzogen werden ſollte: 
ß Ihrs als Euer eigen Töchterchen 
ögt. — Das hättet Ihr mit aller Lieb' 
— Treue nun gethan, und müßtet ſo 
br e werden? Das will mir nit ein. 
reylich klüger hättet Ihr gethan; 
n Ihr die Chriſtinn durch die zweyte Hand 
tim iehen lajjen: aber 
u 30: dns — Eures Freunds 






610 


615 


620 


625 


630 


138 | Bathan der Weile. 





In ſolchen Jahren mehr, als Chriftenthum. 
Zum Chriftenthume hats noch immer Zeit. 
Wenn nur das Mädchen fonft geſund und fromm 
640 Vor Euern Augen aufgewachien ift, 
So bliebs vor Gottes Augen, was es war. 
Und ift denn nicht das ‚ganze Chriftenthum 
Aufs Judenthum gebaut? Es hat mich oft 
Geärgert, hat mir Thränen gnug gekojtet, 
645 Wenn Chriften gar jo jehr vergeſſen Fonnten, 
Daß unfer Herr ja jelbit ein Jude war. 
| Dathan. 
Ihr, guter Bruder, müßt mein Fürſprach jeyn, 
Wenn Haß und Gleißnerey fich gegen mic) 
Erheben jollten, — wegen einer That — 
650 Ah, wegen einer That! — Nur Ihr, Ihr ſollt 
Sie wilfen! — Nehmt fie aber mit ins Grab! 
Noch hat mich nie die Eitelkeit verjucht, 
Sie jemand andern zu erzählen. Euch 
| Allein erzähl? ich fie. Der frommen Einfalt 
655 Allein, erzähl’ ich fie. Weil die allein 
Berjteht, was fi der gottergebne Menih 
Für Thaten abgewinnen kann. 


Elofferbruder. 
Ihr jeyd 
Gerührt, und Euer Auge jteht voll Waſſer? 
Dalhan. 
hr traft mich mit dem Kinde zu Darım. 
660 Ihr wißt wohl aber nit, daß wenig Tage 
Zuvor, in Gath die Chriften alle Juden 
Mit Weib und Kind ermordet hatten; wißt 
Wohl nicht, daß unter diefen meine Frau 
Mit fieben hoffnungsvollen Söhnen fi) 
665 Befunden, die in meines Bruders Haufe, 
Zu dem ich fie geflüchtet, insgeſamt 
Verbrennen müfjen. 





4. Aufpg. 7. NRufkrikk. 


139 





Rloſterbruder. 
Allgerechter! 
Daihan. 
Als 
hhr — — ich drey Tag' und Nächt' in Aſch' 
nd Staub vor Gott gelegen, und geweint. — 
* nt? Beyher mit Gott auch wohl gerechtet, 
6 t, getobt, mic) und die Welt verwünjcht ; 
de — den unverſöhnlichſten 
Hab zugeſchworen — 



















Klo fierbruder. 
Ah! Ich glaubs Euch wohl! 
Be: Daihan, 
od ch nun Fam die Vernunft allmählig wieder. 
ie ſprach mit janfter Stimm’: „und doc) it Gott! 
och war auch Gottes Rathiehluß das! Wohlan! 
omm! übe, was du längſt begriffen hait; 
zas ficherlich zu üben ſchwerer nicht, 
[3 zu begreifen ift, wenn du nur willit. 
teh auf!“ — Ich ſtand! und rief zu Gott: ich will! 
zillſt du nur, daß ich will! — Indem ftiegt Ihr 
om Pferd’, und überreichtet mir das Kind, 
ı Euern Mantel eingehüllt. — Was Ihr 
r damals ſagtet; was ich Euch: hab' ich 
eſſen. So viel weiß ich nur; ich nahm 
3 Kind, trugs auf mein Lager, füßt’ es, warf 
id auf die Knie’ und ſchluchzte: Gott! auf Sieben 
s nun ſchon Eines wieder! 
ei; Elofferbruder. 

Nathan! Nathan! 


beßre Chriſt war nie! 
——— — Bathan. 

— Wohl uns! Denn was 
ch ws zum — macht, das macht Euch mir 
n an! — Mber laßt uns länger nicht 


$ yd ein Chriſt! — Bey Gott, Ihr ſeyd ein Chrift! 


670 


675 


680 


685 


690 


140 Bathan der Weile. 





Einander nur erweichen. Hier braudts That! 
Und ob mich fiebenfache Liebe ſchon 

695 Bald an diß einz’ge fremde Mädchen band; 
Ob der Gedanke mich ſchon tödtet, daß 
Ich meine fieben Söhn’ in ihr aufs neue 


"Verlieren joll: — wenn fie von meinen Händen 
Die Vorficht wieder fodert, — ich gehorche! 
BRloſterbruder. 


700 Nun vollends! — Eben das bedacht' ich mich 
Sp viel, Euch anzurathen! Und jo hats 
Euch Euer guter Geiſt ſchon angerathen! 
| | Dathan. 

Nur muß der erjte bejte mir fie nicht 
Entreifien wollen! | 
Rlofferbruder. 
Nein, gewiß nicht! 
 Bathan 
Re 

705 Auf ſie nicht größre Rechte hat, als ich; 

mu frühere zum mindjten haben — 


Rlofferbruder. 
/ Freylich! 
Dathan. 
Die ihm Natur und Blut ertheilen. 
| Rlofferbruder. 
So 
Meyn' ich es auch! 
Dathan. 


. Drum nennt mir nur — 

| Den Mann, der ihr al3 Bruder oder Ohm, 
710 Als Better oder ſonſt als Sipp verwandt: 

Ihm will ich fie nicht vorenthalten — Sie, 

Die jedes Haujes, jedes Glaubens Zierde 

Zu jeyn erjchaffen und erzogen ward. — 

Ich Hoff’, Ihr wißt von diefem Euern Heren 
715 Und dem Gejchlechte deſſen, mehr als ich. 





141 





















— — — ——— —— 
E , ni Nathan, 9 ohl nun ſchwerlich! — Denn 
jabt ja ſchon gehört, daß ich nur gar 
" bey Um gewefen. 
Be Dathan. 
E. Wißt 
rdenn nicht wenigſtens, was für Geſchlechts 
> Mutter war? — War ſie nicht eine Stauffinn? 
J BRloſterbruder. 
IE möglich! — da, mid dünft. 
Dathan. 
— Hieß nicht ihr Bruder 
* d von Stauffen? — und war Tempelherr? 
= Rlofferbruder. 
i APR nicht triegt. Doch halt! Da fällt mir ein, 
ß ich vom felgen Herrn ein Büchelchen 
h hab’. Ich zogs ihm aus dem Buſen, als 
r un bey Askalon vericharrten. | 
| Daihan. 
Nun? 
Rlofferbruder. 
> Gebete drinn. Wir nennens ein 
- — Das, dacht’ ich, kann ein Chriftenmenjch 
vohl noch brauchen. — Ich nun freylich nicht — 


⸗ 


" Balhan. 
Thut nichts! — Nur zur Sache. 

Ze Rlofferbruder. 

im Buchelchen jtehn vorn und hinten, 

& mir jagen lafjen, mit des Herrn 
igner! Hand, die Angehörigen 
hr gejchrieben. 
ee: Bafhan. 

D erwünscht! 


en das Buchelchen. Seicwin! : 


720 


725 


730 


135 


142 Balhan der Weile. 





Ich bin bereit mit Gold es aufzumiegen ; 
Und taujend Dank dazu! Eilt! lauft! 


Rlofferbruder. 
Recht gern! 
Es ift Arabiſch aber, was der Herr 
Hineingefchrieben. (ab.) 
; Bathan. 


Einerley! Nur her! — 

740 Gott! wenn ich doc) das Mädchen noch behalten, 
Und einen jolden Eidam mir damit 
Erkauffen könnte! — Schwerlid wohl! — Nun, fall’ 
Es aus, wies will! — Wer mag e8 aber denn 
Geweſen jeyn, der bey dem Patriarchen 

745 So etwas angebradht? Das muß ich doc) 
Zu fragen nicht vergefjen. — Wenn e8 gar - 
Bon Daja füme? 


Achter Aufteitt. 
Daja uw Bafhan. 


Daja. (eilig und verlegen.) 
- Denkt doch, Nathan! 
Dathan. 
| Kun? 
| Daja. 
Das arme Kind erichrad wohl vecht darüber! 
Da ſchickt ... 
J Dathan. 
Der Patriarch? 
| Daja. 
| Des Sultans Sgweſen, 
750 Prinzeſſinn Sittah . .. 
Dathan. 
Nicht der Patriarch? 
5 Daja. 
Nein, Sittah! — Hört Ihr nicht? — Prinzeſſinn Sinah 
Schickt her, und läßt ſie zu ſich — 
























Sie 
En: Wie kommt Ihr denn auf den? 
— —  Bathan. 
‚tb kürzlich nichts von ihm gehört? 
hi Auch ihm nichts geſteckt? 
Daja. 
ch? ihm? 
ee © Balhan. 
ind die Bothen? | 
Baett Daja. 
Born. 
Dathan. 
i ee Ich will fie doch 
ficht jelber jprehen. "Komm! — Wenn nur 
— nichts dahinter jtect. ! (a6.) 
a ; Daja. 
y — ich fürchte ganz was anders nod). 
gi lts? die einzige vermeinte Tochter 
— —— Juden wär' auch wohl 
sem nicht übel? — Huy, 
npelh iſt drum. Iſt drum: wenn ich 
weyten Schritt nicht auch noch wage; nicht 
ihr noch — entdecke, wer ſie iſt! — 
f — m eriten Augenblid, 
J ibe, dazu brauchen! : 
— vielleicht nun eben, wenn 
ein erſter Wink 
3 wenigſtens nicht ſchaden. 
* t oder nie! Nur zul (ihm nad.) 





755 


760 


765 


770 


144 Vathan der Weile. 





—— 


Fünfter Aufzug. 


Erſter Auftritt. — — u 


Scene: das Bimmer in Saladind Pallafte, in welches die Beutel mit Gel oe 
noch zu jehen. 


Saladin und bald darauf verihienne Mameluken, 





3aladin. (im Hereintreten.) 
Da jteht das Geld nun no! Und niemand weiß 
Den Derwiſch aufzufinden, der vermuthlich 
Ans Schachbret irgendwo gerathen ift, 
- Das ihn wohl feiner ſelbſt vergejfen macht; — 
5 Warum nicht meiner? — Nun, Geduld! Was giebt3? 
Ein Wamelık. 
Erwünſchte Nachricht, Sultan! Freude, Sultan! . 
Die Karavane von Kahira kömmt; 
Iſt glüdlic da! mit fiebenjährigem 
Tribut des reihen Nils. 
Saladin. 
Brav, Ibrahim! 
10 Du bift mir wahrlich ein willfommner Bothe! — 
Ha! endlih einmal! endlih! — Sahr Dank 
Der guten Zeitung. 
Der Mameluk. (wartend.) 
Nun? nur her damit!) | 
Saladin. a 
Was wart'ſt du? — Geh nur wieder. | — 
Der Mameluk. 
Dem Willkoumnen 
Sonſt nichts? | | BEN — 
Saladin. Er 
Was denn noch ſonſt? 
Der Mameluk. 
Dem guten Boten 
15 Kein a — So wär id) ja der Erite, — 


5. Aufzug. 1. Auffriff. 145 





= 


Den Saladin mit Worten abzulohnen, 

Doc endlich lernte? — Auch ein Ruhm! — Der Erite, 

Mit dem er Fniderte, 
Saladin. 

So nimm dir nur 


Dort einen Beutel. 
Der Mameluk. 


Nein, nun nicht! Du kannſt 
- Mir fie nun alle ſchenken wollen. 
| Saladin. 
Troß! — 20 
Komm ber! Da haft du zwey. — Im Ernjt? er geht? 
Thut mir an Edelmuth zuvor? — Denn ficher 
Muß ihm es jaurer werden, auszujchlagen, 
Al mir zu geben. — Ibrahim! — Was kömmt 
Mir denn auch ein, jo kurz vor meinem Abtritt 25 
Auf einmal ganz ein andrer jeyn zu wollen? — 
Wil Saladin als Saladin nicht jterben? — 
So mußt’ er auch als Saladin nicht leben. 
Ein sameyfer Mameluk. 
Nun, Sultan!... | 
| Saladin. 
Wenn du mir zu melden kömmſt ... 
‚aweytier Mameluk. 
Daß aus Aegypten der Transport nun da! 30 


Saladin. 
Ich weiß ſchon. 
Zweyter Mameluk. 


Kam ich doch zu ſpät! 
Saladin. 
Warum 
Zu ſpät? — Da nimm fur deinen guten Willen 
Der Beutel einen oder zwey. 
Zweyter Mameluk. 
Macht drey! 
Saladin. 


Ja, wenn du rechnen kannſt! — So nimm ſie nur. 
Leſſing, ſämtliche Schriften. III. 10 


146 Bathan der Weile. 





Zweyter Mämeluk. 
35 E3 wird wohl noch ein Dritter fommen, — wenn 


Er anders fommen fann. 
Saladin. 


Wie das? 
Amweyler Mameluk. 
Se nu; 
Er hat auch wohl den Hals gebrochen! Beni 
Sobald wir drey der Ankunft des Transports 
Berfihert waren, jprengte jeder friſch 
40 Davon. Der Borderite, der jtürzt; und jo 
Komm ich nun vor, und bleib’ auch vor bis in 
Die Stadt; wo aber Ibrahim, der Leder, 
Die Gaſſen beſſer Fennt. 
Saladin. 
O der geſtürzte! 
Freund, der geſtürzte! — Reit ihm doch entgegen. 
Zweyter Mameluk. 
45 Das werd ich ja wohl thun! — Und wenn er lebt: 
So iſt die Pub diefer Beutel fein. (geht ab.) 
Saladin. 
Sieh, welch ein guter! edler Kerl auch das! — 
Wer kann ſich jolcher Mameluken rühmen? 
Und wär' mir denn zu denken nicht erlaubt, 
50 Daß ſie mein Beyſpiel bilden helfen? — Fort 
Mit dem Gedanken, fie zu guter lebt 
Koh an ein anders zu gewöhnen! .. 
| Ein drikker Mameluk. 
| Sultan,.... 
Saladin. 
Biſt dus, der ſtürzte? 
Drikker Mameluk, 
Nein. Ich melde nur, — 
Daß Emir Manſor, der die Karavane 
55 Geführt, vom Pferde ſteigt ... 





1 guter [fehlt 1779a] 








5. Aufzug. 2. Auftritt. 








Dalapin. 
Bring ihn! geihwind! — 
Da iſt er ja! — 


Zweyler Auftcitt. 


Emir Manſor unv Saladin, 


Daladin. 
Willkommen, Emir! Nun, 
Wie iſts gegangen? — Manjor, Manjor, hait 
Uns lange warten laſſen! 
Manlor. 
Diejer Brief 
Berichtet, was dein Abulkaſſem erſt 
Für Unruh in Thebais dämpfen müſſen: 
Ch’ wir e8 wagen durften abzugeben. 
Den Zug darauf hab’ ich beichleuniget 
So viel, wie möglich war. 
Saladin. 
Ich glaube dir! — 
Und nimm nur, guter Manſor, nimm ſogleich. 
Du thuſt e3 aber doch auch gern? ... nimm frifehe 
Bedeckung nur jogleih. Du mußt jogleich 
Noch weiter; mußt der Gelder größern Theil 
Auf Libanon zum Vater bringen. 
Manlor. 
Gern! 
Sehr gern! 
| Saladin. 
Und nimm dir die Bedeckung ja 
Nur nicht zu ſchwach. Es ift um Libanon 
Nicht alles mehr jo fiher. Haft du nicht 
Gehört? Die Tempelheren find wieder rege. 
Sey wohl auf deiner Hut! — Komm nur! Wo hält 
Der Zug? Ih will ihn jehn; und alles ſelbſt 
Betreiben. — Ihr! ich bin ſodann bey Sittah. 


El 


60 


65 


148 Bafhan der Weile. 





u, 


Dritter Auftritt. 


Scene: die Palmen vor Nathans Haufe, vo der Tempelherr auf und nieder geht. — 


Ins Haus nun will ich einmal nicht. — Er wird 
Sich endlich doch wohl ſehen laſſen! — Man 
Bemerkte mich ja ſonſt ſo bald, ſo gern! — 
Wills noch erleben, daß er ſichs verbittet, 
80 Vor ſeinem Hauſe mich ſo fleißig finden 
Zu laſſen. — Hm! — ich bin doch aber auch 
Sehr ärgerlich. — Was hat mich denn nun ſo 
Erbittert gegen ihn? — Er ſagte ja: 
Noch ſchlüg' er mir nichts ab. Und Saladin 
85 Hats über ſich genommen, ihn zu ſtimmen. — 
Wie? jollte wirklih wohl in mir der Chrift \ 
Noch tiefer niften, ala in ihm der Jude? — 
Mer kennt jih recht? Wie könnt ich ihm denn Jonft 
Den Kleinen Raub nicht gönnen wollen, den 
90 Er ſichs zu ſolcher Angelegenheit 
Gemadt, den Chriften abzujagen? — Freylid; 
Kein Kleiner Raub, ein ſolch Geſchöpf! — Geſchöpf? 
Und weſſen? — Doc des Sklaven nicht, der auf 
Des Lebens öden Strand den Blod geflößt, 
95 Und fich davon gemacht? Des Künftlers doc) 
Wohl mehr, der in dem hingeworfnen Blode 
Die göttliche Geftalt ſich dachte, Die 
Er dargeftellt? — Ah! Rechas wahrer Vater 
Bleibt, Trog dem Chriften, der fie zeugte — bleibt 
100 In Ewigkeit der Jude. — Wenn ich mir 
Sie lediglich als Chriftendirne denke, 
Sie jonder alles das mir denfe, was 
Allein ihr jo ein Jude geben konnte: — 
Sprid, Herz, — was wär’ an ihr, das dir gefiel? 
105 Nichts! Wenig! Selbit ihr Lächeln, wär’ es nichts 
AS janfte ſchöne Zudung ihrer Musfeln; 
Wär’, was fie lächeln macht, des Reitzes unwerth, 








5. Aufing. 4. Auftritt. 


WR 


149 





In den es ſich auf ihrem Munde kleidet: 

ſelbſt ihr Lächeln nicht! Ich hab' es ja 

yl ſchöner noch an Aberwitz, an Tand, 
—— an Schmeichler und an Buhler, 
zerſchwenden ſehn! — Hats da mich auch bezaubert? 
ats da mir auch den Wunſch entlockt, mein Leben 
En Sonnenjcheine zu verflattern? — 

gan nicht. Und bin auf den doch launisch, 

— höhern Werth allein ihr gab? 

e das? warum? — Wenn ich den Spott verdiente, 
it J mich Saladin entließ! Schon ſchlimm 

Eh g, dab Saladin es glauben konnte! 

ie Klein ich ihm da fcheinen mußte! wie 

erö —5 — Und das alles um ein Mädchen? — 
ud! Curd! das geht jo nicht. Len® ein! Wenn vollends 
jr Die nur was vorgeplaudert hätte, 

3 ſchwerlich zu erweiſen jtünde? — Sieh, 

1 tritt er endlich, in Geſpräch vertieft, 

3 jeinem Haufe! — Ha! mit wen! — Mit ihm? 
it it meinem Kloſterbruder? — Ha! ſo weiß 

r ficherlich ſchon alles! iſt wohl gar 

m Patriarchen ſchon verrathen! — Ha! 

8 hab’ ich Queerfopf nun geitiftet! — Daß 
einz'ger Funken diejer Leidenjchaft 

6 unſers Hirns jo viel verbrennen fann! — 

* d entjchließ dich, was nunmehr zu thun! 

il hier jeitwärts ihrer warten; — ob 

leicht der Aloleroruber ihn verläßt, 




























Bierter Aufteitt, 


Bathan und ver Klofferbruder. 
Bathan. (im näher tommen.) 


nochmals, guter Bruder, vielen Dank! 
| rn Kloferbruder. 


110 


115 


120 


125 


130 


135 


PATE & Lade RE ET a CR I ER a A EN a a Tr 
A ö fe —9 19% RENTEN UN 


150 Bafhan der Weile. 





Daihan. 
Ih? von Euch? wofür? 
Für meinen Eigenfinn, Euch aufzudringen, 
Was Ihr nicht braucht? — Ja, wenn ihm Eurer nur 
140 Auch nachgegeben hätt’; Ihr mit Gewalt 
Nicht wolltet reicher jeyn, als ich. 
Aloferbruder. 
Das Bud 
Gehört ja ohnedem nicht mir; gehört 
Ja ohnedem der Tochter; ijt ja fo 
Der Tochter ganzes väterlihes Erbe. — 
145 Je nu, fie hat ja Euch. — Gott gebe nur, 
Daß Ihr es nie bereuen dürft, jo viel 
Für fie gethan zu haben! 
Balhan. 
| Kann ic das? 
Das kann ich nie. Seyd unbejorgt! 
Rloferbruder. 
Ä Ku, nu! 
Die Batriarhen und die Tempelherren . .. 
Datihan. 
150 Bermögen mir des Böſen nie jo viel 
Zu thun, daß irgend was mid) reuen könnte: 
Gejchweige, das! — Und jeyd Ihr denn jo ganz 
Berfichert, daß ein Tempelherr es tit, 
Der Euern Patriarchen hebt? 
Kloſterbruder. 
Es kann 
155 Beynah fein andrer ſeyn. Ein Tempelherr 
Sprach kurz vorher mit ihm; und was ich hörte, 
Das klang darnach. 
VPakhan. 
Es iſt doch aber nur 
Ein einziger itzt in Jeruſalem. 
Und dieſen kenn' ich. Dieſer iſt mein Freund. 
160 Ein junger, edler, offner Mann! 





151 



























J Kloſterbruder. 
Ganz — 


Er “ya Dalhan. 
a Leider nicht. — So thue, wers 
) immer ift, jein Schlimjtes oder Beſtes! 
t Euerm Buche, Bruder, troß’ ich allen; 165 
gehe graden Wegs damit zum Sultan. 
Rloflerbruder. 
1 Gina Ich will Euch denn nur hier verlafjen. 
Dathan. 
habt ſie nicht einmal geſehn? — Kommt ja 
ch En, doch fleißig wieder. — Wenn nur heut 
Haan noch nichts erfährt! — Doch was? 170 
st ihm auch heute, was Ihr wollt. 
Rlofferbruder. 
Ich nicht. 


Bathan. 
Vergeßt uns ja nicht, Bruder! — Gott! 
; id nicht gleich hier unter freyem Himmel 
meine Kniee finfen kann! Wie fich 
Knoten, der jo oft mir bange machte, 175 
ſich jelber löjet! — Gott! wie leicht 
ird, daß ich nun weiter auf der Welt 
Vila babe! daß ich vor 
a hen nun jo frey kann wandeln, als 
gi du al allein den Menſchen nicht 180 
inen Thaten brauchit zu richten, die 
Thaten find, o Gott! — 


« SR 
N ht 
07 50 


€ ohl! (geht ab.) 


—— 












 — Fünfter Aufteift. 
der Beben, der von der Seite auf ihn zu kömmt. 


 . Tempelherr. 


ehmt mich mit! 


152 | Balhan der Weile, 





Balhan. 
"Ber ruft? — 
Seyd Ihr es, Nitter? Wo gewejen, daß 
185 Ihr bey dem Sultan Euch nicht treffen laſſen? 
\ Tempelherr. 
Wir find einander fehl gegangen. Nehmts 
Nicht übel. 
Palhan. 
; Ich nicht; aber Saladin... 
Tempelherr. 
Ihr wart nur eben fort... h 
BDaihan. / 


| Und ſpracht ihn Doch? 
Kun, ſo iſts gut. 
| Tempelherr. 
Er will uns aber beyde 
190 Zufammen jprechen. 
Dathan. 
Deito beiler. Kommt 
Kur mit. Mein Gang jtand ohnehin zu ihm. — 
Tempelhberr. 
Ah darf ja doch wohl fragen, Nathan, wer 
Euch da verließ? 
| Dalhan. 
Ihr fennt ihn doch wohl nicht? 
Tempelherr. 
Wars nicht die gute Haut, der Layenbruder, 
19% Deß fi der Patriarch jo gern zum Stöber 
Bedient? i 
Dalhan. 
Kann jeyn! Beym Patriarchen iſt 
Er allerding?. | 
Tempelherr. 
Der Pfiff ift gar nicht übel: 
Die Einfalt vor der Schurferey voraus 
Zu ſchicken. 
Bathan. 


Ya, die dumme; — nicht die Fromme. 











— 0 Tempelherr. 
——— ya Baihan.- 
Für den | —9 
In u ſteh iö. Der wird jeinem Patriarchen 
enge vollziehen helffen. 
— Tempelherr. 
er wenigſtens ſich an. — Doch hat 


tEue cch von mir denn nichts gejagt? 


























Bathan. 
Bon Euch? 
ir nun namentlich wohl nichts. — Er weiß 205 
vohl aa ſchwerlich Euern Namen? 
Tempelherr. 
Schwerlich. 
Dathan. 
ie Be freylich hat 
r gejagt... 
Tempelherr. 
5 Und was? 
Bathan. 


Womit er Euch 
für allemal nicht meynen fann! 
Tempelherr. 
Br —* doch nur hören. 
Pakhan. 


Bi ag mich Einer 210 
[ nen n Patriarchen angeklagt . . | 
r Kor ——— 

la agt — Das iſt, mit ſeiner Gunſt — 
. — Hört mich, Nathan! — Ich bin nicht 
irgend etwas abzuleugnen 

* ich that, das that ich! 215 
| ‚nicht der, der alles, was 
t, als woh I ge than vertheid’gen möchte. 

ie mid ſchämen? Hab’ 


154 . Bafhan der Weife. 





Ich nicht den feiten Vorfag ihn zu bejjern ? 
220 Und weiß ich etwa nicht, wie weit mit dem 
Es Menſchen bringen können? — Hört mich, Nathan! — 
Sch bin des Layenbruders Tempelherr, 
Der Eud verklagt joll haben, allerdings. — 
Ihr wißt ja, was mich wurmiſch machte! was 
225 Mein Blut in allen Adern fieden machte! 
Ich Gauch! — ich Fam, fo ganz mit Leib und Seel’! 
Euch in die Arme mich? zu werffen. Wie 
Ihr mich empfingt — wie falt — wie lau — denn lau 
Sit Schlimmer noch als Falt; wie abgemeſſen | 
230 Mir auszubeugen Ihr befliſſen wart; 
Mit welchen aus der Luft gegriffnen Fragen 
Ihr Antwort mir zu geben jeheinen wolltet: 
Das darf ich kaum mir itzt noch denken, wenn | 
Sch joll gelafjen bleiben. — Hört mid, Nathan! — 
235 In diefer Gärung Ichli mir Daja nad, 
Und warf mir ihr Geheimniß an den Kopf, 
Das mir den Aufihluß Euers räthjelhaften 
Betragens zu enthalten chien. 
Dathan. 
Wie das? 
Tempelherr. 
Hört mich nur aus! — Ich bildete mir ein, 
240 Ihr wolltet, was Ihr einmal nun den Chriften 
Sp abgejagt, an einen Chrijten wieder 
Nicht gern verlieren. Und fo fiel mir ein, , 
Euch kurz und gut das Mefjer an die Keble 


Zu jegen. 
Dalhan. 


Kurz und gut? und gut? — Wo ftedt 

245 Das Gute? —— 
Tempelherr. BR 

Hört mich, Nathan! — Allerdings: 


Sch that nicht recht! — Ihr jeyd wohl gar nicht ſchuldig. * 


al 





1. Seele [17792] 2 Mich in die Armen Euch [1779a] 





5. Aufzug. 5. Hufteift. 





— — — 


Die Närrinn Daja weiß nicht was ſie ſpricht — 
Iſt Euch gehäſſig — Sucht Euch nur damit 
In einen böſen Handel zu verwickeln — 
Kann ſeyn! kann ſeyn! — Ich bin ein junger Laffe, 
Der immer nur an beyden Enden ſchwärmt; 
Bald viel zu viel, bald viel zu wenig thut — 
es das kann ſeyn! Verzeiht mir, Nathan. 

Dalhan. 

Nenn 

@ Br jo mich freylich faſſet — 

Tempelherr. 

Kurz, ich ging 
Zum Batriarhen! — hab’ Euch aber nicht 
Genannt. Das ift erlogen, wie gejagt! 
Ich hab ihm blos den Fall ganz allgemein 
Erzählt, um jeine Meynung zu vernehmen. — 
Auch das hätt' unterbleiben können: ja doch! — 
Denn kannt' ich nicht den Patriarchen ſchon 
AS einen Schurken? Konnt' ich Euch nicht ſelber 
Nur gleich zur Rede ftellen? — Mußt ich der 
Gefahr, jo einen Vater zu verlieren, 
Das arme Mädchen opfern? — Nun, was thuts? 
Die Schurkerey des Patriarchen, die 
J So ähnlich immer ſich erhält, hat mich 
Des nächſten Weges wieder zu mir ſelbſt 
Gebracht. — Denn hört mich, Nathan; hört mid aus! — 
Geſetzt; er wüßt' auch Euern Namen: was 
Nun mehr, was mehr? — Er kann Euch ja das Mädchen 

Nur nehmen, wenn fie niemands iſt, als Euer. 
Er kann fie doch aus Euerm Haufe nur 
Ins Klofter ſchleppen. — Alſo — gebt fie mir! 
Gebt fie nur mir; und laßt ihn kommen. Ha! 
Er ſolls wohl bleiben laſſen, mir mein Weib 
Zu nehmen. — Gebt fie mir; geſchwind! — Cie jey 
Nun Eure Tochter, oder ſey es nicht! 
Sey Chriftinn, oder Jüdinn, oder feines! 







250 


255 


260 


' 270 


275 


156 Bathan der Weile. 





Gleich viel! gleich viel! Ich werd’ Euch weder ist 
280 Noch jemals ſonſt in meinem ganzen Leben 
Darum befragen. Sey, wie's jey! 
‚Bathan. 
Shr wähnt 
Wohl gar, daß mir die Wahrheit zu verbergen 
Sehr nöthig? 
Tempelherr. 
Sey, wie's jey! 
Balhan. 
| Ich hab’ es ja 
Euh — oder wen es jonjt zu willen ziemt — 
285 Noch nicht geleugnet, das fie eine Chriftinn, 
Und nichts als meine Bflegetochter iſt. — 
Warum ichs aber ihr noch nicht entdedt? — 
Darüber brauch’ ich nur bey ihr mich zu 
Entihuldigen. 
Tempelherr. 
Das ſollt Shr auch bey ihr 
290 Nicht brauchen. — Gönnts ihr doch, daß fie Euch nie 
Mit andern Augen darf betrachten! Spart 
Ihr die Entdedung doch! — Noch habt Ihr ja, 
Ihr ganz allein, mit ihr zu jchalten. Gebt 
Sie mir! Ich bitt!? Euch, Nathan; gebt fie mir! 
295 Ich bins allein, der fie zum zweytenmale 
Euch retten fann — und mill. 
Dathan. 
3a — fonnte! konnte! 
| Nun auch nicht — Es iſt damit zu ſpät. 
Tempelherr. 
Wie ſo? zu ſpät? 
WLakhan. 
Dank ſey dem Patriarchen ... 
| Tempelherr. 
Dem Patriarchen? Dank? ihm Dank? wofür? 


























—— Pakhan. 
| 2 e* wir nun willen, wen 
rwandt; nun wiſſen, weſſen Händen 
= —— werden kann. 
& Tempelherr. 
une ihm — wer für mehr ihm danken wird! 
e Bathan. 
bi di eſen müßt Ihr fie nun auch erhalten ; 305 
nicht aus meinen, 
| E ie Tempelherr. 
| Arme Reha! Was 
— zuſtößt, arme Recha! Was 
Glück für andre Waiſen wäre, wird 
Unglück! — Nathan! — Und wo find fie, dieſe 
cm andte? 
a Bathan. 
Wo fie find? 
Tempelherr. 

F Und wer ſie ſind? 310 
AR Bafhan. 

5 hat ein Bruder ſich gefunden, 

—* um ſie werben müßt. 
Tempelherr. 
J— Ein Bruder? 

io, dieſer Bruder? Ein Soldat? 

er? — Laßt hören, was ich mir 


Bathan. 
8 glaube, daß er feines .. 316 
oder beydes iſt. Ich kenn' 


0 Tempelherr, 


Und ſonſt? 


158 Bathan der Weile. 





Bathan. 
Ein braver Mann! 
Bey dem fih Recha gar nicht übel wird 


Befinden. 
Tempelherr. 
Doch ein Christ! — Jh weiß zu Zeiten 
320 Auch gar nicht, was ich von Euch denken ſoll: — 
Nehmt mirs nicht ungut, Nathan. — Wird fie nicht 
Die Chriftinn jpielen müſſen, unter Chriften? 
Und wird fie, was fie lange gnug gejpielt, 
Nicht endlich werden? Wird den lautern Weizen, 
325 Den Ihr gejä’t, das Unkraut endlich nicht 
Eritiden? — Und das fümmert Euch jo wenig? 
Dem ungeachtet könnt Ihr Jagen — Ihr? — 
Daß fie bey ihrem Bruder fi nicht übel 


Befinden werde? 
Dalhan. 


Den? ih! Hoff ih! — Wenn 
330 Ihr ja bey ihm was mangeln jollte, hat 
Sie Euch und mid denn nicht noch immer? 
Tempelherr. 
. Oh! 
Was wird bey ihm ihr mangeln fünnen! Wird 
Das Brüderhen mit Eſſen und mit Kleidung, 
Mit Naſchwerk und mit Putz, das Schweiterchen 
335 Nicht reichlich gnug verforgen? Und was braucht 
Ein Schwefterchen denn mehr? — Ey freylid: auch 
Koch einen Mann! — Nun, nun; auc den, auch den 
Wird ihr das Brüderchen zu jeiner Zeit — 
Schon ſchaffen; wie er immer nur zu finden! 
340 Der Chriftlichite der Beitet — Nathan, Nathan! 
Welch einen Engel hattet Ihr gebildet, ! 
Den Euch nun andre jo verhunzen werden! 
 Balhan. 
Hat feine Noth! Er wird fi unſrer Liebe 
Koch immer werth genug behaupten. 





1 Was hattet Ihr für einen Engel da gebildet, [1779 a] 





au jehn, ob dieſe Mädchenjeele Manns genug 





5. Mufzug. 5. Auftritt. 








Tempelherr. 
Sagt 
Das nicht! Von meiner Liebe jagt das nicht! 
Denn die läßt nichts ſich unterſchlagen; nichts. 
Es jey auch noch jo Kein! Auch feinen Namen! — 
Doch halt! — Argwohnt fie wohl bereits, was mit 
Ihr vorgeht? | 
| Dathan. 
Möglich; ob ich ſchon nicht wüßte, 
Woher? 
Tempelherr. 
Auch eben viel; fie joll — fie muß 


In beyden Fällen, was ihr Schicjal droht, 
Von mir zuerit erfahren. Mein Gedante, 
- Sie eher wieder nicht zu jehn, zu jprechen, 


MS bis ich fie die Meine nennen dürfe, 
Fällt weg. Ich eile... | 
| Balhan. 
Bleibt! wohin? 
Tempelherr, 


Zu ihr! 


Wohl iſt, den einzigen Entſchluß zu faſſen 


Der ihrer würdig wäre! 


Bathan. 
Welchen? 


Tempelherr. 
Den: 


* 


| Een Euch ihrem Bruder weiter mit 


& fragen — 
Bathan 
Und? 
' Tempelherr: 
Und mir zu folgen; — wenn 
Sie drüber eines Muſelmannes Frau 
Auch werden müßte. 


345 


350 


360 


160 Bafhan der Weile, 





BDathän. 
Hleibt! Ihr trefft fie nicht. 
Sie ift bey Sittah, bey des Sultans Schweſter. 
Tempelherr. 
Seit wenn? warum? 
Dathan. 
Und wollt Ihr da bey ihnen 
365 Zugleich den Bruder finden: kommt nur mit. 
Tempelherr. 
Den Bruder? welchen? Sittah’S oder Recha's? 
Dathan. 


Leicht beyde. Kommt nur mit! Ich bitt! Euch, kommt! E 
| (Er fügt ihn fort) 





Sechſter Aufkriktk. 


Scene: in Sittah's Harem. 


Sitkah und Recha in Unterhaltung begriffen. 


Sikkah. 
Was freu ich mich nicht Deiner, ſüſſes Mädchen! — 
Sey jo beflemmt mur nicht! jo angjt! jo jhüchtern! — 
370 Sey munter! jey geiprächiger! vertrauter! 
Reha. 
Prinzeſſinn, ... 
| Sitkah. 

Nicht doch! nicht Prinzeſſinn! Nenn 
Mich Sittah, — deine Freundinn, — deine Schweſter. 
Nenn mich dein Mütterchen! — Ich könnte das 
Ja ſchier auch ſeyn. — So jung! ſo klug! ſo fromm! 

375 Was du nicht alles weißt! nicht alles mußt 
Gelejen haben! 

Reha. 
Ich gelejen? — Sittah, 
Du jpottejt deiner Eleinen albern Schweiter. 
Ih kann kaum lefen. | = 
Sitkah. > 
Kannit kaum, Lügnerinn! | —— 





















J F 





J ate 
— 


Recha. 
Hand! — Ich meynte, 





Sitkah. 

Allerdings! von Büchern.* 380 
Recha. 

1, Baher — mir wahrlich ſchwer zu leſen! — 

— Sikkah. 

h FR 

Be Reha. 


Ei In ganzem Ernſt. Mein Bater liebt 

e kalte Buchgelehrſamkeit, die ſich 

t todten Zeichen ins Gehirn nur drückt, 

— Sitkah. 

J Ey, was ſagſt du! — Hat indeß 385 

ohl nicht ſehr Unrecht! — Und ſo manches, was 

weißt... ? 

Re. Reha. 

E Weiß ich allein aus jeinem Munde. 
d konnte bey dem Meiften dir noch jagen, 

a warum? er michs gelehrt. 


Sikkah. 
So hängt 
ot alles beſſer an. So lernt 390 

3 die. ganze Seele. 

Reha. 

Sicher hat 

ttal ) menig oder nichts gelejen! 

Siktktah. 


m — Ich Bin nicht ftolz aufs Gegentheil. — 
= Dein Grund! Sprich dreilt. Dein Grund ? 
—  Reda. 
led und recht; jo unverkünſtelt; 395 


11 


162 Bafhan der Weile. 









Sittah. N 
Kun? u 
Recha. a A 
PR Das jollen J— 
Die Bücher uns nur ſelten laſſen: ſagt 
Mein Vater. F 
Sikkah. +. MT 
D was ijt dein Vater für | 
Ein Mann! 
Reha 
Nicht wahr? 
Siktkah. 


| Wie nah er immer doc) 
400 Zum Ziele trift! 
Reha. 
Nicht wahr? — Und diejen Vater - — 
Sikkah. 


Was iſt dir, Liebe? 
Recha. 


Dieſen Vater — 
au Sittah. 
Gott! 
Du weinſt? 
Recha. 


Und dieſen Vater — Ah! es muß 
Heraus! Mein Herz will Luft, will Luft ... 


(wirft fih, von Thränen übermwältiget, zu ihren Füffen) „ 


Sikkah. 
| Kind, was 
Gejchieht dir? Recha? | 
Recha. m Be 
I Diejen Bater joll — | ar. 
405 Soll ich verlieren! — 66 
Sitkah. ta j 


Du? verlieren? ihn? | 

Wie das? — Sey ruhig! — Nimmermehr! — Fr auf! ei 1 | 
Recha. dr 5 

Du follft vergebens dich zu meiner Freundinn, N 
Zu meiner Schweiter nicht erbothen haben! Er 


163 






















nf * 
— —— Recha. (die ſich ermannt und aufſteht.) 
Ah! verzeih! vergieb! — 410 
FR bat mich vergeffen machen, wer 
; bit. Vor ESittah gilt Fein Winfeln, fein 
“ mweifeln. Kalte, ruhige Vernunft 
U alles über fie allein vermögen. 
ß Sache * bey ihr führt, der ſiegt! 415 
Sittah. | 


dan 
Reha. 
Nein; meine Freundinn, meine Schweiter 
st t das nicht zul Giebt nimmer zu, daß mir 
andrer Vater aufgedrungen werde! 
| Siktah. 
andrer Vater? aufgedrungen? dir? 
m das? kann das auch nur wollen, Liebe? | 420 
Br Reha. | 
? “ Weine gute böſe Daja kann 
wollen, — will das können. — Ja; du kennſt 
bi gute böſe Daja nicht? 
‚ Gott vergeb’ es ihr! — belohn’ es ihr! 
hat mir fo viel * — jo viel Böſes 425 


n! 


Diltah. 

voöſe dir? — So muß ſie Gutes 
| h ö N — wenig haben. 
J Recha. 
Doch! recht viel, 
Sibkkah. 
Recha. 
Eine Chriſtinn, die 


eit mic) gepflegt; mid) jo 


u use 


164 Bathan der Weile. 





430 Gepflegt! — Du glaubjt nicht! — Die mir eine Mutter 
Sp wenig miſſen lafjen! — Gott vergelt’ 
Es ihr! — Die aber mich auch jo geängitet! 
Mich jo gequält! 
Sikkah. 
Und über was? warum? 
Wie? 
Recha. 
Ach! die arme Frau, — ich ſag' dirs ja — 
435 Iſt eine Chriſtinn; — muß aus Liebe quälen; — 
St eine von den Schwärmerinnen, die 
Den allgemeinen, einzig wahren Weg 
Nach Gott, zu willen wähnen! 


Sikkah. 
Nun verſteh' ich! 


Recha. 
Und ſich gedrungen fühlen, einen jeden, 

440 Der dieſes Wegs verfehlt, darauf zu lenken. — 
Kaum können fie auch anders. Denn iſts wahr, 
Daß diefer Weg allein nur richtig führt: 

Wie jollen fie gelafjen ihre Freunde 
Auf einem andern wandeln jehn, — der ins 

445 Verderben jtürzt, ind ewige Verderben? 

E3 müßte möglich jeyn, denjelben Menjchen 

Zur jelben Zeit zu lieben und zu haſſen. — 

Auch its das nicht, was endlich laute Klagen 

Mich über fie zu führen zwingt. Ihr Seufen, 
450 Ihr Warnen, ihr Gebet, ihr Drohen hätt’ 

Ich gern noch länger ausgehalten; gern! 

Es brachte mich) doch immer auf Gedanken, 

Die gut und nüglid. Und wen jehmeichelts doch 

Im Grunde nicht, fih gar jo werth und theuer, 

455 Von wems auch jey, gehalten fühlen, daß 
Er den Gedanken nicht ertragen kann, 

Er müß’ einmal auf ewig uns entbehren! 





165 





Schr wahr! | 
Er Recha. 
Allein — allein — das geht zu weit! 
n kann ich nichts entgegenſetzen; nicht 
a, * Ueberlegung; nichts! 
Sitkah. 

Was? wem? 
Recha. 
3 fie mir eben itzt entdeckt will haben. 
Sillah. 


















und eben itzt? 
% Reda. 

Nur eben itzt! 

nahten, auf dem Weg’ hierher, uns einem 
jerfallnen Chriftentempel. Plötzlich ftand 

je ſtill; ſchien mit ſich ſelbſt zu kämpfen; blickte 
it naſſen Augen bald gen Himmel, bald 

uf mich. Komm, ſprach fie endlich, laß uns bier 
uch diefen Tempel in die Nichte gehn! 

ie geht; ich folg’ ihr, und mein Auge jehweift 

it Graus die wanfenden Ruinen dur). 

um fteht fie wieder; und ich jehe mich 

den verjunfnen Stuffen eines morjchen 

tars mit ihr. Wie ward mir? als fie da 

t heiſſen Thränen, mit gerungnen Händen, 
meinen Füſſen ftürzte. . . 


Mi 


Sittah. 

Gutes Kind! 
Recha. 

Göttlichen, die da wohl ſonſt 

) Gebet erhört, jo manches Wunder 
gabe, mich beſchwor; — mit Bliden 
ihren Mitleids mich beſchwor, mich meiner 
—— — Wenigſtens, ihr zu 

eben, wenn fie mir entdecken müſſe, 

ihre Kirch auf mich für Anſpruch habe. 


EAN BNRSCD ee GBI ENG EZ LEE ESEL 


460 


465 


470 


475 


480 





166 Nathan der Weile. J 
Sittah. x, —* 
(Unglückliche! — Es ahndte mir!) wu 
Reha. | 
Ich jey 


Aus hriftlihem Geblüte; jey getauft; | 
485 Sey Nathans Tochter nicht; er nicht mein Vater! — 
Gott! Gott! Er nicht mein Vater! — ESittah! Sittah! 
Sieh mid aufs new zu deinen Füllen... 
Silfah. 
Recha! 
Nicht doch! ſteh auf! — Mein Bruder kömmt! ſteh auf! 


Siebender Auftritt. 
Saladin und vie Voprigen. 


Saladin. 
Was giebts hier, Sittah? 
Sikkah. 
Sie iſt von ſich! Gott! 
: Saladin. 
490 Wer iſts? 
4 Sikkah. 
Du weißt ja... | 
Saladin. 
; Unſers Nathans Tochter? 
Was fehlt ihr? 








Silkah. 
Komm doch zu dir, Kind! — Der Sultan . 
Reha. 
(die ſich auf den Anieen zu Saladins Füſſen jchleppt, den Kopf zur Erde! Bei 

Sch fteh nicht auf! nicht eher auf! — mag eher A N 
Des Sultans Antlig nicht erblicken! — eher — Be 4 
Den Abglanz ewiger Gerechtigkeit —— 
495 Und Güte nicht in ſeinen Augen, nicht Be 
Auf feiner Stirn bewundern... *9* see — 


1 zur, Erden [1779 ab] | | | | — 6 


5. Aufzug. 7. Rufkrikt. 


167 





Saladin. 
Steh... ſteh auf! 
Reha. 










Eh er mir nicht verſpricht ... 
J Saladin. 
J Komm! ich verſpreche ... 
Sey was es will! 
F Recha. 
$ Nicht mehr, nicht weniger, 
Als meinen Vater mir zu lafjjen; und 
Dich ihm! — Noch weiß; ich nicht, wer ſonſt mein Vater 
Zu jeyn verlangt; — verlangen kann. Will auch 
Richt wilen. Aber macht denn nur das Blut 
Den Bater? nur das Blut? 
E Saladin. (ver fie aufhebt 
Sch merke wohl! — 
Wer war jo graufam denn, dir ſelbſt — dir jelbit 
dergleichen in den Kopf zu jeßen? Hit 
58 denn ſchon völlig ausgemacht? erwiejen ? 
= Reha. 
Nuß wohl! Denn Daja will von meiner Amm’ 
3 haben. i 
| Saladin. 
Deiner Amme! 
Recha. 
| Die es jterbend 
hr zu vertrauen fich verbunden fühlte. 
er Saladin. 
Jar jterbend! — Nicht auch fajelnd ſchon? — Und wärs 
ud wahr! — Ja wohl: das Blut, das Blut allein 
acht lange noch den Vater nicht! macht kaum 
ven Vater eines Thieres! giebt zum höchiten 
r 3 erſte Necht, fich diefen Namen zu 
twerben! — Laß dir doch nicht bange jeyn! — 
id weißt du was? Sobald der Väter zwey 
h um dich jtreiten: — laß fie beyde; nimm 
n dritten! — Nimm darin mich zu deinem Vater! 


500 


505 


510 


515 


168 Dathan der Weile. 





Billa). 
D thus! o thu's! 
Saladin. 
Ich will ein guter Vater, 

520 Recht guter Vater jeyn! — Doch halt! mir fällt 
Noch viel was Beſſers bey. — Was brauchſt du denn 
Der Väter überhaupt? Wenn fie nun jterben? 

Bey Zeiten ſich nach einem umgejehn, 
Der mit ung um die Wette leben will! 
525 Kennit du noch feinen?... 
Sikkah. 
Mach ſie nicht erröthen! 
Saladin. 
Das hab’ ich allerdings mir vorgefeßt. 
Erröthen macht die Häßlichen jo ſchön: 
Und jollte Schöne nicht noch ſchöner machen? — 
Ich habe deinen Bater Nathan; und 

530 Noch einen — einen noch hierher beitellt. 

Erräthit du ihn? — Hierher! Du wirft mir doch 
Erlauben, Sittah ? 


| Sikkah. 
Bruder! 

Saladin 
Daß du ja 

Bor ihm recht jehr errötheit, liebes Mädchen ! 

Reda. 

Bor wen? erröthen?..... 

Saladin. 


Kleine Heuchlerinn! 
535 Nun ſo erblaſſe lieber! — Wie du willſt 
Und kannſt! — | 
(Eine Sklavinn tritt herein, und nahet ſich Sittah.) 
Sie find doch etwa nicht ſchon da? 
Sikkah. (ur Stlavinn.)1 i 
Gut! laß fie nur herein. — Sie find es, Bruder! 





1 (jur Sttavinn.) [fehlt 1779 be] 





5. Aufzug. ehter Rufteitt. 


169 





4 
Lehler Rufkrikk. 
Bathan und der Cempelherr zu den Porigen. 


Saladin. 

, meine guten lieben Freunde! — Dich, 

), Nathan, muß ich nur vor allen Dingen 
ten, daß du nun, jobald du willit, 

ein Geld kannſt wiederhohlen laſſen! ... 














h 
B7 
a 
» 


Pakhan. 
Sultan!. 
Saladin. 
n ſteh ich auch zu deinen Dienften . 
J 
Sultan!.. 
Saladin. 


ie Karavan' iſt da. Ich bin ſo reich 
tun wieder, als ich lange nicht geweſen. — 
omm, jag’ mir, was du braucht, jo vecht was Grofjes 
u unternehmen! Denn auch ihr, auch ihr, 
t Handelsleute, könnt des baaren Geldes 
t viel nie haben! 
{ Bathan. 
| Und warum zuerft 
n diefer Kleinigkeit? — Ich jehe dort 
ı n Aug’ in Thränen, das zu trocknen, mir 
eit angelegner ift. (seht auf Resa zu) Du haft geweint? 
s fehlt dir? — bilt doch meine Tochter noch? 


—3— Re ch a. 

e ir Vater! .. 

hi | Dalhan. 

F | - Wir veritehen ung. Genug! — 


ey heiter! Sey gefaßt! Wenn ſonſt dein Herz 
r dein noch ift! Wenn deinem Herzen ſonſt 

r fein Verluft nicht — — Dein Vater iſt 
© unverloren! 


540 


550 


585 


170 Nakhan der Weile, J J 





Recha. 
Keiner, keiner ſonſt! 
Tempelherr. 
Sonſt keiner? — Nun! ſo hab' ich mich betrogen. 
Was man nicht zu verlieren fürchtet, hat 
560 Man zu beſitzen nie geglaubt, und nie 
Gewünſcht. — Recht wohl! recht wohl! — Das ändert, Haan Ne 





Das ändert alles! — Saladin, wir kamen | — 
Auf dein Geheiß. Allein, ich hatte dich —— 
Verleitet: itzt bemüh dich nur nicht weiter! u 

Saladin. —— — 


565 Wie gach nun wieder, junger Mann! — Soll alles 
Dir denn entgegen kommen? alles dich 
Errathen? 
Tempelherr. 
Nun du hörſt ja! ſiehſt ja, Sultan! 
Saladin. — 
Ey wahrlich! — Schlimm genug, daß deiner Sache 
Du nicht gewiſſer warft! 
Tempelherr. 
So bin ichs nun. 


Saladin. 
570 Wer ſo auf irgend eine Wohlthat trotzt, 
Nimmt ſie zurück. Was du gerettet, iſt 
Deswegen nicht dein Eigenthum. Sonſt wär' 
Der Räuber, den ſein Geiz ins Feuer jagt, 
So gut ein Held, wie du! 
(auf Recha zugehend, um ſie dem Tempelherrn zuzuführen.) 
Komm, liebes Mädchen, a 
575 Komm! Nimms mit ihm nicht jo genau. Denn wär’ 
Er anders; wär’ er minder warm und ftolz: 
Er hätt’ es bleiben lafjen, dich zu retten. ä 
Du mußt ihm eins fürs andre rechnen. — Komm! — 
Beſchäm ihn! thu, was ihm zu thun geziemte! De. 
580 Befenn’ ihm deine Liebe! trage dich ihm an! 2 
Und wenn er dich verſchmäht; dirs je vergißt, — 


5 Aufzug. Tehter Auftritt, 171 


Bi ungleid mehr Ein iefem Schritte du 

t ihn gethan, als er für dich . . . Was hat 

2 denn für dich gethan? Ein wenig ſich 

iuchern laſſen! iſt was rechts! — ſo hat 585 
eines Bruders, meines Aſſad, nichts! | 

SL 5 er ſeine Larve, nicht ſein Herz. 

inm, Liebe... 























Sitktah. 
Geh! geh, Liebe, geh! Es iſt 
sür deine Dankbarkeit noch immer wenig; 
doch immer nichts. 
J Dathan. 
Halt Saladin! halt Sittah ! 590 
E Baladin. 
uch du? 
Dathan. 
Hier hat noch einer mit zu ſprechen ... 
1 Saladin. 
se leugnet das? — Unſtreitig, Nathan, kömmt 
o einem Pflegevater eine Stimme 
it zu! Die erſte, wenn du willſt. — Du hörſt, 
h weiß der Sache ganze Lage. 
J Dathan. 
A | Nicht jo ganz! — 595 
) rede nicht von mir. ES iſt ein andrer; 
eit, weit ein andrer, den ich, Saladin, 
od auch vorher zu hören bitte. 
Saladin. 
MR Mer? 
Be. Bathan. 
r Bruder! 
Be; Saladin. 
Recha's Bruder? 
Dathan. 
Sa! 
Recha. 
Mein Bruder? 


— = 





172 Bathan der Weile. 
Iempelherr. de 2 
(aus feiner wilden, ftummen Zerftreuung auffahsenb). Be 
600 Wo? wo ift ke 
Er, diefer Bruder? Noch nicht hier? Ich ſollt' | 
Ihn hier ja treffen. | ——8 
Bathan. 7 1— 
Nur Geduld! > ie 
Tempelherr. (üufferft Gitter.) we 
Er hat 
Ihr einen Vater aufgebunden: — wird 
Er feinen Bruder für fie finden? 
Saladin. 
Das 


605 Hat noch gefehlt! Chrift! ein jo niedriger 
Verdacht wär über Aſſads Lippen nicht 
Gefommen. — Gut! fahr nur jo fort! 
Bathan. 
| Berzeih 
Ihm! — Ich verzeih ihm gern. — Wer weiß, was wir 
An jeiner Stel’, in jeinem Alter dächten! 





(freundichaftlih auf ihn zugehe 
610 Natürlich, Ritter! — Argwohn folgt auf Mißtraun! — 
Wenn Ihr mich Euers wahren Namens gleich 

Gewürdigt hättet... 
Tempelherr. 
Wie? 
Datihan. 
Ihr jeyd fein Stauffen! 
Tempelherr. 
Wer bin ich denn? Be 
Dathan. re 
Heißt Curd von Stauffen nicht! 9 
Tempelherr. 
Wie Heiß ich denn? 
BDalhan. 
Heißt Leu von Filned. 
Tempelherr. 


— —— 
Wie? J—— 
N * 


5. Aufzug. Tohfer Auffeift. 173 
















—————— — — — 


Dathan. 


y ſtutzt? —— 

Be" Tempelherr. 

Mit Recht! Wer jagt das? 
Dathan.. 


A bh 


J Ich; der mehr, 615 
ie h mehr Euch jagen kann. Ich ftraf’ indeß 
) feiner Lüge. 

Tempelberr. 
Nicht? 

Dalhan. 
Kann doch wohl jeyn, 

u jener Nam’ Euch ebenfalls gebührt. 


Tempelherr. 
Folk ih meynen! — (Das hieß Gott ihn prechen!) 
3 Dathan. 
8 Eure Mutter — die war eine Stauffinn. 620 


t Bruder, Euer Ohm, der Euch erzogen, 

em Eure eltern Euch in Deutichland Liefien, 

8, von dem rauhen Himmel dort vertrieben, 

ie wieder hier zu Lande famen: — Der 

eß Curd von Stauffen; mag an Kindesftatt 625 
elleiht Euch angenommen haben! — Seyd 

r lange ſchon mit ihm nun auch herüber 

kommen? Und er lebt doch noch? 


Tempelherr. 
J Was ſoll 
— Nathan! — Mlerdings! So ifts! 
ſelbſt ift todt. Ich Fam erſt mit der legten 630 


rſtärkung unſers Ordens. — Aber, aber — 

a3 hat mit diefem allen Recha's Bruder 

I schaffen ? 

2 Bathan. 

Tempelherr, 

J Wie? auch den 
t Ihr gekannt? Auch den? 


174 BDafhan der Weile. 





Bathan. 
Er war mein Freund. 


Temp elherr. 
635 War Euer Freund? Iſts möglich, Nathan!... 
Pakhan. 
Nannte 
Sich Wolf von Filneck; aber war kein Deutſcher ... 
Tempelherr. 
Ihr wißt auch das? 
Dathan. 
War einer Deutjchen nur 
Bermählt; war Eurer Mutter nur nad Deutjchland 
Auf kurze Zeit gefolgt... . 
Tempelherr. 
Nicht mehr! Ich bitt’ 
640 Euch! — Aber Recha's Bruder? Recha's Bruder . 
Dalhan. 
Seyd hr! 
Tempelherr. 
Ich? ich ihr Bruder? 
— DLR TE» 
Er mein Bruder? 
Sitkah. 
Geſchwiſter! 
| Saladin. 
Sie Geſchwiſter! 
Reha. (will auf ihn zu) 
Ah! mein Bruder! 
Tempelhere. (tritt zurüd.) 
Shr Bruder! | 
"Reha. (Hält an, und wendet ſich zu Nathan.) 
Kann nicht ſeyn! nicht ſeyn! — Sein Herz 
Weiß nichts davon! — Wir ſind Betrieger! Gott! 
Saladin. (zum Tempelherrn.) F 
645 Betrieger? wie? Das denkſt du? kannſt du denken? 
Betrieger ſelbſt! Denn alles iſt erlogen 





5. Aufzug. Tehter Aufteitt. 175 























J Geſicht und Stimm und Gang! Nichts dein!! 
o eine Schwefter nieht erkennen wollen! Geh! 
Tempelherr. ſich demütgig ihm nahend.) 
| ii t’ auch du nicht mein Erjtaunen, Sultan! | 
xxkenn' in einem Augenblid’, in dem 0660 
ı jehwerlich deinen Aſſad je gejehen, | 
ht ihn und mich! 
(auf Nathan zueilend.) 


A Ihr nehmt und gebt mir, Nathan! 
it vollen Händen beydes! — Nein! Ihr gebt 


i mehr, al3 Ihr mir nehmt! unendlich mehr! 
| (Reha um den Hals fallend.) 


) heine Schweiter! meine Schweiter! 
Dathan. 
{ Blanda 655 
1 Filneck! 

Re: Tempelherr. 

| Blanda? Blanda? — Reha nicht? 

ht Eure Reha mehr? — Gott! Ihr verſtoßt 

e! gebt ihr ihren Chriftennamen wieder! 

rſtoßt fie meinetwegen! — Nathan! Nathan! 

rum es fie entgelten lafjen? fie! 660 
Dalhan. 

d_ was? — D meine Kinder! meine Kinder! — 

I meiner Tochter Bruder wär mein Kind 

t au, — jobald er will? 


em er fih ihren Umarmungen überläßt, tritt Saladin mit unruhigem Erftaunen zu jeiner 
Schweſter.) 


Saladin. 

Fi, Was ſagſt du, Schweiter? 
“ Sikkah. 

3 gerührt . .”. 

R Saladin 

j Und id, — ich jehaudere 

© ser größern Rührung fast zurüd! | 665 
es nur drauf, jo gut du fannit. 

x ſelbſt! Denn alles it an dir erlogen. 


3 und — und Gang! Nichts dein! nichts dein! [1779 a] 
Br ; 


176 Vathan der Weile. 





Sikkah. — 
Saladin. N 


Nathan, auf ein Wort! ein Wort! — 


—* 
(Indem Nathan zu ihm tritt, tritt Sittah zu dem Gefchwifter, ihm ihre — zu 
und Nathan und Saladin jprechen leifer.) 


Hör! hör doch, Nathan Sagteſt du worhin | — | 
Nicht —? — 
Dalhan. 

Was? 
Saladin. 


Aus Deutjchland jey ihr Vater nicht 
670 Geweſen; ein gebohrner Deutſcher nicht. 
Was war er denn? wo war er jonft denn her? 
Dathan. 
Das hat er ſelbſt mir nie vertrauen wollen. 
Aus feinem Munde weiß ich nichts davon. 


Saladin. 
Und war a ſonſt fein Frank? kein Abendländer? 


. Balhan. 
675 O! daß er der nicht jey, — er wohl. — 
Er —— am liebſten Perſiſch. 
Saladin. 
Perſiſch? Pernic 
Was will ich mehr? — Er iſts! Er war es! 
Datlhan. 
Wer? 
| | Saladin. 
Mein Bruder! ganz gewiß! Mein Aſſad! ganz 
Gewiß! 
| Dathan. 
Nun, wenn du jelbit darauf verfällit: — u 
680 Nimm die VBerfihrung hier in diefem Buche! TE 
(ihm das Brevier überreichend.) Eee re 


Saladin, (e8 begierig auffhlagenv.) 


AH! feine Hand! Auch die erkenn’ ich wieder! 





— er Aufzug. Lehter Auftritt. 177 




















| —— Dathan. 

s wife — von nichts ! Noch ftehts bey dir 

‚ was fie davon ‚erfahren jollen! 

Saladin. (indeß er darinn geblättert.) 

h meines Bruders Kinder nit erkennen ? 

) meine Neffen — meine Kinder nicht ? | 685 
: nicht erkennen? ich? Sie dir wohl laſſen? 


(wieder laut.) 

aa fie find es, ek find! Sie finds! 
d beyde meines... deines Bruders: Kinder! 
* rennt in ihre Umarmungen.) 

Sikkah. Ghm folgend.) 
5 hör ih! — Konnts auch anders, anders jeyn! — 
3Baladin. (zum Tempelberrn. ) 
un mußt du doch wohl, Trotzkopf, mußt mich lieben! 690 
a (u Recha.) | 
un bin ich doch, wozu ich mich erboth? 
ſagſ wollen, oder nicht! 

Sittah. 

Ich auch! ich auch! 
Salad in. (zum Tempelherrn zurück.) 


kein. Sohn! mein Aſſad! meines Aſſads Sohn! 


Tempelherr.. 
$ deines Bluts! — So waren jene Träume, | 
omit man meine Kindheit wiegte, doch — | 695 


och mehr als Träume! Ghm zu Füfien fallend. 
Saladin. (ihn aufpebend.) 
Seht den Böſewicht! 
ßte was davon, und konnte mich 


Mörder machen wollen! Wart! 


ſe 
a * (ünter ftummer Wiederhohlung allerfeitiger! Umarmungen fällt der Vorhang.) 


kllge: [1779 ab] 















178 | Dramafifiher Anhang. Damon. 
Dramaltifcher Anhang. 
\ HL dade Ar?) Sr 
174 Vi 
Damon, B 
oder 
die wahre Freund ſchaft. 

—* Ein Lufflpiel in einem Aufzuge, 

von 


Gotthold Ephraim Teffing. ' 


Perlonen. 


Die Wiffme. 
10 Irander. 
\ Damon. 
Pronte, 
Tilette. 


Der erfle Aufteitt. 
15 Die Wilke. Liſekke. Hr no 
Tifeffe. Nun, das iſt wahr, unſer Haus bat ji in huryem. 


ſehr geändert. Noch vor acht Tagen war es ein belebter Sammelplatz 
unzähligen jungen Herren und verliebten Narren. Alle Tage habe = 





! [in den Ermunterungen zum Bergnügen des Gemüths. Siebentes Stück. yamb 
bey Johann Adolph Martini, 1747. S. 515—551. Daraus drudte Chriftian Seinrig Schm 
jeiner Anthologie der Deutſchen (Frankfurt und Leipzig 1770, Band I, Seite 103—2 
fowie das folgende Luftipiel Die alte Jungfer mit mehreren Ffleinen Anderungen 3 

Ärger Leffings ab. Genau an Schmids unechte Ausgabe ſchloß fih ein meiterer | Bu X 
GottHold Ephraim Lejjings zwey Luftfpiele 1. Damon. 2. Die alte Jungf 
Frankfurt und Leipzig, bey Johann Georg Fleifcher, 1775. (126 Seiten 8%] 5 


DR 


1. Auftritt. 179 































ihrer ein Baar verlohren. Heute blieben die weg; morgen folgten ein Baar 
andre nach, und übermorgen desgleichen. Gott jey Dank! zwey find noch 
ibrig geblieben. Wenn die fi auch abfinden follten: jo wird unfer Haus 
ur Einöde. Madame - = » Madame! 

Die Wiltwe. Nun, was iſt e8? 

Lifeffe. Alsdann bleibe ich gewiß auch nicht länger bey Ihnen; jo 
it ich es auch hier habe. Gefellichaft iſt das halbe Leben! 

h: Die Wiltwe. Du hätteft dich alfo befjer in einen Gajthof, als in 
eine Dienfte, geſchickt? 

J Liletfe. Ja. In einem Gaſthofe geht es doch noch munter zu. 
Benn es nicht jo viel Arbeit da gäbe, wer weis, was ich gethan hätte. 
| denn man einmal, Leider! dienen muß, jo, dächte ich, iſt es wohl am ver- 
ünftigften, man dient da, wo man bey jeinem Dienen das gröſte Ver— 
nügen haben kann. Doch, Scherz bey Seite. Was ftellt denn io Herr 
amon und Herr Leander bey Ihnen vor? 

Die Wiltwe, Was fie voritellen? 

xiſette. Die Frage jcheint Ihnen wunderjam? Das weis ich wohl, 
3 fie ſonſt vorgeftellt haben. Ihre Freyer. 

Die Witlwe. Und das find fie auch noch. 

iſelle. Das find ſie noch? So? Damon ift aljo des Leanders Neben- 
hler, und Leander des Damons. Und gleichwohl find Leander und Damon 
e beiten Freunde? Das wäre eine neue Mode. Wider die ftreite ich mit 
änden und Füfjen. Was? Nebenbuhler, die ſich nicht unter einander 
fen, verleumden, jehimpfen, betrügen, herausfordern, jchlagen, das wären 
r artige Creaturen. Nein. Es muß bey dem Alten bleiben. Unter 
eb Be muß Feindſchaft ſeyn, oder fie find feine Nebenbuhler. 

| Dir Mile. Es iſt wahr, ich habe mich über ihr Bezeigen einiger: 
n jelbjt gewundert. Ehe beyde noch wußten, daß fie einerley Zweck 
n, bezeigte fich niemand gegen mich verliebter, al3 eben fie. Niemand 
Br niemand bejtrebte fich um meine Gegengunjt mehr, als fie. 
1 * ſie gewahr wurden, daß einer des andern Nebenbuhler wäre, ſo 
den beyde, in ihrem Beſtreben, mir zu gefallen, nachläſſiger. 
er ve bey mir dem andern das Wort, Damon dem Leander, und 
v dem Damon. Beyde ſchwiegen von ihren eigenen Angelegenheiten. 
J — Und bey der Aufführung halten Sie beyde noch für Ihre 
eyer? 


10 


15 


20 


25 


35 


180 Dramafilcher Anhang. Damon. 




























Die Wiltwe. Ja, ich bin es gewiß überzeugt, daß fie mich b 
lieben. Beyde lieben mic aufrichtig. Nur ſchien mir Damon ea 
flüchtig, und Leander etwas zu ungeftüm. | Bi 

Tifeffe. Beynahe möchte ich Sie ibt etwas fragen? ’ 0 

5 Die Witwe. Nun, fo laß doch hören. ; 

Lifette. Werden Sie mir aber aufrichtig antworten? 2 

Pie Wittwe. Ob ich dir aufrichtig antworten werde? Ich fehe nic t,. 
was mich nöthigen follte, dir eine erdichtete Antwort zu geben. Wenn 
mir deine Frage nicht anjteht, fo dürfte ich dir ja lieber gar nicht antworten. 

10 Tifeffe. Sie glauben, daß Sie von beyden geliebt, werden. Und 
vielleicht mit Recht. Welchen von ihnen lieben Sie denn aber? 

Die Witwe. Welchen? 


Tifeffe. Sa. $ 
Die Wiltwe. Welchen? die Frage ift wunderlich. Sch Liebe jie Genbe, 
15 Lifefte.. Num, das ijt gut. Sie werden fie alſo auch beyde —— 


Die Wiltwe. Du mengeſt alles unter einander. Itzo war die Net 
vom Lieben und nicht vom Heyrathen. Alle Freyer, die ich gehabt habe, 
waren theils eitle verliebte Hafen, theils eigennügige niederträchtige Seelen. 
Was habe ich nicht von beyden ausjtehen müfjen! Nur Damon und Leander 

20 unterjchieden ich gleich anfangs von ihnen. ch nahm dieſen Unterjchied 
mit dem größten Vergnügen wahr. Und ich glaube auch, daß ich es ih) er 
jelbjt habe deutlich genug zu verftehen gegeben, wie jehr ich fie zu unter 
Icheiden wüßte. Ich habe allen den Abjchied gegeben, die nicht ſelbſt jo 
Hug waren, ihn zu nehmen; nur fie habe ich da — und ſehe ſi 

25 noch mit Vergnügen bey mir. —J 

Liſette. Was ſoll aber daraus werden? 

Die Wiltwe. Jh will es mit abwarten. Kann ich nicht bene 
Liebſte werden, fo kann ich doch wohl beyder Freundinn feyn. Ja, g viß 
die Freundſchaft kömmt mir itzt viel reizender vor, als die an Je 

30 muß dieſes dem Exempel meiner zärtlichen Liebhaber zuſchreiben. 

Lifeite. Was, die Freundſchaft? die Freundſchaft reizender, als di 
Liebe? die trodne Freundichaft! Reden Sie mir nur nicht jo philoſophiſch 
Ich ‚glaube doch davon fo viel, als ich will. Ihr Herz denkt ganz ander: 
Und e3 würde ihm auch gewiß nicht viel Ehre machen, wenn e3 mit den 

35 Munde übereinjtimmte. Laffen Sie mich einmal verfuchen, ob ich fein 
ſtumme Sprache verjtehe. Ich höre es; ja, ja, es jpricht: Wie? find a 


1. Auftritt. 181 























Fi aufrichtigen Liebhaber? was iſt das für eine neue Art der Liebe, die 
—J— Anblick eines Freundes unterdrückt? keiner wagt es, mir ſeinen — 
aufzuopfern? O die Unwürdigen! Ich will ſie haſſen, ja ich will— 
J werde ich auch können? werde ich auch = = - | 
{ Die Wiltwe. Schweig! ſchweig! Liſette. Du verſtehſt ſeine ſtumme 5 
Sprache ſehr ſchlecht. 
xXxXilſekte. O! verzeihen Sie mir. Dieſes Einfallen in die Rede, ver- 
i mich, daß ich fie jehr wohl verjtehe. Je nun, wie kann es anders 
pn? ch würde jelbjt verdrießlich jeyn, wenn mir die Freundſchaft jo 
h en Streich fpielte. Ueberlegen Sie es nur, wer ijt jonjt daran jchuld, 10 
3 die Freundichaft, daß Sie ibo, da Sie zwey Anbeter haben fünnten, 
gar feinen haben? Ach! es wäre eine Schande, wenn die Liebe nicht jtärfer 
jeyn jollte, als die Freundſchaft. 
| Die Wiltwe. Ad! 
Tifeffe. Ha! ha! den Ton verjtehe ich auch. Hören Sie einmal, ob 15 
ich ihn geſchickt umfchreiben kann. Nicht wahr? er will jo viel fagen: 
Lijette, nöthige mich nicht weiter, dir etwas zu gejtehen, was du ſchon 
weit. Wollte der Himmel! daß die Liebe nur bey einem mächtiger wäre, 
18 die Freundichaft! Kannſt du was beytragen, meine Liebhaber empfind- 
icher und weniger gewifienhaft zu machen = = - 20 
Die Witwe. Sage mir, was du ſchwärmſt? 
- — Tilelte, O! um Verzeihung. Es find Ihre eigenen Schwärmereyen. 
Die Witwe. Gejegt num, ich geftünde dir, daß ich es Lieber fehen 
pürde, wenn mir beyde ihre Liebe noch ferner entdeckten, wenn ſich beyde 
e zärtlichſte Mühe um mein Herz gäben, wenn einer dem andern einen 25 
dang abzulaufen ſuchte, wenn ſie meine Gunſtbezeigungen ſelbſt, die ich 
jem einem mehr oder weniger zukommen ließe, ein wenig uneinig machte, 
enn ich alsdenn ſelbſt das Vergnügen haben könnte, fie wieder zu vereinigen, 
im fie auf3 neue zu trennen, geſetzt, ſage ich, ich geftünde dir dieſes, was 
yäre es nun mehr? 30 
— Tifeffe. Es wäre allerdings etwas mehr, als Sie mir vorhin zu— 
eitehen wollten. 
h Die willwe. Ich weis aber auch gar nicht, was ich für Urſache 
e, dir von meinem Herzen Rechenschaft zu geben? 
 Kifefte. Ich bin mit Ihnen einig, Sie haben feine, Sie thun es 35 
& Hohe Gütigkeit. Aber Sie follten nicht umſonſt fo gütig gemwejen 


182 Pramafilıher Anhang. Pamon. 






















ſeyn, ich verfichre Sie. Ich will mein möglichites thun, daß es bald dal in 
fümmt, wohin Sie e8 gern haben wollen. Aber jagen Sie mir ur er x 
für wen wollten Sie ſich wohl am Tiebften erflären; für Damon oder 
Leandern? Sie befinnen fih? Hören Sie, es fällt mir ein guter 9 — 
5 ein. Sie wiſſen, daß fie beyde vor einem Jahre, beynahe ihr ganzes Ver— 
mögen, jeder auf ein befonderes Schiff, welche nad Djtindien handel 
gegeben haben. Sie warten alle Tage auf ihre Rückkunft. Wie wäre © 
wenn wir auch darauf warteten, und uns alsdenn für denjenigen erklä 
der der glücklichſte bey dieſem Handel geweſen iſt? rar Er E : 
10 Die Wikkwe. Sch laſſe mir es gefallen. Nur = = = — 9— 
Tifette. Hier kömmt Herr Damon. Laſſen Sie mich einmal mit? 

alleine, ich will ihn aushohlen. 


N J 
ei 


Der meyle Nufkrikk. 
Lileffe. Damon. 


15 Lifetfe. Ihre Dienerinn, Herr Damon. Sie jcheinen mir ra 
zu juchen. Wer ift e8? 
Damon. Leander hat mid) erwarten wollen. Habt hr hn 
nicht gejehen ? iz 
Lieffe. Nein. Nun = = Aber müſſen Sie denn deswegen gleich w e 
20 der fort gehen? Verziehen Sie doch einen Augenblid. Wird Ihnen dir 
Beit Schon zu lang, daß er hnen nicht gleich feine ſüſſen Träume vor 
der Freundichaft vorplaudern joll? Wenn Sie nur deswegen etwa her 
gekommen find angenehme Ligen und entzückende Gedanken von Ihre 
Freunde zu hören; verziehen Sie, verziehen Sie, ich will es jo gut mad ; 
25 als er. Seit Sie ımd Hert Leander einander hier angetroffen, ſchal { 
ja alle Wände von dem Lobe der Freundſchaft wieder; hal werde t 
wohl was behalten haben. J 
Damon. Dieſe Spöttereyen geſchehen auf Unkoſten meines Fr 
des. Sie müſſen mir —— zuwider ſeyn. Wenn ich ae nz 
30 ſchweigt! a, 
VLilſekte. Ey! fonjt jemand möchte bey ſolchen Umständen nei 
Ueberlegen Sie es doch nur jelbit. Sie find in dem Haufe einer jur 
liebenswürdigen Wittwe. Sie lieben fie. Sie juchen ihre Segenlib 
Aber, mein Gott! auf was für eine befondre Art! Ein Freund n nad ch 


2. Auftrift. 183 


























Fr in Ihrem Antrage ſchüchtern. Sie wollen ihn nicht beleidigen. Ihre 
— iſt viel zu ſchwach, ſeine ungegründeten Vorwürfe zu erdulden. Sie 
wollen es lieber mit Ihrer Liebſten, als mit Ihrem Freunde verderben. 
Je nun, möchte es doch noch endlich ſeyn, wenn der andre nur nicht eben 
Rein Grillenfänger wäre. 

“ Damon. Unfre Aufführung darf Eurer Frau gar nicht jeltfam vor- 
kommen. Sie weis umfrer bepder Neigung. Wir haben uns ihr beyde 
flärt, ehe wir mußten, daß wir ihr einerley erfläret hätten. Wir be- 
reben uns, aufrichtige Freunde zu ſeyn. Wäre es aljo nicht unbillig, 
in ich dem Leander, oder Leander mir, durch ungejtümes Anhalten, 
* ok, entreiffen wollte, das fich vielleicht mit der Zeit aus Neigung 
an einen von ung ergeben wird? 

| Lifefte, Aus Neigung? Als wenn ein Frauenzimmer nicht für alle 
wohlgemachte Mannsperjonen einerley Neigung hätte. Zum Crempel, 
was würde mir daran gelegen jeyn, ob ich Sie, oder Herr Leandern be- 
Er follte. Nehmen Sie mir e$ nicht übel, daß ich meinem Stolze 
mal ſolche jüße Träume vorhalte. Sie und Herr Leander find von 
einer gejunden Leibesbejchaffenheit. Stark und munter. Zwiſchen zwey 
leich guten Sachen kann man ſich in der Wahl nicht irren. Der erſte 
r beite. Nur blindlings zugegriffen! 

4 Damon. Liſette, Ihr beurtheilt Eure Frau nad Euch; und gewiß 
br macht ihr dadurch nicht viel Ehre. Ich kenne fie zu wohl. Sie hat 
dlere Gedanken von der Liebe. | 

xiſette. Ach, nehmen Sie mir e8 nicht übel. Liebe bleibt Liebe. 
Fine Königinn liebt nicht edler, als eine Bettlerinn, und eine Philoſophinn 
ticht edler, als eine dumme Bauersfrau. Es it Maus, wie Mutter. 
Ind ich und meine Frau würden in dem Wefentlichen der Liebe gewiß 
icht um ein Haar unterſchieden ſeyn. 

Damon. Lebt wohl! Ich habe itzo juft weder Luft, noch Zeit, Eure 
ngegründeten Reden zu widerlegen. Sollte Herr Leander kommen, jo 
ittet ihn, einen Augenbli zu verziehen. Ich habe was nöthiges vor- 
jer zu verrichten. Ich werde gleich wieder da feyn. 
xiſette. Je, zum Henker! jo warten Sie noch einen Augenblid. 
ie nennen meine Reden ungegründet? Nun, horchen Sie einmal. Io 
vill ich Shnen was jagen. Vielleicht werden fie Ihnen alsdenn gegrün- 
jeter vorkommen. 


\ 


20 


nn 


25 


35 


184 | Dramalilıher Anhang. Damon. 
























Damon. Nun, fo werde ich was hören. | Er ET 

Tilette. Wiſſen Sie, was meine Frau beichlofjien hat? Sie ı 

warten, bis die beyden Schiffe wieder da find, auf welche Sie Ihre Ge M 
gegeben haben. Und wer bey dem Handel der glüdlichjte wird — 

5 ſeyn, ıden will fie heyrathen, Knall und Fall. Glauben Sie nun, daß es 
meiner Frau gleichviel jeyn wird, ob fie den Herrn Leander oder Sie J 
bekömmt? He? 2 
Damon. Was? Lijettel Das hätte fich deine Frau entf 

Geh! erzähle dein Mährgen einem andern. N 
10 Tifelte. Nun, warım kömmt Ihnen das jo untwahrideinfi vor? 
Sit es ein Schelmjtüd, daß man Lieber einen Reichen, al3 einen Armen i 
beyrathen will? Ihr närriichen Mannsperjonen zählt wohl eher die Roc Ü 5 
fnöpfe, wenn ihr euch zu nicht? entfchließen könnt. Und ich dächte doch, 
fie hätte noch zehnmal gefcheiter gethan, da fie es dem Glücke über 
15 laſſen, den Ausfchlag zu thun, und ihre Neigung gewiß zu bejtimmen. 
Damon. Himmel! wie unglüdlid bin ich, wenn Ihr die Wahrheit 

vedet! Hätte ich mir auch jemals einbilden können, daß der Reichthum 
jo viel Reizungen für fie haben jollte? Soll der nun unfere Berfon erft 
beliebt machen? Findet fie an mir und an Leandern nichts, welches dieſer 
20 verblendenden Kleinigkeit die Waage halten könnte? Bald follte e8 - 
gereuen, eine Perſon zu lieben, die jo niederträchtig = = - | 
Lifeffe. Nun, nun! Sein jachte, fein jachte! Nur nicht gleich q 

ſchimpft. Zum Geyer, haben Sie e3 denn bejjer haben wollen? D K 
Reichthum an und für fich jelber ift eben dasjenige nicht, was fie an 
25 Ihnen jucht. Die Neigungen meiner Frau gegen Sie und gegen den He 
Leander liegen itzo im Gleichgewichte, und diejer joll alfo nur ein Kleiner 
Zuwurf jeyn, welcher der oder jener Schale den Ausichlag giebt. D| 
geizig find wir eben nicht. Das jagen Sie und nur nicht nad). Ob ei | 
ung auch gleich feine Schande jeyn würde, wenn wir e8 wären. Gie zeiger 
30 ja dadurch, daß Sie ihr eine Zeit lang nicht? mehr von Ihrer Lie 
vorgejagt haben, ganz deutlich, daß es Ihnen gleichviel jeyn toühe, & 
fie fich für Sie felbft oder für Ihren Freund erklärte; und Leander dei . | 
gleichen. Wie hätte fie es alſo wohl Flüger fünnen anfangen? 


Damon, Ad daß ich jo verliebt, ach, daß ich jo gewiffenhaft in | 
35 der Freundichaft bin! — 


— 


Lifeffe. Würde es Ihnen vielleicht lieber geweſen ſeyn, wenn meine 


ey — — 


9. 4 Ruf. | 185 















— 


Frau Sie beyde hätte würfeln laſſen, damit die meiften oder die wenig- 
ſten Augen fie dem einen oder dem andern zur Frau gegeben hätten? 
Es ift diejes font eine ganz Löbliche Soldatenmode, wenn von zwey Galgen- 
geln einem das Leben ſoll geſchenkt werden, und e3 einer doch eben 


jo wenig verdient, al3 der andre. Ja, ja. Nicht wahr, fie hätte der 5 
Mode wohl auch hier folgen fünnen ? 
| Damon. Eure Spöttereyen find jehr übel angebradt. Mein Herz 
=== doch ich will nur gehen. Lijette, Lijette, in was für Unruhe habt 
Ihr mich gejegt! Himmel! 
Dritter Auftritt, 10 


Lifefte. 


J Nun, der hat einen Floh hinter dem Ohre. Aber was hilft mirs? 
Ich kann itzo aus ihm eben ſo wenig klug werden, als zuvor. Wenn ich 

bi nur wenigjtens jo weit hätte bringen fünnen, daß er feine Liebes- 
erflärungen wieder vorgejucht hätte. Er ließ aber auch gar nicht mit ſich 15 
teden; e3 war, al3 wenn er auf Kohlen ſtünde. Huy! da kömmt Lean- 
er. Laßt jehn, was mit dem anzufangen ift! 


Bierter Aufteitt. 
Lifetfe. Ieander. 


-  Kifeffe. Ein Hein bisgen eher, jo hätten Sie ihn angetroffen. 20 
- — Teamder. So? Fit Damon fchon hier gewejen ? 

| Liſette. a. Und er wird auch gleich wieder da jeyn. Sie follen 

ch nur ein Hein wenig gedulden. Herr Leander, wie jehen Sie mir denn 

x heute einmal jo verdrießlih aus? Ach! das Gefichte fteht einem 

| gar nicht! Pfuy! fein munter! hübſch luſtig! 25 
eander. Wer jo viel Urſache zum Verdruffe hat, wie ich = = = - 
Xilelkle. Ah! ach! Reden Sie doch. Sie mögen wohl viel auf dem 
erzen haben, das Sie befümmert. Jch merfe zwar bald, was e3 jeyn 
nn? Huy! daß Sie die Liebe quält. Sind Sie e3 einmal jatt, fie der 
reundjchaft nachzujegen. D Sie thäten nicht mehr, als billig. Friſch 30 
jewagt! Schade auf einen Freund. Halten Sie bey meiner Frau wieder 


186 Pramatiliher Anhang. Pamon. 



























aufs neue an. Sch gebe Ihnen mein Wort, Sie befommen fie weg. Wenn 
Sie aber noch länger tändeln, jo bin ich Ihnen für nichts gut. Wählen 
fann meine Frau nicht. Wenn nicht bald einer von beyden fümmt, und. 
fie fo holt, fo hat fie alles ſchon dem blinden Zufalle überlaffen., Wer 
5 von Ihnen bey dem Handel nach DOftindien am glüdlichiten wird geweſen 
feyn, dem will fie Hand); Herz und Vermögen fihenfen = = - Was fehlt 
Shnen? = = Was fehlt Ihnen? = | 
Irander. Lifette, um des — willen dem glücklichſten? Nun 
iſt mein Unglück vollkommen. 
10 Lifeffe. Vollkommen? Was will das jagen? Erklären Sie sh, 
| Leander. Wohl, ich will mic) Euch vertrauen. Wiffet denn, daß 
ich nur gejtern Abends Briefe erhalten habe, daß mein Schiff in einem | 
Sturme verunglücdet jey. Graufamer Himmel! fo war es nicht genug, | 
mir mein Vermögen zu nehmen, du mufteft mir auch noch den Gegenftand 
15 meiner jo zärtlichen Liebe entreijjen ? 
Liſette. Jener ſchimpfte auf meine Frau, und der Ihimpft auf den 
Himmel. Und beyde find wohl unſchuldig. Herr Leander, Ihr Unglüd 
geht mir nahe. Sch will es Ihnen ſchon glauben, daß es einem Verdruß 
genug verurfachen muß, wenn man fein Vermögen verliert. Sch habe dieje 
20 traurige Erfahrung noch nicht machen fünnen; denn, Gott jey Dan, ich 
habe feins. Wenn aber der Verdruß, Reichthümer zu verlieren, jo groß 
it, al3 die Begierde, fie zu gewinnen, jo muß er unerträglich jeyn. Ich 
geſteh es. Aber auf den andern Punct zu kommen. Den Gegenſtand Ihrer 
fo zärtlichen Liebe--Sie meynen doch meine Fran - = nicht? hören Sie 
25 nur = = um den haben Sie fich felbit gebracht. Doch wenn Sie mir folgen: 
wollen, Herr Leander, fo verlohren al3 er jcheint, jo iſt er doch noch nicht 
ganz verlohren. a 
Lrander. O ich bitte Euch, redet frey. Ich will Euch) in allem folge 2 
was mir nüßlich jeyn kann. | ® 
30 Lifeffe. Aber ich zweifle, daß Sie e3 thun werden. E 
Leander. Zweifelt nicht, ich bitte Eud). ‘> 
Tifette. Ich kenne Ihre Hartnädigfeit allzu wohl. Sie find von 
den erhabenen Begriffen der Freundſchaft zu jehr eingenommen. Damon, 
Ihr liebſter Freund auf der Welt, das foftbarjte Gejchenf des — 
35 ohne welches Ihnen alle Güter, alle Ehre, alles Vergnügen, nur — 
tungswerth, nur eitel, nur unſchmackhaft vorkommen würden, Damon, 


4. Auftrift. "187 





andres ic, deſſen Glück Ihr Glück, befien Unglück Ihr Unglüd ift; Damen, 
der edle Damon, der - == - 

Irander. Ja, allerdings Lifette. Du wirft ihn nie genug loben fün- 
nen. Der ift noch) der einzige, der mir mein Unglück wird tragen helfen. 
Ich Habe allezeit die vortheilhafteiten Gedanken und die zärtlichiten Em- 5 
pfindungen für ihn gehabt. Ich zweifle nicht, er wird ifo zeigen, wie wür— 
dig er meiner Freundichaft jey. ‚Hätte er jein Vermögen verlohren, jo würde 
das meinige das feinige gewejen jeyn. Ich würde die Hand der liebens— 
würdigſten Perſon feinetwegen ausfchlagen. Damon, ja Damon = === 0 
hätte er mein Herz = = = = Aber, aber = = ich weis, das — Zärtliche in 10 
der Freundſchaft hat er nie recht empfinden wolle 

Liſette. Ja, Herr Leander, wenn Sie glücklich RR wollen, jo müjjen 
Sie diefen Damon einige Zeit aus den Augen jegen. Erjchreden Sie über 
diefen Vorſchlag nicht. 
2 Irander. Wie verfteht Ihr das? 15 
Tifefte. Nun, ich jehe doch, daß Sie mit einem ziemlich unerſchrocknen 
Gefichte meine Erklärungen verlangen. Befürchten Sie nur nichts, ich rathe 
Shnen feine VBerrätherey an Ihrem Freunde. Weder er wird Ihnen, noch 
Sie werden ſich jelbjt dabey was vorzumwerfen haben. Kurz, gehen Sie 
zu meiner Frau. Thun Sie ihr eine aufrichtige Liebeserklärung. Ver- 20 
fihern Sie fie, daß fie Damon nicht mehr Tiebte. Wenn es jeyn muß, 
nehmen Sie noch ein Paar Nothlügen dazu, mwodurd er ihr deſto ge- 
häffiger wird. Sie werden jehen, e3 wird alles gut gehen. 
xeander. Wenn fie aber nun darauf beruht, erſt abzuwarten, wer 
am glüclichiten bey dem bewuften Handel gewejen, jo wird mic ja alles 5 
nichts helfen. | 
xXiſette. Huy! ift das der ftandhafte Freund? So leicht läßt er fich 
be en? = = = Herr Leander, darauf wird fie wohl jchwerlich beftehen. Doch 
ejeßt. Es jchadet uns nichts. Willen Sie was? ch weis, daß Sie und 
Herr Damon einige mal Luft hatten, mit Ihren apitalen zu taufchen. 30 
ie find von gleicher Summe. Ich dächte, Sie verfuchten den Herrn Damon 

h dazu zu bereden. Er weis doc noch nichts, daß —* Schiff ſoll un— 

* cklich geweſen ſeyn? 

— Leander. Nein. 

ilelle. Nun, ſehen Sie, jo geht es vollkommen gut an. Verſuchen 35 
Sie ſein Capital zu bekommen, und treten Sie ihm das Ihrige mit allem 




























188 Dramalilcher Anhang. Damon. 





























Wucher ab. Sie fünnen es leicht thun; und werden auch Leicht eine jchein= 
bare Urfache dazu ausfündig machen können. Wie, wenn Sie zu ihm ſagten? 
Liebiter Damon, die Freundichaft hat uns genau genug verbunden. Wie 
wär es aber, wenn wir auch unſre Glücksgüter dazu anmwendeten, daß 
5 einer dem andern noch mehr verbunden würde? Lafjen Sie ung derohalben 
einen Tauſch mit den bewuſten Geldern, die wir in die oſtindiſche Hand- 
[ung gegeben haben, treffen. Haben fich die Ihrigen mehr verintereffixt, 
al3 die meinigen, fo werde ich Ihnen alsdenn einen Theil meines Bas 
mögen? zu danken haben. Sollten die meinigen mehr gewuchert haben, 
10 jo werde ich das Bergnügen haben, dasjenige in Ihren Händen zu jehen, | 
was das Glück mir eigentlich bejchieden hatte. Und werden wir dadır h 
nicht deſto mehr verpflichtet werden, einer dem andern mit ſeinem Ver— 
mögen, bey vorfallender Nothwendigkeit, beyzuſtehen? 
Leander. Euer Rath iſt gut. Und auch der Vorwand ſcheinet mir 
15 jcheinbar genug zu jeyn. Aber ich bejorge, mein Freund möchte einme ıL 
einen Verdacht auf mich werfen. Drum möchte ich ſelbſt ihm diefen 
Vorschlag nicht gern thun. Könntet Ihr nicht etwa Eure Frau auf den 
Einfall bringen? Wenn dieſe thäte, als ob fie es gern jähe, 3 
ſo⸗⸗⸗ J 
20 Xiſette. Ich verſtehe Sie. Ich verſtehe Sie. Verlaſſen Sie ſich au if 
mich, und machen Sie nur, daß Sie bald zu meiner Frau kommen. = 
Leander. So bald al3 ich mit meinem Freunde werde geſprochen 
haben. Gott ift mein Zeuge, daß ich bey allem dem redliche Abfichten habe. 
Sch weis e3 gewiß, mein Freund würde, wenn ich mein Vermögen v 
25 löhre, nicht großmüthig genug jeyn können, die Pflichten, die er mir als— 
denn, vermöge unſers Bundes, ſchuldig wäre, auszuüben. Ich will ihn 
derohalben von dem gewiſſen Schimpfe, von der Nachwelt ein — * 
Freund genennet zu werden, befreyen. Meiner Seits aber will ich i 
zeigen, daß meine Reden vollfommen mit meinen Thaten übereinfinmen, 

30 Er foll die Hälfte meines Vermögens haben. - = - 
Liſetke. In Anjehung dejien, daß ihm von Rechts wegen * 00 
gehöret = = Das ift ein aufrichtiger Freund! 4 
Irander. Ich will alles anwenden, ihm wieder aufzuhelfen. Viel 
leicht iſt er ein andermal glücklich. Vielleicht = - — 
35 Liſette. St! St! Herr Damon kömmt ohne Zweifel wieder. Ich 
will gehen. Er möchte denfen, wer weis was wir mit einander zu reden 


5. Auffrift. 189 





| gehabt hätten. Ich geh zu meiner Frau. Kommen Sie bald nad). = === 
| Nun, das hätte ich mir nicht vermuthet. 


Fünfter Auftritt. 
Leander. Damon. 


| Leander. ch darf ihm aljo nicht3 von meinem Unglüde jagen; wes— 
‚wegen ich ihn doch herbeitellet hatte. = = = Was werde ich aljo mit ihm zu 
‚reden haben? = - && wird fich ſchon geben. 

| Damon. O wertheiter Leander, verzeihen Sie mir, daß Sie auf 
mic) haben warten müfjen. 

| Leander. Ich Ihnen verzeihen ?- Womit haben Sie mich beleidiget? 
Legen Sie doch endlich einmal, allerliebiter Freund, das mir fo nachthei- 
















Freund wird über den andern nie verdrießlich. Der Pöbel, dem die ſüße 
Vereinigung der Gemüther unbekannt ift, und ewig zu feinem umerfeglichen 
Schaden, unbekannt bleiben wird, der Pöbel, die Schande des menschlichen 
Geſchlechts, mag untereinander zürnen. Die Freundjchaft bewaffnet eine 
‚edle Seele mit einer unüberwindlichen Sanftmuth. Was ihr Freund thut, 
was von ihrem Freunde kömmt, ift ihr billig und angenehm. Die Be: 
I idigungen werden nur durch die böjen Abfichten dejjen, der beleidiget, 
md durch die Empfindlichkeit dejjen, der beleidiget wird, zu Beleidigungen. 
Wo niemand aljo böſe Abſichten hat, wo niemand empfindlich wird, da 
haben auch feine Beleidigungen Statt. Wird aber ein Freund gegen den 
andern wohl böje Abfichten hegen? Dder wird ein Freund über den an- 
\ ern wohl empfindlich werden? Nein. Drum, liebſter Damon, wenn mir 
auch durch Sie der größte Schimpf wiederführe; wenn ich durch Sie um 
Ehre und Anfehen käme; wenn ich durch Sie Gut und Geld verlöhre; 
1 ich dur) Sie ungefund, lahm, blind und taub würde; wenn Sie 
) um Vater und Mutter brächten; wenn Sie mir jelbjt da3 Leben näh- 
en; glauben Sie, liebſter Damon, daß Sie mich alsdenn beleidiget hätten? 
2 ein. So viel Unreht Sie auch hätten, jo viel Recht würden Sie bey 
mir haben. Würde Sie auch die ganze Welt verdammen ; ich würde Sie 
entihuldigen, ich würde Sie Losiprechen. 

Damon. Ich will wünjchen, Leander, dab ich Ihnen mit gleichem 


lige Borurtheil ab, daß Sie im Stande wären, mich zu beleidigen. Ein- 


10 


15 


20 


25 


30 


190 Dramaktiſcher Anhang. Damon. 





























Feuer antworten könnte. Ich will mich bemühen, Ihre Freundſchaft PR k 
auf eine jo harte Probe zu ſetzen. we. 4 
Isander. Ey, liebſter Freund, wie jo kaltfinnig? Zweifeln Sie an 
der Aufrichtigkeit meiner Reden? Zweifeln Sie, ob meine Freundichaft diefe 
5 Probe aushalten würde? Wollte doch Gott, ja wollte doch Gott, daß Sie 
mich, je eher je lieber auf eine Art beleidigten, welche bey andern un= 
vergeblich jeyn wiirde! wie vergnügt, wie entzüct wollte ich jeyn, die ſüße 
Rache einer großmüthigen Verzeihung an Ihnen auszuüben. } 
Pamon. Und ich will mir dagegen wünfchen, daß ich diejer eo“ 
10 müthigen Verzeihung niemals möge nöthig haben. je 
Leander. Ja, Damon, und ich würde, in gleichen Fällen, auch ein 
gleiches von Ihnen erwarten. DO! ich fenne Sie zu wohl. Ihre Seele ; 
it edel und großmüthig. Und dieſe läßt mich nicht daran zweifeln. 
Pamon. Sie trauen mir zu viel zur, wertheſter ‚Leander. Voll 
15. Scham gefteh ich Ihnen, daß ich mich zu ſchwach dazu befinde. Die Ger 
danken davon fcheinen mir edel und wahr. Die Erfüllung aber unmöglich. 
ch zittere Schon im voraus, wenn ich mir vorjtelle, daß meine Freund 
ihaft einen jo harten Verſuch vielleicht einmal auszuhalten habe. Doch 
Ihre Tugend ift mir gut dafür. Und ift ein Freund wohl auch zu einer 
20 jo allzu großmüthigen Sanftmuth verbunden? ch weis es, es ijt die 
Pflicht eines Freundes, dem andern zu verzeihen. Doch ift e8 auch des andern 
Pilicht, ihm fo wenig Öelegenheit dazu zu geben, ala ihm nur möglich it. 
| Irander. Freund, im Berzeihen müfjen wir dem Himmel gleich jeyn. 
Unfere Verbrechen, jo groß und jo häufig ſie find, machen ihn in diefer, | 
25 ihm würdigen, Beichäftigung nicht müde. Wen man einmal zu fein 1 
Freunde erwählt hat, den muß man behalten. Weder jeine Fehler noch 
jeine Beleidigungen müſſen vermögend jeyn, ihn aus unfrer Gunft — 
ſetzen. Man beſchimpfet ſich ſelbſt, wenn man es dazu kommen läßt. Ode er 
iſt es etwan kein Schimpf, wenn man mit Scham geſtehen Bro daß man 
30 in der Wahl gröblich geirret habe? 1 
Pamon. Aber, liebiter Leander, jagen Sie mir doch, — | 
mit mir zu reden verlangt? Was iſt denn das Wichtige, das Sie m v | 
zu entdeden haben? E J 
Leander. Werden Ihnen meine Reden beſchwerlich? Ich Kine 23 
35 nicht glauben. Sie wiffen, wie gern man von Sachen redet, die uns a - | 
genehm find. Und ich weis, man höret auch eben jo gern davon. Sie 

























5. Auftritt. | 191 


ſcheinen mir aber heute’ zu beyden ein wenig verdrießlich. Was beun- 
ruhiget Sie? Iſt Ihnen ein Unglück zugeftoßen? Entdeden Sie mir es. 
Machen Sie mir das Vergnügen, Ihren Schmerz mit Ihnen zu theilen. 
Sie jollen alsdenn alles erfahren, was ich Ihnen zu jagen habe. 
Damon. Sie betrügen fich nicht. Ich bin bejtürzt und befümmert. 
eander. Und worüber? D was zaudern Sie, mir Ihr Öeheimniß 
anzuvertrauen. Seben Sie in meine Verfchwiegenheit ein Mistrauen ? 
Zweifeln Sie, daß ich Ihnen helfen werde, wenn es in meinen Kräften 
ftehet? Oder ‚zweifeln Sie gar an meinem Mitleiden? Wenn ich mein 
Herz gegen Sie ausfchütten fann, jo weichet gleich die Hälfte meines 
Grams. Und verfuhen Sie es nur. Vielleicht bin ich jo glücklich, daß 
Sie auch in meinem Vertrauen einige Erleichterung finden. 

Damon. 3 betrifft mich und Sie. 

' Ieander. Und dejto eher; nur heraus damit. Müſſen Sie e8 etwan 
v richweigen? D! was man nur feinem Freunde jagt, hat man noch nie- 
manden gejagt. Ich und mein Freund find eine Perſon. Und wenn ich 
größten Eidſchwur darauf gethan hätte, gegen niemanden ein Wort 
von dem oder jenen zu gedenken, jo könnte ich e3 doch, ohne den Eidſchwur 
zu brechen, meinem Freunde jagen. Was ich dem vertraue, vertraue ich 
mir jelbjt. Und ich thue nichts mehr, als wenn ich e3 noch einmal für 
mich in den Gedanken wiederholte. 

— Damon. Nein. Nein. Es ſoll Ihnen nicht verborgen ſeyn. Könn— 
t Sie ſich wohl einbilden, zu was ſich die Madam entſchloſſen? 
Leander. Worinne? 

Damon. Nun rathen Sie einmal, auf was jie es will ———— 
aſſen, welchem ſie von uns beyden ihre Hand geben ſolle? 
xeander. Und eben dieſes, mein Damon, eben dieſes hatte ich 
Ihnen auch zu jagen. 

Damon. Aufrichtig nun' zu reden, ich bin über diefen niederträd)- 
igen Entſchluß erjtaunet. Nein, Leander, ehe ich ihre Hand einer ſolchen 
Ihändlichen Urjache zu danken haben wollte, eher will ich fie Zeit Lebens 
ausſchlagen. 

eander. Und glauben Sie denn, dab ich fie annehmen würde? 
Sir haben die uneigennützigſten Abfichten gegen fie. Wir würden fie 
eben, wenn fie auch nichts bejähe. Und fie ift gegen uns fo eigennüßig? 
Bit ein verachtungswürdiger Reichthum das einzige, was ihr an ung gefällt ? 


Qi 


10 


30 


35 


192 Dramaliliher Anhang. Damon. 






















Damon. Wie, wenn wir diejen Entjchluß auf alle mögliche Art 
juchten zu nichte zu machen? Darf ich Ihnen wohl was vorfchlagen? W - | 
meynen Sie, wenn wir Schaden und Gewinnſt bey unferm Handel theil en? 

Irander. St! das iſt Wafjer auf meine Mühle. So fünnte 

5 Taufchen gar bleiben = = = a, Sie haben Recht. Nichts könnte fie leich 
wieder auf den rechte Weg bringen, einen von und aus Neigung % 
Verdienſt zu wählen. Wohl! Ich bin es zufrieden. J 

Damon. O wie vergnügt machen Sie mich durch Ihren Beyfall w 

der. Ich beſorgte immer, ich beſorgte, Sie würden mir ihn hier entzieh) 
10 Und Sie hätten Recht dazu gehabt. 

Leander. Wie wenig trauen Sie mir doc zu! So? Was ur 
ich denn für Recht haben, hierinne nicht mit Ihnen einig. zu feyn? 9 
Güter find ja unter Freunden gemein. Was ich befige, bejigen Sie. Und 
was Sie befigen, darauf glaube-ich auch ein Feines Recht zu haben. Ver— 

15 flucht jey der Eigennuß! wenn Ihnen das Unglüd auc jo jehr zuwider 
jeyn jollte, daß Sie alles, alles dabey verlühren. Nicht die Hälfte — 
Vermögens, mein ganzes Vermögen wäre allezeit ſo gut, als das Ihrie 
Damon. Freund, Sie machen mich ganz beſchämt! 

| Irander. Was ich fage, wirde ich auch thun. Und wenn ich es ges 
20 than hätte, fo würde ich doch nichts mehr gethan haben, als was die Pilic Mi 
eined Freundes verlangt. “ 

Damon. Aber ich weis nicht, was ich bey mir für eine — 
Urſache finde, ſelbſt an der Wahrheit Ya — zu zweifeln. Könnt 
mir wohl Lijette = = = = 

25 Irander. Und von der hab ich es auch. Doc dahinter wollen w 
wohl fommen. Es liegt uns beyden nicht wenig dran. Erlauben Sien 
daß ich Sie verlaffe. Ich will felbft zu ihr gehen, und mich bey unfere 
Liebiten erkundigen. 9— 
Damon. Aber, Leander, wie wird ſich das ſchicken? Wird fie i h 

30 diefe Neugierigkeit nicht empfindlich werden? % 
| Leander. Sorgen Sie nicht, ich will es ſchon mit einer Art x 
zubringen wifjen = = = - r 

Damon. Nun ich verlaffe mich auf Ihre Geſchiclichtet Som ne 
Sie bald wieder, mir Nachricht zu bringen. Ei 

35 Leander. = = So fomme ich doch unter einem guten Bormande 
der von ihm. J—— 


6. und 7. Auffeiff. 193. 





Sechſter Auftritt. 


















a Damon. 

Bi © | 
⸗ Entweder, ich bin zur Freundſchaft ganz ungeſchickt, oder Lean— 

der hat ſehr ausſchweifende Begriffe davon. = = = = = = = = ‚Sch bin unglück— 


lid wenn das erſte wahr iſt = = Ja = = die Freundſchaft = = = fie ift aller- 5 
Dr das, was und das Leben erjt angenehm machen muß = = = So viel 
ıpfinde ich = = = Aber jo viel empfinde ich doch nicht, al3 mein Freund 
Eenofinden jagt. = = = = Gejeßt ich würde von ihm beleidigt = = = ich würde 
4 von ihm beleidigt = = = al3 er von mir fich wünjchte, beleidiget zu wer- 
e = = = = würde ich wohl = = = nein = = ich mag mir nicht jchmeicheln = = = 10 
a Be » ich würde viel zu ſchwach jeyn, e3 ihm zu vergeben = = == 
‚ ich würde e8 ihm verargen, wenn er mir bey einer jolchen Gelegen- 
be verzeihen wollte = = = ich würde ihn jelbit tadeln = = = = Doc) = = ich 
alte ihm auch nicht einmal für fähig dazu = = = er mag jeyn, was er will 
F = aber = = ich irre mich wohl auch = = ich beurtheile ihn nach mir = = = = 15 
w il ich jo ſchwach bin; folgt e3 denn daraus, daß ein anderer = = - Doc) 
allerdings eine jo vollkommene Freundſchaft ift für dieſe Welt nicht == == =- 
Ib auch wohl Leander jo denkt, als er redet? - = Halt = = = ich will - 
a wenn ich ihm berede, ich hätte Nachricht erhalten, dab mein Shih u un: 
ergegangen ===Da will ich jehen, ob jeine Großmuth = = = es wird mich 20 
n wenig füßeln, wenn ich ihn bejtürzt = = = = Doch nein = = daS war ein 
ederträchtiger Einfall == = Seinen Freund auf die Probe jegen, heift, 
inen Freund gern verlieren wollen = = = = = Nein = = aber wenn num die 
Bittwwe auf ihrem thörichten Entſchluſſe blieb --Geſetzt, Leander würde 
urch fie glücklich = = = werde ich fein Freund bleiben fünnen? = = = Ich 25 
= = ja = ich fühle meine Schwäche = = = ich würde auf ihn zürnen = = - - 
ürde neidijch werden = = = ach = = ich ſchäme mich recht vor mir jelbit - = - 


#8 * 
— 


’ 


Siebenkter Auftritt. 


=. Pronfe. Damon. 
id #; 


ha Pronte, Nun, da iſt Er ja. Verſteh Er mich! Vetter, habe ich Ihn 30 
) müjjen in zehn Häufern ſuchen. Verſteh Er mich! Und ich hätte Ihn 
e r ſonſt wo zu her geglaubt als ber der jungen Wittwe. ge 
| | 
Salbei fämtliche Sqhriften. III. 13 


194 ‚Pramafifcher Anhang. Damon. 

































Pamon. Se was führt Sie denn bieher, Herr Better? | 
Oronte. So? fieht Er mirs nicht an, verjteh Er mich, was ich wille 
Mache Er fi) nur parat, verſteh Er mid, eine Nachricht von mir zu 
hören, die Ihn halb todt, verjteh Er mich, und wenn Er noch ein klein | 
5 wenig Vernunft übrig hat, verjteh Er mich, die Ihn rajend machen wird. ’ 
Damon. Gie erjchreden mid. Was iſt es denn? 
Pronte. Habe ichs Ihm nicht gejagt, verſteh Er mich, daß es Pe: 
mit Seinem Capitale würde unglücklich gehen? Verſteh Er mich. Da ſeh 
Er, leſe Er = = Sein Schiff ift untergegangen. Da, leſe Er nur, verfteh 
10 Er mid) = = Er wird alle Umstände finden, verſteh Er mid). ; 
Pamon. So? 4 
Pronfe Nun, hab ich! Ihm doch vorher gejagt, verjteh Er mich. 
Aber ihr jungen Leute, laßt euch doch niemals jagen, verjteh Er mich. 
Alles, alles wollt ihr befjer einjehen. Schon recht! verjteh Er mid, — 
15 recht! 
Damon. Diejes Unglück hätte ich mir nicht verfeben === 
Pronfe. Sit das das ganze, was man jagen fann, veriteh Er mich, 
wenn man fein Vermögen verliert? O Leichtfinnigkeit! o gottlofe Leicht 
finnigfeit! verfteh Er mich. Auf 12000 Rthlr. verfteh Er mich. Auf zwölf 
20 taufend! Nun, Vetter, fag Er, was will Er nun anfangen? veriteh Er 
mid. Er ift von der ganzen Welt verlafjen, verlafien, und mit Recht. 
Verſteh Er mich. Kann Ers läugnen, daß ichs Ihm vorher verkündigt 
habe? Kann Ers läugnen? Verſteh Er mid. Wie vielmal habe ich Ihm 
die güldne Regel gegeben: Was aufs Waſſer kömmt, verſteh Er u it 
25 jo gut, als halb verlohren. £ 
Pamon. Ach! möchte doc das Geld feyn, wo es wollte = - = = w E 
nur = = = h; 
Bronte. Ah! Schade um das Geld! Das find gejcheute Reden. Ver⸗ 
ſteh Er mich. Damon, Damon, ein Menſch, der ſo denken kann, iſt nicht 
30 werth, daß er mein Vetter ſey. Verſteh Er mich. Ach! ſchade ums sen! 
Nein, Gott jey Dank, verjteh Er mich, jo albern und gottesvergefjen bi 
ich in meiner Jugend nicht gewejen. Denkt Er, verjteh Er mich, daß Ihn 
die junge Wittwe nun heyrathen wird? verjteh Er mich. Sie — 
Närrinn ſeyn. Verſteh Er mid). — 
35 Damon. Ja, Herr Vetter, dieſes beſorge ich. Und dieſes 9 
das einzige, was mir mein Unglück empfindlich nah 


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7. Auftritt. 195 





























Pronfe. Der Narr, verſteh Er mich. Als wenn es nicht jo ſchon 
empfindlich genug wäre. DVerjteh Er mich. Doc Vetter, daß Er ſehn foll, 
verſteh Er mich, wie gut ich es mit Ihm meyne, ſo will ich Ihm, ver— 
ſteh Er mich, bey den Umſtänden rathen: mache Er banquerot. 
Damon. Wie, jo niederträchtig = = 5 
Pronte. Was? Was? Niederträchtig? veriteh Er mich. Das nennt 
Er niederträchtig, verſteh Er mich, Vetter, wenn man banqueroute macht? 
Zum Henker! verſteh Er mich, habe ich nicht fünf mal Banqueroute ge— 
macht? Und bin ich niederträchtig geweſen? verſteh Er mich. Habe ich 
nicht mein ganzes Bermögen dem Banqueroute zu danken? verjteh Er 10 
mich. Zu dem erften brachte mich meine Frau! verjteh Er mid. Das 
war eine ftolze verjchwenderijche Närrinn! Gott habe fie jelig, verjteh Er 
mich. Aber das vergelte ihr noch Gott im Himmel, wo fie ohne Zweifel 
ſeyn wird, verſteh Er mich, denn ſie war allezeit gern, wo es fein luſtig 
und fein prächtig zugieng, verſteh Er mich; das, ſage ich, vergelte ihr der 15 
liebe Gott, daß fie mir auf den jo kurzen Weg zum Neichthume zu ge 
langen geholfen hat. Verſteh Er mid). Denkt Er, Vetter, daß ich mit 
fünf Banquerouten, verjteh Er mich, würde aufgehört haben, wenn mir 
3 nicht wäre ausdrücklich verbothen worden, verjteh Er mich, die Hand» 
lung auf3 neue anzufangen? 20 
Damon. Nein, Herr Better, ich kann Ihnen durchaus nicht ſchmei— 
cheln. Es bringt Ihnen ein jo jchlimm eriworbener Reichthum wenig Ehre. 
—— Pronfe. Ah! ach! Ehre! Ehre! Verſteh Er mich. Um die Ehre 
it es auch zu thun. Es muß mancher, verfteh Er mich, bey aller Ehre,.. 
er hat, verhungern. Ach! die Ehre. Iſt Er nicht ein Grillenfänger? 25 
viteh Er mid. Nicht wahr, verjteh Er mich, es wird” meinen Erben 
: ichviel jeyn, ob ich ihn mit Ehre oder ohne Ehre bejejlen habe. Ber- 
{ h Er mich. Sie werden mirs danken, und wenn ich ihn — hätte. 
erſteh Er mid. 
Damon. Nein, Herr Vetter, wenn Ihre Erben RER EN, ſeyn wer= 30 
en, jo werden fie nach Ihrem Tode Ihre Verlafjenichaft dazu anwen— 
‚ daß fie denjenigen, die durch Ihre Banqueroute ih gewor⸗ 
be nd, wieder aufhelfen. 
B Pronfe. Was? Was? Berjteh Er mid. Das jollen meine Erben 
thun? Ja, wenn ich das voraus jehen fünnte, gewiß, verſteh Er mich, ge- 35 
wiß ich ließe mir eher einmal alle mein Haab und Gut mit ins Grab 





196 Dramakiſcher Anhang. Damon. 



























geben. Hätte ich mir deswegen jo jauer werden lafjen? Verſteh Er mic A 
Fünfmal habe ich müffen ſchwören. Fünfmal hätte ich alfo umfonit 9 “ 
ſchworen? Verſteh Er mich. Höre Er, Vetter, weil ich jehe, daß Er fo 
wider Recht und Pflicht Handeln würde, verſteh Er mich, fo will ich & 
5 fein aus meinem Tejtamente lafjen. Verſteh Er mid. Darnach a 
vollends jehn, was man anfängt, wenn man nichts hat, verjteh Er mid. © 
Damon. Alsdenn wird der Himmel für mich forgen. 7 
Pronte, Wer? Wer? Verfteh Er mich. Wer wird für Ihn jorgen! 
Der Himmel? Ja, getröfte Er fi nur. Ja, er wird für Ihn forgen, 
10 verjteh Er mich, wie für die Sperlinge im Winter. Der Himmel 2 
haben, verjteh Er mich, daß wir für ung ſelbſt fein forgen jollen. Da; 
bat er uns Verſtand und Klugheit gegeben; verſteh Er mid. J— 
Damon. Ja, und manchem noch über dieſes Bosheit und Geiz, wenn 
Verſtand und Klugheit etwan nicht hinlänglich ſeyn wollten. J 
15 Pronte. Better, ſoll das auf mich gehen? Verſteh Er mich! Sei 
Er mir nicht jo nafeweiß! Ich weis ſchon, auf was Er troßt. — 
Er mich. Er denkt itzo eine gute Heyrath zu thun. Aber ſieht Er mi? 
Sch will dem Wolfe das Schäfchen noch jchon entreifjen, verjteh Er mid. 
Leander hat nunmehr Recht dazu. Defjen Schiff ift glücklich angefommen, 
20 ob man ihm gleich exit gejchrieben hatte, verjteh Er mich, daß es verun⸗ 
| glückt wäre. Es ijt aber nichts weiter, al3 eine Irrung, verjteh Er ui. 
Seines, Seines ijt drauf gegangen. Verſteh Er mid). — 
| Damon. Wie? Leandern ift dieß gejchrieben worden? Und er hat 
mir nicht gejagt ? ie 
25 Pronte. Muß man Ihm denn alles auf Die Naſe Binden? Verſteh 
Er mich. Nun, nun. Er ſoll ſchon ſehn, was ihm Sein Unglück, cotz 
Seiner Ehre und trotz des Himmels! ſchaden ſoll. Ich gehe itzo gleich 
ſelber zu der Wittwe. Sie ſoll alles erfahren. Verſteh Er mich. Leb Er 
wohl, verſteh Er mich. — 118 


—— * 


Ka * m E 
EP u un nen ER ee 


30. Achter Auftritt, 
; Damon. 22 

- + = Berdriehliche Nachricht! + = = Ich verliere mein Vermögen - - 

dieſes möchte noch jeyn. Wer weis, wenn Leander unglücklich gewejen 
wäre, ich würde vielleicht nicht großmüthig genug gewejen jeyn, ihm zu 
























— 9. Aufkrikk. 197 





helfen = = - Was für eine Schande für mich, wenn ich an ihm untreu ge 


ich bin glücklich bey allem meinem Unglüde = = = aber ich verliere zugleich 
—9 een Wittive = = = fie wird ſich an Leandern nun ohne 
wierigfeit geben = = an 2eandern = - doch Leander iſt ja mein Freund 
E er = = die Liebe = = die verdammte Liebe = = = verdient jie mein Freund nicht 
' eben fo wohl, als ich? = = = wa3 darf ich viel nach einer Frau fragen, 
deren Herz ich, wenn ich es ja befommen hätte, bloß meines Geldes wegen 
bekommen hätte = = Aber doch = = - fie ift liebenswürdig - = = wie muß ich 
mit mir jelber kämpfen! = = = Allein Leander = = follte e8 wahr feyn, daß 
er diefe falſche Nachricht befommen hätte? = = = und er follte mir es ver- 
ſchwiegen haben? = = = wie hätte er den Vorjchlag annehmen können, den 
ich ihm that = = = ich falle auf ganz befondre Gedanken = = = doch weg da- 
mit = = fie jchänden meinen Freund = = - 


Deunfter Auftritt. 


Lifeffe. Pamon. 


Xiſette. So alleine? und jo betrübt? 

Damon. Ach Lijette, meinen Kummer zu erleichtern, muß ich ihn 
n erjten dem beſten erzählen. Ich bin unglüdlich gewejen. Mein Schiff 
iſt in einem Sturme untergegangen. Ich habe die gewiſſeſte Nachricht. 
nmel! und ich verliere zugleich alle Hoffnung von Eurer Frau = = = 
Tifeffe. Was? So iſt es an Leanders Unglüde nicht genug gewejen? 
Damon. Wie fo, an Leanders? Sein Schiff ift ja glücklich ange- 
fommen. Was ijt ihm denn für ein Unglüd begegnet? 

Lifefte. Ja. Sein Schiff ift jo hübſch eingefaufen, wie das Ihre. 
Er mir e3 ja jelber gejagt. 

Damon. Er hat es Euch jelber gefagt? So ift mein Verdacht doch 
l gegründet = = = Dem ohngeachtet, Lifette, könnt Ihr mir gewiß glau- 
—— es eine bloße Irrung mit ſeinem Schiffe geweſen = - aber ſollte 
Bar wohl eine Eleine Untreue an mir begangen haben? 
Fan Eine Untreue? Was für eine Untreue? Behüte Gott! 
r iſt der getreuſte Freund von der Welt. Ha ha ha 

= a — Warum lacht Ihr? 


—* 
— 


worden wäre! = === der Himmel hat mich davor bewahren wollen = = =. 


10 


15 


20 


25 


30 - 


198 Dramakiſcher Anhang. Damon. 





Lifeffe. Ja das ift gewiß. Auf feine Treue können Sie je — & | 
verlajjen. Ha ha ha! Er wird Ihnen in Ihrer Noth redlich — | 
Ha ba ha! a 

Damon. Das hoffe ich auch gewiß. * 
5 Tifeffe. Und ich ER Ha ha ha! ch weis feine guten orten. 
Ha ba ha! x 















Lehker Aufteift. 
Bronfe. Die Wikkwe. Leander. Damon. Tileffe. 


Die Wiltwe. Wertheiter Damon, ich habe die betrübte Nachricht 

10 von Ihrem Herrn Vetter vernommen. Ich verſichre Sie, daß mir ie 
Unglück nicht näher hätte fünnen gehen, wenn mir es auch jelbit wieder⸗ 
fahren wäre. 5 
Irander. Mein Tiebiter Freund, das Glück it Ihnen zuwider ge | 

weſen. Ich weis, Ihr Gemüth ift viel zu geſetzt, als daß e3 diefer eitle 
15 Berluft jehr beunruhigen jollte. Ich hoffe übrigens, daß Sie leicht mit. 
dem Glücke werden auszufühnen ſeyn. Es wird Ihnen vielleicht dasjenige, 
was es Ihnen itzo entzogen, ein andermal dejto veichlicher erjegen. | 
 Pronfte. Ya, Better, ja, verfteh Er mich. Ein andermal. Ein 

| andermal. Ha ba ba! 4 
20 Ieander. Sie, Madam, haben die Gütigfeit gehabt, fich für den k 
glüklichiten unter ung zu erklären. Der Himmel hat gewollt, daß ich es 
ſey. Doch ich werde mich alsdenn erſt wirffich für das halten, wenn Si ie 
durch das koſtbare Geſchenk Ihres Herzens mir = - - 
Die Wiltwe. Und diefen Antrag, Leander, fünnen Sie in an 

25 wart Shres Freundes wiederholen? J 
Damon. Gerechter Himmel! was höre ich? ee 
Leander. O, Madam, ich fenne meinen Freund allzu wohl. Er wir J 

fich nicht unterjtehen, Ihnen in Ihrem Glücke hinderlich zu ſeyn. Er wir 7 
Ihnen nichts, als ſein Herz, darbiethen können. Ich kann das me einig 
30 mit einer Tonne Goldes begleiten = = - — 
Damon. Leander, Sie wollen - = = Berdruß und Erſtaunen laſſen 

mich fein Wort aufbringen. — 
Pronte. Höre Er, Herr Better, ich will Ihm doch was fagen, ı | 9 

ſteh Er mich. Er kann die hübſche Wittwe nun nicht heyrathen. — 


— ee ie ——— u en ENT he ——— Ad er 


Tehfer Auftrift. 199 









u gewiß, verſteh Er mich. Leandern wird fie wohl auch nicht viel nüße 
= E zeon. Beriteh Er mid. Sie gefällt mir ganz wohl. Verſteh Er mid). 
Ich möchte fie ſchon haben. Ich dächte, Er ſchlüge mich ihr vor. Verſteh 
Er mich. Ich bin zu ſchamhaft dazu. Verſteh Er mich. Made Er, thue 
Er Sein möglichjtes, ich will Ihn auch nicht in meinem Tejtamente ver- 
geſſen. Verjteh Er mich. Zwey Tonnen Goldes kann ich ihr mitbringen, 
veerſteh Er mid). 
J Leander. Ich bitte Sie inſtändig, Madam. Erklären Sie ſich; da— 
4 3 mit auch mein Freund weis, woran er it. 
} £ Pronfe Madam, erklären Sie fich nicht jo geſchwind. VBerjtehn 10 
Sie mid. Mein Vetter weis einen hübſchen Bräutigam für Sie, verjtehn 
Sie mich, der Ihnen wohl anftehen möchte. Mit dem können Sie zwey, 
zwey Tonnen Goldes befommen. Verjtehn Sie mich. Vetter, Vetter, jage 
— Er ihr ihn doch! verſteh Er mich. 
E 4 Die Wittwe. Es wird unnöthig jeyn. Mein Schluß it ſchon feſt 15 
geſtellt. Leander, es it wahr, ich habe mein Wort von mir gegeben den 
lücklichſten von Ihnen zu erwählen. Ich will es auch halten. Der glüd- 
Uilichſte, liebſter Damon, find Sie. 

i Damon. ch? 
Leander. Damon? 20 
Dronte. Wa3? Was? Mein Better? Ja, dem fein Schiff iſt ja 
untergegangen Madame. Berjtehn Sie mich. Leander hat eine Tonne 
Goldes, veritehn Sie mich. Und ich habe ihrer zwey, verjtehn Sie mic. 
Nothwendig, nothwendig müfjen Sie mich meynen. 
; Die Wiltwe. Ja ja. Damon, Sie find bey diefem Handel der glüd- 25 
—Hichfte geweſen. Sie find glücklich geweien, daß Sie Gelegenheit gefunden 
haben, Ihre große Seele auf jo eine ausnehmende Art zu zeigen. Ihr 
größtes Glück aber ift, daß Sie num Licht bekommen, die Faljchheit Ihres 
- Freundes einzufehen, deſſen prächtige Galimatias Sie bis hieher verblendet 
haben. Leander, erwägen Sie nicht Ihre Aufführung? Sie hatten Nach- 30 
richt bekommen, dat Ihr Schiff verunglückt jey. Bey diefer Angſt wollten 
Sie fih an mir erholen. Sie jegten Ihren Freund ſchändlich aus den 
; ———— Mein Entſchluß, mich für den glücklichſten zu erklären, war Ihnen 
J tr in jo fern verhaßt, als Sie beſorgten, daß Sie es nicht feyn würden. 
Sie juchten mich zu bereden, Damon Yiebte mich nicht mehr. Und ge- 35 
denken Sie endlich an der Taufh, zu dem ich den Damon habe ver: 


or 

























200 Pramafifcher Anhang. Damon. 






















führen follen, zu einer Zeit, da Sie vermutheten, feine Sachen ft 
bejjer, al$ die Ihrigen. Ueberlegen Sie diejes alles, und — 
ſich, einen Freund hintergangen zu haben, der Sie über alles hoch jan 
‚Sehen Sie. Genießen Sie Ihrer Neichthümer, die juft an feinen ı | 
5 würdigern hätten fommen fönnen. E i 
Damon. Leander, joll ich es glauben? Sie haben mid Hintere 


wollen ? J 
Leander. Damon = = Sch habe Sie beleidigt. Leben Sie oh 
Damon. Leander, Hiebfter Leander! wohin? Berziehn Sie. 


10 Leander. Lafjen Sie mich, ich bitte Sie. Ih muß Ihr Angeficht fliehen, 
ich jterbe vor Scham. Es ift unmöglich, Sie fünnen mir nicht —* 
Damon. Ich Ihnen nicht verzeihen? O Leander, wäre Ihnen mit 
meinen Verzeihungen was gedient! Jaja. Es ift Ihnen ſchon alles ver= 
ziehen. Bleiben Sie da, mein Freund. Sie haben ſich übereilet. Und 
15 dieje Uebereilung hat der Menſch, und nicht der Freund, begangen. Ma⸗ 
dam, Sie find erzürnet auf Leandern? Ich ſchlage alles aus, wo Sie 
nicht mit mir alles wider ihn vergeffen. Wenn Sie ung trennen, fo werde 
ich nothwendig der unglüdlichite jeyn. Ich weis, wie ſchwer es ift, ein 1 
Freund zu finden. Und will man ihn fchon des eriten Fehlers wegen ver- 
20 laſſen, jo wird man Zeit Lebens fuchen, und feinen erhalten. | 
Ieander. Damon = = Ürtheilen Sie aus diefen Thränen, ob ich 
rühret bin? 
Die Witkwe. Wohl! Leander, Damon verzeiht Ihnen. Und ich w 
ſelbſt nicht, ob ich über ſeine Großmuth, oder über Ihre Reue, neh 9 
25 rühret bin. Lafjen Sie auch uns unfre Freundichaft wieder von um 
anfangen. D Damon, wie zärtlich wird Ihre Liebe ſeyn, da Ihre Freu 
ſchaft ſchon ſo zärtlich iſt! 
Oronke. Da war meine Freyerey alſo auch —— 
Damon. Nun, geſtehen Sie mir wenigſtens, lieber Leander, daß 
30 es etwas ſchwerer ſey, die Pflichten der Freundſchaft auszuüben, als von 
ihr entzücket zu reden. 2 J 
Leander. Ja, Damon, ich habe die Freundſchaft oft get, 
fie heute erjt von Ihnen kennen Iernen. 
Die Wittwe. Damon! Damon! ich befürchte, ich — ich 
35 eiferfüchtig werden. Keines Frauenzimmers wegen zwar nicht, aber b 
gewiß Leanders wegen! * 






















Alte⸗ Aun afer, 


Ein Luffpiel in drey Aufzügen. 
' vVon 


G. E. T. 5 


Non tu nune hominum mores vides? 
Dum dos sit, nullum vitium vitio vortitur. 
Plautus. 


* Berlin, 1749.* 


Perfonen 10 


Iungfer Phloin. 

Ieliv. 

Lileffe. 

Berr Pronfte und feine Frau. 

Berr von Schlag. Capitaine. 15 


Pefer.. 

Clitander. Lelios Freund. 

Kräuſel. Ein Poet. 
Berr Rehfuß. 


| Der Schauplatz ift ein Saal. 20 


Erſter M Aufzun. 


ai Erſter Aufteitt. 
* OBhldin. Berr Bronfe und ſeine Frau. 
vo ar Grillen, dazu wird man nimmermehr zu alt! 


ie denn? Wie lange iſt es, dab ich Sie nod) Bor 25 
ee fehn ? Wenn es 50, ein, — =jenu = 


8 nachdruc von 1770 "ak, oben S. 178, Anm.) ift zum Titel vere 
tiget er Jahre is. 


202 DPramafifiher Anhang. Pie Alfe Amgfer. 





Igf. Ohldin. Warum nicht achtzig gar? Wenn Sie mic für fo 
halten, was reden Sie mir viel vom Heyrathen vor? 

Br. Pr. Ey nicht doch! nicht zu alt! gar nicht zu alt! 54 Sal 
iſt just recht für eine mannbare Jungfer = = = Wenn die Dingergen Pi — 
5 heyrathen, jo werden auch die Kinder darnad) = = - 
If. Phi. Mit Ihren 54 Sahren = = - m 

Fr. Pr. Es ift wahr. Du irreft dich, mein Kind. Kanſt pc 
noch nicht einmahl jo alt jeyn. ; 
Br. Pr. Das jtünde mir auch an. Ich, und das Seculum, wi 
10 gehen mit einander. Darfit du dich etwan über mein Alter bejchweren? 
Bin ich nicht noch = = = E 
Fr. Pr. Gut! gut! Alſo kanſt du fie nicht, als ein Kind, gekannt 


















haben. 
Br. Pr. Ad = = was, Kind - E: 

SER If. Ph. Wenn Sie mir nicht glauben wollen; mein Taufſchet 
kan es ausweiſen, daß ich erſt auf Oſtern funfzig Jahr bin. 
Br. Pr. Was? Sie erſt funfzig Jahr? Ach denke, wer weis wi 
alt Sie. find. O! da ift Ihre Zeit noch nicht verflofien. Sara war IC 
Sahr alt. Und nah Ihrem Geſichte hätte ich Sie gewiß auch nicht fi fi 
20 jünger = = = 
7. — Ey! mein Geſicht - - mein Geficht == wem das vi 
ansteht - E 
Br. Dr. Wer jagt das? Ahr Gefihte hat noch feine Liebhab 
Würde denn ſonſt der Hr. Capitaine von Schlag? == - 
25 If. Dh. Was? von? iſt er gar ein Adlicher ? 
Br. Br. Ja freylih, und zwar aus einer der ältejten Sr 
Er jteht bey dem König vortreflich angejchrieben, der ihm auch in Gm 
den jeinen Abjchied ertheilt hat, weil er das Unglüd hatte, im r 
Feldzuge, zu fernern Dienften, untüchtig gemacht zu werden. Ri 
30 If. Ph. Untüchtig? = = - Nein, ich bejinne mich alleweile. 
mag ihn nicht. Wenden Sie fih an eine andre. Ich Fan nichts thun 
als ihn bedauren. — 
Br. Pr. Er mag aber feine andre, als Sie. Und verlangen © 
denn einen Mann, der ſtets zu Felde liegt? und der um Sie des Jahr | 
35 faum zwey Nächte ſeyn tan? Die abgedanften Dfficier find die beiten 


Ehemänner; wenn fie ihren Muth nicht mehr an den Feinden beweije 


N 
— 


Ten m, me ken tig re 


* ie u un 


1. Aufzug. 1. Auftritt. 203 





























 fönnen, fo find fie deſto mannhaffter gegen ihre = = = Doch ich fomme zu 
weit in Tert. Sie verjtehen mich doch nicht = = - 

If. Ohld. Ad = denft doch = = 

Br. Pr. So? verftehen Sies ſchon? Ich denfe - - - 

2. Ph. Ich denke, daß Sie mic nur zum Beſten haben wollen. 
Br. Pr. Oder Sie mich. Sage ich, Sie verjtehens, fo ift e3 nicht 
recht. Sage ich, Sie verftehens nicht, jo ift3 wieder nicht vecht. Ich ſehe 
F we pl, jo alt Ihr Köpfchen ift, jo eigenfinnig ift es auch. Wollen Sie, 
oder wollen Sie nicht? 
| U. Ohld. Behüts Gott! muß man fich denn gleich ärgern? Reden 
Sie ihm doch zu, Frau Oronte. 

B Fr. Pr. Du muſt, mein lieber Mann, ein wenig gelinder mit ihr 
ve ahren. Du wirſt es ja wohl noch an meinem Beyſpiele wiſſen, wie es 
einem Frauenzimmer iſt, wenn man ihr das erſtemal dergleichen Sachen 
vorſagt. 

I Dh. Ah, das eritemal - = das erſtemal - - Wenn ich hätte 
heyrathen wollen = - 

Br. Pr. Sie wollen alfo nicht? 

a. Dh. Daß Gott! Sie find auch gar zu jtürmijch = - Kan man 
ch denn in jolchen wichtigen Sachen gleich auf der Stelle entſchlieſſen? 
Br. Pr. Sa, ja. Man fan und muß. Gleich in der eriten Hiße. 
Benn die verdammte Ueberlegung darzu kömmt, jo iſt e8 auf einmal aus. 
Gott jey Dank! die Ueberlegung iſt mein Fehler nicht. Soll denn Ihr 
chönes Vermögen an lahende Erben kommen? In den Händen Jhres 
erſchwendriſchen Vetter wirds lange währen. Selbjt Kinder gemacht, 
1J yeiß man doch, wen mans hinterläßt. Sie kommen durch die Heyrath 
ein altes adliches Gejchlecht, Sie wiſſen nicht wie. Und wollen Sie 
um in die Grube fahren, ohme das überivdiiche Vergnügen de3 Che- 
ands geſchmeckt zu haben? 

AM. Ehld. Je nu, jo wäre mein Troft, daß ich auch feine Beſchwer— 
leiten nicht hätte ertragen dürfen. 

— — Fu Pr. D! die find bey der Luft, die er uns fchafft, zu dulden. 
td kömmt ein Baar zujammen, wie ich und mein lieber Mann, jo wird 
an wenig davon zu jagen haben. Nicht wahr, mein allerliebites Kind? 


Br. Dr. Ja. Das iſt wahr, mein Schätzchen, wir haben einander 


N 
+ 
Br 
9 





10 


15 


” 


20 


25 


35 


204 Dramakiſcher Anhang. Pie Alle Jungker. 





das Leben fo ſüſſe gemacht, fo anmuthig - - Wir find auch in 
Nachbarſchaft ein Muſter einer glüdlichen Che. — 
Fr. Pr. Wir find ein Leib und eine Seele beſtändig ger 
Br. Pr. Wir wiſſen von feinem Zanf noch Streit. Des einen 2 Be 
5 langen iſt eig auch * andern Wille geweſen. Ja, mein eng m 
Weibchen = — 1 
Fr. Br. Das iſt wahr, mein goldnes Männchen. J—— 
I. Ohld. Wahrlich, jo ein Baar macht einem den Mund ganz ie r ri 
Br. Pr. Und das nun fchon in die 26 Jahr. F J 
10 Fr. Pr. So einig, fo vertraut, wie die Täubchen-— E 
Br. Pr. Schon 26 Jahr. 
Fr. Pr. Du irrjt dich, mein Kind; erit 24. 
Br. Pr. Ey! wie jo? Zähle doch nad). | 
Fr. Dr. Ze nu ja. Vier und zwanzig Jahr, und nicht mel 
15 Br. Pr. Warum auch nicht? Bom Jahr Ehrifti, Anno 1724. 
weis es ganz eigentlich, ich habe es an meine Cabinetthüre *— e 
Fr. Pr. Cabinet-⸗-Cabinet = = Vortrefliches Cabinetſtückchen. J 
fehe wohl, dein einziges Vergnügen ift, mir zu widerſprechen. 
Br. Pr. D achte! Du jchreibit deine närriſche Gemüthsart a 
20 meine Rechnung. Das Widerjprechen eben ijt dein —— und zu me iner 
Unglücke nicht der einzige. 
Fr. Dr. Mein Fehler? Der unbeſonnene Mann! 
Br. Pr. Ich unbejonnen? unbejonnen? Was hält mich? 
Fr. Pr. Heyrathe Sie ja nicht, liebe Jungfer. So find die M 
25 alle; und der beite ijt nicht des Teufels werth. E 
Br. Pr. Was? Nicht des Teufels werth? Frau, ich — J 
Nicht des Teufels werth? 3 
Fr. Pr. Ja, ja. Er iſt des Teufels werth. i $: 
Br. Pr. Dein Glück, daß du wiederruffit! Von 1724 bis ı 
30 jollen nicht mehr als 24 Jahr ſeyn! bift du närrifh? | 
Fr. Br. Oder du? Zähle doch! 24 bis 34 find zehn Jahr. 341 
find zwanzig. 45. 46. 47. 48 find vier Jahr; find 24 Jahr. 
Br. Pr. Du gottlojes Weib. Nur, daß du wideriprechen win 
mich einmal zehlen. 24 bis 34 find zehn, 34 bis 44 find ziwanzic 
35 45. 46. 47. 48 find, find = = halt, ich habe mich verzählt. 94° 
find zehn Jahr, 34 bis 44 find auch zehn Jahr, das find jan 9 

















— * 































4. Aufmg. 2. Auffeiff. 205 


5. 46. 47. 48 = = Je verflucht! = = Nu Jungfer Ohldin, entſchlieſſen Sie 

ch Kurz. Was wollen Sie thun? damit ich nur von der verzweifelten 
Rechthaberin wegkomme. 

Fr Pr. Sie machen fich unglücklich, wenn Sie ihm folgen. Sprechen 
‚um Gottes willen, nein. 5 
A. Ehld. Ach, meine liebe Frau Oronte, man merkt ren Un: 
— t gegen Ihren Mann gar zu deutlich. 

J Br. Dr. Du böſes Weib! du willſt mir auch meinen Recompenz zu 
Bafer machen. Jungfer Ohlden, erklärt! erklärt! 

— U. Ohld. Je nu-⸗⸗Ja--Wenn-— 10 
Br. Pr. Ad! was wenn? Sie fünnen die Bedingungen alle mit 
ven den annehmen. Ich habe aljo Ihr Wort, und meinen Zwed erlangt! 
ut. Wieder 50 Rthlr. erworben! 


h Bweyfer Auftritt. 
Be Iungfer Phloin. Frau Pronte. 15 


Bil. 
a Phi. Er geht fort, und eine halbe Antwort = - 
— Er, Pr. Gefangen waren Sie! Sp ein unvernünftiger Mann; wenn 
an ihm einen Finger giebt, nimmt er die ganze Hand! 
- IM. Ehld. Je nu== Wie Gott will. ! 
Me. Pr. Behüts Gott! Sie werden doch das nicht thun! Ich will 20 
m — nachlaufen, ich will ihm nachlauffen. 
M. Phi. Nehmen Sie mirs nicht übel. Sie ſuchen doch alle Ge⸗ 
— ten, ſich mit Ihrem Manne zu zanken, vor. Das iſt gar nicht hübſch. 
= Pr. Ad, ich jehe wohl, der Narr iſt Ihnen auch in den Kopf 
Sie denfen wer weiß was für — bey einem Manne 25 
ö a 3 Unglü hat Sie jo lange verjchont = 
F a Ohld. Ach! pap! pap! pap! Wenn man ſich das Unglück nicht 
ber zuzieht. Der Mann iſt einmal Herr - 
— r. Br. Und der muß Ihnen ſehr thun. Leben Sie wohl. 
en ir — Sie wollen. | er a 30 


* 


206 Pramalifcher Anhang. Die Alte Yungfer. 





Er 


Dritter Aufkriktk. 
Iungfer Phldin, hernach Liſekke. 


If. PhD. Die neidifche!- Nu, fo will mich doch der Himmel auch 

einmal erlöfen. Ich zittre ganz vor Freuden. Ach wie fauer wurde mie 

5 das Sa. Gott jey Dank, daß e3 heraus it! s 4 | 
Lifeffe. Was war denn das wieder für ein Bejuch? Nicht wahr 

Herr Oronte wollte Geld borgen? 

If. Ph. Die Närrin denkt, bey mir jey ſonſt nichts, als nur d as 

leidige Geld zu ſuchen. 

10 Lleffe. Nu, einen Freyer hat er Ihnen doch wohl nicht — ht‘ 

Obgleich jeziger Zeit die Freyer auch zu einer Art von Geldborgern q 

worden find. Ueber dergleichen Enge find Sie weg. Es ift au wahr 

der Eheſtand ift eine rechte Hölle - $ 

7. Ohld. Gott behüte ung! Sifette bedenfit du — was du ſagte t? 

15 xXiſetke. Nichts, als was Sie unzähligmal geſagt haben. Ach, daſ 

mich doch niemand will in die Hölle hohlen! So lange hätte ich nimmer: 

mehr Gedult, als Sie. Und wenn Sie nicht bald darzu thun, fo — 



















zu ſpät. 
If. Ohld. Bu ſpät-- unvernünftiges Menſch! Wie alt bin ich der 
20 Tifefte. Für mic) ift das feine Rechnung. Ich fan nicht bis ni | 
zählen. 


%. Ph. Bloß deine dumme Spötterey könnte in zu was bringen 

was dir und meinem Vetter nicht lieb jeyn würde. — Kr 

Xxiſelte. Sachte alfo! Sachte! Ich könnte fie vollens deſperat madheı 

25 I. Ph. Kurz, ich heyrathe. Der Herr Capitaine von — Ja 

fih alleweile durch Herr DOronten bey mir antragen laſſen. De 

ihm mein Jawort gegeben, und ich hoffe, die Sache joll Pe noch ri 
werden. 

Lifeffe. Unvergleihliher Traum! Er muß Ihnen die vorige — 

30 jehr anmuthig gemacht haben. Wie legen Sie jich, wenn Sie jo trä 

wollen? Auf den Rüden? auf den Bauch? oder = = = 

If. Ohld. Narrenspofjen bey Seite! Was ich gejagt, iſt abe, 1 

ich gehe io den Augenblid, meine Wechjel und Documente in Dre & 

zu bringen. —— 


1. Aufzug. 4. Auftritt. 207 













xXiſekke. Daran thun Sie jehr wohl. Denn die geht die Heyrath 
doch wohl mehr an,.al3 Sie: - 
77. Ohld. Schweig! grobes Ding! 


Vierker Auftritt. 
Lileffe, und hernach Teliv. 


xXxXiſelte. O! allerliebite Post für ihren Vetter! Ob er denn in feiner 
Stube ift? Herr Lelio! Herr Lelio! Die Männerſucht ift doch eine recht 
vejentliche Krankheit des Frauenzimmers. Es mag jo jung, oder jo alt 
eyn ala e3 will. Ach = = ich befinde mich in der That auch nicht gefund. 
Lelio! | 10 
Leliv. Was giebts? Ey, Mademoijelle Lijette! Ich dächte, mein 
ärechen, du hätteft dich können zu mir in meine Stube bemühen. 

Lifeffe. Ergebene Dienerin! Das hiejje fich zu weit in des Feindes 
inder wagen. Der Platz bier ijt neutral. Hier fan ich Ihren Anfällen 


Qt 


15 
_ Yelio, Ach! Wer nur den Angriff wagen will, gewinnt dich aller Orten. 
Tifeffe. Schade, daß e3 niemand hört. Sonſt würde ich Ihnen für 
ütig Recommendation danken. Doch zur Sache! Ich habe Ihnen eine 
ht bejondre neue Neuigfeit zu jagen. 
— Ieliv. Gut! daß du auf das Kapitel von Neuigkeiten kömmſt. Ich 20 
(be dir auch was jehr drolligtes daraus mitzutheilen. 
 — Tlefte. Meines ijt doch wohl noch drollichter. 
Leliv. Unmöglih! Was wetten wir? 
4 Liſette. Schade auf das Wetten! ich befomme doch nichts von Ihnen. 

J Leliv. Ey. Du * närriſch. Warte nur, bis meine Muhme ſtirbt. 25 
Yeti. O, die hat noch viel vor ihrem Tode in willens. 
Lelio. Du redſt, al3 wenn du jchon wüßteſt, was ich dir jagen wollte. 
| — Nu? Nur heraus! was iſt es denn? 
Lelio. Laß nur erſt deine Neuigkeit hören. 30 
Ar er Nu jo hören Sie. Ihre Muhme = - 
Lelio. Meine Muhme = - 
te, * heyrathen. 


208 Pramafifcher Anhang. Die Alte Yungfer. 





















Leliv, Will heyrathen. Das wollte ich dir auch jagen. Wo, Henker, 
haft du es ſchon her? Nur den Augenblik hat mir es die Frau DO nte 
gejagt, die mir auch allen möglichen Beyjtand, es zu hintertreiben, perfpra ach. 

Vſette. O! in dergleichen Entjehlieffungen find die alten Jungfern 

5 zu hartnädig. SR 

Ieliv. Aber was, Henker, werden meine Creditores darzu ſag en? 
die mir mit 12 Procent fo hriftlich ausgehoffen, in Hoffnung, daß ich einf 
ihr Univerfalerbe werden würde. Be 

Lifeffe, Das ift der Creditoren Sorge. Was befümmern Sie fi y 
10 darum? J 
Xelio. Um die, die es ſchon find, iſt mir nicht ſehr Leid. Sondern 
um die, die es etwan noch werden follten. Auf was werde ich die ver- 
tröften können? De 
Lifetfe. Nur auf nichts gewifjers, als Ihre Erbſchaft; ſonſt (ma 

15 Sie Gefahr, daß Sie fie einmal bezahlen müfjen. ‚dd 


Fünfter Aufteift. 


Lelio. Tifeffe. Pefer, (mit einem Korbe Gebadens.) 


Peter. Holla, ihr Leutchen! Kauft ihr heute nichts? e: 
Liſette. Nichts, das mal, Peter. En | 
20 Peter. Mafronen, Krafttörtchen, Zuckerbretzeln, Spritzkuchen; nich jt: 
Liſette. Nichts. Nein. 
Peter. Gar nicht3? Herr Lelio, für das Naſchmaul— Matkrone 
Krafttörtchen, Zuckerbretzeln, Spritzkuchen. 
Lelio. Pack dich! Ich habe heute kein Geld! | 
25 Peker. Rauffen Sie immer. Mafronen, Krafttörtchen, Bude 
Sprißfucen. 
Teliv. Ich werde bald eine Erbichaft thun. Willt du mir je 
borgen, jo nehme ich dir deinen ganzen Korb ab. Be 
Peter. Ha! Ha! Sie kommen auf des Herren Capitains Sprüng 
30 Der kaufte mir gewiß auch alle Tage ab, wenn ich nur bis nad) fe 
Heyrath mit dem Gelde warten wollte. Aber, ihr Herren, jo was fı 
fi) wohl gut, doch läßt ſichs ſchwer verahlen wenn man es 
Schmeckt. Co 


1. Aufzug. 5. Ruftrift 209° 































1 Relio. Was iſt das für ein Eapitaine? 

—J Pen. Se der, er wohnt drey Treppen hoch, interne. 

Leliv. Wo denn? 

oe Er, Da, oben in der breiten Strajje. Es ijt eine kleine Stube, 

a it einem Fenſter. 5 

xviſette. Nu, wiffen Sie denn noch nicht genug? Der Capitaine, 
der breiten Strafje, drey Treppen hoch, hintenraus, in einer Eleinen 

mit zwey Fenftern. 

 Pefer. Ja, ja. Ganz recht. Eben der. ä 

Ieliv. Wie heißt er aber denn? Narre. 10 

E ter. Se, wie er heißt - = Er heißt = - warten Sie = = ich werde 
tich wohl bejinnen. Sein Hund heißt Judas. Es ift jo ein grofjer gelber 

teifcherhund = = dag — ich. Aber er = = er heißt = = von Prügel-⸗-nein-— 

in Stoß = = nein = = ha ha = = Schlag, von Schlag. Der Herr Capitaine 

n Schlag. 15 

ke Teliv. So fennft du den? 

in Beer: Warum nicht? Auch jeinen Bedienten habe die Ehre zu 

. Denn der ijt meiner Mutter Tochter Mann. Und two ich mich 
irre, jo find wir gar Schwäger. 

Aiſelte. Je Beter, jo könnteſt du uns einen grofjen Dienjt thun. 20 

* Pelter. Top! Wenn er mir was einbringt, ſo iſt er jo gut als ge— 

nm. Laß hören! Er jest feinen Korb weg.) 

xiſette. Weiſt du, wen der Herr von Schlag heyrathen will? 

Bi Bee. Die Ben die beite; wenn fie nur Geld hat. Ach glaube, 

ihme dich. Aber = | 25 

 Tirette O! Ich will ſchon ſehen, daß ich mich anderwärts ohne das 

— Kurz er will unſre alte Jungfer heyrathen. 

7 Peter. Ja er will - 

iſelke. O! ſie will au 

Peer, Deſto beſſer. Die Sache iſt alſo richtig. Und ich habe künftig 30 

1K * an mehr. 

. Ja, Narre, aber wir wollen nicht.. «Cie macht ſich über ven Korb.) 

Nu gut, ſo wird nichts draus. 

Leliv. Zu wünſchen wäre es, und ich verlöhre meine Sofa nicht. 
Bit. gar halhal 35 

Lelio. Was lacht du? | ch 
effing, ſamtliche Sceiften. IM 14 


210 Pramaliliher Anhang. Pie Alte Jungfer. 





















Peter. Ha! ha! Steht Ihre Erbichaft auf Freyers Füſſen? Gu 
daß ich meine Mafronen noch habe! Aber, was wollteft du mir jagen 
Lifette? (Cr fieht, daß fie naſcht) O! mein Blut, du wärft mir die rechte! | N 
weg! Sch werde ankommen bey meiner Frau. Sie hat mir alle Stü - 

5 zugezäblt. (Er jest den Korb auf die andre Seite.) J 

Tifeffe. Narre, ich will koſten. Vielleicht kauffe ich was, wennen 
ſchmeckt. Nu, höre nur. Mache dir doch einen Weg mit deinem Kran © i 
(Sie geht auf die andre Seite) ZU ihn. J 

Peker. Wärſt du nur ſtehn geblieben, Liſette. Ich Fan auf je 

10 Ohre jo gut hören, als auf dem. er jegt ven Korb wieder auf die anbre Be 
Nu, was fol ich denn bey ihm, er kauft mir ja nichts ab. | 

Tifetfe. Könnteſt du — etwan mit einer geſcheiten Art — 
Heyrath zu reden komme 

Pekter. Auf eine gefcheite Art? Zweifelſt du daran? Der Henker 

15 ich weiß ſolche ſchöne Mebergänge = = zum Exempel = = er ſpräche: ich bra— . 
nichts von deiner Waare, Peter. So würde ich etwan jagen = - Ja, wa 
wollte ich jagen ? = = Je nu, ich würde jagen: nicht3? gar nichts ? —* te 
Sie Gott = = und ginge wieder meiner Wege. E- 

Tifefte. Narre, was hättet du denn aljo von der Heyrath mitt £ in 

20 geredet? Und nicht allein das ſollſt du thun, fondern du follft auch ſeh 
wie du ihm unfre Jungfer aus dem Sinne bringjt. Wir wollen dir au 
deswegen die dazu gehörige Freyheit geben, ihr alle Schande — ſte 
nachzuſagen, wenn es nur was hilft. J 

Ieliv. Der Einfall wäre nicht dumm, aber der, der * ausführen 

25 ſoll, iſt deſto dümmer. — 

Peter. O, nein. Sie irren ſich, Herr Lelio. In ſolchen Sachen hab 
ich was gethan. Nur eine kleine Probe zu machen. Geſetzt, Sie wäre 
der Herr Capitaine. Was, würde ich ſagen, Sie wollen heyrathen? we 
hätte ſich das ſollen träumen laſſen? Sie, der ſonſt ein ſolcher Verächt 

30 des Eheſtands = = zwar, nein, das wäre nichts. Es iſt nicht wahr. ( 

hätte lange gern geheyrathet. = = = Aber fo = = Wa3? die alte Jungfer w vo 
fen Ste heyrathen?--Nu, nu es iſt nicht übel, fie hat wacker viel Gel 

Liſette. Ey, du wärjt uns der rechte! Geh, geh, ich ſehe ſche 
iſt mit dir nichts anzufangen. * 

35 Peker. Ey, wie jo? Haft du mich doch noch nicht peobic. 
glaubjt du, daß es was helfen würde, wenn * ſagte: das — 


a 


2. Aufzug. 1. Muffeiif. 211 

















* wollen Sie heyrathen? Sie ſieht ja aus, als wenn ſie ſchon drey 
Er im Grabe gelegen hätte. Die wird Jhr hochadliches Gefchlecht weit 
Be lansen. Und, im Vertrauen gejagt, man fpricht gar, fie wäre eine 
Here. Ihr Reichthum, von dem man fo viel Redens macht, find Lauter 
glüende Kohlen, die fie in großen Töpffen hinter der Kellerthür ſtehn hat, 5 
und wobey ein großer ſchwarzer Hund Wache Liegt. Einer mit feurigen 
Augen, mit ſechs Reyhen Zähne, mit einem dreyfachen Schwanze = - 
Lifeffe. Ach, behüte uns Gott. Mit einem drepyfachen = = Kerl! du 


me hit einem mit deinen Reden zu fürchten, daß man des Todes jeyn könnte. 
(fie macht fich twieder über den Korb.) 10: 


{ Peer. Ho! Ho! Und bey ihm würde das alles nichts helfen. Laß 
dich unbefümmert, würde er jagen. Ich will jchon jehn, daß ich mich des 
Schatzes bemächtige. So gut ich in Schlefien oder Böhmen, wenn der 
Bauer fein bißgen Habfeeligkeit noch fo tief vergraben hatte = - 
xiſette. Mir fällt noch was beffers ein. Das wird gewiß gehn. 15 
i Peter. Nu was? bat dich der Teufel jchon wieder übern Korbe? 
Ih muß ihn nur wieder umhängen. 

Lifeffe. Sey fein Narre, er wird dir ja zu jchiwer. 

Peter. Nein. Nein. Wenn ich ihn zu lange jtehn lieſſe, möchte er 
gar zu leichte werden. 20 
% Uſelte. Ich weiß, daß unjre Jungfer den Herrn von Schlag noch 
nie gejehen hat. Ich dächte, wenn du dich für ihm ausgäbft = = = 

J Lelio. Ich verſteh dich, Liſette. Das iſt vortreflich ausgeſonnen. 

1 Peter. Ich verfteh noch nichts. 

xilette. Kommt fort, wir wollen die Sache an einem fichern Orte 25 


berlegen. Hier möchten wir überrajcht werden. 
Ende des erften Aufzug3. 





| Zweyker Aufzug. 
Erſter Auftritt. 


Lifeffe. Lelio. 30 


0 Kifkeffe. Sorgen Sie nicht. Ih glaube gewiß, daß unfre Lift gut 
blaufen wird. 


212 Pramafiliher Anhang. Die Alle Jungker. 





Lelio. Jch will es wünschen. Gewiß, ich würde dich es 

laſſen. Und vielleicht heyrathete ich dich gar. A * 2 
xiſelte. Davon zu einer andern Zeit. Aber wie feit ibe fe don da 
Heyrathen im Kopfe ſtecken muß, das fünnen Sie daraus jehn. Sie da 

5 den Augenblid nach einem Schneider, nad) einem Spien — 
Aufſetzerin, und nach einem Poeten geſchickt. | +2 AR 
Ieliv, Was joll der Boete? a 4 

. Kifeffe. Als wenn eine Hochzeit ohne ein Carmen vor a 

fönnte ? Er ſoll es in feinem oder eines andern Nahmen machen. * “ | 
10 fie hat ſchon einen alten Gulden parat gelegt. — 















Zweyler Nufkrikk. 
Clifander. Lelio. Liſetke. 


Clit. Dein Diener, Herr Lelio! Wie befindeſt du dich? Iſt dir die 
geſtrige Motion wohl befommen? Haft du ausgejchlafen? Wirjt du * 
15 wieder in der Geſellſchaft ſeyn? Biſt du heute noch nicht auf dem Caffe ee— 
hauſe geweſen? Wie ſchmeckte dir der Wein? Hatte ſich Valer a 
artige Brumette ausgelejen? 
Teliv. Sind das nicht eine Menge Fragen, und Bir halt aut 
Compliment noch nicht beantworten laſſen. i 
20 Cuit. Zum Henker, ich treffe euch ſchon wieder beyfammen allein: 
an? Lelio! Lijette! daraus Fan nichts gutes fommen. Aber was fehlt i . 
Lelio? Du fiehft mir ganz, ganz, ich weiß nicht wie, aus. Du brauc 
eine Ermunterung. Komm mit. Ach, bey Gelegenheit, es ift gut, | 
ich daran gedenfe; weißt du, wer das Frauenzimmer war, das ung gej 
25 im Garten begegnete? Gefiel fie dir nicht? Wollen wir nicht misder de 
hin gehn? Vielleicht treffen wir fie. 
Teliv. Willſt du mir nicht jagen, auf welche Frage ich bir zu a 
antworten ſoll? oder foll ich Lieber gar feine beantworten? F 
Tifeffe. O, mein Herr, wir haben jezo gar nicht Beit, Ihrem G € 
30 plaudre zuzuhören. er 
Clit. So? Sollte ſich diefe Wahrheit nicht etwas höficher 
drüden lafjen? Sind eure VBerrichtungen jehr dringend? * du mir n 
neues zu erzählen, Herr Lelio? EN 


2. Aufmg. 2. Rufkrilt. u. 908 



















Leliv. Ad ja. Und zwar etwas neues, das mich jehr nahe angeht. 
Clit. So? Aber weift du ſchon, daß unfre Freundin, Clarice, eine 
» cant iſt? Geſtern iſt es richtig geworden. 
Lelib. Willſt du alſo meine Neuigkeit nicht hören? 

— an Erzähle, erzähle. Ich höre ungemein gern was neues. Nur 5 

Ri - Ieliv. Du fängjt jchon wieder von was anderm an. Kann ich doch 

nicht einmal die vier Worte vor dir aufbringen: Meine Muhme will hey: 
an Hal ha! ha! 10 
Leliv. O! wenn du an meiner Stelle wäreſt, du würdeſt gewiß 
ht lachen. 
\ Clit. Ha! ha! ha! Du beſchwerſt dich, daß ich ſo viel rede, und 
neulich war ich in einer Geſellſchaft, wo man mir Schuld gab, ich rede 
zu wenig. Ha! ha! ha! Wenn redet man denn weder zu viel, noch zu 15 
n ig? Das iſt lächerlich! ha! ha! ha!--Aber wollteſt du mir nicht 
was neues jagen? Was war es denn? | 

iſelle. Wenn Sie nur nicht jo gar fehr mit fich jelbft befchäftiget 
wären, jo hätten Sies längſt gehört. Seine Muhme will heyrathen. 
Cui. Iſt es ſchon gewiß? Lelio, du macht doch auch, daß ich auf 20 
ie Hochzeit komme? Hat fie den Wein ſchon dazu gekauft? Iſt er gut? 
Lelio. Wenn du als ein Freund an mir handeln wollteft, jo wür- 
ft du mir lieber einen Rath geben, wie ich etwan diefe unglüdliche Hey— 

ih hintertreiben könnte. 
2 Clit. Wie jo? | | 25 
Leliod. Je meine Erbſchaft geht damit zum Teufel. 
Cuit. O! dem ift bald abzuhelfen. Laß dir die Erbichaft voraus 
eben. Die Muhme mag alsdann machen, was fie will. | . 
Aihelte. Herr Lelio! müſſen wit nicht dumm ſeyn. Es iſt wahr. 
2 if das beſte Mittel; und wir find nicht drauf gefallen! O es Iebe 30 
r Verſtand! 
| ent. D mein Kind, du bijt nicht die erfte, die mir es — daß 
F glücklich in Rathſchlägen bin. 
ug Gewiß! Ihr Rath hat nicht mehr, als den einzigen zehler, 
r jehr abgeſchmackt iſt. 35 
J * Wenigſtens ſollte ich denken, daß er doch den Stoff zu 


214 Dramakiſcher Anhang. Die Alle Iungfer. 
















einem befjern geben fünnte. Aber wo ift deine Muhme? Sch muf 
nothiwendig zu der wohlgetroffenen Wahl Glück — —* 
nehmen? * 
Tifeffe. Sie können fie ſelbſt fragen. Ich höre Ken 
5 Sie wird es ohne Zweifel ſeyn. Kommen Sie, Herr Lelio, ges mi ıö 
unjrer Anweiſung nöthig haben. 
Ieliv. Wenn du mit meiner Muhme jprechen willſt, ſo thum 
Gefallen, und nimm ſie recht herum. 
Ct. Das würde ich ohne dein Erinnern gethan Haben. | 
10 ein Meifter in beifjenden und feinen Satiren. Und wenn du wit 
will es jo toll machen, daß fie zerplagen joll. 5 
Ieliv. Deſto befier. 


Drikker Auftritt. 
Clifander. Iungfer Phloin. | 


15 Clit. Mademopijelle, Jungfer Braut, Madam = = wie Teufel ft 
Sie nennen? Iſt es wahr, oder ift es nicht wahr, dab Sie hey -att — 
wollen? 

If. Ohld. Ja. Es iſt alferbings wahr. Wer kann wider sei 

jal? Ich verfichre Sie, Herr Clitander, e3 iſt eine ganz sefnben 8 
20 jehung dabey gewejen. Ich hatte an nichts weniger, als an einen 

gedacht, und plötzlich— — 

Clik. Und — iſt Ihnen der Appetit idee 

Af. Ohld. Sie fünnen gewiß glauben, daß es mein Betrieb gar n 

gemwejen it. Die Heyrathen werden im Himmel gejtiftet, und we 

*25 jo gottlos jeyn, jich hier zu mwiderfegen? 

Clit. Da haben Sie recht. "Die ganze Stadt lacht zwar über € 

aber das ijt das Schidjal der Frommen. Kehren Sie fich nicht da 

Ein Mann ijt doch ein ganz nüblicher Hausrat. Be * ; 

If. DPhld. Sch weis nicht, worüber die Stadt lachen folkte, 

30 eine Heyrath fo was lächerfiches? die gottlofe bbſe Stadt! J 

Clit. Sie thun der Stadt unrecht. Sie lacht nicht dari über 

Sie heyrathen, jondern, daß Sie nicht Pr vor 30 — 

haben. = — 


Ni 


2. Aufzug. 3. bunden | 215 



























{ 2 If. Phld. Fit das nicht närriſch. Bor dreyßig Jahren! Bor dreyßig 
Jahren war ich noch ein Kind. 

= Clit. Aber doch ſchon ein ziemlich mannbares. Denn Ihr Gejchlecht 
= Bi das Vorrecht, daß man ihm diefe Benennung fehr Lange läßt. Zum 
Senker, wenn ich in Sie verliebt wäre, würde ich Sie doch wohl noch itzo 
mein Kind heiſſen. Aber, Mademoijelle, das will ich ohne meinen Scha= 
den gejagt haben. Glauben Sie nicht etwan, daß ich es bin. 
0 Ahld. Ich würde mir auch wenig darauf einbilden. So ein 
‚wilder, leichtfinniger, unverjtändiger = - 

Ci. D der Beritand fümmt nicht vor den Jahren. Danfen Sie 
3 Ihren Runzeln, wenn er jchon bey Ihnen jollte eingezogen ſeyn. 
2. Ph. Meinen Runzeln? Sagen Sie mir nur, durch was für 
Unglüd ich heute in Ihre Hände komme? Meinen Runzeln? = = Jch 
ſoll Ihnen vielleicht mehr glauben, al3 meinem Spiegel? Jch bin gewiß 
‚die erite Braut, der man jo eine niederträchtige Grobheit jagt! 

| Ct. Es würde fonjt feine Kleine Beichimpfung für mic jeyn, wenn 
ich nicht wüßte mit einer Braut umzugehen. Aber bey Ihnen hat e3 
te Ausnahme, Und ich wäre höchſt jtrafbar, wenn ich Ihnen das ge: 


) will ein übrige an Ihnen thun. Wenn Sie mich auf Ihre Hochzeit 
b Bitten wollen, jo verjpreche ich Ihnen einige neue Tänze, etliche Dutzend 
verliebte Ausdrüdungen, gegen Ihren Bräutigam, und unterfchiedene neu- 
modische zärtliche Blicke zu lehren. Denn in allen dreyen fünnen Sie nicht 
Q inders, als ſehr ſchlecht, beſchlagen ſeyn. Ich will Sie auch zum Ueber— 
— mit einigen artigen Frauenzimmern, die meine guten Freundinnen 
ſind ‚ befannt machen, von denen Sie das Geſellſchaftliche gar bald lernen 
J 
A. Dhld. Das mögen auch die rechten ſeyn, die ſich mit Ihnen be— 
annt machen. Die müſſen gewiß den Männern nachlaufen. 
ik. Je nun, die zehnte hat die Gabe nicht, jo lange zu warten, 
wie Sie. Ein Mann geht jeine Strafje fort. Er jtößt bey jedem Schritte 
ö n ein Frauenzimmer an, das er befommen fan. Die fi) von ihnen 
num nicht ein wenig hervorthut, die bleibt dahinten. Und fo ift es Ihnen 
ga mgen. Doch, mit der Moral beyſeite. Ich will mich um Sie und Ihren 


zen Yen 


+ 7— 


10 


15 


t singe artige Wörtchen, die geringite galante Tändeley vorjagte. Doch 


20 


räutigam verdient Ber Lafjen Sie jehen, ob Sie eine Menuet tan 35 


216 Dramafifcher Anhang. Die Alte Iungfer. 




























A. Ohld. Wie weit wollen Sie Ihre Poſſen noch treiben? 
art, Machen Sie feine Umftände. Sie follten mir es noch 2 ar 
wiſſen. Bi 
If. Ph. Daß Sie neue Gelegenheit zur Spötterey —— F 
5 Clit. Zum Henker, Sie haben ja einen rechten artigen Su 
Tanzen. er hebt ihr den Rod ein wenig in bie HB.) | KA Be 
I. Ohld. Schämen Sie ih. Sch bitte Sie. EEE — E 
Et. Was brauchen Sie für alte abgejegte Wörter? Schäm 
num ſchon über hundert Jahr nicht mehr im Gange. Friſch! Wir wol 
10 nur erjtlich ftückweife gehen. Wie machen Sie das Compliment? 
If. Ohld. O Ihre Dienerin! ſo weit laſſe ich mich nicht zum b 
haben. (hier macht fie eine VBerbeugung.) 
Clik. Sch jehe wohl, ich muß mid an Ihre That, nig ann 
Worte fehren. Das Compliment war: nicht uneben. Aber, — : 
15 doc den Rod ein wenig in die Höh. Sch fan ja nicht. jeben, was 
unten vorgeht. 
Af. Ohld. Es iſt wahr, der Rock iſt mir ohnedem ein — a 
lang. Sch muß wenigitens fo viel laſſen wegnehmen. die zieht ihn ein ie . 
die Höh.) — 
20 Clit. Der Teufel, was für ein Fuß! Schade, daß er nicht an einem 


jungen Körper iſt! Machen Sie nun einmal ein Pas. 
If. Ohld. Mein Herr Clitander, ich muß es Ihnen geftehen. : 
Tanzen ijt mein Werf gar nicht, und mein Abjchen davor iſt nicht geri J 
Anſtatt ein Paar natürliche und feſte Schritte zu machen, cite geht ein Pam 
25 Schritte) ziert man fi, und macht ein unfinniges Pas. fie macht 
Pas) Was für eine Thorheit! EN 
Clikt. Aber, bey meiner Seele, die Thorheit läßt Ihnen nicht ſchle ch 
Und alfo können Sie ſchon tanzen. Und eben fo viel, wie ich. O! da ha 
gute Sache. Sie fünnen den Hochzeitabend ſchon mit herumjpringen N. ) 
30 If. Ohld. Das möchte wohl nicht gejchehen, und der Herr Eapita 
von Schlag wird das auch wohl nicht von mir verlangen. Be Br 
Ct. Was haben Sie mit dem Hundsfott zu thun? Was | 9 
Capitaine von Schlag? Bekomme ich den einmal unter meine Här 
Ich will dich mit ehrlichen Leuten fpielen lehren, und fie nicht beza 
86 I. Ohld. Sachte! ſachte! Sie wiſſen vielleicht noch nicht, d 
der Herr Capitaine von Schlag mein Bräutigam iſt. | 


2. Aufzug. 4. Rufkrilk. 217 





Clit. Was? Die nadigte Maus? Ihr Bräutigam? Der Lumpen— 
d, ift mie num fchon jeit drey Monaten 25 Stück Ducaten ſchuldig, 
—* ihm auf dem Billard abgewonnen habe. Wie kommen Sie zu dem? 
If. Ohld. Herr Oronte, bey dem er im Haufe wohnt, iſt der Freyers— 
ann geweſen. Und ich bitte, reden Sie ein wenig bejcheidener von ihm. 
















— 


fer ft. Und der Teufel joll mich holen, wo er Sie eher ehlichen darf, 

3 ich mein Geld habe. 

I. Ohld. Das wird er Ihnen nicht vorenthalten 
3 af. Ey ja. Wenn ich fein einziger Schuldmann wäre. Aber, ich 
b ie wenig jagen, es jind ihrer gewiß jo viel, als ich, er und Sie Haare 
auf dem Kopfe haben. 

* AM. Ehld. Behüte mich Gott! das hat mir Herr Oronte nicht geſagt. 
— Clit. Ich will itzo den Augenblick hingehen. Ich will ihm die Hölle 
jo heiß machen. Er foll fich wohl unterjtehen, ein ehrliches Frauenzimmer 
hinter Licht zu führen. 

If. Ohld. Seyn Sie nicht jo hitzig. Verziehen Sie. Ich bitte. Ich 
will jelbft, wenn es nicht anders ift, die 25 Ducaten = = - 
U. Laſſen Sie mich. Eh der verfluchte Kerl Sie heyrathen, und 
fi mt Iorem Gelde breit machen joll = = eher = ja eher will ich ſelbſt in 
nen ſauren Apfel beijjen, Lieber will ich felbjt die Mühe über mich 
en, und Gie heyratben. Leben Sie wohl unterdejjen. 


Wr 


— * Gr 53 — —* 
Sag Ba: 
nie nö. er 


Vierker Aufteikt. 
Jungfer Phlbin. 


us baß Gott! wie geſchieht mir! Müſſen denn alle Vorſchläge, 
zum Heyrathen gethan werden, vergebens ſeyn! Das iſt nun 
n über das a mal! Aber der Herr Eapitaine ſoll doch jo ein 
tiger Mann jeyn. = = Ye was jchadet es? wenn er auch was fchuldig ift. 
t fan das Geld doch nicht mit ind Grab nehmen = - Und wer weis, 


Be! Es bleibt dabey, ich behalte ihn. Und ift es nicht einerley, 
ob ich ihm, oder meinem Yüderlichen Vetter, das Vermögen gebe? Er 
cat 3 t mie vielleicht wieder geniefjen, aber mein Better = = = 


) 
24 


Clit. Ey, was? Hören Sie, Mademoifelle, ich lege auf Ihre Perſon 


10 


15 


* jo arg iſt, als es Clitander macht. Ach der liebe Herr Capitaine 30' 


918 Pramatiliher Anhang. Pie Alte Jungker. 























Fünfter Auftrift. 
Vungfer Phldin, Tifelfe, Herr Kräuſel und ver Schneider. Re: 
Tifeffe. Jungfer, hier bringe ich Ihnen zwey Leute, nach dene 
gefehiekt haben. Der Herr Schneider, und der Herr Poete. * 
5 If. Ohld. (Bum Poeten.) Willkommen Meiſter Schneider! Gum © 
Gedulden Sie fich einen Augenblid, mein lieber Herr er 6 
erjtlich ihn abfertigen. r 
Br. Kräuf. Was? mich einen Schneider zu heifjen? Was i den 
Sie? Himmel, welcher Schimpf! Einen gefrönten Poeten für einen Sch 
10 der anzufehn? Br: 
Per Schn. Und was? Einen sheriäien Bürger und Meifter f 
einen Poeten anzufehn? Für jo einen Müpiggänger? Halten Sie b 
für feine Injurie? 3 
Vſette. Sacdte, ihr Leutgen, jachte. Sie fennt euch nd) nich 
15 Br. Eräuf. Ey was? Ich ein Schneider? 
Per Sıhn. Was, ich ein Poete? 2 
Br. Kräuſ. Laffen Sie ſich das Gedicht von ihm machen, 
fan. Adieu. 
Der Schn. Lafjen Sie ſich die Kleider von ihm machen, wenn 1 
20 fan. Adien. J— 
Lifeffe. Warten Sie doch. Wer wird ſich um ein Verſehn glei 
fo ärgern. Sie find beyde ehrliche rechtichaffene Leute, die man - 
behren fan. 
Br. Kräuſ. Einen Mann, der Tag und Nacht mit den gött id 
25 Muſen umgeht, einen Schneider zu heiffen? Das ift unerträglich! 8 iſſ 
Sie mich fort. (geht a6, / J— 
Der Schn. Ein Mann, der wohl fürſtliche Perſonen sie 
ſoll fich einen Poeten ſchimpfen laſſen? Sch verfteh meine Brofeffio 29 
wird mir niemand was übels nachzujfagen haben. Und ich will den © S hin 


30 gewiß auch nicht leiden. Wir wollens jchon ſehen; wir wollens * 
(geht a6.) | Rd 


r — 


Sechſter Auftritt. — 

Taf. Ahldin, Tifeffe und Br. Kräulell. 

If, Ph. Sind das nicht Narren! Sch fan es = Gott f betr ure 

35 daß ich fie nicht gefannt habe. A: 





2. Aufzug. 6. Auftritt. 219 









y J  Kileffe. O der Poete ijt nach Brodte gewöhnt, der fümmt wieder. 

Da haben wir ihn! 
= Br. Kräuſ. Der Klügſte giebt um Und diefes bin ich. Sch habe 

es im Herausgehen überlegt, daß - 

Xiſekke. Daß ein Schneider freylich eher trotzen kan, als ein Boete== 5 
Br. Kräuſ. Daß der Zorn einem Weiſen nicht anſtehet. Ich ver— 
zeihe Ihnen alfo Ihren Irrthum. Lernen Sie nur daraus, daß in manchem 
Menſchen mehr ſteckt, als man ihm anfieht. Doch was befehlen Sie? 
orinne fan Ihnen meine Gefchiclichkeit dienen ? 

A. Dim. Sch habe mich mit Gott entjchloffen, zu heyrathen. Und 10 
a ich gehört habe, daß Sie einen guten Vers machen follen, und weil 

* och mein Bräutigam einer von Adel iſt, und weil ich doch auch gern ein 
Hochzeitearmen haben Be: und weil ich nicht weis, ob fonjt jemand 
ſo höflich ſeyn möchte - 

< Br. Kräuf. Sapienti sat! Sie haben fich deutlich genug erffärt. 15 
Das übrige beforge ich. Ich werde Ihnen ſchon eins machen, daß Sie 
damit follen zufrieden jeyn. Wollen Sie eines per Thesin et Hypothesin? 
If. Ph. Ya. Sa. 

Br. Kräuf. Oder eine nur per Antecedens et Consequens? 

I. Ph. Ya. Sa. 20 
| Br. Kräuſ. Wählen Sie. Wählen Sie. Mir gilt alles gleich. Nur 

h vill ich vorläufig erinnern, daß Sie für eines per Thesin et Hypothesin 
etwas mehr zu geben belieben werden. Die Zeiten find theuer. Das Nach— 
denken ijt auch aufgejchlagen, und = = 

A. Pils. Darauf werde ich e3 nicht Lafjen ankommen. Nur daß 35 
es fein artig wird. 

Br. Kräuſ. So wahr ich ein ehrlicher Boete bin, es foll mein Meifter- 

üd werden. Soll es etwan von erbaulihem Inhalte jeyn? 

E U. Ph. Erbaulich = = erbaulich. Bey einer Hochzeit dächte ich - 

4 Br. Rräuf. Bon hiftorifchem? von mythologiſchem? von — 30 
n ſatyriſchem? von ſchalkhaftem Inhalte? 

* I. Ehld. Von ſchalkhaftem, dächte ich ſollte wohl = = 
Br. Bräuf. O vortrefflich! In dem Schalkhaften eben beſitze ich 

% r in Stärke, Und dazu wird wohl am beiten ein unfchuldiges Duodlibet 
| Ber Nicht? 35 

A. Ph. Wie Sie denfen. | 


— 


Fr 
2 





















220 Dramafifcher Anhang. Die Alle Iungfer. 


Br. Kräuf. Ja. Ya. Ein unfehüfbiges Duodlibet wird je 
trefflich ſchicken. Zum Schlufje fan ich alsdann eine lebhafte Beſchr 
des Bräutigam und der Braut mit anhängen. Zum Erempel den B 
tigam würde ich befchreiben, al einen wohlgewachfenen anjehnlichen M 

5 deſſen majejtätifcher Gang, deſſen — und reizende Augen, — käyſen 
liche Naſe, deſſen vortheilhafte Bildun I 

Ph. O Lifette, was muß * — Capitaine für ein a N 
liebſter Mann ſeyn! Haben Sie ihn ſchon gefehn, mein Herr P ete 

Br. Kräuf. Sieht er wirklich jo aus? Wie heißt er denn? 

10 If. Ohld. Ich denke, Sie kennen ihn ſchon. Es iſt der der © 
pitaine von Schlag. J 

Br. Kräuſ. Bon Schlag. Und Dero — Name iſtꝰ 

I. Vhld. Ohldin. 

Br. Kräuſ. Ohldin? Mit — der wievielſte Mann it ei 

15 den Sie ibo nehmen? ‚A 

If. PhD. Was für eine närrifche Frage! Der erſte. — 

Br. Bräul. O, verzeihen Sie. Das hätte ich Ihnen gleich anſeher 
können. Es ijt wahr, Sie find ja noch in Ihrer — dugen 

I, Phld. Höreſt du, Liſette! - 

20 Br. Eräuf. Ohldin, Mademoifelle Ohldin, und Schlag, Sons von 
Schlag. D glückliche Namen! Die werden zu vortreflichen Gedanken Aı 
laß geben! Ohldin, Schlag. Was werde ich nicht vor eine ee a | 
fion auf die Münzen von altem Schlage, machen können! Die alten Jung 
fern, werde ich jagen fünnen, find wie die Münzen von altem Schlag 

25 Tifelte, Hören Sie Jungfer! — 

If. Ohld. Ach, mein lieber Mann, Sie denken ſehr abgeſchma 
Alte Jungfern, alte Münzen. Ich verſpreche mir nichts ——— 
Ihnen. J 

Br. Kräuſ. Gut, fo laſſen wir * Einfall weg, wenn er , hin 

30 nicht anfteht. Wenn verlangen Sie das Gedicht fertig zu Techn? E - 

If. Ph. Se nun, jo bald als möglich. ar 

Br. Bräuf. Gut. Gut. Aufs höchſte in einer Stunde bin i 
mit da. — 2 

If. Ph. In einer Stunde? Ach bleiben Sie immer ein { ven 
35 länger. Ich beforge, es möchte fonft allzu fehlecht werden. = 
Br. Kräuf. Ja, wenn Sie erlauben wollen, jo mache ich Bi 


ea 


Tr Ze 


——— a ET — en m * 
en een u * 


— — — 





- 2. Aufzma. 7. Auffeiff. 221 


bier. Laffen Sie mich nur ein wenig in einem Zimmer alleine feyn. Zu 
‚aufe lärmen mir Frau und Kinder die Ohren allzufehr voll. 

J Af. Ohld. Frau, und Kinder? 

xt ilelle. Ein Poete hat Weib und Kinder ? 

’ | Be: Br. Kräuſ. Eben die Corinna, die ich durch meine Lieder in meiner 5 
J J gend verewiget habe, eben die Corinna iſt ibo mein Weib. ch habe mir 

3 Uebel an den Hals gejungen, und gehöre alfo in der That mit unter 

) jenigen großen Dichter, die durch ihre Kunſt unglüdlich geworden find. 

De a3 böſe Weib! Sie liegt zwar zu Haufe auf den Tod krank, aber 
Fi: ichon über acht Tage, und will fich noch nicht entjchließen, zu jterben. 10 

), meine lieben Jungfern, das ijt gewiß, die Weiber find zum Unglücke 
ganzen Welt erjchaffen! Ach das verdammte Gejchlecht! 

‚Lifefte, Je du verdammter Hundsfott von einem Poeten. 

Br. Bräuf. O verzeihen Sie! verzeihen Sie! Ich war im meiner 
Entzüdung. Wo wollen Sie, daß ich mich hinbegeben foll? Nam Musae 15 
sec sssum scribentis et otia quaerunt. 

If. Ohld. Können Sie doch allenfalls hier in das Nebenzimmer geben. 
Lifeffe. Aber fürdten Sie ji) nicht. Sie werden in dem Zimmer 
eitel Narren antreffen. 

Br. Rräuf. Wie jo? 20 
ALAiſetle. Weil viel Spiegel darinne find. Gehn Sie nur. 

Br. Kräuſ. Das begreife ich nicht. (gebt ab.) 













Siebenker Auftritt. 
Aungfer Ehldin, Tileffe. 


M.Ohld. Glaubſt du nun bald, Liſette, daß es mein Ernſt iſt? 25 
Eu ‚Gott! was wird mein Better dazu jprechen? Der reißt fich die 
e aus dem Kopfe, wenn er es hört. 
—— Sie betriegen ſich. Ich habe es en ſchon gefagt - 
A. Ph. Nun? . 
„Fit, So bald er hörte, daß Sie der Herr Capitaine von Schlag 30 
 jollte, jo faßte er fich. Der Herr Capitaine von Schlag, ſprach 
t einer von meinen beiten Freunden. Ich gönne es ihm. Und meiner: 
e kann ich e8 auch nicht verdenfen; ich * ſchon viel von * ge⸗ 





222 ' Dramalifiher Anhang. Dir Alte Iungfer. 


7. Ohld. Was? das ſagte mein Vetter? O der allerliebite 

Komm, ich muß ihn gleich fprechen. Dafür foll er auf der Ste 
Wechjel von 500 Rthlr. von mir haben. ; Sg 
Lifefte Nur geben Sie es Aa mit einer Art, die ihn nit 1 ha 

5 roth Mag E: 














Ende des zwehten Aufzugs. 





Dritter Aufzua. 


Erſter Auftritt, E 
J 
Tileffe, und Peker, in einer alten Montirung, mit einem Stelzfuße und einem Kneb elb rt 


10 Prfer. Lauf doch nicht jo, Lijette. Ich kann nicht nachfommen. 
bin das Bein noch nicht gewohnt. — 
xiſette. Ach! was für. ein unvergleichlicher Capitaine! So ein | 
Mann möchte ich haben. — 
Peter. Du biſt kein Narre. Ich glaube, es werden — — ie en 
15 zimmer von deinem Geſchmacke ſeyn. Und ich fürchte, ich fürchte, 9* 
ich mich verſtellt habe, deine Jungfer wird in das Weſentliche eines Ma 
tiefer eindringen, und mich, troß eurer Lift, behalten wollen. 
Lileffe. Sie müßte rajend jeyn. 
Peter. Wenigitens wäre die Raferey von der Art bey alten? 
20 fern nichts befonders, und nichts neues. Machts Elug, fo viel Fage un 
daß ihr mir fie nicht auf dem Halſe laßt. Einen Teufel habe = ſch 
zu Hauſe. Wenn der andre dazu käme, ſo wäre meine Hölle fertig 
Liſetke. Sorge nicht. Lelio wird zwar thun, als wenn im 
Berbindung ganz lieb wäre, fie deſto ficherer zu machen. Doch ı 
25 thuft und redet, wie wir dir befohlen haben, und ich hier und t 
Beredſamkeit anwende, jo müjte der Eheteufel lebendig in fie gefahr: 
wenn fie nicht einen vechten Abjcheu vor dir befommen joltte. Ich 
den Herrn von Schlag in deiner Perſon ſchon ben ihr angemeldet, 
fie wird fich bald hier einfinden. — 


— 


3. Aufzmg. 2. Auftritt. 223 





. 


—J Peter. Aber Liſette, Liſette. Es geht mir gewaltig im Kopfe herum. 
Daß ich nur nicht zur andern Frau komme, wie jener zur Ohrfeige. 

3 " Tileffe. Ach! wenn du es nur arg genug machſt. Laß einmal jehen. 
Wie willſt du deine Rolle fpielen? Stelle dir einmal vor, ich wäre meine 
E a ingfer = = J 5 
J Peter. Du Bine e3 aber nicht. 

Lfetfe. Nun ftelle dird nur vor. 

Peter. Wenns mit dem Vorjtellen genug ift, jo jtelle dir nur auch 

‚ wie ichs etiwan machen würde. 





Zweyker Auftritt. 10 


Br. Kräuſel, mit einem beſchriebenen Bogen Papier. Tifeffe, Pefer. 


xilette. Ach da fümmt der verwünfchte Kerl und gleich die Quere. 

3 doch der Henker die Poeten holte! 

Br. Kräuſ. Bene! (in Gedanfen, und lieft jein Gebicht.) 

3 Peter. Das ift Kräufel! Nicht? Gut, daß mir der Hundsfott in 15 
ie .Hände kömmt. | 
Br. RKräuſ. Wohl gegeben! 

Xilelte. Was iſt? Was ijts? Peter. Wo willft du Hin? 

3 Peter. Der Schlingel hat mir ſchon vor einem halben Jahre Ge- 
badens abgefauft, und ich habe noch feinen Pfennig dafür befommen. Und 20 
> das Ärgite ift, er hat meinen Namen jo gar in ein Gaſſenlied ge- 
ht. Einen ehrlichen Gebadensherumträger in ein Gafjenlied zu bringen? 

| 5 mic itzo habe ich den Schelm. 

Br. Kräuf. Das iſt poetiſch! (immer noch in Gedanken.) 


Peter. Ja, ſpitzbübiſch iſt es - 25 
Liſekke. Peter! Peter! beſinne Sic, igo bijt du der Capitaine 
m Sig. 


* Peter. Ich bin aber auch der Gebackensherumträger, Peter. 
 Kileffe. Du verderbit den ganzen Plunder. Thu ihm nichts, laß 
nn! Du kanſt den Narren noch Zeit genug Friegen. 30 

Br. Kräuſ. Das heift fich ſchön ausdrücken. Goch in Gedanten.) 
xiſelte. Komm fort. Ich will dich deine Partie anderswo überhören. 


—* 
—2 


= — Nu. Nu. Geborgt iſt nicht geſchenkt! 


2 ⸗ 





224 Pramatifcher Anhang. Pie Alte Jungfer. 


Berr Kräufel, (get fein Gedichte durch.) — 


Die Henne pflegt dem muntern Hahn 
Bor jein Bemühn zu danken 
5 Das nenne ich ſchalkhaft! Dahinter ſteckt was. 
Die faulen Käſe ftinfen ftarf, 
Die Laus hat jehzehn Füſſe. 
Appetitliche Stelle! 
Ein Bräutgam muß jih tummeln. 
"10 Ha! in der Zeile herrſcht eine recht anafreontijche Zeinheit. 
Ein Reifrod braudt wohl manden Stid. 
Lofer Vogel! Die PBoeten find doch verzweifelte Open 
Ein Floh hat breite Tagen. 
sch verjteh auch die Naturlehre. 
15 Der Schafbod jhreyt aus lautem Thon, 
Mich dünckt er wird bald lammen. 
Hier ziele ich auf die Freygeifter. Man mwitds ſchen ve. 







Bierter Auftritt. 
Lelio, Jungf,. Phbin, Br. Kräufel. : 


20 Br. Kräuf. Kommen Sie! Kommen Sie! Ich bin fertig. Ich bi 
fertig. D! ein ganz wunderbar ſchönes Gedichte habe ich gemacht. J 
babe mich hier jo zu_jagen jelbjt übertroffen. Ich hätte nimmermebr 

. glaubt, daß ich jo eine Gabe zu ſcherzen hätte. Sonft habe ich meine Stk 
im Ernſthaften. Sonderlich die theologifch-polemifch-poetifchen Saden e 

25. jen mir gut von Händen. Sie haben doch wohl: die erbauliche K 
gelejen, die ich wider Edelmannen gemacht babe? D! das ift ni 
als schwerlich jemal3 auf das Theater wird gefommen jeyn. ) 
der auf mein Carmen zu kommen. Hier ift es, meine Tiebe — . 
din. Sie fünnen es nun druden len, unter was für einem N — * 

30 wollen. Bi. 

If. Ohld. Ganz gut. Ich muß 28 aber nur —— dem H — v 
Schlag zeigen. Die Adlichen find ſehr ekel in dergleichen € k 
möchte doch wohl hier und da was zu ändern finden. .. we Be 




































4 Br. Bräuf. Das fteht Ihnen frey. Nur werden Sie jo gütig ſeyn, 

en Bers, den ich nicht ohne Urjache habe mit einfließen 

{ ‚ in Erwägung ziehn. Er 4 allen chriſtlichen Herzen zum Nach— 

in en geſchrieben. or! 

A. Ehld. Welchen? 

Br. Kräul. Hier auf der andern Seite: 

E; u Sch jhmelße ißt Miseriam, 

0. Ahld. Was ift das? Miseriam ? 

Br. Bräuf, Ja, die Voeten find ſehr ſchamhaft. Sie jagen es nicht 
ern allzu deutſch, wo fie der Schuh drüdt. Doch ich habe das gute Ver- 

rauen, daß Ihre milde Großmuth Ihrer Unwiſſenheit hierinnen jchon 

abhelfen wird. 

xeliv. Sollten Sie es num nicht bald verftehn, Jungfer Muhme? 

A. Phi. Nein, in der That. 

| Br. Kräuf, D, ich bitte, mein Herr, haben Sie die Gutheit für mid), 

nd d überheben Sie mic einer deutlichen Erklärung, die mir allzuviel 

Freu fojten würde. (er hält den Hut vors Gefichte.) 

- Teliv. Sorgen Sie nit. Meine Muhme wird ſich * erfennt- 
regen Sie bezeigen. 

e U. Ohld. War e8 das? Ya, ja, mein Herr Poete, ich will mid) 

Ann bey Ihnen abfinden. 

Br. Kräuſ. Ach! es hat gar nichts zu bedeuten. Glauben Sie nicht, 

16 ich jo eigennüßig bin. Die Ehre, nichts al3 die Ehre, iſt e3, was 

durch meine Poeſie ſuche. Denn unfre Arbeit fan uns fo nicht be- 

# | t werden. Aber was dächten Sie, daß ich oft für jo ein Carmen ge— 

men habe? 

Kati, Sonſt haben die Herren Poeten in Gewohnheit, daß ſie nehmen, 

ea Sch weis nicht, wie Sies halten. 


Pr ie Br Fünfter Aufteil. 
J — Kette, Teliv, Yungfer Phloin. Bere Kräufel. 


Freuen Sie ſich, meine liebe Jungfer! Ihr werther Herr 
der Herr Capitaine von Schlag, wird den Augenblick bey 


* nen fen. Er ift ſchon mit allen feinen Annehmlichkeiten auf der Treppe. 
Re a fämtliche Schriften, I. } 15 


* 


8. Rufug. 5. Aufkrikllk. 225 


10 


15 


20 


25 


30 





















226 Dramakiſcher Anhang. Pie Alte Iumgfer. 





Der gute Mann muß jie auf allen vieren beranfriechen. Das holze 

Bein, die zerlappte Montirung, der kriegeriſche Knebelbart, ſind bie de 

lichſten Kennzeichen eines Helden, der ich e3 um jein Baterland jet i 

- hat koſten laſſen. D wie bemeidenswerth find Sie! In der That, & 5 

5 haben nicht umfonjt gewartet. Was lange wird, wird gut. 

If. Ph. Bift du närriſch? Weife ihn ab. Es wird ein Bettler je 

Tifeffe. Nein. Nein. Nach Ihrer Bejchreibung wird er es a 

jelbit ſeyn. Bi 

i Br. Kräuf. Wie können Sie ſich fo an das äuffere offen? 9 

10 jahen Sie auch für einen Schneider an. Und ich muß Ihnen die L 

noch einmal geben: Es ag oft mehr in einem — als man i 

anſieht. BT 

VLilekke. Er jeufzet ſchon recht herzlich nach Ihnen, und flucht, 

das Hauß einfallen möchte, weil man ihm nicht entgegen kömmt. 
15 If. Ohld. Und das ſoll der Herr Capitaine ſeyn? 

Fiſetke. Ja. Ja. Nun da ſehn Sie ihn ſelbſt mit Leib und Seele 


Sechſter Aufteitt. 
Peker, Tifeffe, Jungfer Bhlin, Teliv, Berr Kräuſel. 


Peter. in feinem vorigen Aufzuge) Was, zum Zeufel! Begegnet e 
20 einem Bräutigam bier jo? Es fümmt mir ja weder Hund noch) Rabe en 
gegen. Für was zum Henker fieht man mid) an? Weis man ra 
ich bin? J 
Ieliv. DO! mein wertheſter Herr Capitaine, faſſen Sie — 
Peter. Ach! was habe ich mit Ihnen zu ſchaffen? Sit das 2 
25 Muhme? \ { 
Ieliv. Sa. 
Lifeffe. Mein Herr, Sie find in einem fremden Haufe ih 
Peter. In einem fremden ? Ich glaube man weis noch — 
ich den Augenblick Herr deſſelben werden fan? Mademoiſelle, ich be 
30 die Freyheit genommen, Ihnen die Ehre antragen zu laſſen, m 
mahlin zu werden. Sie müſſen verruckt ſeyn, wenn Sie ie 
den und Füffen zugreifen wollten. F 9— 
If. Ph. Ach daß Gott! Lelio. | ' 


v8, Bufg. 7. Rufteikt, 227 























* Bräuf. Erſchrakt ich nicht über den Kerl! Ich dachte, bey meiner 

‚ & wäre Peter. Wie doch die Menſchen einander manchmal jo 
J— —* u Xelio." Meine liebe Muhme, kehren Sie fich nicht an feine allzu 
irlichen Ausdrüdungen. Ein Kriegsmann ift dergleichen Reden gewohnt. 5 
—  Pefer. Das ift wahr. Ich bin noch nad) der alten deutjchen Art. 
» 1b. bie Frau, die ich nehmen will, muß nicht ein Haar anders ſeyn. 
Sind Sie jo? 
Xxilette. Es ift Ihr Glück, daß fie nicht fo ift; ſonſt würde fie Sie 
j on mit der artigiten Art zur Thüre heraus gejtojjen haben. 10 
3 vhld. Pfuy doch, Lijette. Erzürne ihn nicht. 
4 Tifefte. Was? Ich glaube, Sie treten ihm noch die Brüde. Herr 
Capitaine, Sie müffen doch närriſch im Kopfe feyn, daß Sie glauben, 
meine Junger werde jo einen tollen Ehefrüpel nehmen, wie Sie find. 
Ich bin ein armes Mägdgen; aber, wenn Sie in Golde bis über die 15 
Ohren jtedten, ich ſähe Sie nicht über die Achjel an. Ha! ha! Was für 
eine reizende Figur! Einen — einen Bart, vor dem man weder 
Raje m Maul jehn kann - 
Br: . Hört doc, Boppermaul, nehme ich Euch, oder Eure Jung— 
er? Er ich der anſtehe = = Und ich ſtehe ihr an = = ich weis. Nicht = = 20 
Bi If. Phld. Sa = = Aber = 
pPpeler. Aber = = Aber = = Aber. Wäre Sie ſchon meine Frau, ich 
ollte Ihr das dumme Wort aus dem Maule bringen. Wie hoch ift Ihr 
ögen? Wenn es nicht noch dreymal jo groß iſt, als meine Schulden = = 
Liſelte. Darinne beiteht vielleicht Ihre Habjeligfeit? 25 
Ieliv. Ihre Schulden, mein Herr Capitaine, würden vielleicht das 
nite Hinderniß bey der Sache jeyn. Aber ich jeh, daß meine Muhme 
irch Ihr Betragen = = 
M. Ehld. Stoßen Sie ihn nicht ganz vor den Kopf. 
Miete (su Petern jachte.) Mache es ja recht arg. Sie beißt wirklich 30 
— nen, was will Er, mein Herr? 


Siebender NRufkrikk. 


Berr Rehfuß und die Borigen. 
J Rehl. Sie werden es nicht übel nehmen, meine liebe Made— 
biel Ge Oh = | — — 


») 
% 


— 


228 Pramafifiher Anhang. Die Alte Iungfer. 





















Lifette. Nein, nein, mein ur Freund, er kömmt an die fa 
Hier ift die Mademoijelle Ohldin =, 
Br. Rehf. Sie werden es nicht übel BER meine — 
moiſelle, daß id) - —— 
5 Pefer. Mein — wenn Ihr was zu ſagen habt, — acht 
Gleich muß uns auch jo ein Narr in unjern wichtigiten: Zenstaten ft 
Br. Rehf. Meine liebe Mademoifelle, ich habe mir von dem H 
von Schlag jagen Lajjen = = = ” 
Pefer. Von wem? von mir? 
10 Br. Rehf. Nein, nein. Verzeyhen Sie, von dem Herrn von € 
daß er die Mademoijelle Ohldin in wenig Tagen heyrathen were. 
Lifeffe. Berfluchter Streich! 3 
Peter. Was hätte ich Euch gejagt? = = ' J 
Br. Rehl. Weil mir num der Herr — einige hundert T i 
15 auf einen Wechjel jchuldig ijt - — 
Peter. Was wäre ich Euch ihuldig? Seid Ihr reif? 
Br. Rehf. Ich vede von dem Herrn Capitaine. Der Wechjel ehe 
um, und e3 ftünde bey mir, ihn in Verhaft nehmen zu laſſen. — 
Peter. Mich, in Verhaft nehmen zu laſſen? 2 
20 Lifeffe. Schweig, Peter, fonjt find wir verrathen. 
Br. Rehf. Weil er mir aber gejagt, daß feine Jungfer Braut fi 
ihn bezahlen wollte, ſo habe ich mich erkundigen wollen, ob die Madı 
moijelle Ohlvin - 
If. Phln. Mein Hr. Kapitaine, ich weis nicht wie Sie — 
25 Wort jo viele ———— im voraus haben machen können? Bonn ( 
ſchuldig find = —3 
Br. Reh Kein doch, Mademoijelle, die Rede iſt von dem i 
Capitaine von Schlag. J 
Af. Ohld. Je nu, das iſt er ja— J # 
30. Prfer. Ja, ja, ich bins mein — Laß Er sc um | 
zahlung nicht bange jeyn. Sch will mich al3 ein ehrlicher Kerl 
abfinden. 
Br. Rehf. Mein Herr, Sie find allzu gütig.. Ich beſanne m 
daß Sie mir etwas ſchuldig wären. 
35° peeler. Sa, ja: Ich bin Ihm etliche Hundert en faubig 
es nicht fünfhundert ? 


FB * 


EI ————— 


08, Autug. 7. Aufteif. 229 
























— u A nn 


— neht Nein, nein. 900 it mir — Herr Capitaine von Schlag 
g. Aber Sie - - 
e —* Een O das heift auch gar zu viel für einen andern auf fich zu 

| Nu, nu. Ich bin 900 Thaler ſchuldig. Und nicht wahr, meine 
8 du willſt es bezahlen? 5 
— Br. Rehf. Ich weis ‚ick, mein Herr, ob Sie mic, für einen Narren 
anſeh hen. 
Be Teliv. Und ich weis nicht, ob Er uns nicht alle für Narren ans 
ieht. Er fpricht, der Herr Capitaine ift Ihm jo und jo viel ſchuldig; 
d wenn es der Herr Capitaine eingejtändig ift, jo will Er es wieder 10 
Be Was joll das heifjen? 
peler. Ja, ja. Ich bin Ihm 900 Thaler jchuldig. 
Br. Rehf. —* mein Herr, von Ihnen mag ich * einen Pfennig 

a en. 

r Peter. Er joll es richtig bekommen. 15 
Br. Rehf. Sie find mir nichts fchuldig. 
Peter. Gedulde Er fih nur noch, aufs höchſte, acht Tage. 
Br. Kehf. Sind Sie denn der Herr Lapitaine? 
Peer. Zum Henker! was geht Ihm das an. Wenn ich Ihn be- 
zahlen will? Ich mag es ſeyn oder nicht. Und furz, ich bins. So ge- 20 
wiß ich 900 Thaler von Ihm geborgt habe, jo gewiß will ich fie Ihm, 

; Intreſſen, wieder geben. 
Br. Rehf. Aber, mein Herr, warum befennen Sie fich zu einer frem— 
— 

Mi per .Ach. Ich bin ein rechtichaffner Kerl. Was ich ſchuldig bin, 25 
ezahle ich. 
M nEieEin, Ohne Zweifel wird Er fich im Nahmen geirrt haben, mein 
er Mann. Ich glaube, es it noch ein Capitaine dieſes Namens hier - 
„Pole. Sa, ja. Ganz recht. E3 ift noch einer hier, der fo geif 
jt meines Altern Vaters Bruder Tochtermann, und wir find Geſchwiſter 30 
mit einander. 
=. — Mein Freund, Er wird wohl thun, wenn er Seine 
n ein andermal vorbringt. Wenn der, den ich heyrathen 
| gi —* in der That was ſchuldig iſt, ſo ſoll ſchon zu der Bezahlung 
ath ath we yerden. — kan aber wohl ſagen, ich weis nicht, was ich hierbey 35 


——— 


230 Dramakiſcher Anhang. Pie Alte Jungfer. 





Peter. Denken Sie was Sie wollen. Und Er, mein Freund, Far 
jich feiner Wege paden, oder = 8 Be. 
Br. Rehf. Ich bitte nur * übel zu nehmen - — — 
Lifeffe. Nein, nein. Wir nehmen es nicht übel, wenn n 6 ui & 
5 Er nur. (gebt ab.) J 



















Arhter Nufkrikk. 
Lelio, Liſetke, Peter, der Poek, Jungkfer Phlin. 


Peker. Der verfluchte Kerl! Nu wie weit wären wir denn gti 

mein Schatz? Nu ja, bis aufs Vermögen. Vorher aber habe ich di 
10 noch unterjchiedene Buncte, die Sie mir nothwendig eingehen müjjen. Q 
babe fie ohngefehr ein wenig aufgejeßt. (er zieht einen Zettel aus ver Taf. 
Erjtlich verjpricht die Braut, weil fie bürgerlichen Standes, und der Br 1 
tigam, als der Hochwohlgebohrne Herr, Herr Capitaine von Schlag, a 
einem uralten adlichen Geſchlechte entſproſſen, ihrem künftigen Mann a ılfe: 

15 zeit die gebührende Ehrfurcht zu leiſten, und ihn nicht anders, al E 
Önaden, zu benennen. Nu? Verſprechen Sies? Be 
U. Ohld. Aber - - Be 
Peter. Gie jollen das verdammte Wort gegen mich nicht gebrau hen 
Wer hat zu befehlen? Der Mann, oder das Weib? Sch, oder — 
20 If. Ohld. Verzeihen Sie, wir find aber noch nicht Mann und I b 
Peter. Ah! Was wir nicht find, können wir werden. Andernail r 
ſpricht die Braut, weil ſie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, a al: 
der Hochtwohlgebohrne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einem u 
alten adlichen Gefchlechte entfproffen, ihm alle Gelder in Händen zu 9 
25 um damit nach Belieben zu ſchalten und zu walten. Nu? a — — 
Liſetke. Ohne Zweifel wird das einer von den Hauptpuncten 
. IM. Dil. Das fünnte man wohl einem vernünftigen Dane h : 
räumen. Abe N 
Peter. — Das andere mag ich nicht wiſſen. Ich F 
30 nünftigen Mannes genug. Drittens verſpricht die Braut, weil ſie bi 
lichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgebohrne Her, d 
Capitaine von Schlag, aus einer uralten adlichen Familie entſproſſ 
zwey Kinder, welche er auſſer der Ehe erzeugt ⸗-Nun, von den 9 
wollen wir ins geheim reden. Den braucht niemand fonjt zu w — — 
35 Sie. Viertens verſpricht die Braut, weil fie bürgerlichen Standes = 


. 


zen 9. Auftritt. | a 3 

























Br. Kräuſ. — Se, daß ich Ihnen in die Rede falle. Wollen 
inc jo gütig jeyn, und ſich von Jhrer zukünftigen werthejten Ge— 
ı da3 Carmen zeigen lafjen, das ich auf Ihre, Gott gebe bald zu 
kommende, Hochzeit verfertiget habe? ch habe nicht wohl Beit, 
ıger zu verziehen = = und = = 

0 Pefer. Wo it es? Wo it es? 

If. Ohld. Hier. (fie giebt es ihm.) 

Bi Ppeler. Was ift das für ein Quark? Ich jehe es gleich aus dem 
s Tit itel ae e3 nichts nüße ift. Weiß Er denn nicht, daß ich Erb-Lehn- umd 
ſtsherr, auf Nichtswitz, Betteldorf, Schulöhaufen ! und Armingen ge- 
weſen Das muß alles mit darauf kommen. Auch daß ich 16 Jahr 
er den Franzoſen, 12 Jahr unter den Oeſterreichern, 19 Jahr unter den 
—2* 17 Jahr unter den Engländern, und ohngefehr 22 Jahr unter 
Brei gedient habe = == D zum Henfer! num bin ich verlohren = 


L, Beunter Auftritt, 

N Berr Pronie, Frau Pronfe, von Schlag, Pefer, Ieliv, Tifeffe, 

9J Br. Kräuſel, Aungfer Phldin. 

Lelio. Ad verdammter Streich! 

xiilelke. Nun ſitzen wir! 

I. Ohld. Sie kommen zu rechter Zeit, Herr Oronte! Ich weis 

Ihnen bis itzo noch wenig Dank, daß Sie mir den Herrn von Schlag über 
en Hals geſchickt. 

| 4 v. Schlag. Wie jo, Mademoijelle, bin ich Ihnen ſchon verhaßt, ehe 
gu das Glück gehabt habe, mit Ihnen zu fprechen? 

a. Ph. Sie? mein Herr? Sie treten ja den Augenblid erſt, un— 

e inter Weife, in das Zimmer. Wie könnte ich mich über Sie zu be- 

n haben? Nein, ich meyne den Herrn Capitaine von Schlag. 

—— Sie meynt mich. Sie meynt mich. Es iſt ein kleiner Irr— 

um in den Namen. 

9 Beim. Was haben Sie mit dem Kerlen zu thun? Hier bringe 


n den Herrn Capitaine von Schlag. 
Ä BE Was? Sp hat man mich betrügen wollen? Ha! ha! 


10 


15 


20 


25 


30 


232 Dramatifcher Anhang. Die Alte Jungler. 




















v. Sıhlag. Ich glaube, es hat ein anderer meine Perſon h 
ſpielt. Wer biſt du Nichtswürdiger? J 
Peter. Der Herr Capitaine von alt bin ich - nit € Sonde 
= = (er nimmt den Bark und den Stelzfuß ab.) jondern = TE — 
5 v. Schlag. Sch glaube gar, es ift Peter. 1. 
Br. Kräuſ. Ach daß Gott! Ya, ja, e8 ift Peter. au: ka m 
Ich dachts wohl. Wie wird mirs gehn? 
v. Schlag. Gu Petern.) Halt, Galgenſchwengel! 
Peker. (zu Kräuſeln.) Halt, Galgenſchwengel! 
10 v. Schlag. Was ſoll das heiſſen? Meinen Namen ſo zu — 
Wem hat dieſe Betrügerey hier gelten ſollen? 
Peker. (zu’sräufern) Was ſoll das heiſſen? Meine Gedult ſo zu m 
brauchen? Wenn wirſt du mein Gebackens einmal bezahlen? 
v. Schlag. (zu Petern.) Antworte, Hund! 
15 Prler. (u Kräuſeln) Antworte, Hund! 
Br. Kräuf. Ach wer doch hier fort wäre! 
Peter. Ach wer doc hier fort wäre! 
v. Sıhlag. (zu Petern.) Kerl, ich erdroßle "N Gleich geſteh. 
was hat die Verkleidung ſollen nutzen? 
20 Peker. (xeiſt ſich loß und zu Kräuſeln.) Kerl, ich erdroßle dich. Brig ge 
ſteh. Warum haft du mich noch dazu in ein Gaſſenlied gebracht? - 
Br. Bräuf. O hier ift nicht gut feyn. Adieu! Adieu! (er Läuft fort 
Prler. (läuft ihm nad.) Ha! ha! Du follft mir gewiß nicht ei entkommen. 
v. Sıhlag. Und du mir auch ſchwerlich. 


25 Zehnker Aufteikt, 5 — 
Iungf. Phlpin, Teliv, Tifeffe, v. Sıhlag, Br. Pronfe md A 1 or 


Lelio. Halten Sie, Herr Capitaine, e3 it auf mein Affen 9 
ſchehn. Sie machen mich durch Ihre Heyrath unglücklich. Und köm ir 
mir e3 verdenfen, daß ich alle Mittel angewandt habe, fie zu hintert = 

30 v. Schlag. Das jollte mir leid ſeyn, wenn ich Sie unglücklich mi 
Nein, Lelio, wenn Sie mir in meinem Vorhaben nicht Ver I 
wollen = | 

Sr. Pr. Ah, was fann Ihnen der Hinderlich fm, wenn 
will. Und fie will. | 


3. Aufzug. 10. Auftritt. | 233 


































Es“. Fr. Pr. Es ift wahr, Jungfer Ohldin, was werden Sie ſich an 
einen Menjchen fehren, der Ihnen ſolche Streiche fpielen Kann. 

Leliv. So? Madame, wer war denn das, der mir vorhin allen 
möglichen Beyſtand dazu verſprach? 

Fr Pr. Ad vorhin war ich mit meinem Manne. zerfallen. 5 

eliv. Und ito = - 

F. Pr. Sind wir wieder verfühnt. Ein paar rechtſchaffene Eheleute 

muüſſen ſich des Tags hundertmal zanken, und hundertmal wieder verſöhnen. 

£ Lelib. Zungfer Muhme, ehe ich in Ihre Heyrath.willigen fan, eher 

bie > ich Ihnen jelbit meine Hand an. Denn ich glaube das nächite Recht 10 

auf Sie zu haben. 

2. Ahld. Was? 

xiilekke. Was? | 

M. Phld. Diejen Einfall hätten Sie fünnen eher haben. Wir find 

um ſchon über zehn Jahr im Haufe beyſammen. 15 

— * v. Schlag. (sieht den Lelio beh Seite) Ein Wort im Vertrauen. Warum 

wollen Sie mid nit an ihrem Vermögen Antheil nehmen laſſen? Ich 

glaube, es wird für uns beyde genug jeyn. Als Mann befäme ich es in 

age Und ich verfichere Sie, Sie follens von mir befjer genießen 

13 von ihr. Ja, ich verjpreche Ihnen fo gar, an das, was übrig bleibt, 20 

n fie jtirbt, feinen Anſpruch zu machen. Meine Schulden nöthigen 

nich 5 ibe, diejen Schritt zu thun, den ich jonjt gewiß würde unterlajjen 

Widerſtehen Sie mir nicht länger, ſo können wir als beſtändige 

leben. 

m Ph. Darf man nicht hören, was Sie hier im Vertrauen reden? 25 

xeliv. O! Es war nichts. Der Herr Capitaine hat mir mein Un— 

üoigefet, wenn ich Ihnen an Ihrem Glücke länger hinderlich jeyn 

Ich willige in alles. 

; ® Ei Ph. D! Sie find doch noch ein ehrliebender Menſch! Und ich 

rſichre, daß Ihre Einwilligung nicht wenig dazu beygetragen, daß ich ifo, 30 

i vielem Vergnügen, dem Herrn Capitaine meine Hand darbiete. 

h h: v. Schlag. Sie machen uns glüdlich, Lelio. 

I > Tfekfe, achte) Aber Herr Lelio. 

3 En — Laß es —3— Liſette, nun ſoll es sch recht bunt über 

Er 35 

om. Aber, Liſette, mit dir habe ich ein Wort noch zu reden. 


Aahpr 
I Eu 
Bi 


234 Pramatifcher Anhang. Pie Alte Iungfer. 

























Wir find gefchiedene Leute. Du kanſt hingehn, wo du hin wi tft. D n 
ich weis doch wohl, daß alle die Poſſen von dir herkommen, und daß d 
einzig und allein meinen Vetter une Bi, 


Tifeffe. ch = | — 
5 v. Schlag. > meine allerliebſte Mademoiſelle, ich bitte fie 
arme Mägdgen. Behalten Sie fie immer nod). —— 


Af. Ohld. Nein. Nein. Sie muß weg. Sie muß weg. 
v. Schlag. Erzeigen Sie mir dieſe erſte Gefälligkeit. 
Af. Ohld. Nein. Nein. Es ſchickt ſich nicht, es ſchickt — 
10 v. Schlag. Ach. Es ſchickt ſich allzuwohl. Zumahl — Leuten 
adlichem Stande, wie wir ſind. A 


Eilfter Auftritt. 
Die vorigen und Clikander. 


Clit. d finde ich euch hier beyſammen, meine, Kinder? 
15 lieber Capitaine, ieh fomme, dir zu deiner Heyrath Glück zu inte 
Sch habe dich aller Orten aufgefucht. 
v. Schlag. Bringjt du mir etwan auch meine 25 Ducaten mit? 
Clikt. O die kanſt du num ſchon vergeſſen, da du ſo ein Stück 
funden haft. 
20 A. Ph. Die find Sie 2 ichuldig? Sie jagten mir es jr 
bin ganz anders. ge 
Clik. Nein. Nein. Sie werden mich nicht recht verftanden he yabe 
Er hat fie jüngft von mir auf dem Billard gewonnen. Bi: 
Br. Pr. Nun fo find wir richtig. Sie, Jungfer Braut, 
25 ſichs gefallen Yafjen, ung heute Abend einen Heinen Schmaus zu — 
und wo möglich noch dieſe Woche Anſtalt zur Hochzeit zu machen. 
Clit. O das iſt vortreflich. Ich hätte nicht zu gelegnerer £ 
fommen fünnen. Kommen Sie! Kommen Sie! Zum Schmaufe, & 
Zum Schmauje, Herr von Schlag! Lelio führe die Frau Dr nte! 
30 führe deine Muhme! J— 
v. Schlag. Und für mich bleibt alfo, Liſette. 
Br. Pr. Ein böſes Omen! 


Ende des Si. 000 0 




















Sheataiihe Barhlah. — — 235 





TE 


. -._ 
u 
> 


[Bamnibal. Nach MWarwanx.] 


Erſter Aufzua. 
erſter Aufteift. 


Laodicea. Egine. 


Esgine. Und länger fan ich nicht von meinem Kummer jchweigen 

ch jeh die ThränenFluth aus deinen Augen fteigen. 

“ i ae ein wichtger Fall, Prinzeßin, quält dich heut, 

Elen t dein banges Herz, gebiert die Traurigfeit. | 
J——— Egine, kennſt du den, den Rom zu uns geſchicket? 5 
— Flaminius? 

Tadodicea. Warum hab ich ihn doch erblicket! 

ji nähm Hannibal jezt ruhig meine Hand. 

m! Rom! deine Wahl bringt mir den Marteritand. 


>, höre mi! Ich will dein Herz zu rühren, 
geheimen Quell von meinen Thränen führen. 10 


ſind vorbey, ſeit eben der Flamin 


röß der ———— Entwürfe und Bruchſtücke Leſſings iſt handſchriftlich in der 

nund Ih bliothek zu Breslau erhalten. Mitgeteilt wurden die meiſten derſelben 

Karl ( Bas % den beiden Teilen von Gotthold Ephraim Leifings theatraliihem Nach- 

8 u Dem folgenden Abdruck iſt überall, wo eine Handſchrift des Dichters 

e zu Grunde gelegt worden; die Abweichungen des Drudes von 1784 und 1786 

e nur von der Willfür des Herausgebers herjtammen, unerwähnt geblieben. 

e vollftändig in einer Breslauer Handſchrift vorliegen, find mit * bezeichnet; 

theatraliſchen Nachlaß 1784 und 1786 gedrudt erſchienen, ift X vorgejegt. In allen 
Sie Burke des Tertes ausdrücklich genau angegeben.] 


236 | Theakraliſcher Barhlak. 





Als Abgejandter hier beym Prufias erjchien. 
Die war der erite Held den ich aus Rom gejehen. 
Sch glaubte, Königen, die nächſt den Göttern ſtehen, 
15 Weicht jeder Sterbliche, dem Cron und Reich gebricht; 
Dod da ſah ich beihähmt: ein Römer weicht ihm nicht. 
Sch fah, mein Vater felbft in feiner Königsgierde 
Verehrt den Römer felbjt und theilte feine Würde. 
Und diefer Römer, ja, die Wahrheit jag ich dir, 
20 Kam mir doch nicht erjtaunt, und nicht gejchmeichelt für. 
- Bey diefer Achtung nun, und höfflichem Bezeigen, 
Fühlt ich gerechten Stolz in meine Seele jteigen. 
Und daß mein Bater felbit, dieß ſchien mir allzuhart, 
An jeinem eignen Hof des Römers Höffling ward; 
25 Daß er von Necht entblößt den Muth verliehren jollte, 
Und nicht vor dem Flamin den Thron bejteigen wollte. 
Erröthend warff ich dann bey meiner Großmuth Ruh, 
Kur Blide, voll Verſchmehn, dem fühnen Römer zu. 
Jedoch das Schickſaal — — ja, jein ungerechtes Fügen, 
30 Will, daß ſich jedes Stolz joll für den römfchen jchmiegen. - 
Mein Blick, verachtungsvoll, fand irrend feinen Blid, 
Und der ſchlug, ohne Müh, den meinigen zurüd. 
Bis in des. Herzens Grund fühlt ich die Regung geben; 
Schwah war ich ihn zu fliehn, und Schwach, ihn zu erjehen. 
35 Ich zürnte nicht, als fich der ſchwache Zorn verlohr, 
Und meine Schwachheit jelbjt fam mir noch reizend vor. 
Sein Stolz, der mich erzürnt, ward nun nicht mehr ermeßen. 
Mein Vater, und fein Ruhm und alles ward vergehen; 
Ja ich vergaß mich jelbit; mein Thun, es zu geitehn, 
40 War den Flamin zu jehn, und ihn doch nicht zu jehn. 
Und dieß Bekenntniß nun, das ich erröthend thue, * 
Zeigt mein Geheimniß dir, den Räuber meiner Ruhe. 
Egine. Dieß ſtolze RömerHerz, das Euer Herz entführt, 
Ward zweiffelsfrey von Euch doch wiederum gerührt. = 
45 Tavdirea. Sch weiß bis jezt noch nicht, ob ich ihm überwi 
Doch forſcht ich, ob er nicht empfand, was ich empfunden, 
Und ob jein Auge nicht mit mir von Liebe ſprach? 





Bannibal. 237 

































Ich wüntſcht 3. Durch den Wunſch ward ich zum Forſchen ſchwach. 
= h glaubt ichs unterdeß. Und ift es zu vergönnen, 

De * wir uns auf den Schein in etwas ſtüzen können, 50 
Fin ed, Freundin mir, jo lang er um uns war, 
- Sein Schweigen mache jelbjt jein Lieben offenbar. 
| * tauſend Zeichen konnt ich eben das erſehen 
—* ſagt ich dir ſie auch, du doch nicht kanſt verſtehen, 
—1 Ind die, der Liebe Trug ift vielleicht Schuld daran, | 55 
Beer wohl empfind, doch nicht erklären fan. 
minius ging fort, und wie ich leicht Fan jchließen 
ocht er jelbit meine Schaam und feinen Sieg nicht wißen. 
E. ach — — mein Herz wie viel erlitt es nicht, 
U bald in Ruh zu jeyn, die ihm noch jezt gebricht. 60 
Umſonſt fam die Vernunfft, mich hülffreich zu entſtricken. 
Sie reizt die Liebe nur, anjtatt jie zu erſticken. 
Sch jah, durch fie geitärkt wie toll mein Feuer wär, 
Ich jah es voller Schaam und liebte doch nur mehr. ” 
Drum wollt ich länger nicht der eiteln Hülffe trauen 65 
Und hoffte mit der Zeit mich ruhiger zu fchauen. 
e Zeit ftand mir auch bey, doch da ich ruhig jchien 
er ich zitternde die Rückkunfft des Flamin. 
rich, Freundin, was ich thu, wenn für jein Wiederkommen E 
der unglücjeelge Brand, noch hat verdeft geflommen? 70 
Venn ich noch liebte? Ah! Da mich die Furcht noch drückt 
Schmeicht” ich mir nur umjonjt die Flamme jey erftict. 
zarum könnt ich ſonſt nicht der Seelen Unruh wehren? 
Be ich ihm nicht mehr, warum vergieß ich ehren? 
) dem Hannibal verſprach ich meine Treu, 75 
ö ferbit das Schickſaal will, daß ich des Helden ſey. 
ar werd ich, ſonder Glut, in ſein Umarmung eilen 
Jod — ich ſeinen Ruhm auch einſt mit ihm zu theilen. 

m Geiſt mit reinem Stolz auf dieſes Glück erfüllt, | 
en tet, dab ein Held jo viel als ein Geliebter gilt. 80 
— Sollte. meine Glut jezt wiederum erwachen, 
Bird fie zum Opffer mehr als eine Braut mich machen. 
od) wäre meine Noth auch noch jo groß und viel, 


238 | Theatraliſcher Barhlaf. 





Gnug, ich volzieh das Band, das uns vereinen will. — 





85 Liebt ich auch den Flamin mir ewig zum Beichwerden, 
Egin’, er hat mein Wort, ich will nicht untreu werden. a. 
Egine. Hier fümmt er. Ss 

R Da. 

Anderer Aufteift. Be 

Tavdirea. Bannibal. Egine. Bamilcar. Be 


Bannibal. Wünſch ich mir nicht ein zu rohe e 
So höre mich anjezt auf einen Augenblid! | ie 
Die Hoffnung die mich- hält macht mich nicht fo verwegen, — 
90 Dir meiner Liebe Ziel in Säuffzern auszulegen; vr 
Denn wer fein Feu'r nicht mehr mit Anmuth rühmen an‘ | 
Verberg fie in jein Herz und denfe nicht daran. 
Was dag mir mehr geziemt, doch minder mic, ergözet, 
Zwingt, daß ich mir mit dir zu reden fürgefezet. 
95 AS Adgejandter fümmt Flamin von Rom herbey, 
Doch weiß der König nicht, was fein Begehren jey. 
Sch glaub, ich weiß e3 chen. ! 


Anderer Aufzug. z 
Erſter Auftritt. —— 


Flaminius. JIlavius. 


Flavins. Der König kömmt noch nicht, und ich fan es nich t fa 
Wie uns fein fühner Stolz fan auf ſich warten laßen. ha 
Und jeit wenn ward ein Held, den der Senat gejchict, 
Bon Königen, wie der, mit mindrer Furcht erblidt? 
5 Der Würden ohngeacht, womit did) Rom beehret, a 
Verweilt doc Prufias, der fich nicht daran fehret. Bi — 
Flamin. Dem König rechne nicht den tollen vochmuth a k 
An den ein König nie, auch nur gedenfen, fan. 





1 [Der Schluß des erften Aufzugs fehlt in der Hf.] 


Bannibal. 239 



















* * au zuwohl die Kühnheit ſeines Freundes, 
es Neiders unſrer Ehr, des ſtolzen Römerfeindes. 10 
Je = Rönig ginge nie von feinen Pflichten ab, 
h nn Hannibal nicht wär, der ihm den Anfchlag gab. 
’ ı Stolz, durch Hannibal Berwegenheit gerühret, 
: P —* ſtolz auf den Thron, welch Ehrfurcht uns gebiehret. 
Der Rang, den Hannibal ihm allzuſehr erhebt, 15 
* kühnen Übermuth in ſeiner Bruſt belebt. 
Doch wird hier Hannibal in ſeiner Hoffnung fehlen. 
Denn welcher König folgt nicht unſers Roms Befehlen? 
Der Flüchtling merkt e3 ſelbſt aus der Erfahrung an, 
Wie viel Roms Götterfpruch bey ihnen gelten fan. 20 
2 Flavius. Aus diefen Neden, Herr, erlaubet daß man jchließet, 
Daß um den Artamen Ihr nicht blos kommen müßet, 
Und daß der Krieg, mit dem ihn Prufias verftrict, 
Die kleinſte Urſach ſey, die Euch hieher geſchickt. — 
Mein Argwohn will mir zwar bald das Geheimniß zeigen, 25 
Doch glaub ich, meine Pflicht, Flamin, iſt, hier zu ſchweigen. 
Be: Flaminius. Wär ich vom Kummer frey, der mir im Herzen fteft, 
Ich hätte dir e3, Freund, aus Freundſchafft längſt entdeckt. 
Mein Zwek ift Hannibal. Und jo viel follft du wißen, 
Daß Prufias ihn wird an Rom ausliefern müßen. 30 
‚ darum kam ich ber! Was fjonjt noch möchte jeyn, 
alleine mich — — 
Flavius. Wie? Dich? Wie? Dich allein? 
Flamin. Weil niemand um uns iſt, darff ich mich dir entdecken. 
) fan ung Hannibal mit Recht viel Sucht erweden. 
* und iſt beſiegt. Doch er iſt ſo beſiegt, 35 
er den Römern nicht, dem Glück nur, unterliegt. 
d hätt er jeinem Glück nicht jelber wiederſtanden, 
e o läge Rom vielleicht jezt in Carthagens Banden. 
Bi leicht wird nicht duch ihn ein König aufgebracht, 
v kühn ſich wieder Rom fein Schwerd zu Nuze macht, 40 
d de3 Senats Befehl mit mindrer Furcht verhöhnet, 
* il ihn ein Held beſchüzt, den Sieg und Ehre crönet? 
Rom hätte dann die Müh zum Straffen ihn zu ziehn, 


240 Theakraliſcher Barhlaf. 





Und diefer fan fie jezt, durch Vorſicht, noch entfliehn. * 

45 Durch eben dieſen Feind, der ſich hier ſicher ſchäzet, sr 
Ward unſrer Adler Heer jehr offt in Sucht geſezt 
Durch ihn, dem unjer Drohn nie Furcht und Muth geraubt, 
Dem Rom ift, was es ift, nicht was man fäljchlich glaubt; 
Sein Stolz, fein Ruhm, ſein Haß der unverfühnlich wüthe, 

50 Ja jelbjt jein Unglück macht, daß Rom fich vor ihn hüthet. 
Und da vor furzen gar, der Ruff bey uns entjtand, or 
Laodicea jey ihm zum Gemahl erfannt A 
Ward Rom dadurch betäubt, und läßt den Bund zu — 8 9 
Bald nach Bithynien den Marſch des Heeres kehren; Ba 

55 Und hohlt den Hannibal. Du weiſt wie der Senat 
Die Könige verjchmäht, troz ihres. Thrones, hat, 
Doch giebt fein Stolz izt nah! 





Doch glaub indeßen nicht 
Mein zärtlich Lieben jey zur Hindrung meiner Pflicht. 
60 Rom redet jezt durch mich, der hat es gut geichienen 
Sich gegen Brufias der Schärffe zu bedienen. 
Es ijt auch nöthig — — | N 
Flavius. Doch, ſprich Herr, ſeit welcher Bit 
Fühlt dein verwundtes Herz ſchon dieſe Zärtlichkeit? | 
Laodicea hat dich doch wohl aufgenommen, 
65 Und gleichfalls ihre Glut - — : 
 #lamin, Ich jeh den König kommen. 
Schweig jezt, und hüte dich, daß feinem wißend jey 
Was ich dir jezt entdeft aus wahrer greundſchaffn creu 


a, — 


Andrer Nufkrilt. 


| Pruſias. Bamibal. FJIlaminius. Jlavius. 
Flaminius. Rom, das dein Thun bemerkt? 
Rom ſchicket mich zu dir, damit ich die Gefahr, 1 


1 [Hier fehlen in der Überfegung zehn Verfe.] 2 [Hier fehlen in der Überfegung anderth ilb 





xannibal. ga 


































ihr 8 nd ht, dir machte offenbar. | 70 
| zu Land I d Meer dein Schwerd nicht ſtille liegen, 
* * Artamen aufs neue zu bekriegen. 

J— te t Rom nicht an, jo dab dir der Senat 

Euer zwar, Herr jchon verboten hat. | 
r töme, bat e3 dir geheim entdeden müßen, 75 
3 du dich hierbey am beiten könntſt entjchließen, 
* ers gerne ſäh, wenn bey erregten Zwiſt 
s Billigkeit, und nicht der Krieg, die Zuflucht iſt. 
nte dieſer Rath zwar gleich als Herr befehlen, 
nur mit Verdruß ſieht man den Zwang ihn wehlen, 80 
— er noch bis jezt mit ſeinem Machtſpruch ſtill, 
dich bereit, eh daß er ſpräch: ich will! 
nun ſpricht ers durch mich: wirſt du dich noch Ben 
a & deiner Antwort nur wird er dein Urtheil iprechen. ! 


I 
* 


Vierker Aufzug. 
erſter Aufkrikk. 


Laodirea. 


delch froher HoffnungsStrahl hebt den gefallnen Muth? 
ei beit der König denn des Liebjten Flammen gut. 
das Bündniß ſchloß, ſollt er es ſelber trennen? 
lt ich, vom Laſter frey, Flaminen wehlen können? 
de Frey? D Nein! Mein Wunſch ift Lafters gnung, 5 
) de3 Baters Wort: jey untreu! heimlich rung. 
c deinen Wünfchen ab, mein Herz! begreiffe wieder: 


| er Wunſch Ichlägt mein und feine Hoheit nieder. 
3 a 


© — a | | 
—— Andrer/Aufftritt. 


——— Bes Ehe. 


28 


Taodirea. Bannibal. 
Dieß, endlich, ift die Zeit, 


n Nufgs und der vollftändige dritte Akt fehlen in der Si] 
che Schriften. III. —— 


— 


242 Iheafralificher Vachlaß. 





10 Wo alles, alles mir nichts als Beſchimpffung dreut. 
Beichimpffung! Götter! ach! Durch diefes Wort erhizet, 
Vergönn, daß meinen Geiſt gerechter Stolz bejizet. 
Prinzeß, bey der Gefahr, glaub ich, fteht mir es frey, 
Ohn daß ich eitel bin, zu jagen: wer ich jey. 

15 Gedenfe, wünſch ich blos, gedenf einmal zurüde, 

An eines Kriegerd Ruhm, verfolgt vom Ungelücke. 
Und denkeſt du an ihn, fo wecke deinen Geift, 
Daß er verdoppelt jezt mir feine Großmuth weiſt. E 
Ich will nicht, daß du’ dich beym Vater follft bemühen, — 
20 Das, was er mir beſchwur, anjezo zu vollziehen. — 9— 
Er ſchwur mir ſchmeichelhafft das Glücke deiner Hand. 
Das war es, wo mein Herz ſein ſchönſtes Labſaal fand. 
Rom raubt mir ihn und dich. Doch kan ich nicht entdecken 
Wie weit die Streiche ſich, die man mir droht, erſtrecken. 
25 Belehr den Hannibal; denn nur von dir allein 
Kann er von ihrem Zweck hier unterrichtet ſeyn. 


Dein Wort, das uns verknüpfft, beleget dich mit Pflichten 
Sprich frey mit mir! In der ſieh alle zu entrichten. 


Bedenk, es iſt dein Herz der unverfälſchte Freund, 

30 Der von den Göttern mir noch hier gelaßen ſcheint. 

Rom giebt dir einen Mann. Nicht? Sollt ich nur noch wißen, 
Was Rom vom Pruſias noch mehr verlangen müßen. 
Er flieht, und jcheuet mi. Und wie es mir heut jchien, 
Der Bund, der uns vereint ijt eine Laſt für ihn. 

35 Und ich gejteh es dir, der Vorſaz bringt mir Schreden, 
Den Furchtſamkeit und Drohn in ihm vielleicht erweden. 
Hielt zarte Hoffnung nicht, hielt Rom mich nicht zurüd, 
Rom, das verhaßte Rom, fo. forgt ich für mein Glück. — En 
Sprih! Fürchte nichts. Mein Mund hält deine Huld verborgen, 

40 Die großmuthsvoll für mich und meinen Ruhm will jorgen. 

Sprich! Wer ift dein Gemahl? Kann ich noch leben? Sr 
Geht e3 auf meinen Tod? Wohl gut! Der rettet mid). — 2 
Tavdirra. Nein, lebe! Hannibal. Auch ich, ich kenn die Ehre 
Wenn dein Herz, das mich Yiebt, auch minder fchäzbar wäre, 

45 Dennoch entdedt ich dir, wenn feindliches Bemühn eh 


. \ 


+2. 75 
{ 





Ri: 3 
r 
* 





Bannibal. . 243 





Auf deinen Untergang und Schimpff gerichtet fchien. 


Ja, da der Held jein Wohl in meine Hand gegeben, 


Und da ich mich für ihn, für ihn verſchwur zu leben, 
So glaube, daß ein Herz, das jo wie meines ift, 


An Adel deinem gleich für dich zu feyn bejchließt, 50 


Ja, e3 beichließt an Muth jelbjt div nicht3 nachzugeben, 


Wofern jich wieder dich ein Wetter jollt erheben: 
Und wenn der Tod allein dich dafür jchüzen Fan, 


- &o zeig ich dir gewiß mit naßen Augen an. 

Doch meiner Thränen hat dein Ruhm hier nicht vonnöthen; 55 
Die Götter werden mich auch wohl davon erretten. 

Und wenn des Schickſaals Neid auch unfer Band zerbricht, 


Vergißt mein Vater doch fich und die Tugend nicht. 


dJa joll Roms Tyranney auch feine Großmuth mindern, 

Und ihn mit Liſt und Macht, die treu zu bleiben, hindern, 60 
Sey nur nicht ungerecht, und trau dem Vater du 

Als die Verrätherey, eh alle Laſter zu. 


Bannibal. Wohl! Ich verjteh dich ſchon. Die Hand, die mir gehöret, 
Hat für ein Glied aus ihm das ſtolze Rom begehret. 
Da ſieh nun, wie dein Wohl ſich Rom zu Herzen nahm. 65 


Doch ſprich, ich bitte dich, liebſt du den Bräutigam? 
Muſt du dich jezt vor mir, im mindeſten nur, zwingen? 


Rn r 


Entdeke mir dein Herz ohn mehr in dich zu dringen; 


Vrinzeßin rede frey. Schäzt man mich hoch? Wohlan! 

Ich bin damit vergnügt, wenn man nicht lieben fan. 70 
Tavdirea, Doc dir gehört mein Herz, und dir nur meine Liebe — — — 
Bannibal,. Doc ich nehm es nicht an. Bey folchem TugendTriebe, 


Bil ich nicht, daß es fich der Pflicht zum Opffer weyh, 


Und für den edeln Zwang der Preiß nur Marter ſey. 
Nein, Umvergleichliche, mein Recht leg ich hier nieder, 75 


Und ſchenke dir dein Herz, da3 mir gehöret, wieder. 


Dieß Hägliche Gefchent, das mir die Tugend gab. 

Aus Großmuth nahm man mich, aus Großmuth fteh ich ab. 

Dein Herz ift ſchon verjchenft, ich hab es wohl gejpühret. 

Nun wohl! Es ſey verſchenkt! Es hat mir nicht gebiehret! 80 


Doch hätt es mir gebiehrt: Prinzeß gefiele dir 


244 Chealraliſcher Barhlaf, 





Mein Herze für dein Herz, wie dein für meines mir, — — 
Ich ſchenke! für dieß Glück, das ich nun aufgegeben, > 
Nicht meine Ruh, noch Müh, noch Muth, noch Ruhm, noch Leben. 
85 Doch num ifts nicht mehr Zeit. Ich würd undankbar jeyn, Er 
Nähm mich den TrauerTag noch ſüße Hoffnung ein. 2 Vo 
Sch geh zum Pruſias, dem ich zu jagen brenne, 
Daß feine Kleinmuth nun den Römern folgen könne. 
Sch dring in ihn, bis er mir den Verdacht erklärt, 
90 Den mein gequältes Herz nicht ohne Grund ernehrt. 
Sedoch vielleicht werd ich von eitler Furcht befrieget. 
Vielleicht iſts unſer Band, was ihm an Herzen lieget. 
Es jey num wie es ſey. Ich leg in deine Hand 
Mein Schickſaal, das man Rom vielleicht ſchon zuerkannt. 
95 Geſezt, ich flöh. Wohin? wo könnt ich ſicher leben? 
Und fliehn, hieß Rom das Recht mich zu verfolgen geben. 
Das Laſter wird nur kühn, wenn man ſich ihm nicht zeigt. 
Nun wohl ich zeige mich; und es erſchrickt vielleicht. 
Ich mag das übrige nicht vom Geheimniß wißen, 
100 Prinzeßin das ich dir aus deiner Bruſt gerißen. 


[Prifter Aufteift.] 





[Tavdirea.]? Das Bündniß ift entzwey — — — ER 
Flamin. | Dem Himmel dank ia di 
Dur den dein Vater fich der nahen Schand entriß! 5 
Er läßt den Hannibal doch auch wohl mit mir gehen? ö 
Und hat der König auch auf meine Gluth gejehen? Ye 
105 Tavdirea. Flamin, was das betrifft, dein Wünſchen findet ftat | 
Wenn deine Liebe dich nicht jelbit zur Hindrung hat. | 
Flamin. Ich ſie verhindern, ich? — 
Taodicea. Laß dir den Reſt entdeden. 
Das, was dich hergebracht, will meinen Ruhm befleden. Bi: 
Bedenfe, daß dem Held, den Rom von uns begehrt, — 


a — 


u Ben era — 


nenn in 
2 u ee 


— 





1 [Bielleicht verjchrieben für] Ich ſcheute [oder] Ich ſchäzte ? Dritter Auftritt. Zaoi 
in der Hf., in welcher bier ein neues Blatt beginnt; ebenſo die letzten Verſe Be — 
erſten des dritten Auftritt3.] 


Bannibal. 9245 


5 Siem Helden ich vorhero zugehört. 110 
t Wort ließ er zum Pfand der Sicherheit ſich ſezen. 
en verlezt man mich, wenn man ihn will verlezen. ‚ 
© sein Recht auf mich wird zwar anjezt an dich gebracht. 
3 % h ein für allemahl er war mir zugedadt! 
Sein Ruhm wird mir allzeit verehrungswürdig bleiben, | 115 
Den man ihn täglich fieht durch Tugend weiter treiben. 
Drum rette diefen Held, der Prei dafür bin ich. 
Aamin. Weißt du auch, was du ſagſt? Mein Amt verbindet mic). 
Willſt du daß meine Gluth mich ſchändlich fehlen laße? 
O Baipoligier Kunftgriff von deinem jchlauen Haße! 120 
h jeh Schon was du ſuchſt — — ja — von dir abzujtehn, 
Bi du gezwungen mich durch deinen Vorſchlag jehn. 
: Hand, die ich-jo werth, die ich unendlich ſchäze, 
® ie bieteft du mir an, wenn ich die Pflicht verleze? 
4 bietft du mir nicht an — — 
xavddirea. | Du irrſt, du irreſt jehr. 125 
Be doc geglaubt, daß ich‘ dir werther wär. 
h ſprich, was hindert dich, mir dießes zu entrichten? 
Namin. Die Pflicht. 
 Taudireu Die Pflicht? folgt ihr denn fo graufamen Pflichten? 
Die, wenn fie Raferey ins wilde Herz gebracht, 
Koch der Tyrannen Stolz zu heilgen Pflichten macht. 130 
die bald jtirbt Hannibal betagt und groß an Thaten? 
Und ftirbt er umbejchimpfft, wird dadurch Rom verrathen ? 
), ae Pflicht! | 
Mamin. Ihr kennt der Römer Größe doch. 
8 fehmiegt die ganze Welt ſich in ihr ‚göttlich Joch. 
0 a das Land, das Volck die uns nicht zitternd ehren? 135 
icht als ob von der Furcht der Macht dieß Früchte wären. 
u Liebe zu der Pflicht der, der fchreib man e3 zu, 
de er Pflicht, die ich bey dir ſchon minder feurig thu. 
die ER betrög ich Rom. Ich dürfft es falſch erzehlen; 
0 1 - Rom gar bald gelindre Mittel wehlen. 140 
D —— raubt ich ihm, ergriff ich den Entſchluß, 
De en Vortheil, dab man ihm Gehorjam Ieiften muß. 



































246 Thratralifcher Badhjlah. 





Wer Könige verbirgt die Rom beleidigt haben, 
Will feindlich jeine Macht und Freyheit untergraben. 23 
145 Durch Straffen dauert Rom, die e8 an den verübt, | = 
Den ein Gejandter ihm für einen Feind angiebt. 
Dadurch ward unfer Wind ein Duell zu Furcht und Sand 
Den unjer Donner fan in aller Welt ermeden. | 
Berfolgt es Könige, die fühnlich fich empört, 
150 Und die aus Unbedacht nicht feine Macht verehrt, 
Sp wird duch unſre Macht der Sieg nun ausgeführet, 
Davon der gröfte Ruhm meift dem Bericht gebiehret.! 














1 [Der Reft des Trauerfpiels fehlt in ber Überfegung] | ns - 
? [Unter den Papieren des Nachlaſſes nicht erhalten.] ; — .. R 














2 Biangir. LS DR 


——— 


— 
—* * Bu 
” ———— F i 


ee eines Trauerlpiels. 





Giangir. 


oder der verfchmähte Thron. 
1748. den 17 April. 


Ka 1 nn — nen SD DZ eng 


i Perlonen. 


Solimann. Kayſer. 

Roxalana. Deßen andre Gemahlin. 

Muſtapha. Sohn des Solimanns von der KR Frau. 
Bajazef. 

Giangir. Söhne von der Roralana. 

Temir. 


Erler Aufzug. 
ifter Aufteift. 


Roxalana. 


n tüßner Streich gelingt. So werd ich noch regieren — — — 
| — — um einen Thron — — ja — — alles wollt ich wagen. 
r Muſtapha tod, ſo wird mein Sohn beglückt, 
ſe ft er nur erſt durch mich, jo herrſch ich bald durch ihn. 
| er kömmt — — Wie leicht, wie leicht läßt er fich führen. 5 


Anderer Aufkrikk. 
Roxalana. Solimann. 


ſeh ch doch, daß Solimann mich liebet, 
mie zu fich, fein Glück und feinen Ruhm. 
. Splimann. 


* — 
—— — — 


248 Theakraliſcher Nachlaß. 





Des Blutes zärtlich Band vereint ihn mir vergebens, 

10 Wenn er in wilder Bruſt Natur und Pflicht erſticket. 
Wer ſeinen Vater kränkt, der kränkt ihn nicht als Kind, 
Drum, wenn der Vater ſtrafft, ſtrafft er als Vater nicht. 
Ein grauß Gefängniß hält Muſtaphen ſchon umfchloßen. 
Der Frevler — — der! auf mich? — — auf mich den Dolch zu tra 

15 Der Frevler — — Mein Gemahl — — — die Schandthat ift zu gro E 
Muftapha, hättft du mich auch hundertmal erwürgt — — Bi. 
Muftapha fterbende hätt ich dir noch vergeben. 
Doch mein Gemahl — — doch did — — 

Boxalana. 
Berzehrend Angedenden! 

Mit heutern Angeficht, und ohne rothe Schahm, | 

- 20 Trug er mir Schandthat an, die, wär der Himmel nicht 

Zur Nachficht zu geneigt, ihm wäre unzerfchmettert 

Auf jeine — nicht, nicht in den Sinn gekommen. 





Spnlimann. 
Die — wär zu groß, wenn von der Allmacht Sa 
Ein ſolcher Sünder ſtürb. Der Tod wär viel zu ſchön. 
25 Wer allzufchimpfflich fehlt, den ftrafft der Fürft der Fürften, 
Durch feine Sklaven nur, das find wir Erden-Fürften. 


Roxalana. 
Mit Zittern hab ich dir fein Lafter nur entdeft. 
Ob ich dirs jagen foll, ob ichs nicht jagen foll - — 
Mein Geiſt darob verwirrt, bald hätt er fich entjchloßen, 
30 (Zum beiten pflegt man ſich am jpätjten zu entjchließen) 
Es in Vergekenheit,! in deren ſtummer Nacht 
E3 feinen ärgern fan, aus kluger Pflicht zu stehn. 
Doch deine Ehre — — 
Solimann. 
Ja — — recht jo — — Ja meine Ghre \ 
Sey dir noch, ferner lieb. D Sohn! o Ungelüde! 
35 Mein Herz, dir fonft geneigt, fühlt da ich ftraffen muß 
Die Straffe hundertfach, die einfach dich befällt. ' 





! in ber Vergeßenheit, [9f.] in die Vergeſſenheit, [1786] in Vergefienheit, [K. 2.] 





sen 


e ihn — — jo wie. er dich — —— 
























BR Roxalana. 
| en .n du? Das hätt ich nicht geglaubt — — 
Solimann. 
2 du nicht Keen daß ich gerecht verfahr? 
| Roxalana. 
ei der rare Held, in dem Natur verftummet, 
1 dem das Blut nicht redt, wenn allzuſcharffe Rechte 
liebte Schuldige, zwar Frevler, doch zugleich 
Beym Frevel Kinder noch zu herben Straffen ziehn? 
du das Wunder ſeyn? Willſt du allein nicht fühlen, 
5 wärſt du mehr als Menſch, was alle Väter fühlen? 
anz recht! Er hat den Tod — — mehr als den Tod — — verdient, 
d die Gerechtigkeit zürnt, wenn er ihr entgeht. 
Doch — — Ja, ſein Urtheil wird noch heut zurück geruffen. 
| du ital fürchte nichts dein Richter ift dein Vater. 


> 


Solimann. 

ndenth zu klein von mir. Mein Sohn gilt bey n mir viel, 
) die Gerechtigkeit und du gilft mehr als er. 

| Gen htigfeit und du vertreiben bald den Vater. 

Drum Frevler fürchte mich, dein Vater wird dein Richter. 
er ahmt der Mutter nad. Die war nicht fo wie du. 

ie liebte meinen Thron, mich, weil ich ihn beſaaß. 

Be Roxalana.. 

Berflu ter Eigennuz! Ja, Himmel, deine Straffen 

en ich über mich, die unerhörten Straffen, 

Senn je in meiner Bruft ein toller Wunſch entjteht, 

E nicht auf den Gemahl, auf ſeinen Thron nur zielt. 

iv durch des Schickſaals Schluß mein Solimann in Hütten, 
8 unbefanter Schoo$, in niederm Staub gebohren, 

h wehlt und liebt ihn doch. Beſäß er keinen Thron, 

g mein ze wär eines Thrones werth. 


Solimann. 
wer. 2 tet det, fan nicht umedler Tieben. 


40 


50 


11 
St 


60 


250 | — Vachlaß. = 








Du ſollſt auch meine Treu — — du fon fie ent ſehen — — a En 
Muftapha — — | Be 
Roxalana. —9 


Bringet dir, wenn du ihn nur erblickſt 
Den heuchleriſchen Sohn, bald andre Schlüße bey. 
Solimann. Tr 
Mir? Mir? : — 
Roxalana. 
Dem Vater, ja. 
Solimann. 
Kein, und dem vorzubeigen, - 
70 Will ich ihn unverhört zu feinem Tode fchiden. 
Sch jehe, Temir kommt, laß mich mit ihm allein —— 
Roxalana. 
Doch meinetwegen, Herr, vergieße nicht ſein Blut. 
Die Rache treibt mich nicht. Ich will ihm gern verzeyhen — — 
Wenn du verzephen kannſt, nun wohl, jo mag er leben! 


Splimann. 
75 Die Großmuth ſpricht aus dir. Dir brächte fie zwar Ruhm, 
Doch mir nur Schimpff — - - Nein — Geh! | 


Dritter Aufteitt. 


Solimann. Temir. — 
Nur, Temir, näher he 
Weiſt du mein Unglück ſchon? Haſt du mich ſchon beklaget? 3— 
Erkennſt du meinen Sohn in jenem Mißethäter? 
Und kennſt du mich in ihm? Beweiſet er ſein Blut? 
80O der verfluchte Sohn! dem nichts — nichts — heilig iſt. 
Temir. 
Ich hätte Flammen eh im tieffſten Meer geſuchet, — 
Und Berge auf der See, und Dunckel in der Sonne wi 
Als in Muftaphens Brust der Lafter Heßlichkeit. un 
Bedenfe Solimann, wie Findlich treu er ſchien? | Bi: 
35 Wenn hat er dich erzürnt? Sch hab ihn auferzogen, — 
Und weiß fein biegſam Herz, das Tugend kennt und liebet. 





Giangir. 


251 








Die Väter mahlt ich ihm als Götter auf der Welt, 


Durch die der Götter Gott die raſche Jugend zwingt; 


Ihr Seegen und ihr Fluch jey Gottes Fluch und Seegen; 
Wer fie mit Ernjt verehrt, der habe Gott verehret. 
Der Ehen heilig Band durch das die Welt beiteht, 


Der Keufchheit jtreng Gejez, den Edel der Natur, 


Des Vaters Nebenbuhl, der Mutter Mann zu werden, 


Dieß alles drückt ich ihm jung in fein wächſern Herze. 


Und diefen Eindrud läßt er ohne Würdung jeyn? 


Was Wunder, wenn nunmehr die gröjte Schuld mich trifft? 
Was Wunder, wenn der Neid mich ihm nun gleich wird achten? 
„Aus feinen Lehren hat er diejes Gifft gezogen — — 
„Den ftraffe man jtatt ihm — — der ging aufs Käyjers Tod — — 
„Muftapha mufte nur fein leidend Werdzeug ſeyn.“ 


So graufam ſchimpfft er mich. Wirft du es auch nicht glauben, 


Der Böbel glaubt e3 doch, der ftet3 das ſchlimmſte glaubet. 


Wie wenn ein junger Baum, der Nuz und Frucht verjprach, 


DU 


Bu unſern Schmerz verdorrt und unſre Hofnung teufcht, 


Der Gärtner leiden muß, jo werd ich leiden müßen — — 
Doch Gott foll Zeuge ſeyn — - 


Solimann. 
Nein — — Sch will e8 bezeugen, 


Wie viel du Treu und Fleiß an diefen Baum gewandt. 


Wenn ein gepflegter Baum durch innern Wurm verdorrt, 


Spricht man den Gärtner loß, jo, wie ich dich loßſpreche, 


7 


Und das unnüze Holz läßt man der Glut verzehren. 





95 


100 


105 


110 


252 ; Cheatralifcher Badhlar. 














J— | 
‚Der Leichtgläubige. a 
— 
Ein Luſtſpiel in fünf Rufrügem we 
Perfonen. | h 
Woldemar. Der Leichtgläubige. Siehe den Charakter des Era fi 
5 1 the Country Wife. p. 5. p. 11-15. p. 23—25. 25-28. | 


p. 33—36. p. 46. p. 53. 
Courfal. Sein vorgegebener Freund; der Charakter des Hareout i 
engliichen Komödie. y 
- Eine junge Wilfwe. Die —— des Leichtgläubigen Der € g har 
10 der Alithea. 
Tilefte. 
Johann. Bedienter des Woldemar. — 


Die Scene auf dem Landgute der Wittwe, nicht weit von der Ste bt. 


— 


15 | i 3e.H. | 
2 Die junge wikwe, xiſelle. 


Sie erwartet den Woldemar. Heute joll ihre Berbi dung 
ihm zu Stande fommen. Sie befennt, daß fie eben nicht ie 9 
Liebe gegen ihn hege; fie würde lieber den Bewerbungen des C 
20 tals Gehör gegeben haben; wenn fie anders eine gewiße Erf 
ohne die Verbindung mit ihm einzugehen, antreten könnte. Sie n 
feinen Charakter; in welchem fie an der Seite feines verzen viele 
entdeckt. 


Sc. EL 
25 Iohann und die vorigen. 


Johann kömmt voran, und meldet feinen Herrn; welcher 3 
einen guten Freund mit bringe, den er die Ehre haben wolle il 
zujtellen. Die junge Wittwe geht ab, r zu — 


Der Leichkgläubige. - 253 





Se. IH. 
Tifeffe, Johann. 





















Nunmehr ſagt Johann, daß diefer gute Freund Courtal jey, 
der in wenig Tagen, das ganze Herz feines Herrn zu gewinnen ges 
wußt habe. Er macht von diefer geſchwinden Freundfchaft eine, lächer- 5 
liche Beichreibung und fährt fort: 
9 „Das war bey alledem kein Wunder; denn mein Herr iſt ein 
— „guter leichtgläubiger Narr. Aber nunmehr, Liſette, kömmt das 
Be „rechte Wunder! Courtal hat auch mich zu gewinnen gewußt.“ 
Lifeffe. Das heißt, er hat dich bejtochen. 10 
Johann. Pfuy! Bin ich ein Menſch, den man beitechen kann? 
Beſtechen! Nicht durch Gold, ſondern durch wichtige Gründe der 
WVrernunft, durch giltige — ſeiner mehr als güldenen 
J Beredſamkeit, hat er ſich meines Herzens verſichert. Indem er 
J mir nehmlich zu überlegen gab, daß der Dienſt bey einem Leicht- 15 
gläaubigen weit gefährlicher ſey, als er dann und wann vortheil— 
haft jeyn fünne. Denn für einmal, da er fich nicht betrogen zu 
jeyn glauben würde, wenn ex e3 wirklich wäre, würde er es zehn- 
mal zu jeyn glauben, wenn er es nicht wäre. 
J Kurz, er giebt der Liſette zu verſtehen, daß er nur ſo lange in 20 
zoldemars Dienſten ſeyn werde, als er dem Courtal nützlich ſeyn könne, 
id ladet ſie auf eine feine Weiſe ein, ihre Bemühungen mit den ſei— 
t zu verbinden, daß die Wittwe dem letztern zu Theil werde. Sie 
E e8 zu frieden; worauf jie ſich wegbegeben, weil fie die Herrichaft 
A en jehen. 25 


—— 


Woldemar. Courtal. Die junge Wiftwe, 


J er zum Theil die Scene p. 12. welche aber dahin geändert 
n muß, daß Courtal durchaus nicht zugejtehen will, daß ihn die 

e Ritto bereit3 fenne. Er will ihr von dem Woldemar als eine 30 
vd 13 unbekannte Perſon vorgeitellt feyn; und fie mag jagen, was 
1, ex glaubt e3 doch nicht, daß fie ihn bereit gejehen. Er läßt 
unter einen ſchicklichen Vorwande allein; damit fie, wie er 
— — werden ſollen. 


954 Theatraliſcher Barhlah. 





Se. V. 
@ourfal und die junge Wikkwe. 


Nunmehr gejteht er ihr feine Liſt. (Zum Theil die — 
Er erklärt ſeine Liebe; und ſie ertheilt ihm abſchlägliche Antwort, 

















— 3 
-. 


Se. VI. ——— 

Woldemar kömmt wieder. Siehe die Scene p. 14. —— 

jo ſchließen muß, daß die Wittwe voller Verdruß, über die Leichte 
feit des Woldemar und die Zudringlichfeit des Courtal fortgeht. 


wollen ihr beyde nachgehen; indem aber fümmt Lijette, — den X 
10 sg zurückwinkt. 


. Qu 


— 


Sc. VII. 
Tifeffe, Woldemar. 
Sp falſch fie bereit3 gegen ihn gefinnt ift, jo ſehr redet ie 
doch noch nach dem Maule. Sie erzehlet ihm, mit welchem inbrünf 
15 Verlangen ihre Gebietherin feiner Ankunft entgegen gejehen ; wie i 
gutes fie von ihm geſprochen; was für Lobjprüche lie ſelbſt im 
Gelegenheit ertheilt 2c. Und Woldentar ift ein fo guter Narr, daß er | 
bey jedem Eleinen Umftande, der ihm fchmeichelt, ein neues Geſche 
macht; bis er ihr endlich nichts mehr zu fchenten hat, worauf en 
20 abbricht, und ſich ihm empfielt. Woldemar geht dem Courtaln 


Act. IL. 
- , Se. I. 


i 


Eourfal,. Woldemar. 


Courtal ftellt fich untröftlich über den Zorn der Wittwe, und v 
25 langt inſtändig, daß er ihm wieder mit ihr ausföhnen ſoll. ©. p.— 


Sc. I. N 
Die Wiltwe. Courkal. Woldemar. ai — 
Siehe die Scene p. 25. Welche ſich aber damit ſchließe 


daß die Wittwe verlangt, Courtal ſolle ſich ſogleich wieder nad) de Sta 
30 begeben. Sie verſichert, daß er ihr ein jedes andre mahl I { 


Der Leichtaläubige. — 255 






















En mer Gaſt jeyn werde; bejonder3 wenn ihre Verbindung mit dem 
jemar vorbey jey, und er alle Hoffnung auf ihre Liebe verlohren 

« Hiermit gebt fie wieder ab; nachdem Courtal ihr zu gehorchen 

| | Bes. III. 

Woldemar. Courkal. 


Courtal iſt zwar entſchloßen fortzugehen, hat aber den feiten Vor— 
atz, bey der erſten Gelegenheit wiederzukommen. Er nimt alſo von dem 
Voldemar Abſchied und wünſcht ihm alles Glück. Woldemar iſt ganz 
rührt, und beklagt den ehrlichen Courtal. Ehe er ihn verläßt, bittet 
x ihn, ihm einen Advocaten aus der Stadt herauszufchicen, welcher 
Bereits machen ſolle. Und diejes bringt den Courtal auf einen 
Er jchlägt feinen Bruder dazu vor, erinnert aber gleich voraus, 
A Woldemar an jeiner großen Aehnlichfeit mit ihm nicht ſtoßen 
ii Woldemar ift e8 zu frieden, und geht ab. 


Se. IV. 
Courtal. Johann. 


*Bum Teihtgläubigen. 


Charakter des Sparkisch. p. 5. 6. 

Sein Betragen gegen f. Liebjte und deßen Lächerliches Vertrauen 

— Freund Harcourt. p. 12. 

Daß er fie mit ihm allein läßt, damit er eben ſoll, beß ſie Witz 
3218. 

* Er muß zugleich ein witziger Kopf ſeyn wollen. Sein Betragen 

| br Komödie p. 23. Wenn man ihn bereden laßen, daß etwa eine 

Aectrice oder das oder jenes Stück geſpielt werde, ſo kann es einen 

chickten Abgang abgeben; und er kann betrogen wieder kommen. 

J PR * Be er it, jeinen Nebenbuhler mit jeiner Liebſten auszu- 

a % ausdrücklich haben will, feine Liebite nf jeinen Neben- 30 

7 5ER An. der Verfühnung füßen p. 28.. 





— 


25 


256 | Theakraliſcher Bachlah. 





RL 









— 


"Die beyderfeifige — ———— a 


Ein Schaferſpiel. 


1. Aufzug. 


1. Aufkriktk. 
5 Theſtylis. Sylvia. 


Sie begegnen ſich beyde ſehr früh. Theſtylis iſt von en © 
haber bejtellt, und Sylvien lodt die Schönheit der Natur fo fvüh hi 
Jene fängt an, die Liebe zu preifen, und diefe die Sprödigfeit. Es 
lingt beyden, daß die eine die andre überredet. Die verliebte Theſty yl 

10 wird geneigt ſpröde zu werden, und die ſpröde Sylvie wird genei zt 
lieben. Sylvie — ihre Geſpielin nachdenkend. = 


Her Auftritt. 
Theſtylis alein. 


Sie bejtärkt fich in ihrem Vorſatze, fpröde zu ſeyn. Sie me ch F 

15 mancherley Einbildungen, durch eine allzuoffenherzige Liebe ihrem S 
dem Damon, Anlaß zur Kaltjinnigfeit gegeben zu haben. Sein je 
Verweilen jelbit, bringt fie auf den Verdacht, daß er fie nicht m 
feurig liebe, als Anfangs, da er ihre Zuneigung noch nicht kannt ite. 


Zker Auftritt. 
2 - | Cheſtylis. Damon. 


Er kömmt. Bilt du Schon da liebſte Schäferin? Ya, ft a 
aber nicht für dich. Sie thut auf einmal fo unbekannt, daß D 
ſtaunt. Endlich glaubt er ſie ſcherze, um ihn für das — 
wovon er jo gut als möglich Urſachen angiebt. Sie wird ſ 
25 geht fort. Damon ihr nach fie zu bejänftigen. 


257 


















Der —— eines En — dem abgehenden Paare ſpottiſche 
gem als ob er fich über ihren Zwiſt erfreute. 


Zweyker Aufzug. 


1. Auftritt. 
Sylvia. 


Erſter Aufzug. 


* Erſter Auftritt. 
Br Chefiylis. Sylvia. 


u... Theſt. 
BR jo früh? 

E Syl. 

Wie Theſtylis? Auch du 
nahn für jungen Thau die ſüße Morgenruh? 


Theſtyl. 
ne ‚bie Liebe weckt, jo iſt fein Schlaf jo ſüße, 

t auf ihr Geboth die Augen fliehen mühe. 
iſts dab auch der Schlaf durch manchen Traum erfreut, 
lieber al3 der Traum ift mir die Wirklichkeit. 

meine em an diefem Quell zu treffen. 

koch ejtellt, und wird mich doch nicht äffen? 
t * junge Tag verſcherzt. 
bal & ihn uns ein Ungewitter jchwärzt. 
Sturm und Blig in die betrübten Hütten, ° 

e Schriften. TIL. 17 


u — Er De LE * 
LE AR ei 


258 | CTheatraliſcher Rachlah. 





Wo Lieb und Lachen fehlt, von Müttern nicht gelitten. 
Allein, was treibt denn dich ſo zeitig auf die — 


Gewiß die Liebe uch: Be 2 
Sylvia. —— 
Die Schönheit der Natur. 2 
\ Theſtyl. 


15 Ja, ja, ſie iſt ſehr ſchön. Allein man ſieht ſie immer, 

Und was man immer ſieht, verlieret ſeinen Schimmer. 
Sylvia. 

Du bift jeher ungerecht. Doch wie Verliebte find; 
Sie macht ihr Gegenstand für alles andre blind. 

- Ach welche Thorheit ifts, fein Herz der Lieb ergeben, 

20 Und allem abgelebt, für fie allein nur leben! 
Eich Yacht und Lebt fein Lenz; euch glüht fein Morgenuotf; J— 
Fir euch find Flur und Wald und Thal und Echo todt; ‘u 








Caktilina. = 

Ein Trauerſpiel des B. von Crebillon | 

Aus dem Franzöftichen überjegt von 6. E. 2. Be 
Berlin 1749. 


ef Erſter Aufzug. | 


Erſter Auftritt, 

Catilina. Lentulus. 

Catilina. E 

Hör auf Furcht vord Geſchick, das mich bedroht, zu Re ao 
Je mehr Gefahr ich jeh, je mehr Fan ich mich wägen. ve 2 
Bey Näherung des Schlags, wovor ihr alle bebt, 


Cakilina. 








rd mein Muth nicht geſchwecht, nur doppelt ſtark belebt. 

























** Herzens Grund dring ich mehr, als du dringeſt, 
d fan den Lentulus nicht ohne Mitleid ſehn, 
En 5* des Stolzen Tod, wie nah er dir mag gehn. 
r Römer Wüterich, die Baterlandesliebe, 
Ä B erstellt fich trügrifch dir in bange Freundichafftstriebe. 
i gras dir blindlings nur mein Wort zu deiner Pflicht 
) den unjeelgen Hang mißbraud) ich ferner nicht. 
T F &ipionen Ruhm treibt dich zu reinern Thaten. 
Was fie beſchützten, will ihr Enkel nicht verrathen. 
Das Prätoramt, das dich zum Glied des Naths erklärt, 
Hat des Verſchwornen Herz zur erſten Pflicht befehrt. 
> zitterft, kurz, für Rom. Rom ift es was dich Frenfet, 
Bann dein betrüglich Herz fir mich zu zittern denfet. 
‚ dein Gewißen kämpft, und windet fich zu fehr. 
* zu der Tugend um. Ich gönne dir die Ehr. 
Lenkulus. 
zrich dieſe Reden ab, die mich zu ſehr verwunden. 
K Klugheit und Argwohn ſind bey dir zu nah verbunden. 
Man glaubt offt, daß ein Herz vor uns entdecket liegt 
Wann uns durch falſches Licht ein ſchlauer Irrthum triegt. 
ier fan dem Klügſten wohl ein ſcharffer Blick mißlingen, 
D. h braucht ein Mann wie du nicht jchärffer einzudringen ? 
om Mitverſchworenen trenn Hüglich deinen Freund; 
ihm ein freyes Wort, und höre was er meynt. 
allem Glück und Ruhm, den einſt dein Sieg gewähret, 
3 rlang ich nur dein Herz, das mich vertraulich höret. 
t Vorzug ſchenke mir. Denn unſer FreundſchafftsBand 
tt mich mehr als zu offt treu und geſezt erkannt. 
Sprich, wann dein Stolz fich fan fo weit hernieder laßen, 
Bas läßt dich deine Wuth vor fühe Hoffnung faßen? 
3. büßte Nonius die Nacht das Leben ein? 
d was ſoll nun die Frucht von dieſer Mordthat jeyn ? 
| Cakilina. 

ie Seußt it, daß hinfort die alle zittern müßen, 





aub mir, was brauchts, daß du vor einem Freund dich zwingejt ? 


5 


10 


15 


35 


260 Iheafralifiher Nachlaß. 





Die mir der Eyd verbindt, die mein Geheimniß wißen, 

Wann fie, wie Nonium, ein fühner Zweifel hält, * 
40 Und ihre Untreu ſie der Rache bloß geſtellt. 

Doch kennt mich Lentulus, wie er mich ſollte kennen, 

So wird er ſeinen Tod des Meineids Straffe nennen, 

So weiß er, daß die Wuth, die ihn zu ſchaudern zwingt, 

Die Staatskunſt, nicht mein Herz, zur blutgen Übung being 
45 Wo ein gemeiner Held ein Bubenſtück beginge, 

Da thut ein Rädelsmann, wie ich, erlaubte Dinge. 

Recht oder ungerecht, gut oder laſterhafft, 

Was kiimmert er jih drum, warn es ihm Nuten jchafft ? 

Man mag ihn undankbar, meineidig, graufam finden; 

50 Doch bleibt er groß, läßt er fein Herz nur nicht ergründen, 
Wagt er nur alles, weiß er nur wie man jich jchmiegt, 
Und das furzfichtge Bold mit äußerm Schimmer triegt. 

In Tugenden ſowohl als Laftern übertrieben, 
Stellt er fich allen gleich die jein Verſtändniß lieben. 
55 Sein zweifelhaffter Ruhm fümmt auf den Fortgang an. 
Und wen man erjt verflucht, vergüttert man alsdann. 

Die Schaar die mir gehorcht, iſt des Senates Schreden. 
Und ich muß jeines! ſeyn mir Anfehn zu ermweden. 
Wann jedes Glied von ihr ein Freund der Tugend wär, 

60 So wär ichs auch, und mir fiel feine Tugend fchwer. 
Dir nur und dem Cetheg bin ich mit Grund gewogen. 
Der Reit ijt eine Brut in Lajtern auferzogen, 

Der ohne Zwang nicht folgt, den Wechjeln jtet3 gelüft, 
Und uns jo weit nur liebt, al3 man ihm ähnlich ift. 

65 Ganz anders ift ein Fürft, vom Recht zum Thron erjehen. 
Er winkt, und man gehordht; er will, es ift gejchehen. 
Allein warn man als Feind vom unterdrücdten Staat, 

Den niedrigiten Kriegsfnecht zum Mitgenoßen hat, 
Und der iſt unvermerft in unſer Joch zu biegen, 
70 Darzu gehöret Kunſt, mehr Kunft, als felbft zum fiegen. 
Tenfuluse 
So bieg fie in dein Joch, nur mach dich u verhaßt. 


1 [Berjchrieben jtatt] * 








Catilina. 


261 





Doch ſprich, eh noch der Tag uns überraſchend faßt, 

s dich ins Heiligthum der Tellus hergezogen? 

e Priefter Probus — — ift dir diefer auch gewogen ? 
dent, ob jeine Macht allhier gleich nichts umſchließt, 

; einem Priefter auch jo viel zu trauen ijt? 

Bahr ts, daß wir durch ihn den Zufluchtsort genießen, 
= ex uns ſo offen ſteht, als wir ihn ſicher wißen. 

Doch er iſt, wie du weiſt, des neuen Conſuls Freund, 




















: 8* ſeines gleichen ſich zu Mitverſchwornen geben, 

© rettet ein Verrath zulezt ihr ſtraffbar Leben. 

D ie Rathsverfammelung ift heut hierher. beitellt. 

De doch diejes iſt e8 nicht was mich am meijten quält. 

J ) fürchte Fulviens in Rad) verkehrte Triebe, 

Und noch mehr Tullien. Schredt deine blinde Liebe 

ht ihr feindfeeliges, ihr dir gehäßig Blut? 

Sie ftammt von Cicero, dem Vorwurf deiner Wuth. 

Wie fan ein großes Herz, das jo viel Sorgen füllen, 

E viele Liebesgluth, bey jo viel Haß, verhüllen ? 

Pr deines gleichen auch der Liebe ſüße Pilicht? 

Cakilina. 

h fühl die Liebe zwar, allein ich dien ihr nicht. 

U Ind wenn ein Held, wie wir, der Liebe unterlieget, 

Er fie jeinen Sinn, nicht feinen Geist, bejieget. 

d, wenn das freye Herz in Ruhmbegier entbrennt, 

0, Sat fie feine Macht, al3 die das Herz ihr gönnt. 

f die Art wird in mir die Liebe nur gelitten. 

ie Schönpeit Tulliens, Reiz, Geift und ftrenge Sitten 

s meiner Neigung wehrt. Doch diefe Leidenjchafft 
E% der Erjucht Frucht, al3 meiner Liebe Krafft. 

t Rom, das jtolze Rom, das jo viel Wunder zeuget, 

—* nichts, was Tullien an Anmuth überſteiget. 

Er» ein ganzes Volk durch ihren Blick entmannt; 
3 war ‚der Re Reit der mich für fie entbrannt. 





in ge * dem ihn Stolz und Blut, Nutz und Gemüth vereint. 


75 


80 


100 


262 Theafralilcher Barhlah. 





4 En 
* * 
Der Fyreygeiſt. 
Adraſt. ohne Religion, aber voller tugendhafter Gefinnungen. 
Theophan. jo tugendhaft und edel als fromm. 
Lifivor. ein alter reicher Kaufmann; ungewiß und ſchwankend in tönen 
5 ſätzen, jezt auf des Dr jezt auf des Theophans Seite; been 
zu wißen warum? u. 
Töchter des Liſidors; von entgegengejegten Charakftern. Juli 
ſtill, zärtlich und fromm. Henriette frey, und a Bil, dı 
jonft liebenswerth. — 
10 Fr. Philane. des Liſidors Mutter; eine alte gute chriſtliche Frau; die 1 — 
einer gewißen Beziehung auf ihren nahen Tod betrachtet. * 
Iran de la IIeche, ſonſt Hans Pfeil, Bedienter, des Adrafts umd wur 
Herrn. 


Marlin. Bedienter des Theophans; dumm. 
15 Tifeffe. Kammermädchen. 











Juliane 
Benriefte 


Enkwurf. 
I. Aufzug. 


I. Aufteift. | se 

| Adralt und Cheophan. | J k 
20 Theophan bietet dem Adraſt feine Freundſchaft an; = 
zieht ſich auf eine ziemlich froftige Art zurück. Bender Charaft e 
wickeln fih. Theophan beiteht auf die bevorftehende Verbindung, w 

fie Freunde zu jeyn bewegen follte, biethet alle feine Dienjte an, wel 
Anbiethen Adraſt für nicht aufrichtig annimt. eh geht a; t 
25 er erfahren, daß ſein Vetter angekommen. 


II. Aufkrikt. Aal 
Adraſk. allein. J— 


Welcher Prieſter wäre auch fein Heuchler! Sch mag — er 
nicht ſeyn. Es wäre der erſte — Mann, den ich in ſe 





Der Freygeiſt. | 263 


S ss Nur Briejtern habe ich mein Unglüdf zu danfen. Zwey 

ion, welches mir Schwäger find haben mich ruinirt. Hafen will ich 

, Send, und alle deines Ordens. Muß ich denn überall in die 
dtichaft der Geiftlichkeit gerathben? Und habe ich nicht noch eine 
Urfadıe den Theophan zu haßen? Warum habe ich nicht der erſte 5 
erber in diefem Haufe jeyn können? Warum ift Juliane nicht mir 
—* geworden. Ich liebe ſie. Warum ſoll ich mich mit H enrietten 
gen die ich nicht liebe 



















Be 


Drikker Auftrift. 
Adraſt. Tilivor, 10 


Daß doch, jagt Lifidor, die Philofophen fo gern alleine find. Er macht 
f m Schmeicheleyen, wie man fie einen jtarfen Geifte machen kann. Sie 
: Immen unmerklich auf die Heyrath. Lifidor freut jich, daß jeine Henriette 
rim: jey, wie er glaube, daß fie fich für den Adraft jchide: 
), wißig, ohne Sorgen. Die ältejte, jagt er, ijt eine gebohrne Prieſter- 15 
— nach dem Schlage ihrer Großmutter, welcher dabey zu gedenken; 
den Theophan gemacht. Er fragt den Adraſt, was er von dieſem 
jr a Geiftlihen halte. Adraſt macht ein übel Bild von ihm, welches 
3 dem Borurtheile wieder den geiftlichen Stand fließt. Lifidor giebt 
m Recht. | 20 


Vierker Aufteit. 
Bi Johan, Adraſt. Tilivor. 
of. Ein Wort im Vertrauen, H. Adraſt. 
Ad. Nun? was ifts. 

4 Joh. Im Vertrauen, ſag ich, im Vertrauen. 25 
ANd. O rede laut, ich habe vor dem H. Liſidor nichts geheim. 
Jehan will wi; und Lifidor iſt rBNDEREA jo höflich ſie zu verlaßen. 
bi BE J 
0° Fünfer Aufteikt, 
— — ei Johann. Mdrafl. 

BR: einer 5 u 30 


964 — Theakraliſcher air 





\ 


Joh. H. wir ſind verloren. Und Sie verlangten, daß J 
Gegenwart des H. Liſidors jagen ſollte? J 
Ad. Aber was? J— 
Joh. Was verdammtes. Sie müßen Bank Gedanken nicht bet 
5 gehabt haben. Wenn ich es nun laut gejagt hätte. A 
(Diefe Gejchichte kann noch etwas Yänger ausgedehnt werde ) 
Kurz Johan meldet ihm endlich, nach einer furzen Bemerkung 
häußlichen Umstände, daß ein Schuldner aus feiner Vaterftadt hei 
gekommen, die Bezahlung eines fälligen Wechſels von ihm zu verlar 
10 Ei eritaunt; er will ihn aufjuchen, und wo möglich zur Geduld bewe 
Johan fängt darüber an zu philoſophiren, nach ſeiner Art ziemlich a 
Läfterlich. Adraft wird ungehalten. Man möchte es verſchwören, 4 ag { 
ein FreyGeiſt zu ſeyn, wenn man fieht, daß es jede Sumpenbund fe 
will! Gehen ab. 















15 | Zweyker Aufzug. 


Erler Aufkrikk. 
Juliane. Benvieffe. Tifeffe, 


= Die Schweitern ftreiten über den Werth ihrer Liebiten; doch fo da 
jede den Liebhaber. der andern erhebt; die muntre Henriette den geſetzt 

20 Theophan und die ſtille Juliane den freyen Adraſt. Juliane verrath ei 
finnliche Liebe zum Adraſt; Henriette aber erklärt ſich ziemlich gleichgü 
Juliane glaubt an dem Adraſt eine beßre Perſon, und an dem Theop be 
ein beßres Herz zu finden. 


Ameyfer Aufkrilt. 


25 Theophan und Die vorigen. 


Benriefte. DO, kommen Sie doch geſchwind Theophan. Sönnen & 
wohl glauben, daß ich Ihre Barthey gegen meine Schweiter habe bi 
müßen — — Bewundern Sie meine Uneigennüßigfeit; ich habe Sie 6 b 
in Himmel erhoben, da ich doch weis, daß ich Sie nicht bekomme, 

30 daß Sie für meine Schweſter beſtimmt ſind, die Ihren Werth — 
Denken Sie nur, fie behauptet, daß Sie feine fo ſchöne Perſon vr 


Per Freygeiſt. | 2: 260 

























Adraft Ich weis nicht, wie ſie das behaupten kan. Ich ſehe doch den 


h zehnmal ſchöner, als er iſt; und gleichwohl geben Sie ihm, meines 
——— nichts nach. Sie ſpricht zwar, auf der Seite des Geiſtes 


hätte n Sie mehr Vorzüge; aber was wißen wir Frauenzimmer denn vom 


hät 


hä 


uuliane. Die Schwägerin! Sie kennen fie Theophan; glauben Sie 
ihr nicht. 

Cheophan. Ich ihr nicht glauben? Schönſte Juliane laßen Sie 
mich doch in der Vermuthung, daß Sie jo vortheilhaft von mir gejprochen 
I: ben. Es iſt wahr, ich bin allerzeit gegen meinen Körper jehr nad)- 
je gewejen. 

| Endlich meldet Theophan jeinen angefommenen Vetter bey ihnen; 
K: und beyde Schweſtern eilen, dieſe angenehme Nachricht ihrer Großmutter 


zu bringen. 







Dritter Auftritt. 
Tileffe. Chevphan. 


Lilette macht ihm ein Compliment, daß er ſich rühmen könne, beyde 
Schweſtern in ſich verliebt gemacht zu haben; die eine liebe feinen Geiſt, 
und die andre feinen Körper; fie wolle wünſchen, daß er fie auch) beyde 
heyrathen könne; fie wolle fie ihm beyde gönnen. Sie verräth ihren Haß 
jegen den Adraft; fie nennt ihn einen Stolzen, welcher auf das weibliche 
eichlecht mit Verachtung herabblide; einen Mann ohne Religion und 
ärtlichkeit; welcher das Frauenzimmer nur zu jeinem Vergnügen er- 

haften zu jeyn glaube. — — Theophan bedankt fich für ihre gute Gefin- 
nung; entjchuldigt den Adraft jo weit als möglich, und jagt, daß er feinem 
Better nochmals entgegengehn wolle. 


m 


Mi 


Bierter NRufkrikk. 
— | Liſette. 
Bopundert den Theophan, und weil fie die beyden Bedienten, den 


n und Jean, kommen fieht, nimt fie ſich wor beyde zu behorchen, 
—* aus ihren Reden etwas zu erfahren. 





t mit den Augen einer Verliebten an, das iſt, ich mache mir ihn. 


10 


— 


25 


30 


a) 
nr 


266 Theakraliſcher Nachlaß. 





Fünfter Nufkrikk. 
Iran. Martin. Tifeffe in der Entfernung des Theaters. | 


(Siehe die ſchon ausgearbeitete Scene.) Jean geht befchämt 
Martin und Lifette folgen ihm, diejen Spaß — deren 
5 zehlen. 













Drikker Aufzug. 


Erſter Auftritt. 
Theophan und der Vekker (Araspe). 


Was ich Ihm fage, mein lieber Vetter; Adraſt ift der Mann, g ge 
10 den ich einen Wechjel zu vollziehen hieher gekommen bin. Er weis,. 
ich niemals fo graufam gegen meine Gläubiger gewefen bin. Aber t 
Charakter des Adraft, macht, daß ich ihn auf das äußerſte —— 
Es iſt ſein letztes, ich weis es; und vielleicht lehrt ihn das Ge 
ſelber kehren. J 
15 Theophan. Macht ihm gegenVorftellungen, und erhält endlich BR 
Wecchſel von ihm, damit zu —— wie es ihm gut dünkt. 


Zweyker Aufteift. 
ANdraſt. Theophan. Der Ball, 


Adraſt erjtaunt, feinen Gläubiger hier zu finden. Er hort da 
20 der Vetter des Theophans ſey; er gereth darüber in eine bittr x 
Er glaubt fie würden ſich mit einander verbinden, jein Unglüd au 
indem er noch immer die falſchen Begrife von dem a 
einem boßhaften Geiftlichen hat. Theophan will jeinen = ter | 
führen, und BEHREIN dem —— gleich ——— Ile 
25 ihn warten. Ä > 2 


Der Ireyoeilt. SEEN 200 





Driller Aufkrilk. 

Pa AAdraſt. 

Alle Eine Scene voller Galle und Berzweiflung; und voller Verdacht 
| n ben Theophan. Jean fümt dazu; der ihn auf eine freygeiftiiche Art 
röftet, welches den Adraſt erbittert. | 


* 














Vierker Auftcitt. 
Cheophan. Horalt. 


Theophan zeigt jeine Empfindlichkeit über den niederträchtigen Ver— 
1 iht des Adraſt. Adraſt beſteht ſehr bitter darauf. Theophan will ihm 
— W Wechſel zurückgeben. Adraſt hält dieſes Anerbieten für einen Fallſtrick. 
e m fie ihm Theophan darreicht, reißt Jean ihm die Wechjel aus den 
änden. Ha! Ha! mein Herr, in weßen Händen find fie nun. 
J—— In den deinigen ohne Zweifel. Jean bewahre ſie anſtatt 
n Herta. 

2 — geht raſend auf den Bedienten loß, nimt ihm die Wechſel 
ab, und giebt ſie zurück, und jagt den Jean aus den Augen. 
ophan zerreißt die Wechſel, und verleßt den Adraſt mit edeln Ver— 
* rungen der Freundſchaft. 


| — Fünfter Auftritt. 
Ben. Aoraft. 
—* denkt mich zu beſchämen oder zu gewinnen? Beydes ſoll ihm 
E: — Ich will das Be anwenden, jeinen Schuldforderungen 
uthun — — 
| J— Sechſter Auftritt. 
Al F Ba 0 Benrieffe. Adraſt. 
— ſich auf eine edle Art über ſeine jezige — 
t fo ziemlich den Freygeiſt mit ihm. Adraſt wird darüber 
ch 1b ſie Se einander beyde mit Verdruß. 
| * 


u cl SSL Ei En en Zn 


A 


10 


15 


25 


268 Theakraliſcher Barhlap. 





Vierker Aufzug. 


Erſter Aufteitt. 
Juliane. Benriekte. Liſekke. 








Henriette giebt ihren Verdruß über den Adraſt zu erkennen. uli 
5 vertheidigt ihn. Henriette wird dadurch noch empfindlicher. 


Aweyter Aufteitt. 


Adralf und die vorigen. 


Benrieffe. Als wenn Sie gerufen wären, Adraſt. Meine Sch! 
it Ihre Lobrednerin. Eine Betjchweiter die Lobrednerin eines Fre 
10 was für ein Widerſpruch. Entweder Ihre Befehrung muß nahe fun; 
meiner Schwefter Verführung. Ich mag in euer Geheimniß nicht dri 
ihr guten Leutgen. Komm Lifette; wir wollen fie allein laßen. M De 
braucht ohne Zweifel zu feiner Dankſagung feinen Zeugen. Mi 
Juliane. Lijette joll hier bleiben. 
15 Benrieffe. Nein ſie ſoll nicht. 
Lileffe. Sie wißen wohl, ich gehöre heute Henrietten. J 
Benrieffe. Sieh dich vor, Schweſter; wenn mir dein 9— | 
aufftößt; jo jollft dir jehn was gefchieht. Sie dürfen nicht denfen, 
daß ich dieſes jage, um Sie eyferfüchtig zu machen. Ich ER = 
20 in der That anfange Sie zu haßen. 
Adraſt. Es möchte Ihnen auch Schwerlich gelingen, mich eyfer 
zu machen. Liſette und Henriette gehn ab. Er 


* 


Drikker Auftritt, 
Adraſt. Juliane. 


25 Adraſt macht einige ſpöttiſche Anmerkungen über He ei 
fie den Freygeiſt jpielen will. Er jtellt ihr dag Bild von ne 
gegen; und es jcheint ihm, daß das Nelligiöje der weiblichen 5 Beſch 
heit ſehr wohl ſtehe. Es giebt, ſagt er, der Schönheit ein gewißes 
geſetztes und ſchmachtendes Runen und wenn die Religion ud 





Der Freygeilt. 269 





ganzen Welt verbannt würde, follte man fie bloß deswegen dem ſchönen 


Geſchlechte Taken. Juliane antwortet ihm hierauf, daß die Religion jelbit 


überhaupt eine wejentl. Schönheit des Menfchen jey — — Adrait, kömmt 


vom einen zu dem andern auf eine fürmliche Liebeserklärung. Er fällt 
ihr zu Fuße, und entdecdt ihr jein ganzes Herz, doch ohne Hoffnung ; ſchon 


ot 


vergnügt es ihr entdedt zi haben, weil er ohnedem dieſes Haus verlaßen 


— 


— 
—— 


| 


—F 


4 


—— 


müße. Juliane wird gerührt, und kann ſich kaum enthalten, ihm ihr Herz 
jehen zu laßen. Henriette tritt Lächelnd doch jachte herein, und jagt, ho! 


“ho! die Scene muß ich den Theophan unterbrechen laßen. Geht ab. Sie 
ſetzen die Unterredung noch ein wenig fort, und Theophan kömmt. 10 


Bierter Auftritt, 
Theophan. Iuliane. Adraſt. 


Adr. Sie haben uns alſo wohl behorcht Theophan? Als ob man 
es nicht ſchon wüßte, daß die Geiſtlichen Schleicher wären. Juliane geht 
mit einer Entſchuldigung ab, nachdem ſie von dem Theophan erfahren, 15 
dab ihn Henriette, ohne zu wißen, was es ſey, hierher rt babe. 


Fünfter Auftritt. 
Theophan. Adraſt. 


Adr. Erlauben Sie, daß auch ich Ihre Vorwürfe nicht anhören 
darf. Nur noch einige Augenblide bitte ich Geduld zu haben, jo jollen meine 20 
Wechjel bezahlt?, ich habe einen ehrlichen Mann noch gefunden, der mir 
fo viel trauet. Es ſoll mein erftes jeyn, meine Sachen in Richtigkeit zu 
bringen; und ich glaube nicht daß er gefehrdet ſeyn joll. Sch reiſe noch 
heute ab; und es ijt mir lieb, wenn Ihnen Henriette gejagt hat, daß ich 
Juliane liebe. Ya ich liebe fie; und jollte es Ihnen auch vor Verdruß 25 
das Leben koſten, jo muß ich Ihnen entdeden, daß ich einige Neigung bey 


ihr gegen mich entdeckt habe. 


Theoph. Halten Sie Adraſt; und laßen Sie ſich mein ganzes Herz 
entdecken. 


Adr. Nein, nein; vielleicht daß ich mit einem kühnern Geſichte mit 30 


—9 Ihnen ſprechen werde, wenn ich nicht mehr Ihr Schuldner bin. Der Wedhiler 





ſeyn Lift zu ergängen] 


270 | Theakraliſcher Pachlaß. 

















hat mir das Geld hierher bringen wollen; und er verzieht für ti 
zu lange; ich muß ihn nur hohlen. — 


Sechſter Aufteift. 

| Thevphan. ei E 

5 Macht einige Anmerkungen über das Betragen des Adre it: F 
verräth jeine Liebe zu Henrietten, weiche durch die SB * Wech 
unterbrochen werden. | B J 


Siebender Auftritt. 

Theophan. Der Wechſler. 

10 Der Wechſ. Ich ſuche den Adraſt. | 

Cheoph. Wenn ich recht vermuthe, fo find Sie einander fehlgega: 

Der Wechfler jagt ihm, daß er dem Adraſt zwar die Summe verfproi 
habe; daß er aber nad der Zeit feine Umftände näher erfahren, und a 
herfomme, e3 ihm abzufagen. Theophan, erjucht ihn, es ihm nicht al 
15 jagen, jondern feine Bürgschaft dazu anzunehmen. Dieje zu ſtellen, fi R ül 
er ihn in ſein Cabinet. — 


ünfter Aufzug. 
Der Wechſler von der PERL & von der andern Adraſt. DR 
Sie beflagen, daß fie einander fehlgegangen. Adraft sagt, ob 
20 ſich noch auf ihn verlaßen fünne. Ja, jagt der Wechiler, ich hätte 3 
fait einige Bedenklichkeiten gehabt, allein fie find gehoben. Bas für 
denklichkeiten? Der Wechſler geſteht, daß Theophan für ihn gut g 


ob er es ihm gleich verbothen, und ſagt, daß er das Geld könne 
laßen, wenn er wolle. Adraſt erſtaunt, und der Wechſler geht 


5; — Aufkrikk. 
Adraſt. 


Er verwünſcht die ſich aufdringenden Wohlthaten des © 
Sollte diejer — nicht jeden andern, als Segen? | 





| Dritter ala 



















| Adraſt will dieſes nicht glauben, und endlich wird er — 

1d doch wohl ein rechtſchafner Mann, Theophan, und ich habe Sie 
En —* Kommen Sie wir wollen unſern Entſchluß dem Vater ſagen. 
cd bier fommt er. | 10 


EB .: vierker Rufkrikk. 
xiſidor, Cheophan. Ndraſt. 


Adraſt geſteht, daß er Henrietten nicht liebe. Theophan, ſagt, daß 
liane einen andern liebe; und daß ſie beyde alſo auf dieſen Fuß ſeine 
hwiegerſöhne nicht fegn Könnten. Der Alte eritaunt und ruft Lifetten, 15 


Bi 
— 
er 


- Ex | Fünfter Auftritt. 
| Lileffe. Pie Borigen. 
m Meine er jollen gleich her kommen. 


Sechſter Aufteitt. 
>. Liſidor. Theophan. Ndraſt. 20 
Eu er die Vertaufehung vor, und Lifidor ift es zufrieden. 


> Theophan bittet RE ſich Bet nicht 
* Herz der Henriette an, die es auch auf eine 25 
) annimt. — geht und en die alte Groß⸗ 


272 | Theatraliſcher Nachlaß. 





Achter Nufkrikt. 
Fr. Philane. Der Vekker und die Borigen. 







; Die Großmutter dankt diefer Veränderung wegen Gott, und. gi 
daß die Seele des Adraſts, und der Henriette dadurch gereu 2». 





3 "u, M@aranda, 


Eine Poßen Oper, im neuſten italieniſchen Gute oder Geld 
aulaeleixt 9— 
von einem reiſenden Liebhaber der Muſik Be E 
bey Eröffnung des Ppernfheafers in | a 
m; Teltom 
Teltow an der Tyher! 1749. 


Imprimatur. £ 
Leopoldo di Villati. 
Poeta di Sua 1 4 
— 
3 


15 | oh Porrede. —11 
Ich gebe meine Arbeit vor nichts weniger, als vor ein Mei 

aus, doch bin ich überzeugt, daß wahrhafftig große Kenner 
und Poeſie ungemeine und jeltne Schönheiten darinnen finden ı 
Willſt du nun, mein Leſer bey mir vor einen wahrhafftig großer 
20 der Mufif und Poefie gelten, jo — — — sapienti sat. Lebe tt ot | 
ich dir ſonſt Tagen fünnte, wirſt du theils ſchon auf dem Tittel 





1 [Urfprünglich:] Leipzig. [Die Oper iſt aber in Berlin gemacht.] 


Tarantula. 273 





ha 1, theils kanſt du es in — Vorrede finden, und in ſo weit ver— 
RT \ die 


‚ die vor mir gejchrieben haben. Lebe nochmals 


Innhalk. 


Ich war zwar erſt in Willens dieſer meiner Oper feinen Innhalt 
ſetzen, denn ich glaubte, das Vergnügen etwas unerwartetes zu fin— 
1, fiele dadurch weg. Weil ich aber hernach fand, daß man ihn noch) 
n feiner gedruften Oper weggelaßen habe, und nicht ohne Grund be- 
Bye, man möchte mein Stück vor unvollflommen halten, wenn er 
4 bey mir fehlte, jo habe ich mich endlich entjchloßen bey der Mode 
— Der Inhalt meiner Tarantula wäre alſo kürzlich die— 
ſe J — — — Doch den Augenblick Fällt mir ein entſetzlicher Scrupel bey. 
Könnte nicht ein boßhaffter Spötter jagen, die Opernfchreiber müßten 
8* den Innhalt vorſetzen, weil man ſonſt unmöglich aus der Oper 
e bit Hug werden könne. Der Geyer! jo einen Vorwurff mag ich meinen 
Singipiele nicht gerne machen laßen. Ich will alfo noch den Innhalt 
jo Tange lieber zurücd halten, bis ich mich bey dem H. W. darüber Raths 
hohlen Fan. 

| Muſick, Ballet3 und Verziehrungen find alles von meiner eignen 





















he Opertheater aufzuhelffen. 


Perlonen des Singelpiels. 


Plibriv. ein närriiher Muficus. 
Polimellv. ein alter Medicus. 


Lominte. des Bolinello Tochter. 
Tileffe. 
Prfaviv. der Lominte Liebhaber. 
Marelli. 


0 Ein Chor Kranker. 
a Ders Polinello Bausgelinde. 


R A Bann es möglich ſeyn wird will ich auch unferm ehrlichen Schul⸗ 
eiſter nr Claus Steffen eine Rolle geben. 


— Schriften. II. 18 


10 


15 


Sefin dung. Man fieht aljo wohl, dab ich darzu gebohren bin, ‚dem deut- 20 


25 


30 


274 TIheatralifcher Barhlap. 


Erſter Mifun.. Sn 9 
Erſter Aufteift. A 


Das Theater jtellt den Plaz vor des 5, ———— 
Es treten auf SB 
5. Ein Chor Kranker und Plibriv. Unter den Kranken fan man a 
band beliebige wunderbare Figuren aufführen; Leute mit Budeln, m 
Stelzen, ohne Hände und Füße, wo möglich auch ohne Kopff. a 
was recht befondres machen, jo fan man einige in Betten auf den Schai 
plaz tragen, oder fie durch den Himmel mit Striden —— — 
10 weil doch wahrſcheinlich iſt, daß es um das Hauß eines großen 8 
ſehr gedrenge ſeyn müßen. Bey dieſer Gelegenheit wäre alſo 
werk auf eine ſehr natürliche Weiſe anzubringen. Die Kranken fi 
folgendes, und Herr Olibrio, welcher mitten inne ſtehen . sit | 
den Tadt. er 


15.” Chor. 















Preiſet! Preifet unfern großen Arzt! 
Der durch Pulver, Billen, Harzt 
Uns curiret, 
Und dem Tod entführet. i 
20 Man merke, daß die Kranken hin und wieder in dem Singen Fehl 
machen müßen, damit die Wahrjcheinfichfeit, wieder welche man bish 
in den Opern fo vielfältig verjtoßen hat, deſto beßer beobachtet wer 
Übrigens wird man wohl thun, wenn man das Chor etliche 20 m 
wiederhohlen läßt; denn ich bejorge, der erite Actus möchte etwas 
25 gerathen, als die übrigen zwey. Nach dem Chore folgt, wie billi 
Recitativ. J A 
Plibriv. Was hat man nicht vor Müh mit deutſchen “ala Br 
Die, wenn fie hundertmal gehört, 
Doch hundertmal noch fehlen. 2.2 
30 Ihr Ochſen, lernt doch einmal ſingen, Be 
Sonjt wird mirs wenig Ehre bringen. 
Zumal du Ejel, da — - — 





Taranfula. 275 





- Einer von den Kranken. Se Herr - - id - - ſtott - — re - = ja. 


Plibriv, 


Ku, dasmal mag es jeyn, 

Doch morgen jtellt euch wieder ein. 

Denn was fan billiger wohl jeyn, 

Als daß ihr euern Arzt mit Singen preijet, 
Der feine Kunſt an euch beweifet? 


Die Kranken geben ab. 


Anderer Aufteitt. 
Plibriv,. Polinellv, 


Polinello, Mein lieber Herr Dlibrio 


Blibriv, 


Sch bin entießlich froh, 
Daß man dur Ihr Bemühn, 
Mir jo viel Ehr erzeugt 
Und auf der Gaße gar von meinem Ruhm nicht fchweigt. 
Sch thue nichts, al3 meine Schuldigfeit, 
Und bin bereit, 
Noch mehr zu thun, 
So bald ich werd in Ihrer Tochter Armen ruhn. 


Polinello. Ey das hat ſeine Richtigkeit. 


Blibrio. 


Sie ſind mein Schwiegerſohn, 
Wenn es der Teuffel ſchon, 
Mit aller Teuffelhafftigkeit, 
Verwehren und verhindern ſollte. 
Doch wann erſcheinet denn der Tag, 
Wo mich mit zärtlichem Entzücken 
Die Venus wird beglücken? 
Der Tag, der dreymal ſeelge Tag, 
Den Sie jo offt verichoben haben ? 
Erſchein! Erjchein! Sch jterbe, 
Bor langem Harren jterb ich nod. 
Bergeblih Harr'n! So herbe 
Forse il morir non &. 
Doch ja er fümmt, der Tag, 
Da ih dir zeugen mag, 


or 


10 


15 


20 


25 


30 


5 Wiederholung will er abermals reden, Dlibriv aber ſchlagt i 
Maul. Sobald er beſchloßen jagt er ganz haſtig 


10 


15 


20 


25 


276 


Theakraliſcher Vachlaß. 





Beh der eriten Wiederhohlung dieſer vortrefflichen Aria, 


D graujame Lominte, 
Ch’io nacqui sol per te. — Re u 





Polinello ins Wort fallen. Olibrio winkt ihm aber. Bey der ce a 


Dlibriv, 


Polinello. 


Plibriv. 


Po linello. 


Doch, wenn Sies nicht erwarten können, 


Noch heute meine Tochter küßen. 


Plibriv. 


30 


Berdammt! Ihr Herren konnt't ihr nicht Bi 






Zum Henker laßen Sie mich doch 
Erſt meine Aria zu Stande bringen. 


Wer wird denn einerley fo offtmalg fingen ? 
Sch habe ja wohl noch BE 
Gottlob und Dank, gefunde Ohren. J 
Allein wie leicht geht nicht ein Wort, ein Ton verbhre en? 
Und jedes Wort, und jeder Ton | 
Sit in den Opern Goldes werth. 
Zumal wenn man mich hört. 


Nu nu, ich glaub es jchon. B 
Erzürnen Sie ſich nicht Herr fünfftger Schwieger Sohn; 
Es möchte Kind und Enkeln fchaden. 
Der Horn fährt in die Waden; | = 
Und in den Waden ſteckts, wie wir es, Aerzte — 5 


Und gar ſo ſehr vor Liebe brennen, 
Nun gut ſo ſollen Sie als Braut 


Topp! heute find Sie noch getraut! 
Koch heute? Heut? o himmliſch Licht ! 
D welche Götter®olluft werd ich fühlen !- 


Gegen das Dr deiter 


Die Zeilen Arioſo jpielen? 

Sie warens, dächt ich, wohl noch werth. 
Doch wird Lomintens Grauſamkeit 

Auch ihres Baters Willen mweichen ? 
Sie liebet jeit geraumer Zeit 

Den Herrn Octavio. 


Tarantula. 277 





Ho! Ho! 
Der fol fie nicht — 
Mein lieber Herr Octavio 
Laß Er ſich rathen, mach Ers jo — — — er wiſcht ſich das Maul 
Und geh Er feinen Gang. 5 
O geh Er! geh Er! großen Dan! 
Was? fo ein Narre foll mein Kind — —? 
Gleich will ich zu ihr gehen 
3 Sie ſollens jehn, Sie follens jehen — — (wit gehn) 
Plibriv. Gedult, weil wir beyfammen find, 10° 
J So laßen Sie uns erſt ein klein Duetto ſingen. 
»olinello. O! ein Duetto iſt zu ſchwer, 
Das wird’ ich nicht zuſammen bringen. 


® Re danfe Gott daß ich mit Müh und Noth kan ein Necitativ fingen. 
“ ich durch Sie fo eine große Liebe zur Muſick befam, konnte ich gar 15 
nich t fingen. Es hat ſich aber doch feit dem ein wenig gegeben. Nicht 
yr? Sa — jezo bin ich ſchon jo ein ziemlicher Operifte. Drum babe 
er in meinem Haufe ganz weißlich verordnet, daß fein alles gejungen 
wird. Es klingt noch einmal jo gut. Sch finge auch meiſtentheils bey den 
Kranken, wenn ich Arzeneyen verordne. Es haben mich zwar einige aus- 20 
elacht, aber die Narren wißen nicht, daß ich e3 nur deßwegen thu, da- 
ni man doch einen wahrſcheinlichen Grund angeben könne, warum in dieſer 
Oper alles geſungen wird. Den Grund pflegen die — Operſchreiber 
a) immer zu vergeben. | 
libriv. Doc ſchähmen Sie fich nicht 25 
Bi So viel ohn Reim und Tat zu fprechen ? 
. Nu, nu, dad mühßen Sie nicht rechen, 
Was man jo ineidenter jpricht. 
Ich geh, Sie follen jehen was ein Mann - 
Br; Und was ein Bater fan. 30 
” 0. Ich werde Sie begleiten. | 
olinello. D laßen Sies nur jeyn; e3 hat nichts zu Sant. 

Sie haben doh 
Ein Wort wohl im — noch 
Dem auditorio ins Ohr zu ſagen? | 35 
















278 Theakraliſcher Vachlaß. 


— 





Olibriv. Nein dasmal nichts. — 
Polinello. O das iſt zu beklagen. —— 11— 
Olibrio. Allein Sie haben es um das Duett a. gehen ab. Bir 


Dritter en, 
5 | Lominte. Lifefte. 


Lileffe. So fommen Sie doch fort 
Der Schauplaz bleibt ja ledig. 
Lominte. Nu, nu, Lijette, gnädig. \ > 
Entläufft und denn der Ort? 
19.:° Ich fan beynah vor Schmerz und Traurigkeit nit 
Sch jorg, ich jorg mein Vater wird un zwingen. 
Lifeffe. O zwingen mag er immerhin | Br; 
Nur laßen Sie fich nicht bezwingen. - — J 
In der Muſick iſt der Unterſcheid von zwingen 4 bezwingeng 
15 vortrefflich ausgedruckt. Und die Coleratur die auf der Syllabe be fi 
it ausnehmend ſchön. Man darf fich nicht etwa daran jtoßen, * 
Zeile aus dem Recitativ iſt. Einem Meiſter ſteht ſo eine Freyheit ſe 
Der gute Schöps, denkt er denn, daß ein er ii ei; 
Nichts. wünscht als einen Mann 
20. Der trefflich geigen kann? 
Geige Hin und geige her 
Du geigejt dennoch Ve Steg; 
Flavio 
Onicio 
25 Olibrio 
| Du kriegſt nimmermehr 
Meine Jungfer weg. 1:4 Mh. 
Geige hin und geige hr. : Sr a 
Da Lob ich mir den Herren Dctvio Be. 
30 Er geiget auch ein bißchen vor das Hau > Sal 
Doch macht er nicht fein Handwerk draus. —— 
Und haben wir ihm nicht ſchon unſer Wort — | 
Iominfe Ya, fonder ihn fan ich nicht leben. Sie weint erſchrekli 


v "a 





% 























ıd nich, | — 

3 Ehre dran F 
kan 

ER gleich fo ſchreklich weinen? TE 
Sag bibden En wohl in einer Oper aı. | 

Man muß nicht gar zu ängſtlich ſcheinen 

Unm einen leidgen Mann. 

— SS Doch St! da kommt er er mit feinem Diener an. 


Vierker nuftritl. 10 


E wäre zwar nicht nöthig, daß man das Theater hier veränderte, 
ch weil es ſchon ganzer 3 Auftritte durch einerley geblieben iſt, ſo er— 
rdern es die Regeln einer in omnibus numeris abſoluten Oper. Man 
ed derohalben den Ort zwar felbit beyzubehalten, doch einige andre Aus— 
rungen deßelben anzubringen, und befonders den Profpeft zu ändern be= 15 
b n. Variatio deleetat. 
Be Prfavio. Marelli. Lominfe. Lifeffe. 





“Sammel Beni. 


Ein Tramerfpiel. 





o N 5} 
Ne 


1be dem 22. und 23. der „Briefe“.] 


x 


280 Cheabraliſcher Barhlah. 





> 


Weiber ſind Weiber. 


ein Tuffpiel 
in 
5. Aufügen 
5 ie von 


6. E. L. 





ME. — optuma faemina — — EV. ubi ea est? nis | | 
Est nam — — ——— J— 


10 N: am optuma Ba potest ‚eligi: alia- alia 
Pejor — est — — — | 
Plautus.“ 


Berlin 1749. 


Erſter Aufzug. 


—— Erſter NRufkrikk. 
Hilaxia. Taura. Liſette. 


Tifeffe. Nu ja. Solchen Männern glauben Sie noch die gering 

Treue jehuldig zu ſeyn? Es ift nun beynahe 3 Jahr, daß fie w vi 
Wißen und Willen ihrer Weiber davon gegangen find. Sie habe 
20 Zeit gehabt, daß fie gegangen find, wenn fie nicht wollten in ie r 
genommen werden. Aber hätten denn die Schuffte von Ehemännern J 
ſeit der Zeit nicht einige Nachricht geben können? Keinen vr J 
Buchſtaben haben Sie mehr von ihnen geſehen. Iſt denn de 
offenbar, daß fie fich ihres. Rechts gutwillig begeben haben? 2 
25 iſt, meine lieben Madames, daß Sie nicht viel an den Sr 


Weiber find Weiber. 281 































| & lieren. Sie Karen abfommen. Beyde fünnen fie abfommen. Sch habe 
* nicht ſelber zu kennen die Ehre gehabt, das wißen Sie. Aber 

bh Ihrer eigenen Beſchreibung, jo iſt der eine ein Verſchwender, der 
—J andre ein Verthuer geweſen. Der eine hat ſein Geld verſpielt, der andre 
—J t e3 in Pharao verlohren. Der eine hat feine Frau verſäumet, der 5 
— andre hat ſie braache liegen laßen. Der eine hat es mit andern Weibern 
gehalten, und der andre mit feines Nachbars Weibe. Kurz, es find Brü— 

} e dem Leibe und der Seele nad) gewejen. Den einzigen Unterfcheid 
J us isgenommen, daß der eine ſeiner Frau wenigſtens allen Willen gelaßen, 

et andre aber gegen die Seinige noch darzu ein rechter unſinniger Wie- 10 
h gewejen ift. Der Unterfcheid ift gleichwohl groß genug, daß Sie 
we Laura — — — Aber Sie laßen mich auch ganz alleine reden. 
Stehe ich denn auf der Kanzel? Darff denn niemand darzwiſchen reden ? 
Warum reden Sie nicht, Madame Laura — — Madame Hilaria — — Aber 
was? Das ift ein artiger Anblick — — Sie laden. Und Sie weinen. 15 
| F um lachen Sie, Madame Hilaria? Warum meinen Sie, Madame 

g uva? Nun jehe ich, daß e3 unmöglich ift zweyen Herren zu dienen. 
ge Mich mit Ihnen Lachen? Soll ich mit Ihnen weinen? Soll ich viel- 
feicht lachen und weinen zugleich ? 

Bilaria. Mache was du millit. 20 
Aiſelke. Ich werde aljo weder lachen noch weinen. — ich habe 
zu beyden noch keine Urſache. Aber entdecken Sie mir doch den Grund 
Ihres Kummers? | 

® Taura. Den Grund meines Kummers? Lijette fan noch fragen? 
Er iſt euch jo wohl als mir befannt. Einen Mann, einen liebenswürdi- 25 
gen Mann vermißen, und in Gefahr feyn ihn auf ewig zu vermißen - — — — 
A ! fan man meine Thränen unbillig jchelten ? 

F Kifefte. Alſo haben Sie wohl Ihren Mann geliebt. Das ift das 
te was ich höre. Sie find jehr verichwiegen damit gewejen. Und id) 

R } , Zeander hat es jelbit nicht gewuft. Ein liebenswürdiger Mann — — 30 
beh dem das Banken das tägliche Brod geweſen ift. Der e3 nicht ein- 

4 r I bey dem Zanken hat bewenden laßen. Entweder Clitander ift nicht 
a ——— als Sie und andre mir ihn beſchrieben haben, oder — — — 
raura. Nicht ſo arg? Man kan ihn nimmermehr ſo arg be— 
ſchre iben, als er geweſen iſt. 35 
J— Tifeffe. Und doch weinen Sie um ihn? 





282 Theakraliſcher Barhlaß. 





Taura. Es war ein Teuffel von einem Manne. 
Lifsfte. Und doc weinen Sie um ihn? —— 
Laura. Unmöglich kan es ihm in der Welt wohl gebe — — | 
Lifette. Der liebenswürdige Mann! > 
5 Taura. Aber das betrübt mich eben, daß ihn vielleicht Bott m 
wegen jezo heimfucht. Wer weiß wo er jego ift, wer weiß wie. ib 
jego ihm geht. Ach mein allerliebiter Leander! Ich vergebe — 
was du mir zu viel gethan haſt. Deine Uebereilung, deine 9 
——— a [ 
10 Lfeffe. Weinen Sie nur Madame, weinen Sie. Vielleicht ft 
Sie der liebe Gott, daß er wieder fümmt, und alddann werben 2 
Thränen billig jeyn. Wenn Ihre Thränen noch Thränen des Verdruf 
und des Andenfens, wieviel Sie bey ihm ausgejtanden, wären * J 
Taura. Ach, Liſette, hört er denn auf deßwegen mein Man 
15 ſeyn, weil er mich übel gehalten hat? = 
Lifetfe. Aber Ihre Verbindlichkeit hört auf ihn zu lieben au 
Sie was Sie wollen. Ich fehe es allzumwohl. Ihre Thränen find W 
berThränen, das ijt Thränen ohne Urſache. Oder aufs höchſte 2 hrän 
des Eigenſinnes. ei. 
20 Taura. Ihr ſeyd eine Närrin Liſette. Was würden wi 5 
jagen — - 
Lifeffe. Und aljo weinen Sie nur die Leute zu hintergehm? $ 
Thränen follen.der Welt das glaublich machen, was Ihre Yufführn 
gegen Ihren Mann doch jo deutlich wiederlegt hat? Und —— J 
25 find ſehr thörigt, daß Sie nach dem Ruhme einer treuen, und auf 
ordentlich treuen Frau jo geiten. Diefer Ruhm ift jezo in den 9 
der Welt jehr Klein. Denn diefe theilt fi) nur in zwey Sau 43 
eine hält diefe Tugend bey einem Frauenzimmer für Yächerlich - 
geſchmackt. Der andre für falſch und ertichtet. Der eine — en 
30 und der andre achtet fie nicht. Wir müßen uns jeziger 9— 
andre Eigenſchafften beliebt machen. 
Taura. Es iſt ſchlimm genung, daß die Tugend fo wenig gead { 
Tifette. O die Tugend, die feinen andern Grund hat, as ei 
werden die Leute fagen, die verdient diejen Tittel jehr au 
35 Bon Gott und Rechts wegen follten Sie lachen, Madame id 
freuen, daß Sie eines Mannes loß ſeyn, den Sie ſelbſt nicht genug tat 



























Weiber find Weiber. 283 
































Und wenn ja eine von Ihnen beyden weinen wollte, ſo würde 
4 — an Sie kommen, Madame Hilaria. Denn Männer, die ſich ihrer 
Weiber wegen ruiniren, ſind jezo ſehr rar. Sie möchten wohl keinen 
feines gleichen wieder finden. 
Bir Bilaria. Das fan jchon wahr jeyn. Aber ich weinen? Ih? Was 5 
hätte ich das Urſache? Mein Mann war eine ehrliche Haut, ob er gleich 
auch feine Fehler hatte. Und dafür war er eine Mannsperfon. Ich war 
ihm rechtſchaffen gut. Ich bin ihm auch jezo noch gut, ſo gut, als man 
J einem Manne in ſeiner Abweſenheit ſeyn kan. Aber was hülffe mir 
meine Betriebniß? Er kömmt nicht wieder, num gut, fo mag er weg- 10 
J bleiben. Wenn es ihm an einem Orte beßer geht, als es ihm hier gehen 
4 würde, warum ſollte ich es ihm nicht gönnen? Unterdeßen kan ich mir 
ein unſchuldiges Vergnügen mit meinen närriſchen Freyern machen. 
Xxilſelte. O die hat Ihr Herr Vater ziemlich verjagt. Und es iſt— 
Ihnen noch der einzige Herr Segarin übrig geblieben. 15 
U Bilaria. Das ift e3 eben, was mir noch einigen Verdruß machen 
J könnte, wenn ich nur im geringſten darzu aufgelegt wäre. Ein Frauen— 
3 5 zimmer wie ich nur einen Freyer zu haben? Das kränkt; das iſt uner— 
träglich. Und wo ich nicht bald wieder neue bey mir melden, Schweiter, 
Schweſter, jo wirjt du deinen Herrn Wohlklang am längſten gehabt haben. 20 
er du nicht, daß ich reigend genug bin ihn dir abjpänftig zu 
achen ? 

Taura. O Hilaria, was verrätbit du vor ein niederträchtiges Ge— 
e: Sit das die Treue, die du deinem Manne an dem heiligen Altare 
hworen? Überlegft du denn gar nicht was die Welt von dir jagen wird? 25 
2 J in Bilaria. D, ich ſage von der Welt was ich will, und die Welt 

yat eben das Necht-über mic). 
Liſette. Gur Laura) Aber gleichwohl jcheint es, als ob Ahnen der 
it des Herrn Wohlklangs etwas nahe gehen würde, troz der Liebe 
egen Ihren abwejenden Mann ? 30 

Taura. Cure Reden quälen mich, ſchweigt, Lijette. 

Br Bilaria. Aber ich möchte nur ewig wißen, was unjern Eugen Bater 
auf den närrischen Einfall gebracht hätte, alle unſre Freyer abzuweiſen, 

‘ md juft die zwey fchlechteiten zu behalten, die er mit der ungegründejten 
Hoffnung von der Welt jchmeichelt. Ein närrifcher Muficus und ein ab- 35 
 gebmnter bolländiicher Capitain — — — 


4 x A 5 


284 Theakraliſcher Bachlaß. 


















xiſette. Er hätte fie für fich nicht befer wehlen fünnen. T 
zwey Leute befigen, was er nicht beſitzt, und er befikt, wi 
befigen. Sit es denn alfo jehr zu verwundern, daß fie fo * nit 
ander zuſammenſtimmen? — Ihr Herr Vater hat Geld, md 

5 beyden. Urſache genug, ſich vor feiner Töchter Freyer auszugebe 
dent einen lernt er dafür, fingen, weil er es troz der Patur, | die i 
Ton und Gehör verfagt hat, Iernen will. Und der andre erz — 
dafür ſeine Schlachten und Heldenthaten, weil er durch die Bew indri 
fremder Tapfferkeit den Mangel der ſeinigen zu erſetzen glaubt. * 

10 Bilaria. Schweig Liſette. Da kömmt er gleich. Er — 
Lobrede eben nicht mit anzuhören. 


— — — a —— — 


Zweyker Nufkrikk. 


B. Selkenarm. Und die Porigen. 


B. Sellenarm. Ha! bier find fie. Ih will ganz (äußerlich m 

-15 ihnen verfahren, vielleicht richten die guten Worte mehr aus, als k 
böfen — — Nu, ihr ungerathnen Töchter, werdet ihr bald auſheren zuer 
VBVater zu wiederſprechen? 
Liſetke. In der That, mein Herr, Ihre Anrede iſt ſehr verb 

B. Self. Nicht wahr, Lifette? (achte zu ihr) Höre ich habe immer 
20 gegen fie das rauche herausgefehrt. Allzufcharf Fan nicht gut Kun. 
wills einmal in der Güte mit ihnen verjuchen. En 
Lifeffe. Schon recht, ſchon recht. BR — 

B. Self. Bedenkt doch, daß euch eure Mutter, 9 Monate 

ihrer Brust, mit großer Gefahr und Angſt getragen hat. Und, il 
25 Wiederjpänftigen, wollt mirs jo belohnen? 4 
Lilette. Höflig genung, wahrhafftig. —— 

B. Self. Glaubt ihr, ihr Brodfreßer, die ihr nichts verdienen } 

daß ich euch noch länger in meinem Haufe Yeiden werde? e 
Liſette. Sie werden allzugütig, Herr Seltenarm. — 

30 B. Selt. Ich thu es mit Bedacht. Ich thu es mit Bedacht. | 
habe euch ſchon mehr als einmal gedroht, euch aus meinem Hauſe 
ſtoßen, mich eurer ganz zu entziehen, wann ihr mir nicht folgen wol 
Meiner Gütigkeit habts ihr einzig und allein zu verdanken, daß ich di 
Drohung jezo nicht wiederhohle. Aber glaubt gewiß, ich erfülle fie. 





Brian Weiber ſind Weiber. in ass 





— Was vor ein Überfluß väterlicher Liebe? 
B. Self. Ihr gottloſen Kinder — — - Liſette, iſts jo recht? 
 Lifeffe, Mehr ald zu recht. 
B. Self. Wollt ihr mich denn noch vor der Zeit unter die Erde 
ärgern? Gott wird euch jtraffen, gebt acht! Iſt das gelinde? Lifette. 5 
Xiſetle. O vortrefflich! 
B. Selt. Bedenkt doch, daß ungehorſame Kinder verflucht find. 

Be 6 Tifette. Wie zärtlich! 
caura. Sie bejchuldigen ung des Ungehorjams? Wie önnten wir 
Il mehr gehorſam ſeyn, als wenn wir denjenigen Männern treu ver= 10 
bleiben, die Sie uns felbjt gewehlt haben? 
B. Self. Schweig du Scheinheilige! Habe ich denn nicht offte ge- 
nung gejagt, daß die Herrn Eonfijtorialräthe fait alle meine guten Freunde 
Find, und daß ich eure Ehefcheidung augenblicklich erlangen fan? 
— Bilaria. Eheſcheidung? Warum ſollten wir von unſern Männern 15 
geſchieden werden, mit denen wir doch auf das allerfriedlichſte leben? Die 
uns in drey Jahren nicht die geringſte ſaure Mine gemacht haben. Die 
uns in der Zeit haben thun laßen, was wir nur ſelber gewollt. Wenn 
man ja Männer haben muß, jo find dieſes die beſten. Je weiter von 
uns, je-beßer für uns. 20 
Br Dell, Ey ſieh! Kanſt du bey deinem WittwenStande jo gleich- 

3 ſeyn? Darhinter muß was jteden. Beynahe komme ich auf die 
Get un — — Nu, nu, ich wills gewiß erfahren, ich wills gewiß. er- 
— 
Bilaria. O! ich will Ihnen alles ſelbſt ſagen, was Sie nur von 25 
mir erfahren können. Sie wißen, daß ich mich mit meinem Manne, ſo— 
— je wir beyſammen geweſen find, ſehr wohl vertragen habe. Warum 
pi ich mich nun, ohne jein Verfchulden, feiner entziehen? 
B. Sell. Ohne jein Verſchulden? Sit er nicht zum Bettler worden? 
zit er nicht davon gegangen? 30 
Bilaxia. An dem erjten könnte ich wohl ſelbſt unſchuldiger Weife 
Urſach haben. Und mit ſeinem Weggehen hat er mir nun eben auch 
feinen großen Verdruß verurſacht. Es fehlt mir ja in ſeiner Abweſen— 
Er it an nichts, und ich habe über nichts zu Hagen, als über Ihr unge- 

3 Anhalten, mich, da ich den erjten Mann noch habe, dem andern 35 
1zı überlaßen. Ein ganz anders wäre e8, wenn er geftorben wäre, 


















286 Theatraliſcher Barhlak. 
















oder wenn ich gewiß wüßte, daß er mich gänzlich vergeßen abe 
fange al3 eines von beyden nicht ift, jo lange — — — Yu A 
B. Self, Mag der Bater. fingen und jagen — — es wie di 
draus. 2 

5 Bilaria. Es ift er daß Sie mich der Mühe es von u 
überheben. : 
B. Self, Wenn er ehe nun gejtorben wäre? He! 
Bilaria. O alsdann — — alsdann werde ich mein Herz ohne 
denken an einen andern fchenfen; und zwar an den, der mir am bei 
10 gefiele, nicht aber an den, den Sie mir vorjchreiben würden — — 


Dritter Auftritt. 
B. Seltenarm. Laura. Liſekke. 


B. Self. Das iſt brav! — 

Laura. Ach, Gott, wie leichtſinnig iſt meine Schweſter! Nein m 
15 liebiter Leander, du, magjt jeyn wo du willit, es mag dir gehen, w 
gehe, ich will allezeit al3 eine treue und rechtichaffne Frau an dir han 
Gott laße mir nicht die traurige Nahricht von deinem Tode erfah . T 
Mit Kummer und Traurigkeit würde ich den übrigen Reſt meiner Tar 
zubringen. Und die größte Wohlthat die mir der Himmel alsdann e 
20 zeugen könnte, wäre, das Ende meines elenden Lebens zu befchleinige 
um mit dir in jenem Leben bald wieder vereinigt zu jeyn. (Geht a) 


Bierter Auftritt. 
B. Sellenarm. Tilefte. 


Lilette. Herr — —— 
25 B. Sell. Yu--- 
| Liſette. Unmöglich find allebeyde Ihre Züchter. 
B. Sell. Warum das? “it 
Tilefte. Ja. Ja. Aufs höchſte können Sie nur von einer Vat 
B. Self, Narre, fie find ja allebeyde von meiner —— 
30 Lifefte, Daran zweifle ich nicht. Aber müßen fie denn 
allebeyde von Ihnen ſeyn? 
B. Self, Bon wen ſonſt? 


Weiber Imd Weiber. 287 

























> 


xXilekte. Wenn ich Ihre Frau gewejen wäre fo fünnte ich Ihnen 
sa geben. Laura und Hilaria find von jo unterjchiedner 
Se ‚daß fie ohnmöglich einen Water haben können. 

N — * Self. Meine Frau fan ich wohl mit der einen an jemanden 
ı haben, daß fie alfo ihrem Vater nicht hat nachjchlagen können. 
J——— So? Erſtreckt ſich das Verſehn auch bis auf die Seele? 
da * das erſte was ich höre. 

B. Self. Ja, fie find ja auch bey alledem einander noch ziemlich 
4 | ci Du fiehit ja, daß fie allebeyde ihren Männern treu und mir un- 
jehorſam bleiben wollen. Die Gottlofen! 

xilſelle. Aber der einen ihr Leichtfinn, und der andern ihre Be— 
übniß, wie find denn die mit einander zu vergleichen? 

B. Self, DO! was fich nicht vergleichen läßt, das — — läßt fich nicht 
egleichen. Aber Liſette, laß uns doch auch von unſrer Sache etwas 


hi  TKilefte, Was ift das vor eine Sache? 
B. Self. Se, unfre Sade - - - 
xXiſette. Ich weiß nicht was Sie wollen. 

B. Sell. Je Närrchen — — — 
xiſette. Ha! ha! Aus dem Närrchen merfe ich bald was e3 jeyn 
ll. Nein, damit ſchweigen Sie nur vor jezo ftille —— 
B. Sell. Uber bift du nicht ein dummes Thier? — — 
xilſette. Das find allerliebite Carreßen — — 
B. Self. Alberne Hure, ich meyne e3 ja nicht jo arg - — 
xilette. O, immer beßer und befer. 
B. Sell. Wu, das iſt wahr. Dümmer, alberner, und närrifcher 
m wohl auf der Gotteswelt fein Mädel jeyn, als du biſt. Du ſiehſt ja, 
5 gie zu deinem Beten jeyn joll. Ich bin dem Aaſe jo gut, und 
oh . 
viſelle. Und gleichwohl nennen Sie mich ein Aas. 
B. Self. Se, ſoll denn alles bey dir complimentirt ſeyn. Ich rede 
« mins ins Maul fümmt. Die Complimente, der Hundsfüttiche Quark —— 
* lette. Kömmt Ihnen der auch ins Maul? 

oo B. Zelt, Ah, mache feine Poßen. Sieh, wir könnten fo hübſch 


er zu meiner Ausgeberin machen — — 


* 


10 


15 


20 


30 


t einander leben, al3 ich nimmermehr mit meiner Frau gelebt habe. 35 


288 Theakraliſcher Barhlap. 





Tifeffe. Und der Einnehmer wollten Sie bleiben. Für a8 
bedank ich mich. Be 
| B. Self. Ach, du willft mich nicht verjtehen. Aber a — oc 
dein bißchen Berjtand zu jammen, ſiehſt du denn nicht, daß du d 
5 im Lichte fteheit? Wann du fein meine Töchter ſelbſt zu einer neue 
rath bereden wollteſt, fo bliebit du ja hernach alleine im Sau auſe — 
Liſetke. Und das mag ich eben nicht. 1 
B. Self. So? Du. hätteft die ganze Wirthſchaft alsdann | 
führen, und ich wollte dir es nicht übel nehmen, wann du dir einen Bi 
10 dabey jammelteft. Sch wollte dir jo gar deinen Lohn verdoppeln — 
Liſekke. So? Das ijt, wenn ich mich jezo nur manchen zug 
jatt eßen fan, jo wollten Sie mich wohl alsdann ganze Wochen H; 
lagen, und wenn ich jezo ganze Monate auf meine Bezahlung warten ı 
jo wollten Sie mich alsdann wohl ganze. Fahre lauern laßen. E 
15 B. Self. Bift du nicht ein gottloſes Rabenaas! Mir fold Fe 
Gefichte zu jagen. Wenn e3 auch wahr wäre, muß mir es denn & 
. —— Uber ich will dirs dasmal noch verzeyhen. Komm her, küße ı 
Hand dafür. — 
Tifetfe. Gedult einen Augenblick, th will nur erſt Ihre Töcht ge 
20 zuhohlen. (ſie thut als wollte ſie weggehn) — 
B. Self. Biſt du raſend? Bleib da! Bleib da! he. 

Kifelte. Soll ich Ihnen die Hand nicht küßen? Sch thue ae, 
ich thue gern vor aller Welt. 
B. Sell. Und ich nicht; wer weiß was meine Töchter denken fi 
25 wenn du mir die Hand Füßtelt. 4 J 
Lilekke. Sollten fie etwas dabey denken können? Aber fi 3 

auch nicht was dabey gedenken, daß ich es nicht in Siena 
Töchter thun ſoll? — 
®. Self. Deſto beßer, wenn du was dabey gedenkſt, wann du 
30 das rechte gedenkeſt. Aber ſchweig, laß dir nichts merken, H ar Ü 
fang fümmt — — I 
Liſette. Ha! ba! Ihr Herr e. d. e. + g. 


Fünffter Aufteilt, 
B. Selkenarm. Tifeffe. B. Wohlklan.. ER 
35 B. Wohlklang. Nun, mein Herr, werden die Entſchlüßungen 

















Weiber Tind Weiber. 289 


























\ ? vau Tochter bald mit unfern Abjichten harmoniren? Wie lange joll noch 
| dieſe, mir jo widrige, Dißonanz anhalten? Wann wir Virtuojen uns ſonſt 

{ Dikonanz bedienen, jo gejchieht e3 aus feiner andern Abficht, als 
e übereinftimmenden Töne beßer ins Gehör fallen zu laßen. Aber dieje 
4 inſtimmenden Töne, wann werden fie mich einmal ergötzen? 5 
8». Self. Sch habe ihr alleweile, was vorgejpielt, jie will aber nicht. 

| —* da * tanzen. Mein lieber Herr Wohlklang, ob ich Sie gleich gerne zu 
m Schwiegerſohne haben möchte, denn Sie ſind doch noch ein ziem— 
Ber Kerl, jo weiß ich doch nit — — — 
DB. Wohlklang. D laßen Sie den Muth nicht jinfen. "Hat Orpheus 10 
; Er feine Leyer den Pluto und Cerberus bewegen fünnen, warum jollte 
id denn nicht ein eigenfinniges Weibsbild durch die bezaubernden Striche 
meines Bogens bändigen fünnen ? 
Lifeffe. Sie müßen fich auf Ihre Fiedel jehr viel einbilden. 
B. Self. Ach nu, das könnte er auch jchon mit Recht thun. Denn, 15 
bey meiner Treu, ich jag es ohne Sie zu ſchmeicheln, Sie find ein Kerl, | 
der es, hohl mich der Teuffel, mit manchem Cantor annehmen könnte. 
B. Wohlklang. D Sie - - 
. Self, Nein, nein, Sie können mir gewiß glauben. 
DB. Wohlklang. Aber ein Cantor — — 20 
H B. Self. Nu, nu, freylich find es meiſtens gejchickte Leute, gleich: 
wohl aber find Sie auch fein ſchlechter Tropff. 

DB. Wohlklang. Aber erlauben Sie mir. Sch BaAee nicht, wie man 
mit einem Cantor vergleichen könnte. 
B. Self. Ey, ey! Ich jage ja auch nur, Sie würden es mit mangen 25 
n — Sie ſind ein bißchen gar zu beſcheiden. 
B. Wohlklang. Aber mein Gott, die Cantores ſind ja meiſtens die 
wihen ten Leute in der Tonkunſt. 

B. Self. Ho! ho! Herr Wohlklang, beſinnen Sie ſich. Beſinnen 
e ie Sie wollen gar zu hoch herraus. 30 
iſelle. Es ift auch wahr! Bedenken Sie doch, was das jagen will. 
— Ich habe wohl welche gekannt, die einen Halß hatten, daß 
die Kirche davon erſchitterte, und die einen Tackt ſchlagen konnten, daß die 
Schi r Beulen und Löcher im Gefichte, und- auf dem Kopffe davon trugen. 
RB. Zell, Ya ja, und der Cantor bey dem ich in meiner Jugend 35 
sollte fingen fernen — — 
Seſſing, ſämtliche Schriften. III 19 


Is b 2 
An 





ie 


















Er N 





290 Theakraliſcher Barhlah. 























B. Wohlklang. Ach, mit Ihrem Cantor. Sie haben ja meine © 
phonien und Concerts gehört. Können Sie denn daraus nicht zur On 
urtheilen, daß ich ein Virtuoſe bin? Wann ich fagte, daß — a 
Rapelle in ganz Europa, jemals dergleichen gehöret hätte, jo mitfte — * 

ein ehrlicher Mann Lügen. — — 

BD. Self. Nu, nu, was Ihre Symphonien anbe dien 9 | 
nicht tadeln. ch glaube, fie werden ſie im Himmel nicht Ge 

B. Wohlklang. Und meine deutliche, gründliche, und überzeugen 
Rehrart - - - Er: — 

10 B. Selt. Ah die — die — — — Davon weiß ich a am beften zu ja age 
Wenn ich bedenke, was ich vor ein unwißender Kerl vordem in der I ” — 
geweſen bin, und wie weit Sie mich in kurzer Zeit gebracht | wi 
Der Henker! — — - Ih muß mich ſchämen, — — drum denke ich ni 
mal gerne daran — — Sch wußte nicht einmal wie viel Töne waren - -+ 

‚15 Weiſt dus, Lijette? E BE 

Tiefe. Ih? Ich mags nicht wißen. | | | J 

B. Self. "Ach, daß Gott! Auch nicht was eine Tertie iſte 

Liſette. Auch nicht. 

HB. Sell. Pfuy ſchäme dich! Aber weiſt du denn wieviel V 

20 auf ein Ganzes gehn? | 

Lifeffe. Wißen Sie wieviel zehn Gebothe ſind? 

B. Self. Auch das weiſt du nicht? Du biſt ja dümmer als ein V 
Sa, nu fieh, jo find die Leute, die die Mufid verachten. H. Wohl 
was geb ich Sie, Sie follen mein ganzes Hauß informiren. un u 

25 meine Töchter, Kuechte und Mägde — — — = 

Tifeffe. Hund und Rabe - — J 

B. Selt. Denn ich glaube nicht, daß es ein ehrlicher Haußvater 
Gott und der Welt verantworten fan, wenn er die feinigen in einer ſo 
erbärmlichen Unwißenheit fteden läßt. Was verlangen Sie? Sie 

30 B. Wohlklang. Sie dürffen ſich ja nur gütigft an dag e 
was wir längſt unter und abgeredt haben. Alle meine Geſchi 
ſteht Ihnen alsdann umſonſt zu Dienſte. J 

B. Self. Nu, das gefällt mir. Ich gebe fo nicht ver 
aus. Sie follen mein Schwiegerfohn werden, es mag foften, an 

35 Und du Lifette, da du Fünfftig freye Stunden in der Muſick befon 
follit, erzeuge dich erfänntlih. Ich weiß, daß du bey meinen ‘ Töd 


—— 
— 


Weiber Ind Weiber. | \ 291 


































1 was ausrichten kant, wann du nur willft. Mach, daß fich — 
r je lieber zum Zwecke legt. 

8. MWohlklang. Und Lijette hat ung bis jego noch nicht beygeſtanden? 
1* Nein, mein Herr. 

B. Wohlklang. Ey! Ey! 

un I Sell. Ha! Jezo ift mir was eingefallen. Die Liſt wird gehn. 
dien, ich muß gleich Anjtalt darzu machen. 

Es: Gut Glück darzu! 


En Sechſter Auftrift, 
fe m‘ Liſette. Bere Wohlklang. 


DB. Wohl. Wie kömmts, daß Lijette durch ihre Stimme unjer Chor 
26 ) nicht veritärfen will? 
_ Xileffe, Wie kömmts, mein Herr, daß Sie ihr noch feine Urfache 
) arzu geben? 
B. Wohl. Keine Urſache? Habe ich ſie nicht offte genug darum 
ten ? 

F xiſelle. Bitten? Sa, ja, es fan dann und warn eine Urjache jeyn, 
ev hier - 
DB. Wohl. Nu? Was joll ich denn duch die Urſache verjtehen ? 
iſelte. Durch diefe Urfache jollen Sie verjtehen, die gröfte Urfache, 
e nur in der Welt jeyn kan. Die Urſache, warum Leute groß, verjtän- 
9,9: ehrt heißen. Warum ſie in Kutſchen fahren, da fie könnten zu Fuße 
Die Urſache warum heßliche Mägdchen ſchön werden. Die Urſache 
ru n bie Herren Mufici componiren, die Diebe jtehlen, die Advocaten 
bocaten find, die Dichter fingen, die Bettler weinen, die Aerzte Wind 
en en, die Taſchenſpieler hexen, die Juden Chriſten, und die Chriſten 
den wi , kurz die Urfache aller Urſachen — — die Hauptur — ur 
Rs — — Berfteben Sie es nu? 
en» (bey Seite) Wenn ich3 nur verjtehen wollte. (su Sifetten) Aber 
mir aus dem Geſchwätze nehmen? 

“ a mir Leid, mein Herr, daß Sie fich nichts daraus 
MN: * eic ‚ daß ich Ihnen in Ihrer Sache alſo unmöglich die 
T , feiften fan. en Sie wohl. 


— 


ou 


10 


15 


20 


25 


30 


292 Theakraliſcher Vachlaß. 





Siebenker Aufteitt. — 
Segarin. Tiſetke. Wohlklang. — — 














- 


Segarin. Nein, nein, Lifette bleib da; dich eben hab ich gı 
Dder mein Herr Muſieus, jtehts Ihnen etwa nicht an? Ih hab be au 
5 guten Rath von Nöthen; und fan ihn aus eben der Duelle, mit jı 
Rechte hohlen als Sie. * br . 
B. Wohlklang. O die Quelle ift an gutem Rathe ji perdron 
Sie werden wenig Troft bey ihr finden. — 
Liſetke. Ja, mein Herr Capitaine, aber nur für Leute vie d 
10 Herr Wohlflang it. Re: 
Segarin. Das dachte ih. Denn Sie Herr Muficus, find garı n 
der Mann, der mit Frauenzimmern umzugehn weiß. 
DB. Wohlklang. O mein Herr Capitaine, wollten Sie nicht die 
Gnade für mich haben mich mit einem etwas vorzüglichern Bi 
15 beehren. Ein Muficus, ein fimpler Muficus ift etwas gar zu wer 
deutendes. Der Tittel eines Virtuoſen — — — 
Segarin. Gut, gut, daß Sie von den Titteln BR SL 
Ihnen einen ſcharffen Tert darüber zu lejen. Herr Capitaine Her 
pitaine fchlecht weg, ijt durchaus fein Tittel der mir anjteht. &: 
20 mancher jchlechter Kerl Capitain gewejen. Ich aber ſtamm aus ein 
alten adlichen Gefchlechte. Alfo wird ſichs ganz wohl ſchicken, daß E 
mich fünfftig den Herren Capitain von Segarin nennen. » | 
DB. Wohlklang. D ganz unterthänigjter Diener mein Herr € 
tain von Segarin. Sie haben nur zu befehlen — — ir 
25 B. Segarin. Und Sie nur zu bitten, mein Herr Virtue 
Aber erweiſen Sie mir doch die Gefälligkeit und laßen Sie ı m 
Lijetten allein. 
DB. Wohlklang. Von — gern. Ich empfehle mich ghin 
Herr Capitain. 
30 Segarin. Adieu, Herr Muſicus. 
B. Wohlklang. Gehorſamſter Diener, mein Herr Capite 
Segarin. Adieu, Herr Muſicus; Adieu. 
B. Wohlklang. O verzeyhen Sie, ich hab es aus her 9 
laßen — — Ih bin Dero unterthänigſter Knecht mein 9 ( 
35 von Segarin. 


— — —— 


ee 


———, —p 


A re ie ee ti. 


a ee I 1 


— 







































— B. Segarin. Das war was anders. Leben Sie wohl, mein Herr 
Virtuoſe, leben Sie wohl. 


Achter Nufkrikk. 
Segarin. Tileffe. 


et. Liſette, e3 ift mir eingefommen; ich muß Hilarien heute 
h zu meiner Frau haben, oder fonjt mag ich fie gar nicht. 

Lifeffe. Das ift Ihnen eingefommen? Es kömmt einem doch manch— 
nal wunderlich Zeug ein. Aber erlauben Sie mir eine Eleine Frage: 
— es Ihnen im Wachen oder im Traume eingekommen? 

Segarin. Närriſche Frage! im Wachen. 


Gehirn muß ſich in ſehr übelm Zuſtande befinden. 
Segarin. O das Gehirn, das Gehirn. Wann in mir das Herz 
geſund iſt, was frag ich nach dem Gehirne? Zu was iſt das einem Sol— 
daten viel nütze? Die Natur hätte von Rechtswegen einen Soldaten aus 
Sauter Herz machen ſollen. Aber, im Ernſte, Liſette, wir haben ja bey— 
nahe noch den ganzen Tag vor uns; du müſteſt im Kuppel nicht viel ge— 
than haben, warn du jo eine Kleinigkeit nicht in 6. bis 7. Stunden zu 
Stande bringen könnteſt. Ich bin nun jchon einen Monat bier. 
| Tifeffe. Das weiß ich, leider. 

Segarin. Wann ich Bergen op Zoom belagert hätte, jo würde ich 
ht jo lange haben darvor Yiegen müßen. Und eine Frau ſoll mich fo 


würde eine monatliche Belagerung ſchon ziemlich romanenhafft ſeyn. Ich 
= ß alſo einen Sturm wagen, einen Generalſturm. Du indeßen, Liſette, 
ſt verſuchen ob du ſie zur Capitulation bewegen kanſt. 

Vſette. Ich denke Sie wollen ſtürmen. Wie ich aber ſehe fo wollen 
8 auch im der Güte verfuchen. 

Segarin. Ah, das ſchickt ſich für dich nicht über meine Maaß— 
1 egeln zu eritifiven. Kurz verſprich mir deinen Beyftand, und ich ver- 
ſpreche dir — 

* 3 — Das hat Sie der Geyer gelernt, mich gleich bey dem 
ſchwächſten Orte anzugreiffen. Was verſprechen Sie mir? 


J 
—* 





lange aufhalten? Wenn es noch eine Jungfer wäre. Und auch bey der 


Weiber ſind Weiber. 293 


10 


Lifeffe. Sie haben alſo wachend geträumt. Dejto jchlimmer. Ihr 


15 


20 


25 












294 eis Bachlaf,. 





Segarin. Ich könnte dir ‚alsbald ein Baar Luger 3 
geben — — — 
Lfeffe. Nu, nur ber, nur ber _ 
Segarin. Aber das wäre eine Kleinigkeit für deine Die 
5 Tifeffe. D Ihre Dienerin würde mit diejer Reinigfeit | 
frieden feyn. Bi Be 
Segarin. Einen Ring vor etliche 50 Piftofen und ein paar i 
gehenfe von gleichem Werthe -— - * 
vLilſekke. Von dergleichem ak bin ich eine ehe nr 
10 haberin. 
Segarin. Aber ich müjte mich ſchämen dir ein jo fee 
ſchenk gemacht zu haben. er 
‚ Tifeffe. Und ic würde mich gar nicht ſchämen, es anz 9 
Segarin. Nein höre, Liſette. Ich — dir etwas, was a 
15 diejen Bettel bey weitem — — J 


A|‘ 


— * 


Lilefte, So? 

Segarin. Das allerkoſtbarſte was ich dir nur geben tönme 

Kleffe. Sie machen mich neugierig. if 4 

Segarin. Etwas unſchäzbares. | | 2 
20 Lifeffe. O fagen Sie - - — 


Segarin. Was aller Welt Schätze nicht — — 
Xiſette. Nu was denn? ei 
Segarin. Rathe einmal. 

Lifeffe. Etwa Hauß und Hof —— Be 

25 Segarin. Pfuy! we 
Liſette. Ein Rittergut? | 
Segarin. Pfuy fag ih! 7 
Tifeffe. Etwa den Stein, womit man Gold machen tn? 
Segarin. O rathe beßer. | 

30 Lifefte. Eine Tinctur ewig zu leben? 

Segarin. Was wäre das? Hi 
Tifeffe. Etwa ein Waßer, wodurch man zeitlebens ſchö 
Segarin. Was vor Kleinigkeiten! n | 
Tilefte. O Sie wollen mich zum beiten haben. — 

35 wüßte ich in der That nicht. io 
Segarin. Nun jo höre — — — Meine ewige Gewogenhei t 


9 
% An 
ae 


Weiber iind Weiber. — 295 



















J O gehen Sie mit dem Bettel; er iſt nicht einmal ſo viel 
als die Tuzend Ducaten, die Sie mir zuerſt anbothen. Ich ſehe 
Falle meine Hoffnung jo wohl bey Ihnen, als Herr Wohlflangen, 
ft vergebens. Leben Sie wohl, und wagen Sie Ihren Generalſturm, 
e mic in bie Beitung ziehen Ihren Feind zu verjtärfen. 5 


h Ka 
” 


Beunter Auftritt. 
Segarin. 


Ä ve Ding Sieht übel aus. Wo ich nicht bald meine Heyrath zu 
bringe jo fan ich meinen neuen Character nicht länger unter: 
ſtüz en. Segarin, Segarin, wenn aus dem gnädigen Herren wieder ein 10 

chuhpußer werden jollte! Daß man ſich auf das verzweiffelte Glück 
Er verlaßen fan. O Glück! o Segarin! (weht ab) 


Ende des eriten Aufzugs. 


Andrer Aufzug. 
Br ' Erſter Aufteift. 15 


Tabrax. 


Herr Seltarm hat mich zu fich vuffen laßen. Was werde ich bey 
ihm jolfen ? Sollte er mir etwa von meinen oſtindianiſchen Seltenheiten 
was abkauffen wollen? Aber er iſt ja ſonſt kein Liebhaber von Naturalien. 
doch es kömmt einem reichen Manne manchmal wunderlich Zeug ein. Ich 20 
habe ſie zu mir geſteckt. Ein kleiner Gewinſt würde mir ſehr wohl zu 
ſt itten kommen. Denn ſonſt hätte ich heute wieder meinen Willen Fait- 
ta: 29. Wer fol e3 glauben, daß ein Mann, der ſichs in der Welt fo 
werden laßen, gleichwohl zulezt kaum ſein Brod haben ſollte? 
kenne Oſt und Weſtindien beßer als mein Vaterland. Ich habe die 25 
hen Winkeln durchſtrichen, und ich wünſchte mir 
ea das ich habe graben, von den Berlen die ich habe 


296 Cheatraliſcher Barhlaf. 

























fiichen, und von den Edeljteinen die ich habe juchen jehen, u an 
— nur den zehnten — — ac Narre — — nur den zehn — 
Aber was hilfft mir meine Kenntniß? meine Erfahrung? 8 
mich deßwegen andern vor? Gefehlt. Man zieht die unwißenſt 
5 mir vor. In dem nah gelegnen, Eleinen Städtchen war jüngſt eine 
jeBedienung offen. Ich meldete mich. Sch ward abgewiefen. Und e 
hielt fie ein Kerl — — ja ich laße mir den Kopff abhauen — ı 
jemals einen Elephanten ‘oder ein Erofodil gejehen hat, oder wenn e 
weiß wie der Caffee wächfet, oder der Zucker gebauet wird. Run fi 0 
10 man einmal, ob e3 dem Staate nicht zu unausſprechlichem Nach Ä 
gereichet ,” wenn jeine Aemter mit dergleichen Leute bejezt wer 
Beiten! O Sitten! Doch vielleicht würde mir e3 auch beßer gehn, „ 
ich die ganze Welt umſchifft wäre. Vielleicht ift das die einzige Urſ A 
warum es mit meiner Verforgung nicht recht fort will! ac! 
15 niemals ©elegenheit darzu gehabt habe. Doch — — — 


Anderer Aufteitk, 
Labrax. B. Selfarm. 


B. Self. Gut, Herr Labrax, gut, daß Sie gleich Ge 

Sie find ein Mann der die Welt fennt, und weiß wie man e3 anjte 
20 muß, wenn man was verdienen will. = 
Tabrax. Ja, mein Herr, das weiß ich; aber gleichwohl ift mei 
Berdienft fehr ſchlecht. Es find viele die meine Raritäten beiehn, a F 
wenige, die fie fauffen wollen. Sch wollte wünjchen, mein Herr, daß & 
von der Ieztern Sorte ſeyn möchten. Zum Erempel diefe Venus Mufch 
25 durch wieviel Hände ift fie nicht fchon gegangen, und immer wieder 
die meinigen bewundert aber unbezahlt zurüd gefommen. > 
B. Self. Laßen Sie fteden, laßen Sie fteden. Davon bra: che 
jezo nichts. Ich — — — 
Tabrax. Aber betrachten Sie nur ihre Schönheit. sn ver] = 
30 Sie bey meiner Ehre, um einer gewißen Gleichheit willen hat n ei 
ein junger Cavallier 10 Ducaten vor eine dergleichen beza A ir 
will taufend Spaß darmit haben, jagte er. Heute fpeife ich bey 
Gräfin von Ernftlich. Ich werde fie auf dem Teller um die Taffel gel 
laßen. Ich ehe ſchon im voraus, wie die eine roth wird, die a 





Weiber ind —— 297 







































ei fe wegen der — nicht roth werden kan, die Serviette vor 

ze: hält, diefe, fie fehleinig aus den Händen wirfft, jene eine 

Er zvolle Mine darbey macht, als ob jie nichts als eine Mufchel fähe. 

* * ſoll mir meine 10 Ducaten reichlich erſetzen! Und der Cavalier 

hatte recht; betrachten Sie nur mein Herr! Ha! Ha! Ha! 5 

* B. Selt. Ja, ja, es iſt curibs genug. Aber — — — 

 Nabrax. Ha! Ha! Ich merk es, ich merk es. Sie wollen was ernſt— 

haffters haben. Hier hab id —— — 

8. Self. Nein doch. Von Ihren Siebenſachen mag ich gar nichts 

“ . Laben Sie mich reden, und hören Sie was ich will — — — Ya, aber 10 

»o fang ih an? Welches jag ich ihm zu erit? Daß er Geld verdienen 

m? oder daß ich ihn zu einem Schelmenjtreiche brauchen will? Doch ich 

will ihn vorher ein wenig aushohlen — — Sind Sie ein ehrlicher Mann? 

Antworten Sie. 

Tabrax. Beynahe ſollte ich aus der Frage ſchließen, daß Sie daran 15 

weiffelten. 

B. Selt. Ey, nein Narre, antworten Sie fein kurz und gut. Mit 

einem Worte: Ja oder Nein. Sind Sie ein ehrlicher Mann? 

# Labrax. Zum Henker! das dächte ich. 

| B. Self. Soll das fo viel heißen als ja? oder nein? Sie fünnten 20 

wohl, wer weiß; was von fich denken. Muß e3 denn wahr jeyn? Ant: 

w orten Sie, wie ich es haben will: mit Ja, oder mit Nein. So fan ich 

h wißen woran ich bin. Ich Trage Sie noch einmal: find Sie ein ehr- 

cher Mann? 

Tabrax. Ja. | 25 

B. Self. Sind Sie einer? 

Br Rabrax: Ya. Ya. 

B. Zell. Sind Sie einer? 

cabrax. Beynahe jollte ich glauben, daß Sie e3 lieber jähen, wenn 
J ich wäre ein Schelm? 30 

B. Sell, Wenn Sie alſo ein ehrlicher Mann find, jo packen Sie 

nur wieder Ihrer Wege. Die verzweifelten ehrlichen Leute! Wenn 

* braucht, ſo findt man ſie nicht, und wenn man ſie mit Laternen 

; wenn man ſie aber nicht braucht, ſo ſtößt man aller Orten an 

* Gehen Sie nur, gehen Sie! Wir werden nichts mit einander 35 

1 konnen. Pfuy, über jo einen DummKopff, der die ganze Welt, 





298 Theakraliſcher Vachlaß. 


und ich weiß nicht was noch mehr will geſehn haben; und ı 
die unnütze Tugend zu rechter Zeit an Nagel zu hengen — 
närriſche Antwort bringt Sie um einen Gewinnſt von etlichen D 
Tabrax. Ey, mein Herr, erzürnen Sie fich nicht. Ihre Frage 
5 zu verfänglich, als daß ich anders darauf hätte antworten können. € 
Sie mir nur ohne Scheu, mit was fan ich die etlichen Ducaten verdie 
Denn meine Redlichkeit ift nicht von der bäuerjchen, groben, ı id um 
famen Art. Sie ift gefällig, verbindlich, kurz in die meiften Sättel geı 
B. Self. Ja, wenn ich fie nun juft auf einen Sattel jegen ı ji 
10 dem fie nicht gerecht wäre. Nein, nein, mit der NRedlichfeit fan he 
nichts zu thun haben. Deutſch zu reden, ich brauche jezo eine Ma 
der gar keine beſitzt, und deßen Gewißen einen und den andern unerla b: 
Streich verdauen fan. X — 
Tabrax. Ohne mich zu rühmen, Herr Seltenarm, da ih a 
15 Eigenjchafften beſitze, jo glaube ich doch, Sie werden an mir — 
finden können. a 
B. Self. Sie glauben es, und ich glaub es nicht. Sie find ja ı 
ehrliher Mann? Wiederruffen Sie denn Ihr Geſtändniß? m 
Tabrax. O was vor ein innerlicher Kampff von 
20 Ehre, von Philofophie und Hunger! Der Sieg ift zweiffelhafft. 
Theile ftreiten noch mit gleichen Kräfften und mit gleichem Glück. 
wie — — was empfind ich — — — Die Öewinnfucht wird matt — — Ken 
— — die Ehre dringt nach — — Jezt wird fie fliehen — — - fie fiehet. 3 
Ehre verfolgt fie mit fiegrijchen Waffen: aber der Hunger — — der 9 un, 
25 kämpfft noch, und wird bald beyden den Sieg ſchwer machen. — 


















— 9 


























"Aufn 
Vach dem Pseudolus des Plautus. |' 


Ball Sn Trauer um feine jüngst verftorbne Frau, welche eine Franzöfin 
kr geweſen war, bey der man die Jungfer Charlotte in die Koſt gethan 
hatte. Sie hatte die Mamſell du Babil geheißen, ehe fie den H. Ballof 5 
geheyrathet. Einen Geißhals und Betrüger, der ſiebzig Profeſſionen ſchon 
verſucht, Sprachmeifter, Goffetier, Fechtmeiſter, Komödiant, und wer weis 
| a geweſen tar. 

gfr. Charlotte. Die als ein Kind von 4 Jahren bey der Mamfell du Babil 

in die Koft gethan worden. Niemand hatte feit diefer Zeit das Koftgeld 10 
— Fir fie bezahlt. Sie hatte allerhand Fünftliche FrauenzimmerArbeit ge 

* lernt, und Herr Ballof hatte endlich eine vornehme Dame gefunden, die 
das Koſtgeld für fie bezahlen, und fie als Kammermädchen zu ſich nehmen 
will. Er hatte auch wirklich bereits mehr als die Helfte davon befommen, 
und das übrige jollte er befommen, wenn die Dame Charlotte wiirde ab- 15 
i hohlen laßen. Diejes joll heute gejchehen. 
allivor. Ein junger Menſch; der fih in Charlotten verliebt, und von ihr 
Tg twieder geliebt wird. 

- Des Callidors Vormund. Und wieman am Ende erfährt der Char— 
—3 Vater, von der auch dieſes zu merken, daß fie nicht lange mit dem 20 
a Ballof an den Ort gekommen, wo Simon wohnt, und die Komödie vorgeht. 
nm Knecht. Der Kutſcher der vornehmen Dame, welcher Charlotten ab⸗ 
* will. 

Bedienter des Callidor, welcher dem Martin Knecht die Briefe ab— 

nit, indem er fich für einen Bedienten des Ballof ausgiebt. 25 
dolfgang. ein andrer Bedienter, der die Rolle des untergeichobenen Martin 
— ſpielt. 


—— 0 Plautina longa fabula in scenam venit! 


Entwurf. 


Actus T«, 80. 


Se: L 
_ Callioor ind Juſtin. v. eandem Scenam apud PI. 
Raclaf unter dem Titel:] Juftin. Ein Luftipiel in fünf Aufzügen. Nach 


lauti der Handſchrift iſt das Stück ohne Titel; von ſpäterer Hand, wohl der des 
uder — geſchrieben Nach dem Pseudolus des Plautus. 


30 v. Se. I. Act. secundi. 





300 Theakraliſcher Pachlaß. 


— 3 Di 
Ballvf. Callidor. Juſtin. 


vide Se. IH. Act. I. ° 2 
Ballof jagt, er gehe eben um fich einen Domejtiquen uf 


5 er, wenn Charlotte wegkomme, einen Domeftiqguen haben mühe 4 ) 
den Tiſch bejorgen fönne. | | J 


mr 


—— — 


Sc. IH. 5, 16 

Callidvor. Juſtin. x ;* 

Juſtin verspricht dem Callidor fein möglichites anzutoenben 

10 {of das Mädchen aus den Zähnen zu rüden. Unterdeßen —— 


wo er Geld auftreiben könne; — man es zwingen — venn 
nicht anſchlagen wolle. el 











Se. IV. 
Juftin. v. Sc. IV. Act. L 


15 | SV. | 
Simon. JAuſtin. v. zum Theil Sc. V. Act. I. 


Simon muß fi als ein guter ehrlicher Mann beklagen, daß € F a 
dor auf jolche Ausichweifungen falle; er habe gehört, daß er na 
fremdes Frauenzimmer in der Nachbarſchaft verliebt habe. Er Bi 

20 daß er etwas unrechtes thun möge. Es geht ihm nahe daß er t 
an jeinem Mündel jeine Freude nicht erleben folle, da er fie a 
Tochter nicht erleben können; die er als ein Kind von vier Jahr 
er eines Unglücks wegen das Land verlaßen müßen, in die Koſt 

ohne ſeitdem won der der er fie anvertrauet das geringſte — sh 

25 Er befielt dem Zuftin zu Haufe zu bleiben, weil er einen nöthige 
unterdeßen verrichten wolle. 


22 


Actus IIdus, 


S. J — 
Iuftin, 1 








Multi. Martin Ruecht. 















h F un > ARE de Sc. III. 
; bi Auſtin. 5 
v. eandem apud Plautum. 


Sc. IV. 
Callidor. Auſtin. - 


‚allidor hat etwas weniges Geld befommen, welches aber unge— 

o viel iſt, als Martin Knecht dem Ballof von der Dame auszahlen 10 
. Siehe zum Theil eben diejelbe Scene bey dem Plautus. Sie gehn 
‚eine en Baaınen 7 Martin Knecht zu fuchen. 


Actus tertius. 


i ” l 


SE Se. I. 
Ballof und ein neuer Domeftique. v. Se. II. Act. II. 15 


Sc. I. 


Simon zu den Borigen. Ballof ſchickt den Bedienten voran in 
Haus. Simon vedet den Ballof unbekannter Weife an, und warnet 
feines Mündels. 

Se. IH. | 20 
Simon. 


| Se. IV. 

00 Simon. Callidor. : 

et feinem Mündel vernünftig zu, und tadelt ihn, daß er 
Unbekannte verlieben können. Nun, jagt Callidor, wenn Simon 35 
vd e2 it mi —— ob ich glücklich ſeyn ſoll. Es iſt alles 


302 ” Cheatraliſcher Barhlah. 





Actus quartus. Be 
Se. T. | 
Juſtin. Wolfgang. 


v. Sc. eandem ap. Plautum. 


\ Sor.kL 
Ballof und die Vorigen. 


v. eandem apud Plautum. 


„© 


Sc. III. — 
Juſtin. v. eandem. 










a — — J " 
Juſtin und Wolfgang, welcher Charlotten geführt bringt. & 
ruft dem verftellten Martin Knecht noch nad, fie richtig zu überb vin; 
Charlotte jagt wenig Worte, mit welchen fie fich ohngefehr beklagen a 
daß fie Ballof gleichſam in eine Dienſtbarkeit verkauffe; indem ihr B 
15 gang immer heimlich in das Ohr fliſtert, ſich nicht ſo zu ſperren, ſie w 
es beßer finden, als ſie es glaube und wird oben an der Ser 
von dem allidor in Fuckiang genommen. "Sie führen fie fort. 


Actus quintus. 


| | Ne. 
20 | | Ballof. v. Scenam V. act. IV. 


Se. II. 
— Ballof und Simon. v. Sc. VI. Act. IV. 


Ser DE 
Marlin Knecht und die Vorigen. v. Se. vo. Act. IV. A 
25 Martin Knecht geht poller Bosheit fort, um ſich bey eine a | 
zu bejchweren. re 
„IQ; IV. | 3 
Ballof und Simon, A A 
Hier geht die SET, vor ji, daß Simon der Sharitte& 








0 Pas Leben if ein Traum. | 303 












a Rs Se. V. r 
3 ET — Martin Knecht und Auſtin zu den vorigen. 

i Martin Knecht hatte den Justin ertappt und erkannt, eben als er 

$ mit Charlotten in einen Wagen werffen und fie davon führen wollen. 

- bringt ihn alfo mit Gewalt Br dem Frauenzimmer zurüd. Die Er: 5 
r ug get vor ſich. 
— Mr Se. VI. 
dB diejen Callidor; er fümmt verzweifelnd zurück, weil er ver- 
vor dem Thore auf beyde gewartet, und erfahren, was mit feiner 
1e vorgegangen. Der vergnügte Schluß und das Ende des Stücks; 10 
t Simon dem Martin Knecht veriprochen, an die Dame einen Brief 
2 ‚geben, * fie in allen Stücken zu befriedigen. 





"Das Leben it ein Traum, 


in Som aus dem Spanilihen des Don Pedro Calderon 
i de la Barra überfekt. 15 


Berlin den 23 Ruguſt 1750, 


Erfier Aufzug. 
Eriter — 


un werte, im Reijehabit, und a EEE I 20 





304 | Theakraliſcher Pachlaßz. 





* 


Erxaclio — Bi 


ner plößlichen Abreiſe Nachricht se joll? Siehe, ob 63 
Lebens ein jo gutes Gedächtnig gehabt habe. Was willſt Di a 

Barb. Ih will nichts, als bat wir und — 9— 
5 machen. * 
Garr. Wenn du die Argila nicht noch ſehen willſt, ſo lie 20 
an dir wenn wir länger zaudern. a 
Barb. Ich würde meinen Schmerz nur vermehren. Bir hr 

ohnedem in ein paar Tagen wieder zurück ſeyn. 

10 Garr. Nun ſo komm. Die Pferde warten ſchon. 
Barb. Lebe wohl, glückliches Canturien. Meine Seele verlaß 
voller Furcht, und ich weiß nicht was ſie niederſchlägt. 











Bmeyfer Auftei 


Erarliv, ein Alter am Stode, Argila feine Tochter, Claudio ſein © on | 

15 und Rofeliv Ein Bedienfer. | —— { 
Claud. Ich habe alle Ehrfurcht für dein graues Alter ; allein n 

kömmt mir doch als etwas ganz beſonderes an dir vor, daß un 
aller Stille, jo eilig. hajt laßen hierher rufen. 
Erar. Wundre dich nicht Claudio, daß ich mich iego entf 

20 habe, von unterfchiedenen Sachen eine Probe zu machen. 
Claudio. Was iſt dein Wille. Be 

Er. hr jollt es gleich erfahren, weßenwegen va — yabı * 

laßen. — 
Arg. Biacne Wenn er es wißen ſollte, daß ich ee, 
25 ich den Barbacio liebe. Gey Seite) | J 
Erar. Roſelio, verſchließe die Thüre, und mache fie ve ge 

feinem el er mag auch noch jo unverſchähmt rufen. = 





* 


1 [Der Anfang des Bruchjtücds fehlt.) ? [Am Rande fteht:] dentro. innerhalb. 
7, dentro de si. dentro de ı 





Grarlio. 305 


Rof. Ich will dir jogleich gehorchen. 

0 land. Ich weiß nicht was das bedeuten joll, und was mein Vater 
a im Sinne hat. 

* Arg. Und ic prophezeye mir jchon den Tod. 

. Erarl, Nehmt die beyden Stühle, denn es ijt nöthig daß ihr u 5 
zu. dem, was id) age, niederſetzt. 

J Claud. Was muß das für eine beſondre Neuigkeit ſeyn! (Sie ſetzen 
fi, und Eraclio ſetzt ſich in die Mitte.) 

x Gracliv. Ihr wißt es allzuwohl, liebſten Kinder, wie jehr ich euch) 
ſchätze, und daß es allezeit meine Sorge geweſen iſt, eure Umſtände zu 10 
verbeßern. Ihr wißt auch, daß mein Leben an dem letzten Faden hängt, 

der zugleich der ſchwächſte iſt, und daß ich unſicher bin, daß ihm nicht 
= die graufame. Senfe des Todes drohe, ohne daß e3 an einem andern 
hänge. Ehe aljo diefer Schritt noch gejchieht, will ich euch, meine lieben 
Kinder, beyde in einen Stand verjegen, den euch der Himmel recht anz= 15 
trägt. Seit dem ihr in der Welt jeyd, babe ich nie wahrgenommen, 
daß ihr weltlich geſinnet wäret, oder einigen Laſtern anhinget. Ich habe 
nie geſehen, daß ihr mit ſchändlichen Lüſten eure Zeit zubringet, welche 
die Liebe den Menjchen, die ihr dienen, anbietet. Cure Neigungen jind 
- allezeit bejonders tugendhaft gewejen, ohne jugendliche Vergehungen und 20 
er” große Gefährlichkeiten. Ich habe euch derohalben in Betrachtung der 
Tugend, die ihr allezeit gezeigt habt, zweyerlei ausgejucht, was euch Vor: 
1 theil und Ehre bringen wird. Was dich alſo anbelangt, Claudio, weil 
E = ſehe, dab du die Wißenfchaften liebſt, jo habe ich deinetwegen mit 
dem Erzbiſchof von Canturien geſprochen, und ihn erjucht er möchte er= 25 

ö I! uben, daß Ihr in einem Tage den Habit anlegen könntet, welcher 

3 ei em Berwalter Chrifti geziemet. Er verſprach mir e3, und verjprad) 

mie noch darzu Euch zum Biſchof von Baltridente zu machen, mit einem 

Einkommen, das für dieje Bedienung zureichend ift. Ich nahm das Ver: 

ſprechen an und gab mein Wort, daß du, Claudio, heute noch, Mefprieiter 30 
werden follteft, ob du gleich jo vieler Ehre unwerth jeyit. Was aber 
dich anbetrift, Argila, jo hat mir, zu Ehren deines guten Vorſatzes, die 
5 Aebtiſſin von Santa Zabel einen Schleier für did) angebothen. Sie 
| : ſagte mir, daß du vor zwey Jahren fie aus einem göttlichen Eyfer jelbit 
darum erjucht hättet, und, daß fie dir ihn gern geben wollte. Ich gab 35 
gleichfalls mein Wort und glaube heute noch zwey Kinder zu haben, wo— 
Leſſing, ſämtliche Schriften. III. 20 

























306 Theakraliſcher — 















von das eine ein Biſchofshut und das andre ein Fraueieauerh bi 3 
wird. Ganz Ganz! | irc = 
"ner 





“[Fenix.] 
Erfer Aufzug. 


5 Erſter Aufteifk. 
Fenix weinen. Eſtela, Bila und Flora. 


Eſtela. Stille deine Thränen, Fenir, mäßige deinen Verdri 
mache deinen Augen nicht jo viel Plage und Schmerz. Wann uf 
länger, bey jo viel Säuffzern verſtelleſt, jo wird fich der Himmel h ig 

10 daß du ſeinen Sternen übel begegneſt. Sage mir, Muhme, — Sch 
lege deine Plagen bey mir nieder. Siehe, wie epferfüchtig me | 
auf deine Thränen ift. Bemerfe deinen Irrthum, daß du bei 
kümmerniß lieber im Weinen als in meiner Freundjchafft Troft juchen läß 

Fenix. Meine Plage, Ejtela, iſt jo groß, mein —— — 

15 iſt jo hefftig, daß ich jo gar eine Erleichterung des Übels darinnen 
funden habe, e3 dir zu verhälen. Es iſt VBorfichtigfeit nicht din 
mich zum Schweigen verdammet, und nichts zeuget mehr von meiner ‘ 
gung gegen dich, als daß ich dir mein Leiden nicht fage. Mein * 
iſt allzuaufmerkſam auf die deinige, und mag dir die — 

20 unglücklichen Schmerzen nicht entdecken, damit ſie dir das Mitlei 


Eſtela. Es iſt mehr eine Beleidigung als eine Sefättigkit, 1 da 





1 [Der Schluß fehlt. Am Rande fteht:] 
asir. nehmen, verbinden. 
roto, zerrißen, zerbrochen 
gastado, verderbt, verzehrt 
hilo ein Faden 
eouchillo ein Meßer 
amenazar drohen 
llegar anlangen 
golpe. Schlag. 








nunca niemals 
metido. gejegt 
mocedad. Jugend 
dispensar. erlauben 
acetar annehmen. 
gozo Freude - : 
gozoso erfreut a 
el para bien — — 
descanso —* — 


van 

















— | 307 


; von deinen Unglüde ausjchließejt. Ich werde deine Plagen mit zu 
Er ugbeit, jein Übel zu entdeden, jo fündigeft du darwieder, wann du 
gegen mich darmit zurüd hältſt. Ich Fan dir als eine dreyfache 
erſor nit tragen helfen. 
eniex. Deine Liebe, Ejtela, und deine Sorgfalt ift ungemein ver— 
—— Eela. Sie wünſchet nichts mehr, als daß du dein Herz bey mir 
wuöfchütten mögteft. 

Flora. Nifa, worinne mag wohl das Übel beftehen, das meine Ge— 
ieterin fo hefftig quälet? 

Viſa. 

Ellela. Geſtehe mir alſo deine Unruhe. 

Bifa, Ich bin ganz thörigt drauf, es zu erfahren. 
Avra. Und ich defgleichen. 

enixe. Wann ich dir fie entveden ſoll — — 

- Flora. Nun fängt fie an. 

VUila. Stille alſo, höre! 

eenix. So müßen wir alleine jeyn. Entfernt euch. 

“  Bile. Unfer Zuhören hat aljo ſchon ein Ende. 

Flora. Das verdrüßt mic, daß ichs nicht hören fol. 

-  Bila. Komm, wir werden es doch wohl hernach erfahren. 
— Niſa und Flora gehen ab. 


——— 


J— Nndrer Rubkrikk. 

Ei Fenix. Eſtela. 

a Rede nun. 

Fenix. So wird mein Unglüd noch viel jehwerer. 

Eltela. Dein Mund möchte es felbft gerne jagen — — 

- Fenix. Du willit aljo, daß ichs dir erzehle? 

Eſtela. Sch warte eben darauf. 

3 Fenix. Höre alfo! Mein Vater der König — — aber adj! wie un: 
ht nenne ich ihn meinen Vater. Da ex fid) nicht jo gegen mir erzeugt, 


2 billig, daß ich ihn fo heiße? Der König aljo, jag ich, erbte diejes 
; von dem König Balarte, jeinem Vater und meinem Großvater, 





n Bajallin, Anverwandte und Freundin feyn. Sit es ein Rath 


10 


15 


20 


25 


30 


308 Theatraliſcher Bachlak. 












































aber mit einer jo jchiweren, ungerechten und tyranniſchen Beding 
ich, wenn ich hätte wehlen können, lieber auf den rauejten —* 
Vaſall hätte ſeyn, als fie annehmen, wollen. Sie wurden nehmlich 

o Unglück! daß, wer nad ihm das Reich erben würde, wenn J 

5 Weibsperſon wäre, fie, den König von Athen, o welche Gre 
beyrathen jollte. Ich ward zu meinen Unglüde gebohren, u und 6 
dem Himmel, ehe ich noch dag Licht diejes runden — * 
betrachten konnte, meine Wiege zu einem elenden Grabmale meine 
zu machen. Denn höre nur, liebſte Muhme, doch daß mein Unglück 
10 Zärtlichkeit nicht erſchrecke; aus der Größe deßelben wirſt du alsda 3 
Größe meines Schmerzes erkennen fünnen. Der König von Athe: h 
du weit hat zwey Söhne, der eine ift Ramiro, der Erbprinz, un 
Infant Fadrique ift der andre. Ramiro ward von allen Eigen Ä 
die zu einem Prinz gehören jo entblößt gebohren, daß er zu ah 
15 Verachtung der Großen, die Verjpottung des Pöbels, und die | 
feines Vaters ift. Denn der Himmel machte ihn jo dumm, — 
ihn ſo unwißend, daß er nicht einmal ſo viel weiß, als der —* 
wißen muß. Fadrique hingegen iſt von ſo verwundernswürdigem Verf 
von jo edler Gemüthsart, von jo liebenswürdigem Naturell, daß ihn ı 
20 Vaſallen, mehr als feinen Vater, vor ihren Herrn verehren. Es fe je 
als wolle die Natur, bey Erzeugung der jüngeren Prinzen, dag, ı 
ihnen an Macht abgeht, durch ihren inneren Werth erjegen. Nım fi 
der König zwar dem Namiro, wegen feiner großen Unfähigfeit, das 2 
entziehen, und e3 dem Fadrique, als einen würdigen Lohn jener port 
25 lichen Eigenjchafften, erben laßen: aber die Liebe verblendet ihn ſo 
und macht, daß fich die Leidenfchafft feiner jo bemeiftert, daß Ramiro 

- einzige Gegenstand feiner Zärtlichfeiten, und Fadrique, o * ) 
ſamkeit, der Vorwurff ſeines Haßes ift. Zwar im diejer unbeſ 
Welt ift es eben nicht3 neues, daß das Gute verabjcheuet, und d 
30 geliebt wird. Alfo will mich mit dem Ramiro, o Bein, mit dem ( 
o jchweres Leiden! des athenienfischen Reiches — — welches Un 
mein Bater der König — — o unfeelige Noth! — — verbinden -— 0 in 
des Schickſal! Die Tractate — — ach, empfindlicher Schmerz — — find | 
geichloßen. Welche Grauſamkeit! Er erwartet ihn alle Augenblide, 
35 Beylager zu feyern. Ja — — Begräbniß follte ich es lieber nem * 3 
ich hoffe ſchon einig auf die bittre Hülffe des Todes. Und wenn ich 



















| Fenix. 309 


| e- — o Betrübniß! daß ich meinen Willen werde von fo einem un— 
ı Menschen müßen unterdrüden lagen, - — — — o Quaal! fo ge— 
"ih in ſolche Verzweifflung, daß ich, wenn ich mich nicht vor dem 
[ fürchtete, mich jelbjt umbringen möchte. 
“- J— Dein Vater kömmt. 


or 


| Driffer Auftritt. 
Der König. Per Berzog. Fenix. Eſtela. Bedienter, 


Der König. Was fehlt dir? meine Tochter. 

FJenix. Ich mwundre mich, daß du dich jo fremde jtellejt, da du doch 
ein Be Belünmernik weiſt. Mehr will ich! hier über meine Lippen nicht 10 
“ nmen laßen; doch erlaube mir deine Gegenwart zu vermeiden. Denn 

; einer jo hefftigen Leidenschaft fan die Ehrfurcht nicht anders als in 
E Bierter Auftriff. 

Der König. Der Berzog. Eſtela. Bedienter. 15 


Br. Der König. Ich ergründe die Urſache ihres Schmerzes wohl! (Geh Seite) 

Efiela. Herr, fie könnte dich bejchuldigen — — 

— Der König. Halt inne, Eſtela, und gieb meinem Verdruße, durch 

eine Klage nicht noch mehrere Kräffte. Es ift ein unwißendes Verfah- 

n, wenn ein Verſehen begangen ift, fich über die Folge degelben zu 20 

* ‚en. Die Klugheit erfodert ſich vorzuſehn, wenn ihm noch zu 
Ri; aber ijt es einmal jo weit gefommen, fo ift e8 eine 





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310 — Theakraliſcher Badhlaf. 


"PALAION. 


Gomedie en un Acte. — 
















Laudator temporis acti. = 
 Horace. 
5 | & Berlin 1750. EN 


Acteurs. 


Palaion. 
Lucile. Fille de Paleon. 
Codex. Avocat. 
10. Cliton. Amant de Lucile. 
Toinon. 


ar 


Scene premiere. 
Palaion en robe de chambre.- 


Oh que tout honnet homme aujourd’hui est à plaindre! Le 
15 vieux tems est passe; et le siecle ou nous sommes n’est que t op 4 
pour degouter entierement du monde toute ame vertueuse, ce ı 
pas le chagrin qui me fait dire cela, quoique j’en ai beat up. 
un proces eternel de vingt ans et une fille nubile suffisent, e 1 
a mettre au desespoir un mortel, qui est assez en i : ? 
20 avoir sur ses bras. Ah! — — un proces — une fille nubile — nubil 
ah — j 'enrage! Mais que me feroit tout cela, si la vertu n’e ii 
plus inconnue aux filles d’aujourd’hui que la justice ne Vest a 
juges. Oh le heureux tems que celui de ma jeunesse! Jadis t M 
juges etoient de Rhadämanthes et toutes les filles de Penelopes,. 
25 jadis on n’etoit pas oblig&e de confier sa cause & des Avocats 0 
rants interesses. Oui! jadis on la plaidoit soi-meme, et on e E | 
le bon droit l’emporteroit. Oui! il etoit plus ineomprehensible = nos 
qu’on puisse acheter la justice, qu’il ne l’est aux Hugenots, quo 
acheter le ciel. Tout est change! O tems! o moeurs! — — * 
30 aujourdhui que le President m'a promis de me defaire de 2. 
mes maux infernals et de mettre fin a l’eternit& de mon | 


Plain. rn 





4 


















Nou verrons — — pour moi je n'en crois rien. Car je le vois bien 
v Wil y va de l’interet du Diable que la chicane ne me laisse jamais 
en repos. Uniquement occup& de mon proces pourrois-je jamais revenir 
a moi meme pour donner le vil reste de mes jours a mon ame, a mon 

eu? Non. Il faut absolument, qu’a force de plaider je me donne en 
proye de l’enfer. — — Mais voila ma fille qui vient. 


Scene II. 
Palaion. Lueile. 


Palaion. Approchez vous, Lucile! Mes pensees viennent de 

Be. __ 

Lueile. N’est ce pas? sur la corruption du tems? Voila tou- 

jours le triste objet de vos idees. En verité, mon tres cher Pere, je 

‚suis fort fach6e que vous n’etez pas fait pour ce monde-la. Il est, je 

pense, passablement bon pour quiconque s’y veut plaire. 

— Palaion. O jeuness®! O ma fille que je souhaitrois de vous 

voir penser plus sainement. Est ce ainsi que vous voules dementir le 

| ıg de votre pere? Oh que j’ai piti6 de vous! Venez, je vous com- 

muniquerai mes reflexions avec toute la sincerit& d’un pere. Elles sont 

fondues sur l’experience qui ne nous vient qu’avec les annees. Elles 

int A votre jeune beaut& de la force de l’ame qui n’est que le 

tage de l’age avance. Un peu de mes lumieres vous donnera dix 
in De 

 Lueile: Comment, mon pere? dix ans de plus? Vous n’y pensez 

? dix ans de plus? Ah le joli present pour une jeune fille! 

5 m ‚Palaion. Vous ne m’entendes guere. 

ni -  Lueile. Oh que oui! Dix ans de plus? Donnes moi plutot, 
| vous pouvez, dix ans de moins. O que me font peur ces dix ans 

Ber 

'Palaion. Ces dix ans, ma fille, ne seront prejudicables ni à 

> beaute, ni & votre Jeunesse. Vous n’en aures que l’utilit& sans 

€ — le fardeau. 

ss Lueile. N’importe. Ne preeipitons point mes annees. Pourquoi 

-prevenir la nature? Si l’austere sagesse ne vient qu’avec l’äge, elle 

ne viendra jamais trop_tard. 


5 


10 


25 


312 Cheaktraliſcher Barhlak. 






















Palaion. Ne craignes rien, ma fille. Avee de telles d spo si 
elle ne vous importunera jamais. | 32 WR 
Lueile. Tant mieux! | — 
Palaion. Ce tant. mieux me perce le coeur. O que je a 
5 que vous ne parles serieusement! Jadis, Lueile, jadis les filles « e V 
age etoient plus dociles, plus modestes. Jadis, vous dis je, Mes 
soient avec plaisir des heures delicieuses dans la conversation d’ı mn 
sense et tendre. Jadis elles ne couroient pas lebal, ellesn 'etoient pas fo 
de la Comedie. Jadis elles ne tuoient pas des jours entiers en lisant 
10 Romans qui ne charment l’esprit que pour gater le coeur. Jadis - 
Lueile. Je le vois bien. Jadis, mon-pere, toutes les filles e oi 
des Matrones venerables. N’est-ce pas? 
Palaion. Oui! justement. 
Lueile.. O mon pere, ne me faites pas rire. 
15 _ Palaion. Rire? Et je voudrois bien vous faire pleurer den 
sottises. / = 
Lucile. Ces sottises, que je fais sont les sottises du tems set 
pas les miens. Et je cerois que s’accommoder au tems est le devoii 
sage. Mais rompons la dessus. Monsieur Cliton a et& hier J v 
20 que vouloit-il? | — 
Palaion. O rompons la dessus, et continuons notre premie 
cours. Le sage, dites vous, devroit-il s’accommoder au tems? O0 | 
dangereux prinecipe! Non, ma fille, il ne faut jamais se laiss 
trainer par le torrent. Prennes l’exemple sur la foule et voila rot 
25 vertue sur le bord du preeipice. Allons le chemin de 1a ve ® | 
qu’importe si nous y sommes les seuls? En 
Lueile. Nous n’y serons pas les seuls si vous permettez q 
Cliton nous accompagne. Il est digne de se former sur votre 
Il vous aime, il estime la justesse de votre esprit. Il m’adore 
30 Palaion. Il vous adore? 
Lueile. Oui de tout son coeur. 
Palaion. De tout son coeur? 
Lueile. Oui. er" 
Palaion. Il vous adore de tout son coeur. Cela me cha m 
35 Lucile. Ne contrariez done plus long tems notre amour si | 
si tendre, si fait pour vous charmer vous meme --i-- 


————— 318 






























palaion. O n’epuisez vous pas en epithetes inutiles. Il vous adore, 
‚suffit pour me le, faire connaitre au fond. 

is: O que je suis heureuse, que vous lui rendes justice. 

J dest le plus poli, le plus complaisant le plus aimable de tous les 

N P» er 5 
Palaion. Et pour comprendre tout en un mot — le fou le plus 

E bi En 
Ä N F Lueile. Que dites vous? \ 

— Palaion. Je dis, que vous pousses l’effronterie trop loin. Une 
lle bien nee ne devroit-elle pas plutot mourir de honte que de parler 10 
ı Pere de ses amants? Jadis les filles aimoient aussi, mais elles 
moient avec bienseance, elles aimoient tout bas! Si j’etois fille moi, 

e confesserois plutot un meurtre que mon amour. Saves-vous bien ce 

e c’est qu’aimer ? ! 

- Lueile. Si je le sais? 15 
- Palaion. Vous le saves? Tant pis! Maries vous done au plu- 

t. Je ne suis pas si fou que de vouloir etouffer la curiosit& d’une 

1 > qui sait ce que c’est-qu’aimer. Je ne me mele pas de l’impossible. 
morbleu, non. Alles, marries vous, mais choisisses un objet plus 
igne d’etre mon gendre que ce Cliton. Est-ce a un homme qui adore 20 
es femmes que je me dois allier? Adorer une femme, ne vous en 
. laise, est adorer la folie meme. Jadis on n’avoit pour les Creatures 
votre espece que de petits egards ; on etoit bien loin de les aimer; 
pour les adorer e’etoit une phrenesie qui n’etoit reserv&e qu’a nos 

“ destinös expressement à faire la guerre au sens commun. Et, 25 
ꝛ — si je m'y connois, votre Cliton s’est fort distingué dans cette 

| Babillard, impertinent, amateur zel& de toutes nouvautes, cou- 
ia Monde, voila les aimables qualites que je lui trouvois hier, en 

e honorant de sa visite ennuyeuse. Au reste il ne faut pas etre trop 
oyant pour voir qu'il a bien eclairci ses biens par ses voyages 30 
ütiles Ne seroit-ce pas la veritable cause pourquoi il vous adore? 
J— Du moins, mon pere, ne soupconnes pas sa droiture. Je 
nnois. Son amour est desinteresse. Peutetre qu’il n’est pas trop a 

in aise: mais quiimporte? Il a des talens qui ne mangqueront pas a 

i e sa fortune. Il a aussi un oncle puissamment riche — — 35 
 Palaion. Des talens — un oncle — Vous vous moques ma fille. 


2 hihi Ad Uhl AD N min Le —— 


314 Cheafralifcher Bachlak. r 





Dans ce siecle barbare ou le plus opulent est le plus habile, 0 

gent nous peut! faire savoir tout sans en avoir rien appr 8, 

avantages croyes vous que puisse avoir un homme des 

butor? Et quant a l’onele — — ne croyes vous pas que les « 
5 des hommes a vouloir survivre leurs neveus? 

Lueile. Je conviens que ses esperances ne sont y 
fondues. Mais vous conviendres aussi, mon pere que ce ne. 
les richesses qui font le bonheur des mariages. f Ben 

Palaion. Ni l’amour non plus. Ce sont les moeurs qui’ e: 

10 et Cliton n’en a point. Si mon gendre est un homme d’une 
connue, d’un coeur non infeets du poison de nos tems, d’une simp 
digne de nos peres, je lui ferai grace et de ses biens et de sa naiss 

Lucile. Ah! Ah! j’entrevois votre dessein! ia 

Palaion. Et quel dessein m’imputes vous? — N 

15 Lucile. Oh de grace! II est tout & fait digne de mon p 
'Pareeque l’'homme qui lui faut sera un peu diffieile a trouver il 1: 
revenir de l’autre monde un bon garcon pour etre mon epoux I 
















% 


Palaion. Oui c’est ce que’ je ferois certainement. A 

Lueile. Quel horreur! La crainte m'étouffe — je —— J | 

20 Palaion. — s’il etoit possible ! 7 * ——— 
Lueile. O grace a l’impossibilite ! je reviens. — 


Palaion. Mais non’— — Vous connoissez le jeune Martin Colil 

Voila encore un garcon qui fait honneur à sa famille! C’est le 
Lueile. Et que voules vous faire de ce Marmouset? * 

25 Palaion. J’en voudrois bien faire votre epoux. DE 
Lucile. De lui? qui est & peine sorti du EUER C'est u 21 

et non pas un homme. D 
Palaion. Oui, oui, e’est un garcon savant, tres savant. I 
beaucoup de libres anciens, et les libres anciens, ma fille — ah 
30 Lueile. ne sont plus muets que lui. Il ne dit mot, sisa b 
ne s’ouvre par hazard pour dire de sottises. % 2 
Palaion. Ü’est, justement par la que j'augure bien 4 j: 
profonde. Car jadis les jeunes gens ne parloient plus que ce ı J 
C’etoit aux vieillards de parler peu mais de choses instructive 


“5 





1 peut [fehlt in der Sf. * | Bi Ki | 


Palaion. 315 
































d de a et aux femmes de parler beaucoup mais sans rime et raison; 

> homme ne faisoit que se taire, et qu’ecouter. 

Efnelie, Et a la facon de s’habiller ne le prendroit on pas pour. 
* ses ancetres du siecle quatorzieme? 

| Palaion. Juges done de son gout solide; il s’habille tout comme 5 
nos peres! ah l’aimable garcon ! | 

ee Lueilo. Ah l'aimable garçon! ah qu'il est tenebreux, ah qu'il 
est stupide! 

Bi ' Palaion. Tout comme nos peres. Il s’habille tout comme nos peres. 
hi Lueile. Ah l’aimable garcon! ah qu’il est grossier, ah qu'il est 10 
| | 
Palaion. Tout comme nos peres! il s’habille, tout comme nos 
peres! O que ce seul point le rend estimable a mes yeux! l’habit a 

i t6 toujours le miroir du coeur, — et la mode — — qui est-ce qui nous 
vient interrompre ? | 15 
Lucile. Coment votre avocat? vous voila sur votre matiere fa- 
vorie et l’impertinent — — 


Sceene II. 
— Palaion. Lueile. Codex. avec des actes sous chacun des bras. 


_ _ Palaion. Ah, ah! „Monsieur Codex! bon jour! bon jour! Mons. 20 
Codex ! bon jour! 
Codex. O que le Diable vous emporte avec tous vos bons jours! 
>as encore habille? Diantre! Aves vous donc oublié que Mons. le Pre- 
ident nous attend a l’heure qu’il est? 
_  Palaion. Il est vrai mais dix heures — — 25 
E Codex. Ne sonneront pas deux foix pour vous. Faire attendre le 
’resident, et vous voules gagner le proces! 
Palaion. Voila done ma fille, c’est votre faute! Dois je toujours 

s precher la morale? Jadis — — — 
J ‚Codex. Taises vous done avec votre jadis. C’est a moi de parler 30 
u tem s passe. Vous estes un ignorant plus ignorant qu’un enfant, tout 
—* veau né qu'il est. Faire attendre le President? Oui, oui, Monsieur. 
s la naissance du monde, et j’ose meme assurer, depuis — depuis 


* qu’ on plaide — (faisant des Gestos trop violents avec le bras il laisse tomber 
s actes sans s’en FR Voie.) 35 


316 — = — 













Lucile. Voila done ce que c'est que de parler avec le 1 
Codex. — jamais plaideur ne s’est soulli& d’un crime s 

donable — si noir, si enorme, d’un crime si — — si eriminel - 
ideées se confondent, se brouillent — — le Crime est irop & 
5 sai plus que dire! Faire attendre le President. :i@ J 
Palaion. Mais — —. | —A 
Codex. Comment? vous etes encore iciꝰ Par tous les ] ie 
alles done, habilles vous! Mais que vois-je? dl le retient) Mes acteg 
terre? — Ne suffit-il pas d’avoir insulte le President, faut-il e | 
10 insulter mes actes? — mes actes! O Monsieur Alles, pousses, si 
pouves, pousses plus loin votre negligence irreligieuse, votre ir f € 
nence prophane! Mais je vous en defie. Le vice a ses extr | 28 
les voilä! O mes actes! Et personne ne les ramasse ? Monsieur, / 
etes — (tout cela en ramassant les actes. Il les mett sur la table, apres en a ir so 
15 soigneusement le poudre) vous etes indigne d’un avocat tel que moi — v 
etes indigne de mes soins, — — de ma science — — que j'epuise p 
perdre votre proces si tard qu’il est possible. 


— —— — 





Der guke Wann. 
In fünf Aufzügen. 


20 Herr Triffel der gute Mann. 
Frau Triffel deßen zweyte Frau. 
Flora deßen Tochter von der eriten Ehe. 
Baler. Liebhaber der Flora. i J— 
Thimankt ein zweyter Liebhaber, von ungeſtümen Sharatter, u ku 
25 liger Liebhaber der J 
Cynthia, welche als eine verkleidete Mannsperſon unter dem Nan 
landers vorkömmt. 
Liſette. Mädchen der Bra Triffel. 


Per aufe Wann. 317 





Actus primus. 


Sc. pr. 

Lifeffe. Thimank. 

| Thimant ift umwillig; er bereut es, dem Nathe der Lifette gefolgt 
Eu ſeyn, welcher darinn bejtanden, daß er fich erit bey der Fr. Triffel 
tet machen jolle, ehe er um die Tochter anhalte, weil fie alles über 
3 n Mann vermöge. Er jagt, er habe diefe Coquette dadurch verführt, 
glauben, daß er mehr in fie, als in ihre Stieftochter verliebt jey. 
fette verfichert unterdeßen, daß fie ihrer Frau feine eigentlichen Abſich— 
t deutlich genug entdeckt habe, obgleich mit einer Wendung, die ihr 
5* ihre falſche Meinung nicht ganz werde benommen haben. 


















—— 


Be 


Se. II. 
Tifefte. Chimanf. Fr. Triffel. 
e: Sie kömmt dazu, und Lifette erinnert jie an den gethanen Vor— 
schlag, dem Heren Thimant die Flora heyrathen zu laßen, damit er dejto 
öftrer und ungezwungener um ſie, die Fr. Triffel ſeyn könnte. Sie ant— 
wortet darauf als eine Coquette, die ihre Liebhaber gern mit niemanden 
theilen möchte, und geht mit einem zweydeutigen Beſcheide ab. 


Sc. III. 
Lileffe. Thimank. 
Thimant will über die wenige Hoffnung verzweifeln, um jo mehr, 
r 1 er erfahren, daß Valer vielleicht noch heute das Jawort erhalten werde. 
Er bedauert e3 endlich fich überhaupt eingelaßen, und feine erite Geliebte 


y Stühle gejegt, und werde nun für feine Narrheit büßen. Lifette 
eipricht ihm, ihr möglichites zu thun, und wenigitens feinen Nebenbuhler 
r dem H. Triffel verhaßt zu machen, indem fie diefen bereden wolle, 
daß Valer in feine Frau verliebt jey. Sie jhidt den Thimant fort. 
Se EV, 
Liletfe. Flora. 

e Flora macht der Lijette Vorwürffe, daß fie nur immer dem 9. Thi- 

nt bey ihr das Wort zu reden ide, und —— ſie daß ſie durch⸗ 


10 


15 


20 


t die es aufgegeben zu haben. Er habe fich als "ein Narr zwijchen 


25 


318 Theatraliſcher Pachlaß. 












aus von ihm als einem Liebhaber nichts wißen won; und —— 
ſachen, die ſie wohl wüßte, die ſie aber jetzt nicht ſagen wollte. & 
fagt, fie wolle ſich gar nicht mehr in ihre Heyrath mengen, und ge 
den H. Triffel aufzuſuchen. be 
3 Se. V. 
‘ Flora, Baler. 
Berfiherungen der Treue von beyden Seiten. Gute voffn 
Seiten des Vaters, und Furcht von Seiten der Stiefmutter. i 
deckt ihr jeinen Einfall, diefe auf eine Art zu bejchäftigen, —* 
10 an ihre eignen Sachen denken könne. Der verſtellte Vhylander ı 
jolle die Rolle mit ihr fortipielen, die er auf dem legten Yale a | 
fangen habe. | 


6: 


Se. VI. 

Phylander. Flora. Baler, 2 

15 Man erfährt, wer diefer Phylander iſt. Sie verjpricht beyden, al 
über fich zu nehmen, und hofft die Frau Triffel dadurch vollfommen n n 
ihrem Willen lenken zu können. Sie gehen ab, und Phylander oder C 
thia verſpricht die Frau Triffel recht ernſtlich ie 


Actus secundus. 


20 — pr. 
Triffel und Die Frau Triffel. 


Siehe die 4te Scene des zweyten Aufzugs im Double-dealer. 


Se, I. m 
3 


Die Borigen, Flora und Baler. 2; 
25 Ebendafelbit p. 33. Herr Triffel nimt die Flora mit vorn 


Sc. III. | | 
Paler und Fr. Criffel. F 3 
Siehe die Ste Scene des zweyten Acts. —9— 


Sc. IV. 
30 -Phylander. Fr. Triffel. Valer. 
Phylander, welcher dazu kömmt, hilft der Fr. Triffel die L 
Dalers zu ihr ausreden; und verfichert, daß wenn fie lieben e 


Der aufe Mann. 319 




















en ſey, jo habe ſich ein ganz andrer, als Valer, dieſes Verbrechens 
g gemacht. Er ſelbſt nehmlich, wobey er ſeine Liebeserklärung an— 
Er ſagt ſachte zu dem Valer, er ſolle fie beyde nur allein laßen, 
F er! die Sache ſchon wieder aufs reine bringen. 


* 


Sc. V. 
: Phylander. Die Fr. Triffel, 

Eine verliebte Scene, in welcher ſich die Frau Triffel jehr bloß 
* und in der dasjenige vorkömmt, was in der 5ten Scene des dritten 
. erzehlt wird. p. 47. 
BER — 

9 Berr Triffel. Phylander. Pie Frau Triffel. 

Herr Triffel beklagt ſich, daß ſeine Tochter nicht von dem Valer 
ßen wollte, und nur immer ihren Eid vorſchütze. Die Frau Triffel 
t ihr Recht, und redet ihm die Liebe des Valers aus. Siehe die 
E Scene des vierten Acts p. 61. Sie und Phil. gehn ab. 


Se. VII. 
Berr Triffel und Tifefte. 


— ſchraubt ihn, daß er ſich den Argwohn, ſo leicht ausreden 
i Sie. geht mit dem Borjage ab, es dem Thimant zu hinterbringen, 
iß auch dieje Lift micht glüclich ausgeſchlagen jey. 


Actus tertius. 
Se. pr. 
Phylanber. 


i Sie zweifelt an einem glüclichen Ausgange ihrer Rolle, und ift un- 
wiß, ob Thimant auch fie noch Lieben werde. wenn er ſchon von der 
Eu abgewieſen würde. 

Sc. U. 
- Phyllander. Bere Criffel, Fr. Criffel. 
Ira —— Sene des III Act. p. 48. 


—— 


Sie entdeckt ihre. Liebe gegen den Thimant, jo ungetreu diefer auch 


10 


20 


25 


320 Iheatralifcher Pachlaß. 





Se. II. — 
Die Vorigen und ein Bedienker mit einem Briefe. © 
- Siehe die Tte Scene de3 I Act. p. 50. 


Sc. IV. 
5 Phyllander. B. Eriffel. Fr. Triffel. 
Siehe die Ste Scene des III Acts. p. 50, 


8— Er 

Berr Triffel. Chimant. * 

Thimant iſt hitzig, weil er von Liſetten erfahren, daß ı 
10 ſchlagen wolle. Er wirft dem Triffel das niederträchtige kriechende 
zeigen gegen feine Frau auf das bitterjte vor, und jagt es gerade I x 
daß er das ganze Haus bejhimpfen wolle, wenn er jeine Abſich 
erreiche. 







4 


— 
— ——— 
> 


Sc. VI. 
15 Flora zu den Borigen. 
| Auch gegen das Frauenzimmer bezeugt er fich noch fehr aufget 
Flora aber giebt ihm verjchiedne anzügliche Reden, wegen jeiner v ver {a 
Liebjte, die ihn vollends erbittern. Er gejteht es, daß ihn ein $ orb- 
der Flora bey weiten nicht ſo ärgern würde, wenn er nicht de * h 
20 jeiner erjten Geliebten zu Schanden würde. Flora geht ab. 


— a 


Sc. VI. 
Triffel und Thimant. 
Nach einigen Bitterkeiten gehen ſie gleichfalls auseinander." 


f N 
" — 


Be‘; Actus quartus. 
25 | Se. pr. 


Phyllander und Fr. Criffel. an 
Siehe die zweyte Scene de3 4ten Acts. p. 59. 
‚Se. I. Be" 
= Phyllander. Fr. Triffel. Bere Triffel. J 
30 Herr Triffel kömmt, ſich bey ſeiner Frau über das grobe 


des Thimants zu beſchweren. Siehe die Zte Scene des Aten Ac 8. 


N 








Der aufe Bla. ‚321 


ie RE Se. I. 
——— Zu ihnen Chimank. 
Tymant kömmt, geht H. Triffel ab, um nicht neue Grob— 

| von ihm-zu hören, und nimt den Phyllander mit. Thimant bleibt 
der Fr. Triffel allein, der er ihre Wahrheit recht derb jagt worauf 5 


Ber. 
Se. IV. 


br | ——— Fr. Triffel. 

Sie iſt erzürnt gegen den Thimant, und will zur Stärkung den 

ef des Phyllanders noch einmal leſen und merkt, daß fie ihn ihrem 10 
" te gegeben hat. 















Se. V. 
Phyllander. Fr. Triffel. 
- Sie entdedt Phyllandern diejen Irrthum, und weil fie den H. Triffel, 
it dem Briefe in der Hand kommen jehen, jo gehn jie plöglich ab. Siehe 15 
e8. Scene de3 4 Acts p. 68. 


F | Se. VI. 
2 | Berr Triffel, der den Brief lieft. 
Siehe die neunte Scene de 4. Actö p. 68. 


Se. VII. 20 
er Zu ihm Fr. Triffel, 
Sie die X Scene ebendajelbit p. 69. 


Bu = 


Sc. VI. 
a. Phyllander. Berr Triffel. 
u Siehe die XI Scene dajelbit. p. 70. Der Mann geht ab die Frau 25 
verjöhnen. Phyllander einige Augenblide danach gleichfalls. 


Actus quintus. 
-Sc. pr. 
Fr. Triffel uno Berr Triffel. 
> wieder zu frieden, und entjchuldiget fich, fo able Ge: 30 


n von ih En zu haben. © bittet fte augtei zum Beweiſe, 
fe Schriften. II. | ” 


322 Theakraliſcher Badılah,. . 












daß fie ihm vergeben, um die Einwilligung zu der Verbi dung 
Tochter mit dem Valer. Sie ertheilt ſie, und er geht ab, wegen de 
ſtiftung bey — Advocaten alles in Ordnung zu — —* * 


ER 1 Be 2 — — 
5 Frau Triffel und Phyllander. 
Sie lachen über die Einfalt des Mannes, und vertieffen ih f 
daß fie Phylander umarmt, Indem 9. Triffel unverjehends wied 2.3, 
kömmt. — 
Sc. HI. 
10 Berr Criffel. Fr. Triffel. Phyllander. 
Siehe die Tte Scene im 4 Act. p. 67. 


Sc. IV. 
Zu ihnen Waler und Flora. _ 
&hre Verbindung wird beftätiget, und der Bater hat mit fi 
15 Tochter die Scene, die Sir Paul in der dritten Scene des 4 Act. p. 
mit der Cynthia hat. — 1 
Sc. V.. 

Su ignen Chimank und Lifeffe, 
Liſette will ihn nicht hereinlaßen. Er wirft ihr vor, um | 
20 Gejchenfe fie ihn durch eine eitle Hoffnung gebracht, und —— 2: 
Haufe ſehr bittre Wahrheiten jagt, und fich glücklich jchebt, — 
Fämilie nicht verwandt zu ſeyn, wo der Vater ein Narr, die Frau 
Buhlſchweſter und die Tochter ohne Zweifel nichts beßers ſey, beze ei 
ſeine Reue, Cynthien verlaßen zu haben. Phyllander — fi 
25 fennen, und das Stüd ſchließt. 








& Der Pater ein Affe, der Sohn ein Jeck. 323 












"Der Pater ein Ai der Sohn ein Jeck. 


J in fünf Aufzügen. 
J 
Der Baron von Modiſch ein Stutzer aus der alten Zeit. Zärtlich, affectirt, 
von ſeiner Perſon und ſeinem Geſchlechte eingenommen. So alt er iſt, ſo 
viel Sorgfalt wendet er noch auf ſeine Schönheit. Er würde um wie viel 5 
fein Glaß Champagner über jein Gejeßtes drinfen, aus Furcht, daß ihm 

ein Blätterchen in feinem Gefichte auffahren möchte. Jede Mine ift bey 
ihm nach der Tabulatur, und er nimt fich wohl in Acht jein Geficht durch 
das Lachen nicht zu verzerren. Er lacht nie, als über feine eignen Ein— 
fälle, oder über die Einfälle eines Frauenzimmers. (Siehe den Charakter 10 
des Lord Froth im Double-Dealer und bejonders die vierte und fünfte 
Scene des eriten Act.) 

T junge Baron von Modiſch. Ein junger Wildfang nach der neuften Mode. 
Frech, flatterhaft, zu allen Ausichweiffungen geneigt, und dabey voll von 
einer närriichen Meinung von fich jelbit, von feiner Schönheit, feinem Witze, 15. 
und feiner Lebensart. 


B ron! von Modiſch. Ein Stutzer aus der alten Zeitz zärtlich, affectirt ꝛc. 
junge Baron von Modiſch. Deßen Sohn ein Stuger nad der neuften 
Mode; flatterhaft, frech 2c. 

von Gutherz. Ein alter Freund des Barons, welchem er jchon feit langer 20 
Zeit veriprochen hatte, ihre Kinder mit einander zu verbinden. 

ulein Melilla, deßen Tochter. 

ran. Liebhaber der Melifia; ein rechtichaffener Mann 2c. 

eintich, Henri. Bedienter des jungen Baron. 

Tifette, Mädchen der Meliſſa. 25 


Actus I, 


Se: I. 


Porant und Liſekke. 
| Cam früh. Der junge Baron ift des Abends vorher angefommen. 
Do imant will verzweifeln, und ſchähmt fich felbft, von der Liebe jo weit 30 
% ht zu ſeyn. Er zeigt ihr den Brief der Meliffa, den fie ihm de3 
3 vorher. gejchrieben, und worinn fie über feine ernjthafte Gemüths— 
—— Liſette entſchuldiget Meliſſen. Sie müße ihrem Vater ge— 


x beginnt ein neues Blatt, auf welchem Leifing das vorher Gefagte zunächſt furz wiederholt.) 





324 | | Theakraliſcher Bachlap. . 























borchen, obgleich diefer der gutherzigite Mann von der Welt ſey. Sie h : 
fich nicht weigern können, den jungen Baron wenigitens erſt zur jet v2 
fie ihm ausfchlüge. Sie erzehlt ihm die lächerliche Ankunft des jun ng 
Barons, und feine erſten Complimente. Der Charakter des Vaters w 
5 eingejchoben. Noch fünne jie nicht jagen, ob Meliſſa mit dem Sohne zı 
den jey. Wenigitens ſey fie jehr früh und verdrüfjlich — 
kleide ſich bereits an. Sie höre ſie kommen. Dorant begiebt ut: 


Sc. II. 
Melilla. Tifefte. J 
10 Liſette wundert ſich daß Meliſſa mit ihrem Anputze bereits f 
jey. Sie habe eben fommen und fie anfleiden wollen. Sie find zu fing 
geffeidet für heute, gnädiges Fräulein. Haben Sie e3 vergeßen, was € | 
für eine Eroberung an diefem Tage zu machen haben. Oder glauben € i 
fie Schon geftern Abends gemacht zu Haben? — Melifja will in den Garkı 
15 gehen, den jchönen Morgen zu genießen. Und Ihren Gedanken nad) ; 
hängen? — — Was für Gedanfen? — Wenn ein Frauenzimmer feine‘ u 
ihrer Vermählung haben will, fo weis ich nicht, wenn fie welche habe 
joll. Lijette will fie wegen des Barons ausforjchen, aber Melifja bleit 
unergründlich. 2 
20 Sc. II. 
Per junge Baron, Melilla, Tifefte. ne 
Der Baron kömmt auf Meliffen zugefprungen: jo früh hönf 
Fräulein — — Sobald er ihr aber in das Geficht fehen kann, und 
ernithafte Mine gewahr wird, fpringt er zurüd. Er glaubt, fie neh 
25 es übel, dab er fie zu einer Zeit überrafche, da fie an ihre hönt 
vor. dem Nachttiiche noch nicht die letzte Hand geleget. Er bittet tauj 
mal um Bergebimg, und verfichert fie, deswegen feinen nachtheiligen € 
drud zu befürchten. Sie geht verdrüßlich ab. — 
Sc. IV. 
30 Der junge Baron. Tileffe, 


Er will auf einen ziemlich freien Fuß mit ihr converſire — 
deutſche Frauenzimmer von Stande ſey noch viel zu gezwungen, u in 
Galanthomme könne kaum bey einem Kammermädchen A son aise 


: 
2; 








es Tugend. ee 














B "Die a | aufgebrachte Tugenn. 
! Perlonen. 


— 2 .. Der Graf. 
N Die Gräfin. 
————— | Der Baron. - — 
N 3 3 Pie Baronelfe. 
—— Fräulein Mmalia. 
Tionel. 


I. Aufzug. 1. Auftritt, 
F Pie Gräfin und Amalia. 10 
F Siehe die erſte Scene p. 1. 


2, Auftritt. 
Er Amalia. 


pr sr iſt um ihren Lionel beſorgt, daß er der gedoppelten Verſuchung 
lie gen möge; und über feine Untreue unwillig. Re. 


J 3, Auftritt. 
J Amalia. Tionell. 


Sie giebt ihm mit wenig Worten ihren Unwillen zu erfennen. Er 
, als fie ihn allein läßt, die Betrachtung, daß diefe veritellte Liebe, 
t finer wahren Leidenſchaft Eintrag thun könne. 20 


4. Aufteifk. 
rxionel. Der Graf. 


er 5. Der Graf verjpricht ihm, wenn er feine Verſtellung 
glücklich unterhalten kann, ſein Glück zu machen; ſowohl in 


einer raung als mit Amalien. 25 


5. Auftriff. 
Der Graf attein. 
e gute Betrachtungen über feine Untreue, welden 


% ya t nachhängen will, um von jeinem enttworfenen 
| er abzufommen. - — 


SR 
RN 
— 


326 Iheafralifcher Vachlaß. 





I. warn 4 . Aufiritt — 


Der Graf und die Baroneſſe. N 
Siehe p. 11. ; - 
| 2. Auftritt. 
b.. Per Graf, die Baconelle un der Baron. 
Siehe p. 13. 
3. Auftrifk. 


Der Graf allein. — 

Der Graf ärgert ſich über die Anempfindlichteit des Ba Ins, 
10 das halbe Vergnügen feheint ihm weg zu fallen, weil diejer nicht et 
FR iſt. 







4. Rufkrikk. 
Die Gräfin. Der Graf. ! 
Sie macht ihm hundert unfchuldige Schmeicheleyen ; aber tie i 
15 lältig muß einem eine Gemahlin jeyn, wenn man eine Liebſte im $ 
hat. Lionel kömmt dazu. Komm Lionel, jagt der Öraf, meine F " 
heute gejellichaftlicher al3 jemals ; vertritt meine Stelle, ich habe © 


$ 5 Auftritt, 
Die Gräfin. Tionel. 


20 Siehe die erſte Scene des 2ten Acts p. 15. 


IH. Aufzug. 1. Aufteitt. 

Die Gräfin un Die Baronele. 

Siehe p. 16. 
2, Auftritt. 

25 Die Gräfin, die Baronelle, uns Tionel. 
Siehe p. 17. Die Gräfin begiebt fich weg, aber i in dem 2 0 
fie zu behorchen. r = r 
3. Auftriff. | — 
Die Barvneſſe und Lionel. F & 

30 Siehe p. 26. Und indem er vor ihr — kömmt der € 


* 


Die aufgebrachte Tugend. 327 





4, Aufteitt. x * 
Die Baroneſſe. Tionel. Der Graf. 


5. Auftritt. 
Lionel und der Graf. 5 


a p. 27. Bey welcher Scene es die Gräfin in dem Cabinete erfährt, 
daß der Graf ſelbſt den Lionel aufmuntert, feine Frau zu lieben. 


6. Aufteitt. 
| Die Gräfin allein. 
In vollem Zorne. Siehe p. 28. 10 







IV. Aufzug. 1. Aufteift. 
Die Gräfin und Hmalia. 

Die Gräfin ijt feit entichloßen, der Liebe des Lionel Gehör zu 
geben. Sie hat deswegen jchon einen Brief an ihn- gejchrieben, den fie 
ihm nur noch auf eine gute Art in die Hände zu fpielen fucht. Amalia 15 
verjtellt jih, und will die Bejorgung über fich nehmen. Die Gräfin 
geht ab. 
J 2. Rufkrikk. 


Amalia. 
Sie fieht, daß fie die Tugend fo vieler Berfonen gleichfam in ihren 20 
Ö inden bat, und ijt feſt entſchloßen, fie alle, zu ihrem Beſten, zu hinter- 
gehn. Sie würde jtolz darauf jeyn, wenn fie nicht ihre Liebe. am meisten 
azu antriebe. 
| 3. Auftritt. 
Amalia. Tionel. 25 
Sie spielt die enferfüchtige mit- ihm; indem er eben von der Baro- 
einen Brief befümmt. Sie reißt ihn dem Bedienten aus der Hand; 
ei ihn ‚ein, weil fie vorgiebt, fie wiße gewiß, er ſey von einer 
Er will e8 nicht zugeben, und fie giebt ihm endlich den 
ef der Gräfin anftatt jenem, und geht mit verjtellter Verbittrung ab, 30 


—* er ſeine Beſtellungen allein leſen könne. 


2 Theskvalifcher Badhlafı : - 





74 Muffe 
| Tionel, ! | 
lieſt den Brief p. 30. und macht feine Anmerkungen darüber. 









fieht daß er fich zu weit mit der Gräfin eingelaßen, um das Rı 
5 nicht anzunehmen; es wäre ihm aber lieber, wenn ihm bie 9 — 
eins gegeben hätte. = Br 





"Die Großmükhigen. : 


Der Graf von Carlſtadk. — 
Andreas Dürer. = 
30 Coeleſtine. 
ein Colonna. 


T. Aufzug. 
Se... 


Eoeleftine an dem Rahmen, und wächjelt ihre Arbeit mit Ref 
15 Sie hört eine Caroffe fommen, und tritt ans Fenſter. Was? vor a 
Hauſe tritt der vornehme Herr aus? Was für ein ehrwürdiger Ma 
Huſch mit den Büchern weg. Die Mannsleute lachen uns do nı 
wenn wir armen Mädchens ihnen zu Sant gern ein wenig eig 
möchten. Re 3 | 
20 —— Se. IE 
Ein Bedienter meldet den Grafen an, welcher ihm fogfeid 
folgt. Er wolle den H. Andreas Dürer ſprechen. Sie will, wie | I 
ihren Vater fogleich ſuchen. Sie läßt ihn allein. A 


25 Der Graf allein. Er bewundert Coeleſtinens ee tel te 
keit. Was für ein ſanft reizendes Auge! Welche holdſelige Beſch 
Ach, wenn ſie es ſelbſt wäre, die ich ſuchte! 2 fie ı annte 


Dir Grohmüthigen. | | 329 























. Meine Tochter ſoll — bey H. Dürer ſeyn; er fol. mir nur 
von ihr zu geben wißen. Wer weis wo fie it? Wer weis zu 
1 Böbel fie ihr Unglück verfchlagen hat. Sch juchte fie mit dem 
Heften Verlangen und zittre fie anzutreffen. Wie Leicht, wie leicht 
u fe mir unwürdig geworden ſeyn! daß ich fie für meine Tochter nicht 
t fan; und daß ich ihr nichts als ihre Niedrigkeit durch Fleine 
Wohlthaten erträglich machen fan. Er jieht den Rahmen und bewun— 
ra Arbeit. Er findet das Bud und legt Geld hinein. 


fo}! 


Sc. IV. 

5 Andreas Dürer und der Graf. 10 
“ * Dieſer ſagt jenem, er habe gehört, daß er ihm von einem jungen 
rauenzimmer Nachricht geben könne, welches in — — in Penſion geweſen, 
ve er ehemals ſolle gewohnt haben. Der Alte ſagt ihm, daß er dieſes kenne. 
Er fragt aber vorher: warum ex ſich danach erkundige? Der Graf thut 
er hiedene verfängliche Fragen, und verlangt endlich, da er hört, daß es 15 

oeleftine gewejen, daß er fie ihm jolle abfolgen laßen. Dürer wird dar- 
ber verdrüßlich, und glaubt daß fie der Graf zu einer Maitrefje ausgefehen 
jabe, und verläßt ihn. Der Graf muß ſich alfo auch wieder wegbegeben. 


= 


Zweyker Aufzug. 

Se. I. 20 
Dürer. Colonna. Coeleſtine. 
Dürer giebt beyden von dem Anliegen des fremden H. Nachricht. 


f er Se. I. 

Ei Be Colonna. Corleffine. 

& Ben ein verlichtes Geſpräch. Wie Eolonna das Geld aber in 25 
Suche u wird er euferfüchtig und raſend. 


E- J Sc II. 
; er Graf kommt dazu. 
zeleſtine fährt auf ihn Los; ſchmäht auf jeine Gefchenfe und Co- 


nun ma Let fh af fe heftige Art darein. Er entdedt dadurch, daß jeine 30 
chter ebſter F und geht voller Betrübniß und Verdruß. 








330 Theatraliſcher Bahlaf. Bi; 


x 


"Der Porfjunker, 


B. von Wahn. Der Dorfjunfer; arm und stoß. 
Frl. Angelira. Seine ältejte Tochter, die er aus der Penfion — 
ſie mit einem andern groben Bauernedelmanne, der ſein Nach 
5 vermählen. Dieſer heißt: 
B. von Garloh. 













"Mudwig und Auvora.] 


Die Bühne iſt in Salamanca. 


Erſter Aufzug. 

10 Das WirtHshaus der Bernarda. = 
Aurora langt in Salamanca an und fehrt in dem Haufe © 
Bernarda ein, wo man den Don Ludemwig erwartet. Sie erfähr 
der Bernarda, einer unbeſchreiblichen Schwägerin, daß Don — 
eine Liebſte hat, wer * iſt, wo ſie lebt, und ihre Untreu mit dem E 
15 Gabriel. — 
Aurora findet für nöthig den Gil Blas zu ihrem Ve auter 
machen, damit ſie ihn als Spion gegen Don Ludewig brauchen | 
Nachdem fie ihm alſo gejagt, fie habe ihm etwas im Vertrauen m 
theilen, fängt fie an fich über die weibliche Schwachheit, Be 
20 billigen Tadel jo jehr ausgeſetzt jen, bey ihm zu beflagen. Sie lobt 
Verſtand, und drückt ſich ſo zweydeutig aus, daß Gil Blas ind 
nung beſtärkt wird, welche ihm ſchon in Madrid verfiel 
fälligfeiten und verfängliche Ausdrücde feiner Frau beygebrach 
daß fie nemlich in ihn verliebt fey, und ihm ohne Zweifel eine | 
25 erflärung thun wolle. — — Er befennt alſo ſeine Unwürdigkei— 18 
merkt, daß die Liebe alles gleich mache — — fniet vor ihr nieder ı 


 Maflanielo. | 391 
ie, ihr Herz auszufchütten. — Aurora welche ihre Neigung 

n Don Ludewig nur ganz von weiten zu verjtehen gegeben hatte, 
eckt er zuletzt mit ausdrüclichen Worten, zur unbejchreiblichen Be- 

1 des Gil Blas, welcher vor kurzen die Liebe feiner Frau gemuth- 

t, 9 geputzt und parfumirt, und der Laura ſehr verächtlich be 5 
t hatte. Endlich erholt er ſich von ſeiner Beſtürzung, und nachdem 

r tr zu jeyn verjprochen hat, jagt ihm Aurora, daß fie in der Stadt 
och, eine andre Wohnung gemiethet habe, wo fie den Don Ludewig 

( ee, von der Laura unter der Kleidung eines Pagen, bedient 

b en wolle, hier aber in dem Hauſe der Bernarda, wolle ſie als Don 10 
elir, ihr Bruder Freundſchaft mit ihm zu machen ſuchen. 


ER 























Zweyker Aufzug. 


Nachdem Don Ludewig angefommen, und Aurora als Don 
tin ſich bey ihm melden laßen, jpeifen fie mit einander. Bey dem 
iſe Wein, giebt fie ihm zu verjtehen, fie wiße, daß er eine Beliebte 15 
abe; fie nennt fie ihm, und giebt vor, daß 





lı e dem ee des Nachlaſſes nicht erhalten. Vgl. Leſſings Brief an ſeinen Bruder Karl 
und in dem Aufjas über die Trauerjpiele des Seneca (in der „TIheatralifchen 
— DEREN dieſer Ausgabe) die legten Abjchnitte über den — Hercules“.J 


10 


15 


=; 


30 


Man jehe die XII Komödie des Goldoni im ten Theile, *) — — 


— 


Theatraliſcher Rachlah. 





ie 






“Die Clauſel im ı Ceftamente. ” 


RAraspe. Gin reicher Banguier. 
Ieliv, jein Sohn. ‘ | HE 
Camilla, feine: Tochter und Frau des ; — 
Philiberk. 
Juliane. Tochter des verſtorbenen Pancraz, Conſorten des Ara 
Panurg. Stiefbruder des verjtorbenen PBancraz. 
Joachim. Sohn des Panurgs. 


Liſekte. — 1 
Pasquin. Bedienter des Panurgs, und ehemaliger Bedienter — 
Ein Bofarius. Bi: 


ı\ 


Actus primus. 
en 
Lileffe. Pasguin. 
86: 28 
Nuraspe. Panurg um Ipachim. 
Sie zanfen über das’ eröfnete Teftament. = 
Sc. 3. 
Araspe Ieliv. 
Siehe beym Goldoni die 2te Scene im 1. Act. 
86.4. 


| Lelio. 
Siehe die dritte Scene im 1. Act. 


— 
| Pasquin. Leliv. 
Siehe die 4te Scene im J. Act. 


*) nehmlich nach der 4ten Venetianiſchen —— deren Tittel J 


del Dottore Carlo Goldoni Avvocato Veneto fra gli Arcadi Pol 
Quarta Edizione. Venezia 1753 per Giuseppe Bettinelli. an 


* 


— 


die 17 Seene im erſten Act. 



















cs secundus. 


Se. pr. 
Auliane. Tifetfe. 


zuliar hat 7 Lelio geiprochen, welchen ihr der Vater zu — 
Siehe di XI, XII und XVI Scene im erſten Act. 


Se. II. 
Auliane. Philibert. 


Sc. HI. 
Iuliane. Philiberf. Camilla. 


die 18 Scene im eriten Act. 


Sc. IV. 
Philiberf. Qamilla. 


‚Siehe die 19 Scene im erften Act. 










Sc. V. 
Camilla und hernach Araspe. 


die 20 Scene im erſten Act. 


Se. VI. 


= tertius. 
Se. pr. 
— Auliane. 
scene des 2ten Acts. 


ne im zweyten Act. 


10 


15 


334 0 Tpeakraliliher Bachlat. 





Sc. IH. 
Rraspe. 
Siehe die 3te Scene im zweyten Act. 


408, EV; 
| Araspe. Teliv. 
Siehe die 4te Scene im zweyten Act. 


or 


Sc. V, 
Araspe und hernach Qamilla. * 
Camilla iſt noch immer eyferſüchtig, und will Bent 
‚10 Araspe Ipricht fie zufrieden, und geht ab. 





Se. VI. —* 4 
Camilla und hernach der dumme Joachim. — 

Joachim macht ihr tauſend Schmeicheleyen, um ſie = feine 
zu ziehen. | = 
15 Sc. VI. : 
Philiberk und die Borigen. B. 
Philibert ertappt den Joachim über den Scmeichefepen, u non 
fie auf der ſchlimmen Seite. Er jagt ihn fort, und jpielt den e 
tigen mit feiner Fran, umd will ihr deswegen die Schlüßel zu i 
20 Deugneibe und — verſchließen. Siehe die 19 Scene im seh ten 


Actus — 
Se. pr. 
Camilla. 
Sie beflagt ſich, daß ihr Philibert — allen Putz ve 


25 Se. II. 
| Camilla. Philibert. 
Siehe die jechite Scene im dritten Acte. 
Se! ILE 
Philibert. 
30 Siehe die legte alte, in der 6ten Scene * dritten 9 

































‚Se. IV. 


Pasquin un Philibert. 

— J den Pasquin wieder in ihrem Hauſe zu wißen. 
bezeigt ſeinen Verdruß wider den Panurg, aus deßen 
er * ſehne. Philibert geht ab, und Pasquin macht nd auf 5 
9 gefaßt, zu dent ihn Araspe braudt. 


—* | * Se. V. 
— —— Pasquin. Panurg. 
Eich die Ite Scene des dritten Acts. 
I R Se. VI. | 10 
— * Panurg. 


Siehe die letzte Rede in der 9 Scene des dritten Acts. 


3 * | Actus quintus. 
4 Se. pr. 
Araspe und Panurg. 15 
F Bann int bereit3 alles zum Vergleiche richtig gemacht. 
a | Sc. I. 
—— Araspe. Panurg. Joachim. 
Joachim will die Juliane durchaus, und will ſich nicht mit den 
auſend Thalern Abſtand begnügen. 20 


Sec. II. | 


Ieliv. Juliane und die Porigen. 


Se. IV. 
* Der Nolarius un die Borigen. 
< e bie — Scene im 3ten Act. | 25 


—— enter ge, V. 


— 


* 


— Sc. VL 
Auliane. Teliv. Mraspe. Panurg. | — 


10 


15 


bringen. (will jie umarmen.) 


| liegt der Tert im Theatralifihen Nachlaß 1784 zu er. 2 


336 Iheatralifiher Barhlah. 





Se. VI. 
Pie Borigen. Pasquin. Lifefte, 
Siehe die zweyte 14 Scene im 3ten Act. p. 334. 
mit Schimpf und Verdruß ab, nachdem fich Pasquin bey ihm be 


bi j, 
#7 — 








F — 


“Die glückliche Exbin 
Ein Luſtſpiel in fünf Aufzügen — 
Nach l’Erede fortunata des Goldoni.! BR. 


Perlonen. —— 
FR, Ein reicher Banguier. 
Irliv. Sein Sohn. 
Camilla. Seine Tochter und Frau des 
Philiberk. 
Juliane. Tochter des verſtorbenen Pancraz, Conſorten des Araspe. 
Panurg. Bruder des verjtorbenen PBancraz. 
Joachim. Ein junger Anverwandte >. Panurgs. 
Liſette. 
Pasquin. Bedienter des Panurgs, ehemaliger Bedienter des 
Ein Bofariuz. 


Erſter Aufzu d. 


- | Erſter Auffeiff. 
Pasquin. Tifeffe. 


Pasquin. Das Frühſtück war verzehrt! Der Magen it w 
Und nun, Lijette, laß uns auch der Liebe das ſcuwi M 





1 [Bon diefem Stüde wurden (iwie es jcheint, unter dem Titel Das Teftam ent) ei 
gedrudt, die der Verleger Reich, als die Fortfegung ausblieb, vernichtete. Den erften, 
Worte im vierten Auftritt des erjten Aufzuges „Du ſollſt, jo bald du willſt, dein e 
(S. 344, 3. 28) fand. Karl ©. Leffing unter jeines Bruderd Papieren (vgl. Nicolai ir 
kungen zu Moſes Mendelſohns Briefwechjel mit Leffing, zu S. 24; Karl ©. Leif 

liihen Nachlaß Bd. I, S. XLI und zum zweiten Teile der vermifchten Schriften, | 
den Breslauer Papieren ift nur ein nicht zu Ende gejchriebenes Blatt.“ Zu) Be 


* 





Pie glürkliche Erbin. 337 








Lifeffe. Herr Basquin — (indem fie ihn zurüdftößt.) 


Pasquin. Mademoifell! — Sey feine Närrin. Sind wir nicht 


| allein? Das ganze Haus ift in dem großen Zimmer auf einen Klump 


verfammelt, und niemand wird ung ftören. Sie eröfnen das Tejtament. 
Das Teftament, Lifette! Woran denkt man zugleih, wenn man an ein 
Teſtament denft? An den Tod. Und wenn man an den Tod dent, 


woran denkt man da zugleich? An die Liebe. Ja wahrhaftig an die Liebe. 


Wäre die Liebe nicht, jo wäre dem Tode längit das Handwerk gelegt; 
die Welt wäre ausgejtorben, und der Tod jelbjt hätte müfjen den Weg 


2 Zuwachs für den Tod, erlaube, meine liebe Lifette, daß ich dich nad) 
Jahr und Tag wieder einmal umarme. 


Tileffe. (ie ihn abermals zueücitößt.) Man follte ſchwören, dev Mosjeu 


kenne mich jehr genau. 


Pasquin. Es ſchwöre wer Luſt hat! Wenn er einen faljhen Eid 


K thut, jo nehm ichs auf mich — Aber fieh doch: Mosjeu? Und erit, 


Herr? GSteigt das, oder fällt das? — Jungfer Lijette, Sie wird mid) 
böfe machen. Du jollit mich weder Mosjeu noch Herr nennen; du jollit 


mich deinen lieben Pasquin nennen. Hörjt du Lijette? 


iſelte. Bey jedem Worte, das ich höre, ift mir, als ob ich vom 
Himmel fiele. Ey, mein lieber Pasquin? Und gejtern habe ich Ihn in 


meinem Leben das erjtemal gejehn. Denn ich will doch nicht hoffen, daß 
Er ein gewifjer Basquin ift, der vor langen langen Zeiten einmal bey 
dem verjtorbnen Heren Pancraz in Dienften war? Wenn Er das wäre, 
gewiß, ich frazte Ihm die Augen aus. 


Pasquin. Gey Seite) Was mach ich nun? Soll ich3 jeyn, oder foll 


ichs micht feyn? 


Tifeffe. Gey Seite) Ich will ihn doch wenigſtens ein Bißchen zappeln 


laßen. — Der Schurke von einem Pasquin. — 


| 


Pasquin. Gemach! 


0 Kifeffe. Der Galgenſtrick — 


Pasgquin. Behüte! 
Lifefte. Ja wag Er es einmal, und nehm Er ich feiner an. 
Pasquin. Nein, gewiß das wag ich nicht. Meine Augen jind mir 


zu lieb. Aber jo viel muß ich jagen: die Pasquine find, jo lange die 


Welt jteht, ehrliche brave Leute gewejen. Selbit die Poeten wijjen davon 
Leſſing, ſämtliche Schriften. III. 22 


alles: Fleifches wandern. Dem Teftamente alfo zu Folge, und auf jungen 10 


15 


30 


338 | Iheafralifcher Barhlaf. 




























zu erzehlen. Man fchlage die Komödien nah! Was für anfebniche A 
laſſen fie ung nicht darinn fpielen! Wir find allezeit treu, verj Mi 
hurtig, und die allerergebenjten Liebhaber der Lifetten. Würden ı 
aber wohl dieje ftrengen Beobachter der Wahrheit, die — — 
5 Dichter! würden fie uns wohl in ihren unjterblichen Werfen, ve 
freplich in diefer Beitlichfeit oft ausgepfiffen werden, — würden 4 
wohl, jag ich, jo vortheilhaft fchildern, wenn fie ung im ge Lebe 
nicht jo gefunden hätten? Dahingegen haben die Lifetten bey ihnen € 
weit geringer Lob. Jung zwar und hübjch al fie diefe Thierd 
10 immer feyn. — a 
Liſette. Dieſe Thierchen, Herr Schlingel? 
Pasquin. Nicht jo wüthend, Jungfer; ſonſt muß ich fan d 
Thiere! — Störe Sie mich niht! — Jung und hübjch, jag ich, mahlen 
die Dichter die Lijetten zwar alle; auch dabey verſchmitzt, fi 
15 plauderhaft. Aber daß fie auch allezeit buhlerifch, unbejtändig und t 
(08 find, das — das hat den Teufel gejehen! (in einem affektirten tragife 
Zone) D Himmel! Furcht und Eiferfucht zerfleifchen mein gequältes Her 
Wo auch meine Lifette eine Lijette nach dem gemeinem Schlage iſt, w 
auch ſie ihren Prinz Pasquin vergeſſen, wo auch ſie ihrem flatterhaft 
20 Herzen den Ziegel ſchieſſen laſſen — — 
Liſetke. (verwundernd) Nu? J 
Pasquin. (mod tragiſch) Ich vergeh! Nur erſt der zwölfte Mond 
drohet zu verflieſſen, ſeit dem mich ein neidiſches Schickſal ihren Aug 
entriſſen. Erſt der zwölfte Monden, und ach ihr Götter! wie gleichg if 
25 hat fie mich aufgenommen. Die Graufame thut, als ob fie mi € 
nicht kenne. Warum thut fie jo, die Grauſame? Euch ihr verſchwie 
Wände, euch muß es noch bewußt jeyn, welche Zärtlichkeit uns e 
dem verband. Ach, diejes Andenken benimmt mir die Sprache m 
fann nicht mehr! Iſt kein Lehnſtuhl da, in welchen ich ie; 
30 fünnte? 
Tifeffe. Gey Seite) Der Spisbube, wo er mich exit — 
bringt, ſo iſt es um meine Verſtellung gethan. — 
Pasquin. (noch tragiſch) Man denke nur! Heyrathen wollte 
ſogar; heyrathen! Auf den nächiten Sonntag waren die Ceremon: — 
35 feſtgeſezt. Aber ach, was für ein Sonnabend ging vor dieſem Se nr 
vorher! Schredlicher Sonnabend! Mein Herr jagte mich zum Teuf : $ £ 





























Pie glückliche Erbin. | ' 339 





R ußte diefen Pallaſt verlaſſen; Knall und Fall mußte ich ihn verlafjen, 
f ‚ daß ich auch nicht einmal von meiner Braut Abjchied nehmen Fonnte. 
Mich ſchauert, wenn ich daran gedenfe! Der böje tyranniſche Pancraz! 
Daß er jezt in feinem Grabe ein ganzes Jahr eher verfaulen müßte. 
Ich floh auf das Land zu feinem Bruder, dem Heren Panurg, welcher 
mic in meinem Clende aufnahm. Doc wo flieht ein Elender hin, daß 

ı nicht fein Elend nachfolge? Gerechten Götter, ich fam aus dem 
Regen unter die Trauffe! Eben konnte ich e3 nicht länger aushalten, als 

i vir die Nachricht von dem Tode des Pancraz befamen. Freudige Nach— 
E icht! Freudig war fie für meinen Herrn; freudig für mid. Er beſchloß 
ſogleich fich anher zu begeben, umd ich, ic) beſchloß ihm zu folgen. Ihn 
trieb die Hofnung, fich, oder wenigjtens den Better Jochen, in dem 
‘ amente feines Bruders bedacht zu finden. Mich hingegen trieb ein 
weit edlerer Eigennuß; der Eigennug meiner Liebe; die Begierde, mic 
wieder in die Arme meiner zurücgelaffenen Braut zu werfen. Und nun, 
da ich hier bin, da ih — 
| Kileffe. Ha! — (Sie will in Lachen ausbrechen, um es aber noch zu verbergen, 
wendet fie das Gefiht vom Pasquin, und hält das Schnupftuch vor.) 
| Pasguin. War das ein Seufzer, Graujame? Daß er e3 gemwejen 
wäre! Aber warum wendejt du dein Geficht weg? — D wenn hinter 
dieſem ſchneeweißem Tuche ein weinendes Auge verborgen wäre, und deine 
imverdiente Strenge gegen mich endlich in Thränen zerflöße! — Sieh 
mich zu deinen Füſſen, du Tygerherz! (er fäut nieder) Du ſiehſt mich zum 
leztenmale, wo nicht ein gnädiger Blick — 

Ki Lileffe. (vie fi des’ Ladens nicht länger enthalten kann.) Hör auf, oder ich 
muß erſticken. Ha! he! Ha! he! 

Pasquin. (indem er wieder aufſteht,. OD pfuy! Man hörts doch gleich, 
daß die Lifetten feine tragifche Perſonen find. 

Ba Liſette. Höre, Pasquin; ich hätte wohl Urfache dich verzweifeln zu 
[ en. Doc deine Reue, und deine Verfihrung, daß du nur meinet- 
wegen mit hieher gefommen. bit — Was ift das für ein Lerm? Horch 
doch! Dein Herr, wie. er jchreyt! Ganz gewiß ift das Tejtament eröffnet, 
E und der Inhalt ift nicht nach feinem Kopfe gewejen. Komm hier weg, 
ich will dich anderwärts von der völligen Wiederangedepung meiner Gnade 
rſichern. (geben ab.) 


'J * 
J 
— * 


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30 


35 


340 | | Theakraliſcher Barhlak. 





Zweyter Aufteitt. 
Araspe. Panurg. Joachim. —— 
Panurg. (erhizt) Schon gut, ſchon gut. Es iſt noch eine Gere 
tigkeit in der Welt. Es iſt noch eine, ſag ich, es iſt noch eine, ob ı 
5 fie gleich ziemlich ſuchen muß. Und das iſt mein Glück, und das it 
dein Glück, Jochen! sr 
Jochen. (weinertih und dumm) Auch mein Glück! 
Panurg. Du armer Kochen! 
Avachim. Armer Jochen! J 
10 Panurg. Siehſt du, daß dein ſeliger Onkel ein Schurke war! 
Joachim. Ein Schurke war! 
Araspe. Aber, Herr Panurg — — — 
Panurg. Aber, Herr Araspe, reden Sie nicht, oder — Wa: IN 
gejagt habe, jage ich noch einmal. Mein Bruder hat als ein Narr ı 
15 lebt, und ift als ein Narr geftorben! Sie find ein Betrieger, ein & 
jarius, und der Notar, der das Tejtament gemacht hat, verdient d 
Öalgen. Da haben Sies! laſſen Sie Feder und Papier bringen, 
wills Shnen jchriftlich geben. e 
Araspe. Der Born ift eine Rajerey, und einem Rafenden — 
20 man alles zu ſagen vergönnen. J 
Panurg. Einem Raſenden? Was? Iſt es nicht genug, r 
mich, und diefen armen ungen, bejtohlen, beraubt, geplündert I 
Müſſen Sie mir noch Injurien jagen? Ich, ein Teen Son 9 
Du haſts gehört, Jochen, du haſts gehört! 
25 Ivarjim. Fa, Herr Better, ja, ich habs gehört, und ich w 
Sprüchelchen auch auf Lateiniſch: ira furor brevis est. 5 
Panurg. Ad ſchweig; du bift ein Schöpg! — Ich will as, 
ich gejagt habe, Stüd vor Stück beweifen. Pro primo, mein | 
hat als ein Narr gelebt. Er handelte mit Ihnen in Compagni 
30 hätte jein Commercium allein führen fünnen; er hielt Sie * 
Freund, und traute Ihnen in allen Stücken blindlings; er traute 3 
ſogar mehr, als ſeinen nächſten Blutsfreunden. Narrheit an? J 
Pro secundo, mein Bruder — oder damit ich den Nichtswürdigen 
mehr meinen Bruder nenne — PBancraz ist als ein Narr 
35 jage nicht, er ift im einer Narrheit gejtorben; das wäre zu wer 





















in einer Narrheit jtirbt mancher Euge Mann. Sondern ich jage: alles 
war Narrheit, was er vor feinem Tode und in Abficht auf feinen Tod 
- that. Er machte ein Teſtament, und hätte feines zu machen gebraudt. 
Das müſſen alle Menschen erkennen; nur die Juristen ausgenommen, die 
von ſolchen Narrheiten leben. Denn wozu ein Tejtament, da er eine 
- einzige leibliche Tochter hinterläßt, die nothwendig feine Erbin ſeyn muß? 
Wollen Sie jagen, wegen der Vormundſchaft? Vormund, von Gott und 
Rechts wegen, wäre ich gewejen, als der nächite Anverwandte. Und wäre 
\ ich Vormund geworden, jo hätte ich ſchon darauf jehen wollen, daß auch 
Better Jochen, dem er bey Lebzeiten immer viel verſprach, und wenig 
hielt, jein Glück dabey gemacht, hätte. Die Tochter hätte ihn müſſen 
heyrathen. 
; Joachim. Wird fie mich nun nicht heyrathen, Herr Vetter? Sie 
| muß mic heyrathen; fie muß. Denn wenn ich gewußt hätte, daß fie 
mich nicht heyrathen wollte, jo hätte ich mich fein mit Pachters Liejen 
nicht gezankt. 

: Panurg. Sey stille, Jochen! — Aber wenn er nun auch ein 
 Teftament mit aller Gewalt hätte machen wollen, muß er denn ein jo 
woahnwitziges machen? Ein jo unfinniges, als nimmermehr einer, der im 
€ Tollhauſe an der Kette jtirbt, hätte machen fünnen ? 

. Araspe. Ich wundre mich über meine Geduld, Sie anzuhören. 
x Sie wird gewiß ausreißen, wenn Sie Ihre unvernünftige Site — 
A Panurg. Meine Hite? Es wäre Ihr Unglüd, wenn ich erit hitig 


Pie glückliche Erbin. 341 


10 


15 


4 würde. Man kann nicht bey kälterm Blute ſeyn, als ich bin. Ich jage 


alles mit dem ruhigſten Gemüthe. Ja, ja! So närriſch ift im Tollhaufe 
| % feiner gejtorben, als mein Bruder geftorben ift. Man denke nur! Seine 
 Zohter joll feine Univerfalerbin nicht anders, al3 unter der Bedingung 
ſehn, daß fie den Herrn Araspe heyrathet. Und das ift der Herr Araspe! 
Der armſelige Ehekriepel hier, der ſchon ſelbſt erwachjene und verhey- 
3 tathete Kinder hat, der ehſter Tage Großvater werden wird, den fol 
ein friiches Mädchen von zwanzig Jahren heyrathen, wenn fie nicht will 
jo gut, als enterbt, feyn. 
| Araspe. Warten Sie doch nur, bis fie es thut. Wiſſen Sie denn 
ſchon Julianens Gefinnungen? Sie follten über diefe harte Laſt, die ihr 
ihr Vater aufgelegt hat, eher freudig als verdrüßlich jeyn. Denn mas 
lagt das Teftament weiter? „Im Fall aber meine Tochter einen andern 


25 


30 


35 


| 342 Theafralilcher Barhlaf. 

























„beyrathen wollte, will ich zu meinem Univerfalerben meinen & Puder J 
„den Herrn Panurg, und meinen Vetter Joachim erklärt haben, w 
„meiner Tochter von meiner ganzen Verlaſſenſchaft, nicht mehr als ‚ehr 
„taufend Thaler zur Ausſteuer abzugeben gehalten jeyn jollen.” - 9 

5 heißt es im Teſtamente! Sollte man num nicht vielmehr glauben, d 
Teſtator habe mir nur deswegen jeine Tochter zur Frau bejtimmt br 
mit er Ihnen auf eine gute Art fein ganzes Vermögen zuwenden könne‘ 
Ohne Zweifel, daß er den Ungehorjam feiner Tochter für ion vi 
gehalten hat. — 2; a 
10 Panurg. Ey, großen Dank! Sie wird nicht ungehorjan jeyn; id 
weiß gewiß, jie wird nicht. Denn heut zu Tage find Die Madchen be 
weiten nicht mehr jo delicat, als wir fie in den alten Romanen finder 
Ein alter Mann mit Gelde, und ein junger Mann ohne Geld, — ſind 
jetzt gar nicht mehr Dinge, unter welchen ihnen die Wahl ſchwer fi { 
15 Sie nehmen, wenn e3 jeyn muß, jenen ohne Bedenken, im feiten 2 
fage, ihn auch ohne Bedenken zum Hahnrey zu machen. Da haben € 
Ihr Prognojticon, Araspe! Schade, daß ich nicht das Werkzeug dazu io 
joll! Ha! ha! ha! — Aber ich bin wohl nicht Flug, daß ich darüber fa 
Das Glück wäre für Sie noch viel zu groß, wenn Sie von einem Mi 
20 chen, wie Juliana ift, zum Hahnrey gemacht würden. So weit muß ı 
nicht kommen! Es muß gewiß fo weit nicht fommen! Das Teftament an 
nicht anders als für null und nichtig erklärt werden; und zwar eben dei 
wegen, weil es fo unfinnig iſt; denn feine Unfinnigfeit ift ein Bewei 
daß der Teftator nicht bey Verſtande geweſen. Ein Menfch aber, f 
25 nicht bey Verſtande ift, kann nicht tejtiren. Wiljen Sie das noch ni ] 
Er kann nicht tejtiren. Und ex hoc capite will ich Hagen. r 
ſetzt — — 
Joachim. Posito sed non concesso, jagt der Rateiter. * 
Panurg. Halt dus Maul, wenn ich rede! — Aber geſetzt we | 
30 jehen, Araspe, ich rede mit vieler Ueberlegung — Geſetzt, jag ih, 
füme damit nicht fort, daß mein Bruder bey dem Teftiren feine 9 
ſtandes nicht mächtig geweſen; geſetzt, das Gegentheil würde erwieſe 
wie ſichs gehört: je nun, deſto ſchlimmer für Sie! Ein unfinniges Te 
ment iſt da; der Tejtator ift nicht unfinnig geweſen, er kann da; a fi a 

35 nige Fehzineni aljo auch nicht gemacht haben. Was folgt mu *— 

aus? Es muß untergeſchoben ſeyn. Und von wem muß es unterg — 


— 


a EEE Te = 





Pie glückliche Erbin. 343 








j 
ſeyn? Don dem, der den meijten Vortheil dabey haben würde; von 
Ihnen. 

J Araspe. Sie reden mit vieler Ueberlegung! 

= Panurg. Und zugleich mit Einficht. O ich bin durch die Schulen 

durch. Ich weiß e3 aus der Erfahrung, wie dergleichen Sachen laufen 5 

F können. Und wifien Sie, was ein Faljarius für Strafe zu erwarten hat? 
Sie werden ſich noch zu gratuliren haben, wenn Sie den Galgen ab— 
n können. Der Notarius aber, der ſich dazu hat brauchen laſſen, 
der muß dran glauben. Da iſt keine Gnade! Er muß hängen; und ich 


eh ihn, ich jehe ihn ſchon hängen. 10 
; Rraspe. (lügen) Der arme Mann! 
u: Panurg. Sie laden noh? Nun hab ich genug. An dem Rande 


ſeines Verderbeng zu lachen — 

Be Aoachim. Per risum multum — 

5 Panurg. Tum! Wo du noch einmal reden wirft, Junge — Hören 15 
Sie, Araspe, damit ich zeige, daß ich Menjchenliebe habe, und daß ich 

% einmal Ihr guter Freund gewejen bin; entjagen Sie ſich im guten aller 
1 Anſprüche auf die Verlaſſenſchaft meines Bruders. Wenn Sie das wollen, 
jo wollen wir den ganzen Plunder begraben; ich will nichts aufrühren, 
ſondern zufrieden jeyn, daß Juliane die einzige Erbin quasi ab intestato 20 
bleibe, nur mit der Bedingung, daß fie Vetter Jochen heyrathet. 

Ivarhim. Mich, Herr Araspe, mich! D ja, thun Sie es doc! 

Panurg. Erklären Sie ſich bald; wollen Sie, oder wollen Sie nicht? 
| Araspe. Aber was kann das werden? Der arme Notar hängt ja 
doch einmal am Galgen. | 25 

Ppanurg. Sie fpotten, glaub ich, gar? 

Joachim. Here Araspe, ich bitte, ich bitte — 

Panurg. Du bittejt, Schurfe? Und er jollte ung bitten, daß wir jeine 
Streiche nur noch vertuſchen möchten? Eſel von einem Jungen! Willſt du 
denn nie klug werden? Ich rüffle doch an dir, und rüffle — Komm fort! 30 
Wiſſen Sie, Herr Bräutigam, Herr Erbe, auch Herr Vormund zugleich, 
wo id nun ſpornſtreichs hingehe? Zum Advocaten! Zum Advocaten! 

— Rraspe So werde ich wohl immer das Geld, mich vom Galgen 
103 zu fauffen, bereit halten müfjen? 
Panurg. Sa; Herr Bräutigam, Herr Erbe, Herr Vormund zu 35 
gleich — Wirft du dich drollen, Junge? (Geht ab, indem er Jochen voranftößt.) 






Br a 


EN 


* — 


— 


344 Theakraliſcher Vachlaß. 





Dritter Auftritt, 

Araspe. 
Es iſt mir lieb, daß ich mich bey den Grobheiten biefes 9 M 
noch jo habe mäßigen fünnen. — Es muß ihn freplic — — u 
5 das Teſtament wird mehrern wunderbar vorkommen, die die Denkungs— 
art meines Freundes nicht gekannt haben. Für ſeinen guten una, 
für den Credit unfrer gemeinfchaftlihen Handlung, war er alles aufzu— 
opfern fähig. Er wußte der Trennung unfrer Güter, die er für c * 
ich anſahe, auf feine andre Weiſe vorzubauen, al3 wenn er — 























10 Vierker Rufkrikt. 


Axaspe. Teliv (in tiefen Gedanken.) 


Araspe. Gieh da, mein Sohn! — Was jagit du, Lelio, zu 

Glücke deines Vaters? Der rechtichaffene Bancraz! Es würde mit ı 
und alfo auch mit dir, nicht zum beiten ausgejehen haben, wenn im | 
15 mit Sulianen hätte abfinden müfjen. Es ift nicht alles Gold, was glä j t 
Wir haben einen großen Credit, wir haben große Kapitale; aber wi 
haben auch große Schulden! Wie gut ift e8, daß nunmehr alles in feine 
Ordnung bleibt, und unjre Handlung, unter ihrem alten Namen, m 
gleichem Nachdrude fortgeführet werden kann! — Aber was ift das 
20 Warım jprichjt du nicht? — Du fiehjt gen Himmel? Du je zeit 
Gönneſt du mir mein Glück nicht? Oder befürchteſt du, ich möchte im eime 
neuen Ehe weniger auf deine Verforgung bedacht jeyn? Fürchte — 
mein Sohn. Du weißt, wie ſehr ich dich liebe; ich denke weniger a 
mich jelbit, als an dich, und wenn ich zu einer zweyten Verbindi 
25 jchreite, jo thu ich es, weil ich muß, und mehr um deine Umftände 3 
verbefjern, als etwa einer mir nunmehr unanftändigen Neigung zu i wi 
fahren. Suche dir ein Frauenzimmer, das dir gefällt; hier haſt du mein 
Einwilligung im Voraus. Du ſollſt, ſo bald du willſt, dein eigner He 
ſeyn. Mein Eidam, das Stutzerchen, ſoll mir aus dem Hauſe, ſam 
30 meiner närriſchen eiferſüchtigen Tochter. Iſt dir auch deine Stiefm ti 
Juliane läſtig, jo will ich mich mit ihr aufs Land begeben, und ) 
allein hier lafjen. Was willft du mehr? Kann dein Vater mehr für di 
thun? Drum ſey auch wieder heiter und fröhlich, mein Sohn. Erwied 
die Liebe deines Vaters mit Liebe. Mein Blut wollte ich für dich vergüi Be 








Die glückliche Erbin. | 345 





Teliv. Liebiter Vater, Sie lieben mich mehr, al3 ich verdiene, über— 
häufen mich mit Wohlthaten über Wohlthaten. Ich erkenne es mit kind— 
lichſtem Dank. Befehlen Sie über mich ganz: aber ein innerlicher Kummer 
drückt mich nieder, und ich kann nicht jo heiter jeyn als Sie verlangen. 

i Araspe. Woher fommt das aber? Du bijt ja nicht melandholifchen 
- Temperament3 ; bift ja jonjt vergnügt und Yuftig gewejen. Wie du immer 
ſpaßteſt und mich aufheiterteit! Und nun auf einmal ein ganz anderer 
% Menich ! 
eeliv. (vor fih) Ich muß ſchon einen Vorwand erfinnen, um ihn zu 
beruhigen. Ich will es Ihnen jagen, Tiebjter Vater, der Tod des alten 10 
Panecraz geht mir nahe, will mir gar nicht aus dem Sinn, bringt mic) 
auf die Betrachtung des kurzen menfchlichen Lebens, der Nothwendigkeit 
u jterben, und der Ungewißheit unſers Endes. 
h Araspe. Lieber Sohn, was zu viel ift, iſt zu viel und ijt vom 
Uebel. An den Tod denken iſt gut. Aber jo an den Tod denken iſt nicht 15 
. gut, Wer joviel Furcht vor dem Tod hat, beweijet, daß er das Leben 
zu jehr liebt. Beſtrebe dich gut zu Leben, wenn du gut fterben willft. 
Weg mit der Melancholie! thu deine Schuldigfeit und mache dir erlaubtes 
BBergnügen. Folge deinem Bater und nicht deiner Leidenjchaft. Sch muß 
ja eher Rasen, wie du; denn ich bin älter wie du, aber nicht deswegen 20 
wxaurig.! Ich lebe als ein ehrlicher Mann, um als ein zufriedner Mann 
sterben zu können. — Denke diefem nach, mein Sohn! Muntre dich auf 
und laß mich, wenn ich dich bald wiederjehe, ein fröhliches Geficht er- 
J blicken. (umarmt ihn und geht ab.) 


[2 
= 


Ot 


Fünfter Nufkrikk. 25 


Leliv. (ver ipm mit Verwirrung nachfieht.) Armer, betrogener? Vater! 
Dein Feind, dein Nebenbuhler ift e3, den du jo zärtlich umarmt haft. 

- Aber wie? Werde ich jo ruchlos jeyn und Julianen mehr lieben, als den, 
dem ich das Leben zu danken habe? Nein, ich muß fie unterdrüden, diefe 
Liebe, jo unſchuldig fie auch ſonſt war. Mein hartes Gejchiet macht fie 30 
mir von num an zu einem Verbrechen. — — Aber? wie theuer wird e3 
mir werden, alle meine Glücjeligfeit auf einmal fo aufzugeben? — Was 





4 [Hier beginnt das Breslauer Blatt mit den Worten] aber deswegen traurig? 2 hetrogner 
[8i.] 3 Aber [fehlt in der Hf.] 


346 Ihrafralilcher Bachlah. 










hilft es? ich muß. Oder will ich Fieber eine unſchuldige Tochte er 
väterlichen Berlajjenichaft berauben, und meinen Vater von. dem 
jeiner Hoffnung herabitürzen? Nein, gewiß, das will ich — 
ſey ſie denn meine Mutter, die meine Gattin nicht ſeyn kann. 
5 haßter Wechjel! — Ba; 


Berhlier Auftritt, 
Pasquin. Telio. 
Pasguin. Das geht gut! Man fängt jchon toichen an, 
einen Bedienten vom Haufe anzufehen. Nun, Herr Panurg, we | 
10 am längjten beyjammen! gewejen jeyn! — Aber da ift er ja, an 
ich meine Commiſſion ‚auszurichten habe! — Herr Lelo — 
Teliv. (ohne daß er ven Pasquin gewahr wird.) Ich bin der unglü fir 
Menſch unter der Sonne. — — A 
Pasguin. Herr Leliv. 3 
15 Teliv. Nimmermehr hätte? ich es geglaubt — 
Pasguin.? Herr Lelio. 
Teliv. Geh zum Henker. 
Pasguin. (indem er gehen wit.) Zum Henker? - Ich geh, id 9 
Teliv. Was wollteft denn du bey mir? F 
20 Pasquin. Ich hatte Ihnen was von —— Anti 1 
jagen; aber ich gehe jchon. 
Lelio. Nein, warte. Was haft du mir zu jagen? 
Pasguin. »Ich geh zum Henker. 
Ieliv. Rede, oder — droht ihm mit dem Stocke.) 
25 Pasquin. Bemühen Sie fi nicht, ich will reden. Man 
liane jagte, jie müßte Sie nothwendig —— ie 
Teliv. Zuliane? Wo? 9 
Pasquin. Auf ihrem Zimmer. 
Teliv. Ich werde gleich zu ihr gehen, — Aber nein, fon | 
30 ich jeßt nicht kann. | R — 
Pasquin. Gut, mein Herr. (md will abgehen.) —* 
Lelio. Halt! — Es iſt doch beſſer, daß ich ſelbſt gehe. (uw 
Pasgquin. Sa, befjer ift e3. 


{ » rk * 
Se Fo 
um —— 
—* Ve ne —— 


7 — 





1 bey einander [Hſ.) 2 hätt [95.] 3 [Bier endigt die Hj.] 


Die liche PR I 


























ei Kor wihtaun ich * ſagen? Nein Pasquin, ſage ihr, du 

t mich nicht gefunden. 

Br Pasquin. (indem er gebt) Das will ich jagen. 

Lelio. Bleib, bleib — Entdedt fie, daß es nicht wahr ift, jo grämt 
en Sch will ſelbſt gehen. 5 
Pasquin. Recht wohl! 

Ieliv. Aber in der Beitürzung, in-der ich bin — Geh, jage ihr, ich 
vürde nachkommen. 

Ppasquin. Nichts anders. (und will gehn.) 

Lelivb. Nein, bleib, e3 ift meine Schuldigfeit, daß ich jelbit gehe. (6) 10 


Siebenker Auftritt. 
Tileffe. Pasquin. 


—— O der närriſche Herr! 
VLXiſelke. Pasquin. 
Pasgquin. Die poßierlichſte Haut von der Welt. 15 
Xiſekke. Pasquin, Basquin! 
pasquin. Nu was giebts? 
vilſette. Madam Camille fragt nach dir. 
Pi Pasquin. (macht Selion nad.) ch komme ſchon — — aber nein. Thu mir 
er und geh für mid. 20 
Kilette. Was foll ich ihr denn jagen. 
| Pasquin. Es wird doch beſſer ſeyn, daß ich ſelbſt gehe. 
xiſette. O freylich wirds beſſer ſeyn. 
J Pasquin. Geh und ſage ihr, du hätteſt mich nicht gefunden. 
Lilette. Warum denn dieje Lüge? 25 
| 1— Pasquin. Erfährt ſie aber, daß es nicht wahr iſt — Ich werde gehn. 
Er Nur hurtig. 
pasquin. Geh du nur. 
 Kifette, Sie hat aber nach dir und nicht nach mir gefragt. 
$ Frehlich, wenn fie mich will, will fie did) nicht — — 30 
e ſchon — — nein, ich gehe nicht — O Gott! — Bleib, — 


_ is — ſchon. (a6) 





348 Theatraliſcher Barhlah. . 





—* 


"Bor dieſen! 
Ein Luſtſpiel in einem Aufzuge. 


1756. 


Perſonen. 
Wilibald. 
Charikas, Tochter des Wilibalds. 
Bedwig, der Charitas Mädchen. 
Codex, ein Advocat. 
Florian, deßen Better. | 
10 Philiberf, der Charitas Liebhaber. 


[Sy 


* 


Erſter Auftritt. 
Wilibald, unangekleidet im Schlafrocke. 
Wie ſehr iſt jeder ehrliche Mann heut zu Tage zu betie 

gute alte Zeit iſt vorbey, und die, in der wir jetzt leben, muß alle gi ji 
15 Edel und zum Verdruß werden, die nur noch ein Fündchen Vermu 
und Tugend haben. Ich jage das aus Überzeugung und nicht aus Aerg 
niß, ob ich gleich Mergerniß mehr als zu viel habe. Es müßte ch 
einem Wunderwerke zugehen, wenn es mir bey einem ewigen? Y 
von zwanzig Jahren und bey einer erwachjenen Tochter daran * 
20 Ein Proceß! Eine erwachſene Tochter! Aber was würde mir alles 
ſchaden, wenn heut zu Tage unſern Mädchen die Ehrbarkeit ni en e 

jo unbefannt wäre, al3 die Gerechtigkeit unfern Richtern? Nein, t ir! 
vor diefen war das jo nicht! Bor diejen, da alle Richter Rhadamo 
| und alle Mädchen Sufannen waren! Bor diefen, da es noch eine 
25 jo große Unmöglichkeit jchien, die Gerechtigkeit zu erfauffen , a“ a 
Himmel! — — Wegen meines Proceßes zwar hat mir der 
geitern gute Hoffnung machen laßen. Sch joll heute mit mein 
caten zu ihm fommen. Aber e8 wird gewiß wieder nichts ey; 
e3 liegt dem Teufel zu viel daran, daß mich die Chifane nicht w 
30 läßt — Gut, meine Tochter, daß du kömmſt — — 









Bor diefen! 349 





Zmeyter Auftritt. 
Charitas. Wilibal. 
Wilibald. Ich hatte jeßt eben meine Gedanken über — — 
| Charifas. Ueber die jegigen verderbten Zeiten; nicht wahr? Dieje 
find ja immer der traurige Gegenftand Ihrer Gedanken. Wahrhaftig, Herr 5 
Vater, e3 thut mir herzlich leid, daß Sie jo wenig für diefe Welt ge- 
macht find. Ich dächte doch, fie wäre noch jo ziemlich gut. 
wilibald. O Jugend! O meine Tochter, wie jehr wünſche ich dir 
fr | undere Begriffe. Du macht mein ganzes Mitleiden vege. Komm, 
Kind, und laß dir meine Erfahrungen mittheilen. Sie fünnen deiner 10 
jungen Schönheit ftatt der Stärke des Geiſtes dienen, die jonjt nur das 
echt des Alters zu jeyn pflegt. Ein weniges von meiner Einficht kann 
v zehn Jahr mehr geben — — 
Charilas. Wie, Herr Bater? Zehn Jahr mehr? Sie bedenfen 
nicht, was Sie jagen. Zehn Jahr mehr? D ein vortrefliches Geſchenk für 15 
sit nes Mädchen. 
Wilibald. Du verſtehſt mich nicht. 
Charitas. O ich verjtehe Sie ganz wohl! Zehn Jahr mehr? Geben 
Sie mir, wenn es jeyn kann, lieber zehn Jahr weniger. Sch erjchrede 
iber dieje zehn Jahr mehr. 20 
MWilibald. Diefe zehn Jahr mehr würden weder deiner Schönheit, 
h deiner Jugend nachtheilig jeyn. Du würdejt den Nuten davon ge- 
en, ohne ihre Laſt zu fühlen. 
Charitas. Wenngleih. Wir wollen uns lieber nicht übereilen. Wir 
| wolle dem Lauffe der Natur lieber nicht zuvorfommen. Wenn die fin- 25 
- Weisheit nur mit dem Alter erlangt wird, jo kann jie nie jpät 
ug erlangt werden. 
- MWilibald. Fürchte nichts, meine Tochter. Bey jolchen Öefinnungen, 
— dich in deinem Leben nicht incommodiren. | 
! E Charitas. Deſto beßer! 30 
wilibald. Dieſes deſto beßer geht mir durch die Seele! Ich fürchte, 
— du ſprichſt im Ernſt. Vor dieſen, Charitas, waren die Mäd— 
J n von deinem Alter, weit lehrbegieriger, weit bejcheidner. Bor diejen 
Irten ſie einem vernünftigen und zärtlichen Bater mit mehr Vergnügen 
Vor dieſen lieffen ſie nicht ſo auf die Bälle und in die Komödien. 35 






























Sa Zr ne cn a Te ——— u 
* — * a n J P = es 





350 Iheafralifiher Bachlaf. 















Bor diefen lagen fie nicht den ganzen Tag über den Romanen, ie hi 
Witze nur jchmeicheln, um das Herz zu verderben. Bor diefen — ” * 
Charitas. Ich höre wohl. Vor dieſen waren alle junge Mädcht 
ehrwürdige Matronen. Nicht wahr ? | es; 
5 Wilibald. Ja! — —— 
Charitas. Sie machen mich zu lachen, Herr Vater. — | 
Milibald. Zu laden? Und ich wollte, daß du über beine 2 
heiten weinteſt. " * 9 
Charitas. Die Thorheiten, welche Sie mir Schuld geben, * 
10 Thorheiten der Zeit, und nicht meine Thorheiten. Und iſt es nich 
Pflicht, ſich in die Zeit zu ſchickken? Doch laßen Sie uns biefe U 
vedung abbrechen. — Philibert ijt gejtern bey Ihnen geweſen — je 
Wilibald. Laß uns diefe Unterredung abbrechen, um wieder 
die erite zu kommen. Man muß fi, ſagſt du, in die Zeit fi jiete 
15.0 was für ein gefährlicher Grundfag! Man muß fich nicht — 
Menge hinreißen laßen, ſondern man muß den Weg der Tugenden 
dein, und wenn wir auch ganz allein darauf wandelten. Bi 
Charitas. Wir werden nicht ganz allein darauf wandeln, wenn ( 
erlauben, daß uns Philibert begleiten darf. Er ift es werth, 4 
20 Ihrem Muster zu bilden. Er liebt Sie; er bewundert Ihren ichti 
und ſcharfen Verſtand; er betet mich an. J 
Wilibald. Er betet dich an? 
Charitas. Ja, von Grund ſeiner Seelen. 
Wilibald. Bon Grund ſeiner Seelen? 


35° Iharilas. Ya. * 
Wilibald. Er betet dich an von Grund ſeiner Seelen. 
zückt mich — — 


Charifas. Warum wollen Sie alſo länger einer fo. reinen, 

fihen Liebe zumieder jeyn? Einer Liebe, die Sie ſelbſt jo entz fi J 

30 Wilibald. Erſchöpfe deine Beredſamkeit nicht. Er — 
und mehr brauch ich nicht zu wißen, um ihn aus dem Grunde 4 
Charifas. Wie glüdlich bin ich, daß Sie ihm Gerechtigfe 

fahren laßen. Ja; er ift der artigite, gefälligite, liebenswůrd gſte 

allen jungen Menſchen. = \ 

35 wilibald. Und mit einem Worte alles zu fagen, der voll time 

Narr unter der Sonne. RR 


Bor diefen! » 351 















Charifas. Was jagen Sie? . 
- Wilibald. Sch age, daß du in deiner Unverſchämtheit zu weit gebt. 
R “= wohlerzognes Mädchen jollte eher vor Scham fterben, als mit 
ihr nm Vater von ihren Liebhabern ſprechen. Vor dieſen liebten die 
Mädchen auch; aber ſie liebten mit Anſtändigkeit; ſie liebten ganz in 5 
der Stille. Und wenn ich ein Mädchen wäre, ich; jo würde ich eine 
WMordthat eher bekennen, als meine Liebe. Weißt du denn, was das iſt, 
Charitas. Ob ich es weis? 
7 Wilibald. Du weißt es? Deſto ſchlimmer. Verheyrathe dich alſo 10 
4 je eher; je lieber. Ich bin jo ein Thor nicht, daß ich die Neubegierde 
] ein es Mädchens, das ſchon weis, was lieben iſt, zu erſticken verſuchen 
Wollte. Ich vermenge mich mit dem Unmöglichen nicht. Nein, wahrhaftig 
mein. Geh, verheyrathe dich, aber nur wehle einen, der es wiürdiger 
it, mein Schwiegerjohn zu ſeyn, als dieſer Philibert. Sch jollte einen 15 
$ Brig, der die Frauenzimmer anbetet, in. meine Familie nehmen ? 
sch? Ein Frauenzimmer anbeten, wenn du mir es nicht übel nehmen 
h Kt, heit die Narrheit jelbft anbeten. Vor diefen hatte man für euch 
ER Geſchöpfe nur kleine Achtungen; euch zu lieben, davon war man weit 
i In fernt; aber euch gar anzubeten, das ift eine Raſerey, die unſern jegigen 20 
E Beiten vorbehalten ward, die ausdrüclich dazu beftimmt zu jeyn jcheinen, 
mit der gefunden Vernunft in Streite zu leben. Und wenn ich mich nicht 
irre, jo hat fich dein Philibert in diefem Streite vortreflich hervor: 
ethan. Er ift galant, er ſchwatzt, er ift in der Welt herumgejchwärmt, 
hat einen Narren gefreßen an allem, was neu ijt: das find die jchönen 25 
Eigenſchaften, die ich gejtern an ihm bemerkte, als er mich mit jeinem 
erdrüßlichen Bejuche beehrte. Und übrigens darf man jo gar fcharf- 
fichtig nicht jeyn, um zu merken, daß er jein Vermögen durch feine Reifen 
ziemlich dünne gemacht. Sollte das etwa gar die wahre Urſache ſeyn, 
warum er dich anbetet ? | | 30 
Charilas. Wenigſtens ziehen Sie die Redlichkeit feines Herzens 
nicht in Zweifel. Vielleicht zwar, daß er nicht mehr der reichite ift. Aber 
was ſchadet das? Er beſitzt Gejchielichfeiten, die ganz gewiß jein Glück 
i nachen werden, und hat -einen jehr reichen alten Vetter, der — — 
wwilibald. Gejchidlichkeiten! — — Einen alten Vetter! — — Du haſt 35 
4 ! ich zum beiten, Tochter. In diejen barbarijchen Zeiten, in welchen der 




























352 Theakraliſcher Barhlah. 



















veichjte der gejchiektejte ift, in welchen der, der Geld hat, alles 3 
glaubt, ohne das geringite gelernt zu haben; in diefem Jahr] 1 
der glücklichen Dummföpfe, was fünnen da einem a fe 
Vor dieſen waren ſie wohl. jo gut als das größte Kapital; aber t 18 w 
5 vor diefen — Und was den alten Better anbelangt — glaubft du de 
nicht, daß die alten Vetter Leute find, die ihre jungen Vetter überle 
wollen. Vor dieſen ſtarben die alten Leute wohl eher als die jun 
aber jetzt, jetzt ſtürmen ja die jungen Leute ſo entſetzlich in ihe No 


daß fie Kahlköpfe werden, ehe fie einen Bart friegen. Ä ei 
10 Chariktas. Auch Tiebt ihn jein gewejener Vormund jo fi, & 
ihn zu feinem Erben einfegen will. * 


Wilibald. Davon ſchweig vollends ſtill. Das Mährchen i iſt 
jo unglaublich vorgekommen, daß ich nicht einmal nach dem Namen d 
großmüthigen Bormunds habe fragen mögen. Vor diefen ma Yen en d 

15 Vormünder ihre Mündel wohl lieber reich, als arm; aber das 

dieſen! —— 
| Charifas. Und wenn uch es Ihnen nun auch einräumen mi 
daß ſeine Hoffnungen nicht allzugegründet ſind; ſo müßen Sie mir 
wiederum einräumen, daß der Reichthum nicht die glücklichen Cie m 

‚20 MWilibald. Die Liebe noch weniger. Tugend und gute Sitten m 
fie machen. Wenn mein künftiger Schwiegerfohn dieſe hat, * 
ihm Reichthum und Geburth ſchenken — Zum Exempel, was 
von dem wackern Florian, dem ia meines Advoca 
Herrn Codex? 

25 Charitas. Nun, was ſoll der Kahlmäuſer? 
Wilibald. Der ſoll dein Mann werden! » 
Charitas. Wer? der jteiffe, düſtre Florian? 
Wilibald. Ey, meine Tochter, e3 iſt ein jehr gelehrter ju 

Menſch! Er verſteht Lateiniſch und Griechiſch, und hat die Alten g 

30 Die Alten! Weißt du, was das find, die Alten? Das find Sie, d 

diejen gejchrieben haben. iR — 

Charifas. Ich bin der Alten ihre gehorjamite Dienerin, u 

Herrn Florians zugleich. | Be . 
MWilibald, Folge mir nur in gutem, oder — — Rum, 1 er 

35 da, uns zu jtüren? — 2 


Bor diefen! | ‚353 





Dritter Auftritt. 

an Codex. Wilibald. Charikas. 

Wilibald. Sind Sie es ſchon, lieber Herr Codex? 

J Sa Codex. Schon? Was zum Henker wollen Sie mit Ihrem jchon ? - 

J jenfen Sie, daß ein Advocat, wie ich, nicht punctuel iſt? Und warum 5 

ind Sie noch nicht angekleidet? Haben Sie es vergeßen, daß uns der 

Präſident um zehn Uhr beſtellt hat? | 

wilibald. Ja, um zehn Uhr — — aber zehn Uhr — 

Codex. Wirds für Sie den Vormittag nicht noch einmal jchlagen. 

— Machen Sie geihwind und ziehen ji an. Himmel! den Brefidenten 10 

ırten zu laßen! Und Sie wollen in Ihrem Proceße glüdlich jeyn? So 

ge al3 die Welt jtehet, ja ich dürfte wohl jagen, jo lange al3 man 

h roceßirt, hat jich Fein Client jo einer Ungereimtheit ſchuldig gemacht! ! 

Wilibald. Es ijt aber nicht möglich, daß es ſchon zehn Uhr feyn sollte. 

Codex. Möglich? Als wenn wicht wahr jeyn fünnte, als was 15 
öglich iſt. 

wilibald. Ich weiß wahrhaftig nicht, wo die Zeit muß hingefommen 
pn. Vor diejen verlief jie nicht halb jo geſchwind! 

| Charitas. Machen Sie ſich doch feinen Kummer. Es iſt ganz ge— 

wiß noch nicht neun Uhr. 20 

Codex. Ey? Sie wollen es auch befer wien, Mamfjell? Wenns 

m h nicht neune wäre, wie käms denn, daß ein Mädchen, wie Sie, jchon 

m völligen Buße wäre. 

ä Charitas. (bey Seite) Der verdammte Haberecht! 

Codex. Ich habe zehne fchlagen hören, und habe gezehlt, und habe 25 

glei darauf nad) meiner Uhr gejehen, da war es eine halbe Minute 

f eilfe. 

—J— Charitas. Nach Ihrer Uhr haben Sie geſehen? 

Codex. Ja, nach meiner Uhr. Sie denken etwa, ich habe keine, 
weil ich kein ellenlanges Zeichen für die Beutelſchneider heraushängen 30 
laße? Er zieht fie heraus) Da! Sehen Sie ſelber nach; ſehen Sie ſelber nad). 

Charilas. Kann Ihre Uhr nicht unrichtig gehen? 

0 Codex. Nein, je geht niemals unrichtig. 
























IR 

— ge Hier mehrere in der Hi. feßtende Säge, welche Karl Leſſing aus dem franzöfifchen 
Ar e jeines Bruders (vgl. oben ©. 315, 3. 34—©. 316, 3. 17) frei überfegt hat.] 

$ 4 27 ſämtliche Schriften. III. 23 


354 | Cheatraliſcher HVachlaß. 





Charilas. Nun wohl, ich ſehe und ſehe, daß es mac 3 ihr r 
fünf und funfzig Minuten auf neune iſt. Be; 
Codex. Was? : 
Ä Charitäs. Sehen Sie doch nur. 
5 Codex. (er fin) Das kann nicht feyn. — — Sie werben 
daß ich noch meine Brilfe hervorfuchen muß. cer jest fie auf und & 
Charitas. Was jagen Sie nun? ' 
‘Codex. Meine Uhr geht unrecht. Genug, es hat sehn g J Ichla 
ich habe gezehlt. De 
10 Charifas. Von wen haben Sie Ihre Uhr? | 
Codex. Ich mag fie haben, von wem ich will; es —9* 
engliſche Uhr. 9 
| Charitas. Wenn Sie fie für eine — gekauft haben, | fin 
Sie fehr betrogen worden. — — 
15 Codex. Betrogen? Wie ſo? 
Chatifas. Eine Uhr, die jo falſch geht — — | 
Codex. Falih? Es ift eine von den aller richtigjten Uhren 
Charifas. Wenn fie richtig wäre, fo würde fie nicht um ı 
eine Stunde zu jpät gehen. 











20 Codex. Sie geht nie zu jpät. 
. Charifas. Aber fie zeigt auf neune, und es — — 
ſchlagen. 3 
Codex. Meine Uhr geht untrieglich. | J 


Charitas. Ganz gewiß untrieglich? — ee tie ich geſagt he 

25 iſt es noch nicht neune. 
Codex. Sie find ſehr naſeweis, Mamſell. Kurz, meine U J 

richtig, und es hat zehne geſchlagen. — — Wollen Sie ſich een, 
Wilibald, oder joll ich ‚wieder gehen? * 
wilibald. Erzürnen Sie ſich nur nicht Herr Coder. di 

30 ich will mich gleich anziehen. Er gend | — — 
Codex. Mir mein Gehör abzuſtreiten! ni DR, 
Wilibald. (ehrt wieder um, und jagt jachte zum Cover) Aber. Her J o 

Sie bleiben jetzt ‚mit meiner Tochter allein, reden Sie ja * m 
von dem Brocefie. Dr u 
35 Codex. Gehen Sie doch nur. Gilibald sei ALS wenn io | 
—— könnte! 


Bor dirfen! | 355 

























wijilibald. (wie vorher) Sagen Sie ihr ja nicht, was den Proceß betrift! 


u Daten! | 

| Wilibald. (ver nochmals umteprt) Daß fie ja nicht den Anlaß erfährt — 
= Codex. Herr, für was jehen Sie mich an? Gehen Sie, oder — — 
Mick für einen Mann zu halten, den man mit einer Uhr betriegen 
önnte! — 

wijilibald. (wie vorge) Meine Ehre, und mein ganzes väterliches An— 
ehn beruht darauf, daß fie nichts davon erfährt — Kommen Sie lieber 
mit, damit Sie fich nicht verfchnappen. 

Codex. Ich mich verfchnappen? Welch eine Beleidigung! Gehen 
Sie den Augenblic, oder ich gehe. (Witivato geht ab) 





Bierter Auftritt. 
Charifas. Codex. 

Codex. ch mic verfchnappen? Habe ich mein Maul nicht etwa 
in meiner Gewalt? — Nun wirklich, bey diejer zweyten Grobheit, muß 
ich die erſte vergeßen! — 
Bao; Charitas. Allmälig, Herr Eoder, fange ich e8 num an zu be— 
gr iffen, wie Ihre Uhr richtig gehn und doch faljch weiſen kann, wie Sie 
ichtig haben zehlen, und fich doch verzehlen fünnen — 
Codex. Hören Sie einmal davon auf, Mamfell! — Wißen Sie, 
ab Ihr Vater ein alter Narr iſt? 
Charitas. Er ift Ihr guter Freund, Herr Coder. 
Codex. Und wenn er,. mein Bruder an Leib und an der Seele 
e. Er ift ein alter Narr! — Mir, mir, einem Manne vor meiner 
erlegung zu vier malen die Verfchwiegenheit zu empfehlen? Das follen 
ie mir nicht umſonſt gethan haben, Herr Wilibald! Sie verrathen Ihr 
auen gegen mich, und Ihr Miftrauen muß beitraft werden. Als 
ni nicht von mir jelbjt jo viel Veritand würde gehabt haben, Ihrer 
die Urſache Ihres Proceßes zu verjchweigen. 
 Gparifas, (bey Seite) Er macht mich neugierig. 


Das weis ich von mir jelbit. 
% Charitas. (bey Seite) Rede nur weiter. 


2 > Codex. Nein doch! — Meine Uhr für einen elenden Bratenwender 


5 


10 


15 


20 


25 


Codex. Kindern muß nicht alles auf die Naje gebunden werden; 


356 ;  Iheatvalifcher Vachlaß. 





Codex. Was würde das Töchterchen nicht für einen 
dem lieben Bapa bekommen, wenn. fie ihn näher, als aus — 
Bor dieſen! ſollte kennen lernen. 

Charikas. Gey Seite) Ich muß nur thun, als ob ich ibm vn 

5 zuhörte, wenn er mehr plaudern ſoll. Be: +2 

Codex. Wenn fie erfahren follte, was für Streiche er 
Jugend angegeben hat — ; 

Charifag. (fängt an zu trilletn) La! la! la! Lalala! Sind & sie 
Liebhaber von Muſik, Herr Eoder ? J 

10 Codex. Nein! — Freylich wäre es alsdann um — 
Anſehen geſchehen. Sehe ich denn das nicht eben jo-gut ein, a als 
Und er muß mir es noch lange auf die Seele binden, verſchwiegen 
ſeyn? — — Nun will ich es auch, ihm zum Poßen, nicht ſeyn. 
Charifas. (fingt, als ob fie gar nicht auf ihn Acht hätte) 

15 Wenn der finjtre Damon jpricht, 

Amor jey ein Ungeheuer, 
Seine Gluth ein hölliſch Feuer: 5: 
D fo fürcht ich Amorn nicht! *. 

Codex. Sie hören es ja, daß ich kein Liebhaber von Duft Hinz 2 

20 Fa, num will ich nicht verjchwiegen jeyn, und wenn es ihm auch — 
Verdruß machen ſollte. Hören Sie Mamſell, der Proceß Ihres V 

Charitas. Ich bin feine Liebhaberin von Proceßen. ang - 

Aber hebt mein Thyrfis an, —— 
Amor ſey der ſchönſte Knabe, 
25 Seine Gluth des Himmels Gabe: 
O wie fürcht ich Amorn dann! 

Codex. Sie wollen mich nicht anhören? 

Charikas. Nein. SE 

Codex. Sie wollen mir es verwehren, mic an Ihrem Vater u 

30 Charikas. Das will ich! eco 
| Codex. Sie wollen nicht hören, daß — — 4 —3— 

Charikas. (ie ſich die Dhren zuhält) Sie ſehen, ich hore tg 

. Eoder — F J 

Codex. Daß Ihr Vater um das Vermögen Ihrer Mutter p 

35 Charilas. Ich höre nichts, denn mein Vater will num einma 
daß ich es wißen joll. 16 — — | 










Das befreyte Rom. | 357. 
















F Codex. Und zwar mit einem weitläuftigen Anverwandten Ihrer Mut- 

—— vorgiebt, Ihre Mutter wäre von — Aeltern enterbt worden. 

Charitas. Ich höre nichts. 

Codex. Sie wollen nicht hören, daß Ihre Mutter deswegen von 

e 1 Yeltern enterbt worden, weil fie jich von Ihrem Vater —— laßen. 5 

8 Charitas. Ich höre "nichts. 

Codex. Sie wollen nicht hören, dab wenigſtens jo viel gewiß daß 

— Vater Ihre Mutter in ſeiner Jugend wirklich entführt hat — — 

Charilas. Was hör ich! (vie die Finger von den Ohren wegthut) Wie Herr 
der? 10 

Y Codex. En! Bird das Mädchen endlich neugierig? Nun jollen Sie 

nichts hören, Mamfell. Es iſt mir lieb, daß Sie fich die Ohren zubielten. 





"Das befreyte Rom. 
Erſter Art. 
1. Auft. Forum. _ 15 


Brufus. 

Allein. Er entdedt in kurzen Worten feine Verjtellung, die ihm zur 
daft zu werden anfängt. | 
R 2ter Auftritt. 

2 Zwey Romer fommen dazu, die ſich von der Tyranney des Tar-— 20 
minius unterreden. Sie werden den Brutus gewahr, fehren ſich aber 
richt an ihn, weil fie ihn für einen Unfinnigen halten. Sie erwähnen 

Pe Frevelthat des Tarquinius an der Lucretia. 


“ E 3ter Auftritt. 

Lueretia erſcheinet, von einer Menge Pöbel begleitet, und zwey Skla- 25 
men. Sie iſt wüthend, erzehlt dem Volke ihre Schande. Erſticht ſich 
—9— Augen deßelben, und wirft den Dolch unter das Volk, mit dem 
ruf: meinen Rächer! Wird jterbend abgeführt. 


=.n — Sg 


Bi 0 Ater Auftritt. 


Beutua ergreift den Dolch; da ſich keiner ihn aufgaben wagen a 


358 Theatraliſcher Rachlaß. 





will. Die Menge lacht, daß er in feine Hände gefallen; b | 














das Schickſal der Lucretia. — sr * 
Zweitker Ad "Tu 
Erſter Auft. a — 

5 Brutus zweydeutige und prägnante Spöttereyen über den De 


und die That die damit verübet worden; gegen verſchiedne aus dem V Bo 


2er Aufttift. | 


Es fommen die Lictores das Volk auseinander — au ei 
Das Volk treibt fie weg. Be 
10. 3ter Auf keit. 


Brutus fährt mit jeinen bedeutenden Poſſen — 


4er Nufkrill. 3 

Targuinius mit Lictoren erſcheint jelbft. Der’ Pöbel füchet a 
einander, und läßt den Brutus auf dem Plate allein. Der König in 
15 phirt über diefe Furcht. Er läßt ſich mit dem Brutus ein, und er hi 
ihn als einen Narın an. Der Pöbel fteht von ferne. Brutus erfti 
ihn; und geht raſend ab. Tarquinius wird fterbend abgeführt. — 


Dritker Art. 


Erſte Scene. 
20 Collatinus erjcheint; und redet an das Volk von feinen Anſpri 
auf den erledigten Thron. 
2. Srene. 


Eine andre Menge kömt hereingeftürzt und rufet: Freyheit! B N 
Collatinus. Wie lange foll diefer Rajende noch die Stadt ve: i 
25 Brutus. Hört mich, ihr Römer; ich bin fein Raſender, fein 3 
wißiger. Er declamirt wider die Könige, und Collatinus muß ſiche 
Ste Scene. * 

Publicola erſcheint, den man als den Gemahl der Luc 

nehmen muß. Brutus trägt ihm die Regierung auf; nicht a 
30 jondern als Berather des Volks. Er erklärt, daß er fie nicht fe 
nehmen könne, weil ihn jeine Verjtellung dazu untüchtig gema Pr 


vVirginia. 359 
























a 4. Scene. 
* die tanzenden Salier kommen herein. Und einer prophezeyt «die 
Hin figen. ana Roms; womit das Stüd —* 





Virginia. | — 
Erſter Aufzug.“ 
Erſter Auftritt. | 


Die Scene ein Zimmer in dem Haufe des Claudius. 

| Claudius. Rufus. . 

Claud. Wardit du es gewahr, Rufus? Als wir jebt bey dem 

£ jaufe des Virginius vorbey gingen, mit welcher Verachtung er uns 10 

anblidte? 

in Ruf. Alter und wahnwigige Träume von Rom und Ehre, Haben 

hm das ſchwärmeriſche Gehirn verrüdt. 

EC.I. Sahſt du, mit welcher ungejtümmen Eilfertigfeit, mit was für 

Bliden er heraus ging? | 15 

* A Ruf. Und was mochte die Urſache ſeyn? 

C.I. Eben ift ein Befehl angelangt, der ihn ins Lager zurüd ruft; 

il man fich alle Stunden einer Schlacht verjieht. Ein glüdlicher Um— 
d, der dem Anſchlage unſers Decemvirs auf ſeine ſchöne Tochter zu 

tatten kommen wird! 20 

J Ruf. Dieje rajche Verfolgung eines veriprochenen Mädchens, fürchte 

, wi einen unglüdlichen Ausgang haben. — Sollte Appius Ge— 

Ben ———Ich zittre bey diefem Gedanken. Virginius ift 

mgig verehrt; fein filbernes Haar, fein Ruhm, feine raube Bered- 

amtei it würde, ganz Rom empören! — Wir müjjen darauf denfen, den 25 

er von einem jo verzweifelten Unternehmen abzubringen. 

J EI. Vergebens! Unmöglich! — — Seine ſtürmiſche Leidenſchaft ſpottet 

all Eee — Nichts mehr hiervon! Denn ich fage dir, und 

Be feine Wahl frey, als die Wahl der —* Mittel, ſie durch 

o in ſeine Arme * bringen. 30 


360. > Theabraliſcher Rathlaß. 














Ruf. Durch Liebkoſungen, in ſeine Arme? Slautinsl - 
weißt, fie ift verfprochen; mit dem jungen Jeilius verſproche | 
wie zärtlich liebt fie ihn, dieſes Schooßkind des Volks, dem er 62 x 
fo mutbhige DENE geleijtet. * — 





ICodrus 





| |Senera.]’ 





Kleonnis. 


Polychares, ein vornehmer Meſſenier, wurde in den Olym if 

Spielen gekrönt, denn er wurde in der 4t. Olympiade bey ven € 
10 zum Sieger erklärt. Er hatte fo viel Kühe, daß er fie nicht a 
feinem Grund und Boden ernähren konnte und fie auf die Wiefi ie J 
Spartaners Namens Euephnus, ſchickte, welcher es mit der —J 
zu frieden war, daß er den Profit davon theilete. Dieſer get 
ſchlagene und infinuante Mann verkaufte Lacedemonifchen Kauf 
15 Kühe und Hirten davon, gieng darauf zum Polychares und bereh 
Seeräuber hätten das Vieh mit den Hirten weggeführt. Ein Hi v 
davon entdedt dem Polychares die Wahrheit. Euephnus fann fein e © 
rey nicht bemänteln, entjchuldigt fich und fleht um Gnade, t wi 
erſetzen; da er aber fein Geld bey ſich hat, bittet er den Bolt 


— 154 a 
— - 





I [Unter den Papieren des Nachlafjes nicht erhalten. Bol. Leſſings Briefe an Mofe r e 
und an Nicolai vom 22. Dftober 1757, vom 21. Januar und 18. Februar 1758.] — 
? [Unter ven Papieren des Nachlaſſes nicht mehr erhalten. Den Titel nennt Karl 6 3. Leſ 

in der Vorrede zum zweiten Teil des theatraliſchen Nachlaſſes, ©. XXIX.] | 


 Rleonnis. 































einen Sohn mit zu geben, der von ihm den Erjaß erhalten jolle. Poly: 
bares geht diefes ein. Da fie aber auf Lacedemonifchen Boden gekommen, 
ermordet Euephnus den Sohn des Polychares, welcher ſich darauf nad) 
Sparta begiebt, jih an die Spartanifchen Könige und Aelteften wendet, 
und ihnen jein Unglüd Elagt. Sie hören ihn, aber ſie thun ihm nicht 5 
Gerechtigkeit. Vergebens wiederhohlt er jeine Klagen, er ift nicht mehr 
fein r mächtig, er tödet den eriten den beiten Yacedemonier und rettet fich) 
nad —— Die Lacedemonier beklagen ſich, daß die Meſſenier ihnen 
den Polychares ausliefern; fie "forderten auch den Mörder ihres 
ör * Teleklus und baten um Genugthuung wegen des von Temenus 10 
m Beſten des Chresphonte und zum Nachtheil der Ariſtodemiſchen Kinder 
egangenen Betrugs. Das iſt die Urſache des erſten Meſſeniſchen Kriegs 
nit den Lacedemoniern. 
x Teleflus König der Spartaner, wollte, nad) ihren Berichten, vers 
Ben, daß ihre jungen Mädchen, die zum Feſte der Diana gekommen, 15 
ct von den Mejjeniern gejchwengert würden. In diefem Streite wurde 
ex getödet, und die Spartanerinnen wollten lieber jterben, als ihre Schande 
J leben. Hingegen erzählen es die Meſſenier ſo. Teleklos habe junge 
—* annsperſonen als Mädchen verkleidet, die unter ihren Kleidern Dolche ver-⸗ 
ſteckt gehabt, hätten jo die Mefjenier angefallen, um Mefjenien zu erobern, 20 
we he3 von den Lacedemoniern wegen jeines vortreflichen Bodens beneidet | 
vorden wäre, da jie fih8 am mwenigjten vermuthet. Sie hätten eben Ge— 
De It mit Gewalt vertrieben, und da jey der König Teleflos umgefommen. 
Temenus wollte, daß geloſt werden ſollte, ob Chresphonte oder die 
füobemifchen Kinder zur Regierung kommen follten. Temenus nahm 25 
| e Bteile mit Wafjer that zwey Kleine Kugeln hinein, eine für den 
Sphonte, die andere für die Ariit. Kinder. Deſſen Kugel zuerjt käme, 
e zwiichen Mejjenien und Lacedemon wählen fünnen; aber Temenus 
at Getrügerie die Kugel des Chresphonte von Ziegelitein, die der Ariftod. 
Kin aber nur von an der Sonne getrodnetem Thon gemacht, und fo 30 
wurde Mefjene dem Chresphonte zu Theil. ! 


* 





er orſtehendes ohne Überfchrift auf einem einzelnen Blatt der Breslauer Papiere, das Karl Leſſing 

j aNachlaß nicht mit abvrudte. Das Folgende, gleichfalls auf einem nicht näher 
neten —— der Breslauer Papiere erhalten, teilte er zwar mit, überſetzte jedoch die franzöſi— 
* — Citate aus Rollin und Pauſanias ins Deutſche.] 





362 Theatraliſcher Nachlaß. 





Premiere guerre entre les Messeniens et les Lacedemon 
M. 3261. a. J. C..743. Strabo 1. 6 et 8. Orosius 1. 21. | 
lib. 4. p. 216. 242. Justinus lib. 3. cap. 4. —— 
Euphaes, 13. descendant d'Hercule etoit pour lors ] 
5 Messenie. Il confia le commendement de son Armee a Cleonni 12 
Lacedemoniens commencerent la campagne par le siege d’Am: N 
Theopompe, etoit alors Roi de Sparte. f | * 

Les Messeniens allerent se camper pres d’Ithome, pet ite 
située sur le haut d’une montagne de meme nom, et s’y fo 
10 Dans la 8we annde de cette guerre se donna le a ‚Con 
dans lequel Cleonnis et Aristomene se signalerent, en sat 
Roi qui etoit perc& ‘de coups. Cet Aristomene. avoit fait | 
sa fille, au commencement de la guerre, pour appaiser * —— 
Dieux. 
15 Meſſenier. Die Stadt Meſſene. Evpanrs. Augesıa. 

Kizovvig. g 

















Perſonen. 


Euphaes der Vater. König der Mefjenier. 2 

Cleonnis fein Sohn, der bey der Plünderung von Busen 7 

20 gefommen, und unter dem Namen Melaneus (Mekavevs) i 

Stücke vorfömmt. (oder Theras, Ongas) —— 

Fuit Amphea in Messenia Laconiae finitimum oppidum, e 

magnum illud quidem, sed in praecelso colle situm, eireumfluens qi 

. rum perennium copia — Irruptio itaque facta est apertis, quum abe: s 

25 custodiae, portis. Messenii qui sunt intus deprehensi, omnes u: 

interfeeti, in ipsis eubilibus alii, alii vero quum animadversa € | 

tate ad templa et aras deorum supplices confugissent; pauci ‚0 hi 

periculum effugerunt. ; 

| Porylfus. Sohn des Theopompus, Königs der Sacedemon ier. 
30 Demarak. der zweyte Sohn des Euphaes. Der aber lie 

zum Vorſchein kommen darf. Br. 

‚ Arifiodemus. ein Feldherr des Euphaes. — 

Delphos itaque missus est Tisis, Alcidis filius, vir quu f € 

laudibus praestans, tum vero divinandi solertiae maxime de Utus. 

35 Delphis redeuntem, ex insidiis Lacedemoniorum aliquot de prae 





ne EN 27 Een 363 





























ea adoriuntur: sed enim acriter se defendentem et repug- 
| _ capere non potuerunt: hominem certe sauciandi finem non 
int ® quam vox audita a quo missa incertum, Oraculi 
Iineium dimitte! Ace Tisis quidem ad suos reversus, regi re- 
exponit, neque ita. multo post ex illis vulneribus diem obiit 
Convocatis in concionem Messeniis, oraculum — recitat, 
nit hujusmodi: 


Nescia viri. puella geniis inferis 
Aepytidum ab alto sorte ducta sanguine 
Det colla nocturnis secanda caedibus. 
Vos haec ad undas Hallyi facite sacra, 
Libenter ipsam virginem dantes neci. 


Oraculi voce audita, virgines statim omnes, ex Aepytidarum 
n sorti commissae. Quumque Lyeisei filia ducta fuisset, eam 
ipebolus vates sacrari vetuit, quod diceret, non esse e Lycisco genitam, 
rum uxorem Lyeisei eam sibi quum sterilis esset, supposuisse. Interea 
um vates haec ad populum agit, Lyeiscus clam assumta puella Spartam 
oft »it. Quae res ubi vulgata est, quum hominum mentes vehementer 
nn novisset, Aristodemus, et ipse ex eadem Aepytidarum gente, vir 
 eeteris vitae ormnamentis, et bellica virtute Lyeisco elarior, ultro 
m immolandam obtulit. — — — Messenius civis, cujus nomen non pro- 
tur, forte Aristodemi filiam amabat, ac propediem erat uxorem 
eturus. Is itaque acriter negare, quae sibi desponsa esset, in patris 
N Be esse potestate: suum esse, quod sponsus sit, in illam 
| . Qua ratione quum parum proficeret, impudenti mendacio 
tiatam J se esse puellam et gravidam jam esse affirmat. Quae 
rtinacia e6 furoris Aristodemum impulit ut fillam statim oceiderit, 
ejus utero exciso plane omnibus ostenderit, non fuisse praegnantem. 
Be: der Prophet. 

Melankh ein andrer Feldherr des Euphaes. 

Ein Sotat ER 


10 


25 


Mein Sohn und fein Geſchwader. ii 


a EA ; BERN EEE AN 9 nd 2,7 
_ in ‘ . — 


364 Cheatraliſcher Bachlah. 





Rleonnns 8 
Bra; 
Ein Tranerlpiel in fünf Aufzügen.! 
\ ; —— 
Perſonen. | 


Euphaes. König dev Mefjenier. 


ee 0 Freunde und Feldherren des Eupfaes. 
— zwey gefangne Spartaner. 


Tiſis, ein Prophet. 
Erſter Aufiug 
Erſter Auftritt. 


Euphaes allein, und hernach die Wache. 


Euphaes. | Bee: 

Die träge Zeit! Kein Jahr ward mir‘jo Tang, 5 

ALS au Morgen. He, Soldat! — 

Die Wache. 

Befiehl! 

| Euphaes.“ 

Noch nicht zurück? n 
jörg en Orte MO ANyE. 
Wer? . 
Guphaes. - 
Träumer! fragſt du, wer? 


J 





In ſeinem — — ©. 232 
Das Lemma zu diefer meiner Tragddie (Kleonnis) in Anfehung bes Hau 
Vaters nehmlich, könnte ſeyn, mas Dvidius von dem Ajar jagt: 
— — — — qui ferrum, ignemque Jovemque 
Sustinuit toties, unam non sustinet iram, 
Invietumgue virum vincit dolor. — EFT 


x 





Kleonnis. 

































Die Wade. 

König, nein!! 
Br ef Tag, da brachen fie erit auf. 

— Euphaes. 

— Geh! — Daß die Natur zum Vater mich 
eh r, ‚als zum König fchuf! Manns zwar genug 

‚ mein Volk, an jeder Ader gern 

hüten; nur nicht Helds genug, für dich 

1 meinem Sohne — theurer, einzger Sohn! — — 
u bluten. Einzger! — Ach, einſt war er nicht 
x einzige! Mebit ihm war einſt — — BZurüd 

ed anfe voller Quaal! Iſts nicht genug, 

- einen zittern, wenn ich nicht zugleich 

ud) um den andern weine? — Weine? Ja! 

ch wein aus Wuth; aus Wuth, die Thränen Tiebt, 
zis Ale befriedigt höhniſch lächeln kann. 

) Fan ichs nicht! Denn noch fiegt Sparta! Noch 
mein entoölfert Sand ein leichter Raub 

e — Unterbrücer! Noch gebiet ich hier, 

er auf Ithomens rauen Felſen, bier, 

ns zwölfte Jahr von überlegner Macht, 

ie beßer ſchlau und kalt zu troßen, als 

| ee weis, umfeßt; — gebiet ih — Wem? 
einer Handvoll frommer Helden; doch 

d Helden Götter? O Mefjenier! 

ſchützt vom Recht; befriegt von Hunger, Beit,) 
— und wir! Wir; gegen Hunger, Peſt 

d Feind und Göttern. Götter wären wir 

m wir noch ſiegten; beßre Götter, als 

ie ungern — — - Unfinn! Raferey! 

e Läfterung! Empörer! Staub! | 
— Heraklide? Bin ichs? — Wenn 

a — Sieh nicht im Zorn auf mich 
derab, du meines Bluts vergötterter 


R is au m in einer zweiten Sanbfehrift zu Breslau erhalten. 


366 | Theakraliſcher Vachlaß. 





Quell! Wenn haſt du, der du im ruhigſten 

Der Augenblicke deines Lebens, mehr, 
Unendlich mehr, mehr thatſt, mehr littſt, als ich 
In Jahren nicht gelitten und gethan, 

40 Nicht thun nicht leiden werde; wenn haſt du 
Ein raſches Wort des Murrens dir vergönnt? 
Und ich dein ſchlechter Enkel murre? — He, 
Philäus! 


— Auftritt, 


Euphars. Philäus. 
Komm! Du bift der glückliche 
Gewünſchte Bothe doh? Mein Sohn ijt da? | 
45 Wo iſt er? Sprih! Du ſchweigſt? Verwundet? Todt? 
Er iſts! Die Ahndung — | 
Philäus, 
Werde nimmer wahr! 
Sey ruhig, Herr! Sey ruhig! Siegen ift 
Kein Werk des Augenblids. Noch kann er nicht, 
Dein junger fühner Demarat, den Feind 
50 Gejucht, gefunden, angegriffen Hd 
Geſchlagen haben. 
Euphaes. 
Daß ich ihn jo Leicht | 
Aus meinen Augen ließ! Zu jtürmjcher Füngling, nur 
Koch wenig Tage, dann hätt.ich dich jelbit 
In eriten Kampf, zur Probe deines Muths, 
55 Begleiten fünnen! — Schande! — Wenn nunmehr 
Der junge Leu aus feiner Höhle tritt, 
Wer führt ihn an? Wer lehret ihn dem Bär 
Die neuen Klauen, unverfucht doch Fed 
In Naden Schlagen, und den Tyger an 
‚60 Der Gurgel faßen? its der alte Leu 
Nicht ſelbſt? Und ich, beichimpfter Vater! EN ⸗ 
Philäus. 
Herr, deine Wunden hindern — — 








Rleonnis. 


367 

















Euphärs. 
Warum find 
r Des Krieger Wunden nicht jobald geheilt, 
Als bald jein Muth nach neuen dürjtet! Schon 


Der neunte Tag, daß der zerjchmetterte. 


Vertheidgungsarm des fehweren Schilds entwehnt 
Und die vom Speer durchftochne Seite nicht 

Den Panzer leiden will! Der neunte Tag! 

- Bu viel der aufgedrungnen Naft! Zu viel 

Auf eine Schlacht, die dennoch — — Hätte mir 

Ein holdres Schickſal diefe Wunden bis 

Zur letzten tödtlichen geborgt! Wie gern 

Wollt ich alsdenn, ich ganz Gefühl, ganz Schmerz 

Für eine fieben bluten; wenn ich heut 


“ Nur, meiner Glieder Herr, und meines Sohns 


Geführte wäre! Meines Sohns! — Vielleicht 

Daß eben jet — — 

— Philäus. 
Nun reißt fie ziegellos 


Die kranke Phantafie, ihn fort! Mic ſchinerzt 


R Der Zärtlihe — 
Euphaes. 
Des Todes kalter Schaur 
Durchlauft mich; ſtarrendes Entſetzen ſträubt 
Das wilde Haar zu Berge — 
Philäus. 
Höre mich! 
| Euphars. 
Did) hören? — Kann ih? — Sieh! Er ift- umringt! 
Wo nunmehr duch? Sich Wege hauen, Kind, 
‚Erfordert andre Nerven! Wage nichts! 
Doch wag es! Hinter dich! Bedecke fchnell 
Die offne Lende! Hoch das Schild! — Umſonſt! 
In diefem Streiche rauſcht der Tod auf ihn 
Herab. Erbarmung, Götter! — Ströme Bluts 
Entichießen der geipaltnen Stirn; er wankt; 


65 


70 


80 


/ 


368 Theatraliſcher Bachlah. 





p 
90 Er fällt; er ftirbt! — Und ungerächet? Nein. 
Philäus, fort! Ich kenn den Mörder! Komm! 
Philäus. 
Wenn wird die falte, ruhige Vernunft 
Die janfte Stimm erheben. dürfen? Ich 
Dein Unterthan, doch jebo mehr dein Freund, 
95 Weil leicht den tadeljüchtgen Unterthan 
Des Königs Schwachheit ärgert — — Ich dein 
Der dein zur Liebe fo gejchaffnes Herz 
Zu ſchätzen weis, verlange — 
| Euphaes. 
Was du willſt! 
Nur das verlange nicht, zu ſtrenger Freund, 
Daß auf der Furcht und Hoffnung Wogen ich 
Mich unerſchüttert halten ſoll. 


—⸗ 


Philäus. 
Das nicht! 
Doch wenns in deinem mächtgern Willen ſteht 
Daß dieſe Wogen, dieſer innre Sturm 
Sich folgſam legt; dann kann ich doch von dir 
105 Verlangen, nicht dein eigner Peiniger 
Zu ſeyn? 
Eu⸗ — 
Mein eigner Peiniger? 
Philäus 
Gewiß! 
Jetzt wäge ſie, die Gründe beiner Furcht 
Mit deiner Hoffnung Gründen ab! Wie leicht 
Steigt jene Schaal * Wie ſchwer drückt die 
110 Hernieder! 
Euphaes. 
Wenn er bleibt, wenn ihn jo jung —— 
Philäus. 
So jung? Wen liebt dag Glück verbuhlter, als 
Den dreiften und von ihrer Tücke noch | 
Unabgejchredten Jüngling? 





Kleonnig. 


369 





—* Euphaes. 
Nein; das Glück 
Bi zu Eh: zu feind, ala daß es mich, 
m Sohne lieben jollte. 
Be. - Philäns. 
B Finitrer Wahn! 
3 Glück it treulos, um das Glück zu feyn, 
n nit ung zu verfolgen. Doch gejeßt: 
5 haße dich, dich mehr als andre. Sprich! 
t das der Fall, die Wirkung feines Grolls 
u fürchten? Wer begleitet ihn? Wer ifts, 
n deßen Schirm, al3 unterm breiten Schuß 
Je göttlichen Aegide, Demarat 
ut BR jetzt ſiegt? Hits nicht Ariftodem ? 
Euphaes. 
anennſt du mir? O wär ers nicht! Er micht! 
J Philäus. 
o macht dich deine Furcht auch ungerecht ? 
Das geht zu weit! — Herr! an der Tapferkeit 
Ind Treu Ariſtodems verzweifeln, ift 
jeleidigung der Tugend! Wen von uns 
ürcht der Spartaner mehr als ihn? Dich ſelbſt 
icht ausgenommen. Dich; ſein Schrecken; ſein 
erde ben! Wie ein Wetterftrahl, mit dem 
e Donner Felſen fpaltet, jo bradit du 
N feinen eijern Phalanx ein; dein Schwerd 
aß ganze Reihen. Endlich) von der Zahl 
ie tt übermannt, da du, mit dir 
Heil zu jinfen drohte: Wer, 
Bu: dir nah? Wer hielt rund um dich ber 
ex Racfucht wilden Wirbel ab? Wer lud 
ch auf atlantjche Schultern, theure Laſt, 


Bon dich Hoch durch den erſtaunten Feind 
) —— * Sp that Ariitodem! Da jah 

























a — Die — Herr, die er für dich 


115 


120 


125 


130 


135 


140 


370 Cheatralifcher Barhlaf. 





Gethan, die fann er auch für deinen Sohn = 

145 Thun. — Stammt er nicht vom Herkules, wie du? —. 
Guphars. — 

Hör auf! Wenn rief ich ſeine Tapferkeit 

In Zweifel? Eben dieſe Tapferkeit 

Die iſts vor der ich zittre. So wie ſie 

Dem Tode trotzt, ſoll jeder neben ihr 
150 Dem Tode trotzen. Weniger, als ſie 

Zu leiſten wagt, ſoll niemand leiſten. Ihr 

Iſt Demarat nicht der geliebte Sohn 

Des jammernden, verwayſten Vaters; ihr 

Iſt Demarat, Soldat, und weiter nichts! — 
155 Wie anders? Denn was weis Ariſtodem 

Bon jenen zärtern, begern, menjchlichern 

Empfindungen? Der ſanften Macht des Bluts? 

Dem ſüßen Recht der Sympathie? Er? Er? 

Der falte Mörder jeiner Tochter. 


Philäus. 
Sprid: 
160 Der Tochter frommer DOpfrer. Das Geboth 
Des deutlichen Orakels — | 
Guphars. 
Das’ Geboth 


Der deutlichen Natur war älter! — Ich 
Unglüdliher! Dem, der jo wenig weis 
Was Vater ift, dem meinen Sohn vertraun! 
Philäus. 
165 Herr! Tiſis fümmt uns näher. Faße dich, 
Und ruf geſchwind die heitre Majeftät 
Zurüd in deine Mine — 
— Euphaes. 
Tiſis! Was 
Will Tiſis? Der prophetſche Tiſis! 
Philäus. 
Set 
Nicht Tifis, der Prophet. Kein Purpur fließt 








un: og 











De; fein Lorbeer gränzt 
aune ar goldner Scepter blitt 
er ee Sieh! Er tritt einher 
- und im via Helme; ganz ’ 


_ Dritter Rufkrikk. 


Tilis. Euphars. Philäus. 
Tilis. 
















By König! — 

* hört Mitleidsvoll die bange Furcht 
erlichen Liebe. Uns ſo wohl 

r, verweilt dein Sohn zu lange. Nur 

Bort, jo eilt mit mir ein fertger Trupp 
x Tapferften ihm nach. Diß ifts, warum 


en, 
0 are 


Euphaes. 
Meſſenier! O beſtes Volk, 
Me —— und der Griechen würdigſtes! 





Be “Tragödie. 
E u Der Buroacop. 


s Bpalinski: Balatin von Bodolien. 
— Pnelimaki: dejlen Sohn; Gaitellan von — 


Ama —— 

Un 2 em Petrus Opalinsfi waren die Tartarn in Podolien ein- 

len; die Luce bey Ereffici ſchlug. Bey der Verfolgung derfelben 
eyte F etrus us Be Maſſalska, welche die Tartarn aus Lemberg 

pt , Der vielmehr Anna Maſſalska war einem Tar- 

St ungern Bra welcher fich mit gutem Willen ſelbſt 


hen 9 — ————— — 


170 


175 


180 


EIERN Thealraliſcher Barhlaf. 





























gefangen nehmen ließ, um feine geliebte Maſſalska, die in der Po 
Hände wieder gefallen war, nicht aus den Augen zu verlieren. € 0 
Petrus die Maſſalska ſahe ward er fterblich in fie verliebt, welc 2 ? 

er in jedem Blicke, den er auf fie warf, verrieth. Auch auf den £ 
5 hatte Maſſalska Eindrudf gemacht, und er — ſehr, dab * 
Beute geworden wäre. Be 
Nun war dem Petrus, dem Vater, von einem Aftrologen, | den. 
über das Schieffal feines einzigen Sohnes um Rath fragte, vorhe :geja 
worden, daß diefer Sohn, diefer Lucas, zwar ein braver Mann w rde 
10 und ſich um fein Vaterland höchſt verdient machen, hierauf aber au 
an ihm jelbit, dem Vater, zum Mörder werden würde. Die Worte, 
welchen der Aft. das Horoscop abgefaßt Hatte, waren: Hoc tempo: 
momento natus vir fortis futurus est, deinde parrieida ; die der Vater de 
Sohne, bis auf das deinde oft ſelbſt vorgejagt hatte, um ihn mit But 
15 auf jich ſelbſt in allen feinen friegrifchen Unternehmungen zu erfül 
So lange fich Lucas noch eben durch feine fonderbare Thaten F 
vorthun fünnen, jchwebte ihm nur die erite Hälfte feines Horofcops, v 4 
fortis futurus est, vor den Augen. Kaum aber fchien er fich durch d 
Sieg über die Tartarn auf die höchſte Stufe feines Ruhmes geftieg 
20 zu jeyn; kaum ſchien ihm von diefer Seite die erite Hälfte feines Horofen] 
erfüllt: als ihm das deinde einfiel, bey welchem fein Vater fich allezı 
unterbrochen. Er jehnte fich unendlich num auch den übrigen Reit jein 
Horoſcops zu erfahren; und weil er aus dem, daß ihm fein Vater d 
jelben bejtändig verſchwieg, jehliefien zu müfjen glaubte, daß er hö 
25 nachtheilig ſeyn müſſe: fo fehlte nicht viel, daß er äußerſt ie finnig 
über geworden wäre. 
Indeß hatte Peters Gemahlin, und Lucas Mutter, Dar B 

linska, wohl bemerkt, welchen Eindruf Anna auf Petern gemacht he 
ob er ſchon nichts anders dabey dachte, als wie er ſie ſeinem ©: 
30 zufreuen möge. Sie fürchtete fein ganzes Herz darüber zu we lier 
und war alſo auf den Einfall gekommen, dieſer ihr, wie ſie — ıbte, 
gefährlichen Liebe alle mögliche Hinderung in den Weg zu legen, in we 
Abſicht ſie ihrem Sohne ſelbſt die Anna gewaltig anprieß, und ihm 
den Fuß gab, fie als die einzige annehmliche Belohnung für feine. 2 
35 thaten von dem gevetteten Königreiche zu verlangen. Ja, als Luca: 
Gehör dazu zu haben fcheinet, und in feiner ganzen Seele ber ein 


- 


Der Boroscop. 46 

















das vollſtändige Horoſcop zu ſchaffen, um ihn hierüber zu beruhigen. 
J Die Mutter hält auch wirklich Wort, und er lieſet das ſchreckliche 
- Parricida. Was bey dieſem Worte in ihm vorgeht iſt zu ermeſſen: fo 
wie in dem Stüde felbft der weitere Erfolg davon zu vernehmen. 


Perfonen. 


Peter Ppalinski. Palatin von Podolien. 

Sidonia Ppalinska. Seine Gemahlin. 

Turas Ppalinski. Deren Sohn und Gaftellan von Greffici. 
Anna Mallalska. 

Auf. Sultan-Galga. 

Amen, ein Murfe. 

Connor, ein Englifcher Arzt. 


Act. I. 
Se. I. 


vor dem Ballajte der Opalinsti. 
Zuzi und Amru. 
Amru — den Zuzi, der ſich freywillig gefangen nehmen Lafjen, 
und ſich für keinen Tartar ſondern für einen wieder befreyten Pohlen 
ausgiebt. Zuzi entdeckt ſich ihm endlich, und Amru ſagt ihm, daß er in 
der Theilung dem Leibarzte des Opalinski zugefallen, der bey dem all— 
gemeinen Aufgebothe Muth genug gehabt, die Waffe mit zu ergreiffen. 


kommt der Arzt Conner 
—F Se. H. 


erfährt, wie es um den Franken Lucas jteht; daß er bejtändig deinceps 


nach andern Batienten.- 
Bi N Se. IH. | 

I“ Worauf Zuzi wieder fümmt und das Geſpräch zwifchen Zuzi und 
Amru fortfährt. 


Gedanke des verjchwiegenen deinde herrjchet: verſpricht ihm die Mutter, 


aus dem Pallaſt und Zuzi entfernt fih. Amru und Connor. Man | 


-10 


Dieſes giebt Gelegenheit auf den jungen Opalinski zu fommen. Indem 


25 


im Munde habe, und melancholiſch zu jeyn fcheine. Connor geht ab, 


30 


— 


374 Theakraliſcher Nachlaß. 





Se. IV. | — 

Im Pallaſt der Opalinski und in einem Zimmer des kranken Opalinsti. J er P- 

Prfer und Turas. — * 

Lucas der ſeinem Vater mit aller Gewalt das ehem — 

5 oder abdringen will: Der Vater geht ab, um diejem Anhalten mi 
ausgejegt zu ſeyn. 












36. V, 
Turaz. 
Der Vater beugt der kommenden Arete aus. 


-. 
—1 


10 Arete Bpalinska. Luxas. 7 
Arete preifet ihrem Sohne die Anna an, und fähe gern, i da 
ſich näher mit ihr verbinde; es fey auf die eine oder auf die ar b 
Lucas weigert fih. Arete, die verfchiedne Urſachen davon t ermu 
berührt verſchiedne nach der Reihe z. E. daß ſie in den Hände 
15 Tartarn geweſen. Lucas leugnet dieſe alle ab. Und da er ihr do 
wenigſtens die Urfache geftehn ſoll, jagt er, daß jeine ——— 
des deinceps, ihn unfähig mache, auf etwas anders zu denken. Si ei 
ſichert ihn darüber zu beruhigen, und ihm das verſiegelte Horoſcop, 
dem ſie wiſſe wo es liege, zu ſchicken. = 


20 Act. II. 
Se. I. 
Turas. a 
— bekömmt das verſiegelte Horoſcop, erbricht und J ⸗ 
erſchrickt. 
25 at LER 


Der Ark. Turas. EN. 

Jener findet feinen Kranken äußerft alterivt. Lucas leitet das 

ſpräch auf die Prophezeyungen, und was ihm der Arzt darü “ 

macht den Lucas noch unruhiger. Er räth ihm, ſich zur Ader — 

30 führt den Lucas ab. —— 

Se. III. N “ 

In einem Zimmer des Peter Opalinsti. J 
Prfer und Anna, nn! 

Anna wi in bejtändiger Schwermuth; und Audit fi 

















Der Borvsxop. NE 375 


heitern. Man erfährt, daß fie für ihren Vater und ihre Brüder in 
©: rgen fteht, nachdem fie ihrem Zuzi entrifjen worden. 


Sc. IV. 
Der Arzt und die vorigen. 

Arzt hinterbringt dem Vater, daß er um den Kranken immer 5 
kümmerter werde. Seine Schwermuth nehme zu, und er rathe, daß 
an ihn jo wenig als möglich allein. lafje. Der Vater geht ab, um 
ſelbſt ein Auge auf ihm zu haben. 


I 


Se. V. 


Der Arzt jagt Annen, was er von feinem Gefangnen, diefer von 10° 
einem eben itzt eingebrachten Tartar gehört: daß die ihrigen noch alle 
! pol und am Leben. Sie ijt begierig diefen Tartar zu ſprechen; umd 
der Arzt verfpricht ihn zu ſchicken. 
9 Act. III. 

Se. I. 15 
Amru und Buzi 


m Vorzimmer der Anna. Anna kömmt und Amru entfernt fich. 


Se. H. 
Zuzi and Anna. 
Er erinnert fie an ihr gegebnes Wort und an die Pfänder 20 
Treue, die er in Händen habe. Die freye Anna wiederhohlt 
hm das Berjprechen, das ihm die gefangne Anna wider Willen gegeben 
= haben ſcheinen könnte. (sehn ao) 
di Fk in dem Zimmer des Lucas. 25 
Peter und der Arzk, und Bedienfe des Turas, 

Peter erfumdiget fich bey dem Arzt und den Bedienten nach Lucas, 
er in dem Cabinete fißt, wo er fich zur Ader gelafjen. Peter erinnert 

ch, daß man dieſes Kabinet von einer andern Seite beobachten könne, 


— er * _ Bi b 30 


376 Theatraliſcher Darhlaf. = 





Se. IV. “z 

Turas, | — 2 
der Kid die Adern aufreifjen und fich verbluten will. Indem inn 
ſich an ſein Feuerrohr, das in dieſer Zeit erfunden war. Er wei 
5 geladen, und will ſich erſchieſſen. ee 









Sc. V. 


Hierüber bricht plöglich fein Vater aus dem Gernach, umb 
ihm aus den Händen reifjen. Das Gewehr geht los, und trift d 
Der Bater fällt. Das ganze Haus kömmt zu Hülfe. 


Pe | ep 
| Se... 
Der Arzl. Lucxas. R 
Der Arzt will den Lucas beruhigen. Und freuet Pr ion f 


ruhiget zu finden. Sie gehn zu dem verwundeten Vater, be 1 
15 ihm der Arzt jehr erfreulich jehildert. 


Sc. II. 
Das Zimmer des alten Dpalinsti. 
- Arefe und Peter. a 
Er will Areten feine Borwürffe machen, daß ſie per Re as 
20 Horoſcop gegeben. Er empfiehlt ihr Annen: und entdeckt ihr, w t E 
Br er mit AR und feinem A ‚gehabt babe. Br 
— —— Ye 
una IH. 20 
Lurax und die vorigen. | S 
Um dem verwundeten Bater das Reden zu erjparen, ſagt er 
25 alles was ihm jener vielleicht ſagen könnte. Er verſichert ihn, d de 
ruhig und gelaſſen ſey; auch ſelbſt wenn mit dem Vater das ? 
gejchehen sollte. Bi: 
Sc. IV. — Mi 
Amru und Zuzi. Br 4 
30 Alles ift in dem Ballafte in der äußerften Beſtürzung; u 
glauben, ſich dem Zimmer der Anna nahen zu dürffen. 


Er 





Der Borosepp. 2.877 





# Se. V. 
Anna nm, von der fich alles entfernt hat, und will fich ſelbſt 
nach dem Alten erkundigen. Sie erblidt den Zuzi, dem fie mit furzen 
* orten ihre Zuſage wiederhohlt und ihn fortſchickt. | 


Se. VI. 
Yuras u Anna, 


— 


* Se. VH. 
vn Zu ihnen Arete, die nun ſchon gegen Annen ganz anders gefinnt 
it, und gern verhüten möchte, daß fich Lucas mit Annen nicht zu ver- 
traut mache. 10 
Br Sc. VII. 
Arefe und Turas. 

2  Arete jagt ihm kurz und gut, was man von ihm argmwohnen- würde, 
‚wenn der Vater ftürbe umd er um Armen werbe, daß er feinen Vater 
vorfeßlich aus dem Wege geichaft. | 15 






Se. IX. 
Diejes fällt dem Lucas auf und bleibt bey jeinem Vorſatze zu ſterben. 


Act. V. 
Be: 7, 


Voerher ein Baar Scenen im Pallaſt, wo man den Tod des Peter erfährt. 20 
: Turas in einer bergichten Gegenv. 
Er iſt früh aufgeftanden , und jucht den Abgrund, in welchem er 
) der Schlacht fein Leben verloren, mit fammt feinem Pferde, wenn 
* einen einzigen Sprung gethan hätte. 


- 


Se. II. 95 
Zuzi und Anna, die entflogen find. 


— —— Br Se. IH. 
Bu ihnen Lucas. 
Lucas erkennt Annen: erregt dem Zuzi Händel, fällt in fein Schwerd 


* 


378 | Theatraliſcher Bachlah. 





Sc. I. 


Amru. Bugi. a 
Die Scene ift vor dem Pallafte der Opalinski. jener von der einen, und Die 
> andern Eeite, “u 


Amru indem er ven Zuzi erblidt erftaunt, BR 2 En 

Der nehmliche! Vollfommen wie er geftern, u 
Hier ebenfall3 herum ſich trieb! Er iſts 
Er ift3, gewiß! Ich ruf ihn an. — Buzi! 
Er thut als hör er nicht! Zuzi! — Er fehrt 

5 Sich von der Stimme; wirft zerjtreute Blick' 
Ins Weite; fängt die Feuereſſen an 
gu zählen: recht! So macht mans allerdings, 
Wenn man nicht hören will. — Er ſoll, er muß 


Mich aber hören! (Er geht auf ihn zu, und Zuzi, der ihn nicht anders als 
blickt ihm Er und gleichgültig ins BR) 


| anzi. Be - J 
Nu? 
Amrun. | 
Sa! wenn er mich 
10 Im Ernjt nicht hört, nicht hören will; jo hab’ 
Sch freylich mich betrogen. Nur nicht erft 
Ceit heut und gejtern — (achte) Zuzi! Sultan Pr 
Bugi. 






Nu? Gilt das mir? 
Amru. SB 
Nicht? wahrlich u: So — 
Nicht übel (esrt ihm nochmals ven Rüden.) 
Buzi. 
— Ihr ſeyd — ja wohl ein Tartar? 
Amru. 
15 Ihr nicht? Ihr nicht? — So nad als Zuzi jüngft 
Im Treffen blieb, ftahl ſich ein böjer Seit i 
In feinen Leichnam? warf ein pohlnisches ı 
Gewand um die zerfegten Glieder? umd | — 
Wil Freund und Feind zum Beſten Hohen? 04. 


aut. x — 
36 
20 Verſteh Euch nicht. — 





>» 




















Amen >, on ur 
: — 3a al ‚plaudern wir? ee 


—— IB. | 
S Bes, Amru! — Denn der bift du Vo? - — 
Amru. (argerlich.) 
ieber, nein! 
BERGE, Bupi. 


So? Dich zu rächen? 
t du — wenn du deiner Seits 
5 nicht fennen willit, jobald du mein 
an a. Ort, in diefer Traht 8 25 


Amen. 
Das it? — Was kann e8 anders jeyn, 
nſre Schande wieder gut zu machen? 
zuſe hen wie am ſicherſten 
Be wieder beyzufommen? 
Bugi. 
i A Fest ſeyn, mein ieziges 30 


5 Amru. 
Und iſt? 
RR augi. 
Und ift ein Mädchen. h 
Amru. 
Dacht 








380 Theatraliſcher Bachlah. 


* — 


D. Faufl. 
J 













Vorſpiel. | 
In einem alten Dome. Der Küfter und ſein Sohn, v 7 
5 zu Mitternacht geläutet, oder läuten wollen. 7 


Die Verſammlung der Teufel, unfichtbar auf den Altare 9— 

und ſich über ihre Angelegenheiten berathſchlagend. Verſchiedne L 

geſchickte Teufel erſcheinen vor dem Beelzebub, Nechenfchaft vom i 

Verrichtungen zu geben. Einer der eine Stadt in Slammen geieh 

10 Andrer der in einem Sturme eine ganze Flotte begraben. We vn 

einem Dritten verlacht, dab fie fich mit folchen Armfeligfeiten abgege 

. Er rühmt fi einen Heiligen verführt zu haben; den er — 

betrinken, und der im Trunke einen Ehebruch und einen Mord E 

Diejes giebt Gelegenheit von Fauſten zu ſprechen, der ſo feicht n 
15 verführen ſeyn möchte. Diefer dritte Teufel nimt es auf fih, und. 

ihn in vier und zwanzig Stunden der Hölle zu überliefern. = 

Idzt, jagt der eine Teufel, figt er noch bey der nähe 

und forjchet in den Tiefen der. Wahrheit. = 
Zu viel Wißbegierde ift ein Fehler; und aus einem Sehfer £ 

20 alle Laſter entjpringen, wenn man ihm zu jehr nachhänget. 

Nach diefem Satze entwirft der Teufel, der. ihn verfüh 

feinen Plan. 


er. 


Erfer Aufzug. 
Erſter Auftritt. 
25 Dauer des Stüds, von Mitternacht zu Mitternacht. 


Fauſt unter ſeinen Büchern bey der Lampe. Schlägt a 
ſchiednen Bweifeln aus der ſcholaſtiſchen eg. Erinnert | 





ı [Mitgeteilt nah der Handichrift aus dem Nachlaffe G. v. Reuſebas, die ſich je 
lihen Bibliothek zu Berlin befindet.] Br 


ba e A A - [ 





— 






















ſoll. Mich er hat es ſchon vielfältigemal verfucht, aber vergebens. Er 
ve es nochmals; eben iſt die rechte Stunde, und lieſet eine Be— 
J 


D. Jauſt. 381 


in efeheter den: — über bes Aristoteles Entelechie citiret haben | 


J———— Zweyter NRufkriktk. 5 
Ein Geiſt jteigt- aus dem Boden, mit langem Barte, in einen 
Mantel gehüllet. 
G. Wer beunrubiget mich? Wo bin ich? it das nicht Licht, was 
ich empfinde ? 
* Fauſt erſchrickt, faßet ſich aber, und vedet den Geiſt an. 10 
7 Wer bift du? Woher kömſt du? Auf weßen Befehl erſcheineſt du? 
6. 3 lag und jchlummerte und träumte, mir war nicht wohl 
richt übel; da raufchte, jo träumte ich, von weiten eine Stimme daher; 
fie kam näher und näher; -Bahall! Bahall! hörte ich, und mit dem 
dritten Bahall, ſtehe ich bier! 15 
8. Aber, wer bift du? 
- © Wer ih bin? Laß mic) bejinnen! Sch bin — ich bin nur 
t kürzlich was ich bin. Diejes Körpers, diefer Glieder, war ich mir 
v um —* bewußt; itzt ꝛc. 
F. Aber wer warſt du? 20 
G. Warit du? 
F. Ja; wer warjt du jonjt, ehedem? 
6. Sonjt? ehedem? 
Er - #. Erinnerſt du dich feiner Boritellungen, die diefem gegenwärtigen, 
nd jenem deinem hinbrütenden Stande vorhergegangen? — 25 
©. Was fagft du mir? Ja, num ſchießt es mir ein — Sch habe 
c Ir "einmal ähnliche Vorjtellungen gehabt. Warte, warte, ob ich den 
saden zurücfinden kann. | 
. 3b will dir zu helffen juchen. Wie hießeſt du? 3 
6. Ich hieß — Ariftoteles. Ja, jo hieß ich. Wie ift mir? 30 






Rn. Rn als ob er fih nun völlig erinnerte und antivortet dem 

Fu u ſpitzigſten Fragen. Dieſer Geiſt iſt der Teufel ſelbſt, der 
1 Fauft zu verführen unternommen. 

a i — ſagt er endlich, ich bin es müde, meinen Verſtand in die 

e nken zurůc zu zwingen. Kg allem, was du mich frageit, 35 





382 Cheatiafifcher Badjlak. 














mag ich nicht länger reden, als ein Menfch, und fann nicht ı it dir 
als ein Geift. Entlaß * ich fühl es, daß ich wieder entſchlumm 


Vriller Nufkrikk. ” e: 
Er verjchwindet, und Fauſt voller Eritaunen und Freude, 
5 Beihwörung ihre Kraft gehabt, jchreitet- zu einer andern, einen 2 


heraufzubringen. , — — 
Vierker Auftete, 


Ein Teufel erſcheinet.“ 
Wer ift der Mächtige, deßen Rufe ich gehorchen muß! © 
10 Sterbliher? Wer lehrte dich dieſe gewaltige orte? N 


III. Priffe Scene des weylen Rufus] u 


; Fauft und fieben Geiler. - 
Jauſt. Ihr? Ihr ſeyd die jchnelleften ie, der Söler 3 
Die Geiſter alle. Wir. J— 

15 Faulft. Seyd ihr alle ſieben gleich — 

Die Geiſter alle. Nein. 
Fauft. Und welcher von euch it * ſchnelleſte ? 
Die Geiſter alle. Der bin ich! J— 
Fauſt. Ein Wunder! daß unter ſieben Teufel nur fen @ 


20 find. — Sch muß euch näher fennen Lernen. — 1 

Der erſte Geil. Das wirft du! Einſt! 7 

Fauft. Einft! Wie meinft du das? Predigen die Teufel auch $ 8 

Der erſte Geiſt. Ja wohl, den verſtockten. — Aber hat te 

nicht auf. wi 
25 Faufl. Wie heiſſeſt du? Und wie ſchnell bift u? 
j Der erſte Geiſt. Du könnteſt eher eine Probe, als eine An 
haben. | Pe: E 


Fauft. Nun wohl. Sieh her; was mache ich ? * 
Der erſte Geiſt. Du fährſt mit deinem Finger J 
30 Flamme des Lichtsh ° a 





1 (Briefe, die neuefte Bitterahir betreffend. VII. Den 16. Februar 1759. Siebzehnter Brief. ©. 
Wieder aufgelegt 1761 und 1767.] 2a 


D. Faufl. 883... 




























3 -  Fauff. Und verbrenne mich nicht. So geh auch du, und fahre 
iebenmal eben jo jchnell durch die Flammen der Hölle, und verbrenne 
dich nicht. — Du verftummft? Du bleibjt? — So prahlen auch die 
2 ufel? Ja, ja; feine Sünde ift jo klein, daß ihr fie euch nehmen Liejjet. 
— Zweyter, wie heifjejt du? 5 
Der wweyte Geiſt. Chil; das ift in eurer langweiligen Sprache: 
Pfeil der Peſt. 
— —— Faufe. Und wie fchnell bift du? 
Der weyle Geiſt. Denkeſt du, daß ich meinen Namen vergebens _ 
ihre? — Wie die Pfeile der Beit. 10 
—— Faufl. Nun jo geh, und diene einem Arzte! Für mich bift du viel 
u langſam. — Du dritter, wie heiſſeſt du? 
Der deifte Geiſt. Ich heiſſe Dilla; denn mich tragen die Flügel 
er Winde. 
-  Fauff. Und du vierter? — 15 
Der vierte Geiſt. Mein Name ift Jutta, denn ich fahre auf den 
Strahlen des Lichte. 
eauſt. D ihr, deren Schnelligkeit in endlichen Zahlen auszudrüden, 
ihr Elenden — 
FF Der fünfte Geiſt. Würdige fie deines Umwillens nicht. Sie find 20 
rue Satans Bothen in der Körperwelt. Wir find e3 in der Welt der 
seifter; ung wirſt du ſchneller finden. | 
—— Fauff. Und wie jchnell bift du? 
Der fünfte Geiſt. So jchnell als die Gedanken des Menjchen. 
Aauſt. Das ift etwas! — Aber nicht immer find die Gedanken des 25 
* ſchnell. Nicht da, wenn Wahrheit und Tugend ſie auffordern. 
ie träge ſind fie alsdenn! — Du kanſt ſchnell ſeyn, wenn du ſchnell 
m willſt; aber wer ſteht mir dafür, daß du es allezeit willſt? Nein, 

ir werde ich jo wenig trauen, al3 ich mir jelbit hätte trauen follen. Ach! 
7 um ſechſten Geifte) Sage du, wie fchnell bit du? — 30 
Der fehlte Geiſt. So ſchnell als die Rache des Rächers. 
= _ Fauft. Des Rächers? Welches Rächers ?. 
== Der ſechſte Griff. Des Gewaltigen, des Schredfichen, der jich allein 
de vorbehielt, weil ihn die Rache vergnügte. — 
rauſt. Teufel! du läſterſt, denn ich ſehe, du zitterſt. — Schnell, 35 
t du, wie die Be. des — Bald hätte ich ihn genennt! Nein, er 


384 Theakraliſcher wachla. 




















werde nicht unter uns genennt! — Schnell wäre ſeine Bade? i | 
— Und ich lebe nah? Und ich fündige hd? — 000000. 
Der fehlte Geilt. Daß er dich noch fündigen läßt, ift fhon 9 

Fauff. Und daß ein Teufel mich diefes [ehren muß! — 9 - 

5 erſt heute! Nein, feine Rache ift nicht Ächnell, und wenn du hi ch 
biſt als ſeine Rache, jo geh nur. (sum ſiebenden Seife) — Wie ſchnell 
Der ſiebende Geiſt. Unzuvergnügender En wo au 


nicht jchnell genug bin — — R - 
Fauft. So jage; wie jchnell ? Be 

10 Per Trebende Geiſt. Nicht BAER und nicht weniger, als ber 1 
- gang vom Guten zum Böjen. — Be 


ea, 


Fauft. Ha! du biſt mein Teufel! So schnell als der U 
vom Guten zum Böſen! — Sa, der ift ſchnell; schneller — 
der! — Weg. von hier, ihr Schnecken des Orcus! Weg! - — A Ri 

15 Uebergang vom Guten zum Böfen! Sch habe es erfahren, wie ſe . 
it! Sch habe es erfahren! ꝛc. — — J 


— — 


II. Schreiben über Leßings verlohren gegangenen He 


Bom Hauptmann von Blankenburg. AR E:: 


Sie wünjchen, mein theurejter Freund, eine Nachricht von - m 

20 lohren gegangenen Fauſt des verſtorbenen Leßings zu erhalten; 
davon weiß, theile ich Ihnen um defto lieber mit, da, mit mein em W 
nicht Eine Zeile, nicht Eine Idee dieſes großen, und immer * h 
genug gekannten, ja oft ſogar muthwillig verkannten Mannes, 
gehen ſollte. Verlohren, gänzlich verlohren könnte zwar viellei 
25 Fauſt nicht ſeyn; — — und zu fürchten iſt denn auch nicht, de 
ein Anderer mit dieſer Feder ſich ſollte ſchmücken wollen, der 9 vun 
entdeckt werden würde; denn was man von den Verfen des Homer 
den Ideen des Shafespearg jagt, gilt mit eben jo vielem Rechte 
Arbeiten Leßings, und der verlohren gegangene Fauft gehört 3 
30 aber wer weiß, wenn und wie, und ob das ea —— 


» 





1 [Litteratur und Völkerkunde. Ein periodifches Bert. ante ber Sinn @ 
1784. Julius 1784. ©. 82—84.] 


x 


’ - 


2. Jauſt. — 385 








dieſem Werke zu Geſichte bekömmt? und ſo Sie ihm denn einſt— 
weilig mit, was ich weiß. 

Daß Leßing vor vielen Jahren ſchon an einem Fauſt gearbeitet 
hatte, wifjen wir aus den Litteraturbriefen. Aber, jo viel mir befannt iſt, 
unternahm er die Umarbeitung — vielleicht auch nur die Vollendung — 5 

feiner Arbeit zu einer Zeit, wo aus allen Zipfeln Deutjchlands Faufte 
angekündigt wurden, und fein Werk war, meines Wifjens, fertig." Man 
— Hat mir mit Gewißheit erzählt, daß er, um es herauszugeben, nur auf 
die Erjeheinung der übrigen Faufte gewartet habe. — Er hatte es bey 
ſich, da er von Wolfenbüttel eine Reife nach Dreßden machte; hier über- 10 
gab er es in einem Käftchen, in welchem noch mehrere Papiere und andere 
- Sachen waren, einem Fuhrmann, der diejes Käftchen einem feiner Ver— 
- wandten in Leipzig, dem Kaufmann Hrn. Leßing, einliefern, und diejer 
ſollte e8 dann weiter nach Wolfenbüttel bejorgen. Aber das Käjtchen 
- Fam nicht; der wirdige Mann, an welchen e3 gejchieft werden jollte, er= 15 
\ kundigte fich forgfältig, jchrieb jelbit deswegen an Leßing u. ſ. w.? Aber 
das Käftchen blieb aus — und der Himmel weiß, in welche Hände es 
3 gerathen, oder wo e3 noch verjteckt it? — Es jey wo es wolle, hier ift 
mindeſten das Stelet von feinem Fauſt! Br 
Die Scene eröfnet fich mit einer Conferenz der hölliichen Geifter, 20 
in welcher die Subalternen dem Oberjten der Teufel Nechenjchaft von 
ihren auf der Erde unternommenen und ausgeführten Arbeiten ablegen. 
Denken Sie, was ein Mann, wie Lehing, von diefem Stoffe zu machen 
weiß! — Der leßtere, welcher von den Unterteufeln erjcheint, berichtet: 
daß er wenigstens einen Mann auf der Erde gefunden habe, welchem 25 
nun gar nicht beyzufommen ſey; er habe feine Leidenjchaft, feine Schwach- 
beit; in der nähern Unterfuchung diefer Nachricht wird Fauſt's Character 
immer mehr entwickelt; und auf die Nachfragen nach allen ſeinen Trieben 
md Neigungen antwortet endlich der Geift: er hat nur einen Trieb, 
nur eine Neigung; einen unauslöfchlihen Durſt nach Wiſſenſchaften und 30 


— 
+. 





RT.) weiß zuverläßig, daß er zwey verjchiedene Plane entivorfen; und einer jeiner Freunde hat 
——B bier in Breslau zwölf Bogen dieſes Trauerſpiels im Manuſeripte ſelbſt durchgeleſen 
zu haben.“ Karl G. Leſſing 1786 in der Vorrede zum zweiten Teile des theatraliſchen Nachlaſſes 
S. XXXIX.] 2 [„Dieje Kiſte gieng nicht bey dem Herrn Kaufmann Leßing in Leipzig, ſon— 
I 3 dern bey dem Herrn Buchhändler Gebler aus Braunfchiveig, der fich auf der Leipziger Mefje damals 
befand, verlohren. Er jollte jie nach der Adrefje mit nah Braunſchweig nehmen, und bis zur 
Zurückkunft meines Bruders aus Italien bewahren.” Karl G. —— ebenda ©. XLI f.] 


Leffing, ſämtliche Schriften. III. 25 





386 | Iheafralilcher Badhlah. 


























Kenntniß — Ha! ruft der Oberite der Teufel aus, dann it er = mei 
und auf immer mein, und ficherer mein, al3 bey jeder andern % 
ſchaft! — Sie werden ohne mein Zuthun fühlen, was alles ind 
Idee liegt; vielleicht wäre fie ein wenig zu bögartig, wenn die 2 ö 

5 des Stückes nicht-die Menjchheit beruhigte. Aber urtheilen Sie jel 
wie viel dramatisches Intereffe dadurch in das Stück gebracht, = ; 
der Leſer bis zur Angſt beunruhigt werden müſſe. — Nun 
ftophiles Auftrag und Anweifung, was und wie er es anzufangen 
um den armen Fauft zu fangen; in den folgenden Akten Ge — 

10 vollendet er, dem Scheine nach, ſein Werk; hier kann ich — i 
beitimmten Punkt angeben; aber die Größe, der Reichthum des 7 Feri 
befonders für einen Mann wie Leßing, ift unüberjehlih. — — Ge 
die hölliſchen Heerjchaaren glauben ihre Arbeit vollbracht zu habe 
ftimmen im fünften Acte Triumphlieder an — wie eine Erſcheinu a 

15 der Oberwelt fie auf die umerwartetfte, und doch natürlichſte, und k 
für jeden beruhigendfte Art unterbricht: „Triumphirt nicht,“ Be hm 
der Engel zu, „ihr habt nicht über Menfchheit und Wiffenjchaft a 
„die Gottheit hat dem Menjchen nicht den edelften der Triebe ieh e 
- „um ihn ewig unglücklich zu machen; was ihr ſahet, und jeßt zu I 

20 „glaubt, war nicht? al3 ein Phantom. —* - 

So wenig, mein theuerfter Freund! dies auch, was ich Ihn 
theilen fann, immer ift; jo jehr verdient eg, meines Bedünfens, * d 
aufbewahrt zu werden. Machen Sie nach Belieben Gebrauch —— 


Leipzig, v. Blanfenbur q 
25 am 14ten May 1784. 3— 


— 
— 


IV. An den Berausgeber des theakraliſchen Nachla N 


Es ift ganz wahr, liebiter Freund, daß Ihr feliger vortre 

Bruder mir verjchiedene jeiner Ideen zu theatralifchen Stücken mitge 
hat. Aber das ift num ſchon jo lange her; die Pläne ſelbſt wa 
.30 wenig ausgeführt oder wurden mir doch jo unvollitändig erzehlt, 
nicht3 mehr in meinem Gedächtnis davon zufammenfinde, was de3 9 
ſchreibens, geſchweige denn des Öffentlichen Befanntmacheng, wert 
Bon feinem Faust indeffen, um den Sie mich vorzüglich fragen, 




















D. Yauff. ne 387 








ich noch diefes und jenes; wenigjtens erinnere ich mich im Allgemeinen 
der Anlage der erjten Scene und der lezten Hauptwendung derjelben. 
2 Das Theater jtellt in diefer Scene eine zerjtörte gothiſche Kirche 
vor, mit einem Hauptaltar und ſechs Nebenaltären. Zeritörung der Werfe 
Gottes ift Satans Wolluft; Ruinen eines Tempels, wo ehemals der 5 
Allgütige verehrt ward, find jeine Lieblingswohnung. Eben hier aljo ift 

) Berfammlungsort der hölliichen Geister zu ihren Berathichlagungen. 
Satan jelbit hat feinen Sit auf dem Hauptaltar; auf die Nebenaltäre 
fin die übrigen Teufel zeritreut. Alle aber bleiben dem Auge unficht: 
bar; nur ihre rauhen mißtönenden Stimmen werden gehört. Satan fodert 10 
Rechenſchaft von den Thaten, welche die übrigen Teufel ausgeführt haben; 
it mit diefen zufrieden, mit jenen unzufrieden. — Da das Wenige, defjen 
ich mich aus diefer Scene erinnere, jo einzeln und abgerifjen, ohne alle 
Wirkung jeyn würde; jo wage ichs, die Lücken dazwijchen zu füllen und 
die ganze Scene hieherzumerfen. — 15 
Salan. Rede, du Erſter! Gieb ung Bericht, was du gethan haft! 
Erſter Teufel. Satan! Ich ſah eine Wolfe am Himmel; die trug 
Beritörung in ihrem Schooß: da ſchwang ich mich auf zu ihr, barg mich 

in ihre jchwärzeftes Dunkel und trieb fie, und hielt mit ihr über der Hütte 
eines frommen Armen, der bey jeinem Weibe im erften Schlummer ruhte. 20 
Bier zerriß ich die Wolfe und ſchüttete all’ ihre Gluth auf die Hütte, 
daß die lichte Lohe emporſchlug und alle Haabe des Elenden ihr Raub 
ward. — Das war Alles, was ich vermogte, Satan. Denn ihn ſelbſt, 
jeine jammernden Kinder, jein Weib; die riß Gottes Engel noch aus 

dem Feuer, und als ich den ſah — entfloh id). 95 
Satan. Elender! Feiger! — Und du jagit, e8 war eines Armen, 
es war eine Frommen Hütte? 

Br Erfker Teufel. Eines Frommen und eines Armen, Satan. Sezt 
iſt er nat und bloß und verloren. 

Fu BSalan. Für uns! Sa, das ift er auf ewig. Nimm dem Reichen 30 
9 ſ in Gold, daß er verzweifle, und ſchütt' es auf den Heerd des Armen, 
daß es ſein Herz verführe: dann haben wir zwiefachen Gewinn! Den 
fre nmen Armen noch ärmer machen, das knüpft ihn nur deſto feſter an 
Gott. — — Rede, du Zweyter! Gieb uns beffern Bericht! f 
weyler Teufel. Das kann ih, Satan. — Ich ging aufs Meer 35 
um ſuchte mir einen Sturm, mit dem ich verderben fünnte, und fand 





388 | Iheafralifcher Barhlap. 


























ihn: da jchallten, indem ich dem Ufer zuflog, wilde Flüche zu wir 
und als ich niederfah, fand ich eine Flotte mit Wuchrern fegeln. Schu 
wuühlt' ich mich mit dem Orcan in die Tiefe, Eletterte an der chäumer 
Woge wieder gen Himmel — — Pr 
5 Sabkan. Und erjäufteit fie in der Fluth? 
Aweyfer Teufel. Daß nicht Einer entging! Die ganze Si 
riß ich, und alle Seelen, die jie trug, find num dein. er 
Salan. Berräther! diefe waren jchon mein. Aber, fie in 
Fuchs und Verderbens noch mehr über die Erde gebracht; hätten a 
10 fremden Küsten geraubt, gejchändet, gemordet; hätten neue Reize © 
den von Welttheil zu Welttheil geführt: und das alles — das i 
hin und verloren! — D, du follit mir zurüd in die Hölle, Teuf ifel; 
zerſtörſt nur mein Reich. — — Rede, du Dritter! Fuhrſt auch du 
Wolken und Stürmen? | En 
15 Prikter Teufel. So hoch fliegt mein Geist nicht, Satan: ich fiel 
das Schrekliche nicht. Mein ganzes Dichten ift Wolluft. | J 

Sakan. Da biſt du nur um ſo ſchrecklicher für die Selen! 

Pritter Teufel. Ich jah eine Buhlerinn ſchlummern; die wälzt te 
halb träumend halb wachend in ihren Begierden, und ich ſchlich Hin 
20 ihr Lager. Aufmerkſam lauſcht' ich auf jeden Zug ihres Sheet 
ihr in die Seele auf jede wollüftige Phantafie; und endlich — da € 
ich glücklich das Lieblingsbild, das ihren Bujen am höchſten ſchn td 
Aus diefem Bilde jchuf ich mir eine Geftalt, eine jchlanfe, ner 
blühende Jünglingsgeitalt: und in der — — | si 
25 Satan. (chnel) Naubteit du einem Mädchen die Unihule? 
Dritter Teufel. Raubt' ich einer noch unberührten Schönhei 
den eriten Kuß. Weiter trieb ich fie nicht. — Aber jey * 
ihr nun eine Flamme ins Blut gehaucht; die giebt ſie dem ae 
führer preis, und diefem jpart’ ich die Sünde. Sit Yan n 
30 führt var P — 
Satan. So haben wir Opfer auf Opfer; denn fie wirden 
verführen. — Ha gut! In deiner That ift doch Abſicht. —n— 
ihr Erſten! ihr Elenden, die- ihr nur Verderben in der ei " 
ftiftet! Diefer hier ftiftet Verderben in der Welt der Seelen; 
35 der bejjere Teufel. — — S an, du Vierter! Was haſt d 

gethan? 


2. Fauſt. | 389 
























| vierker Teufel, Keine, Satan. — Aber einen Gedanken gedacht, 
der, wenn er That würde, aller Jener Thaten zu Boden fchlüge. 
Safan. Der it? — 


den, einfamen Jüngling, ganz der Weisheit ergeben; ganz nur für fie 
athmend, für fie empfindend; jeder Leidenschaft abjagend, aufjer der 

| einzigen für die Wahrheit; dir und uns allen gefährlich, wenn er einft 
Lehrer de3 Volks würde — den ihm zu rauben, Satan! 

Salan. Treflih! Herrlich! Und dein Entwurf? — 

Vierter Teufel. Sieh, ich knirſche; ich habe feinen. — Ich ſchlich 

von allen Seiten um feine Seele; aber ich fand feine Schwäche, bey der 

ich ihn faffen könnte. 

J Satan. Thor! hat er nicht Wißbegierde? 

Dierfer Teufel. Mehr, als irgend ein Sterblicher. 

| Satan. So laß ihn nur mir über! Das ift genug zum Ber- 

derben. — — 

Und nun ist Satan viel zu voll von feinem Entwurfe, als daß er 


der ganzen Verfammlung auf; alle jollen ihm zur Ausführung feiner 
großen Abfichten beyftehn. Des Erfolgs hält er bey den Hilfsmitteln, 
die ihm Macht und Lift geben, ſich völlig verfichert. Aber der Engel 
der Vorſehung, der unfichtbar über den Ruinen geſchwebt hat, verfündiget 
uns die Fruchtloſigkeit der Beſtrebungen Satans, mit den feyerlich aber 
ſanft geſprochenen Worten, die aus der Höhe herabſchallen: Ihr ſollt 
nicht fiegen! — — 

J So ſonderbar, wie der Entwurf dieſer erſten Scene, iſt der Ent— 
wurf des ganzen Stücks. Der Jüngling, den Satan zu verführen ſucht, 
it, wie Sie gleich werden errathen haben, Fauſt; diefen Fauſt begräbt 


Phantom, womit die Teufel jo lange ihr Spiel treiben, bi3 es in dem 
- Augenblid, da fie ſich feiner völlig verfichern wollen, verſchwindet. Alles, 
was mit diefem Phantome vorgeht, ift Traumgeficht für den jchlafenden 
wirklichen Fauſt: diefer erwacht, da ſchon die Teufel ſich ſchamvoll und 
; wütend entfernt haben, und dankt der Vorſehung für die Warnung, die 
fie durch einen jo lehrreichen Traum ihm hat geben wollen. — Er ift 


: jezt feſter in Wahrheit und Tugend, als jemals. Yon der Art, wie die 


vierter Teufel. Gott feinen Liebling zu rauben. — Einen denfen- 


der Engel in einen tiefen Schlummer, und erjchafft an feiner Stelle ein. 


10 


15 


noch den Bericht der übrigen Teufel follte hören wollen. Er bricht mit 


20 


35 


390 Theakraliſcher Vachlaß. 

Teufel den Plan der Verführung anſpinnen und eoitfüßene 

feine Nachricht von mir erwarten: ich weiß nicht, ob mid hier m 4 
Erzählung Ihres, Bruder oder mehr mein Gedächtniß verl ßt; * 
wirklich liegt alles, was mir davon vorſchwebt, zu tief im Dunkeln 

5 daß ich hoffen dürfte, es wieder ans Licht zu ziehen. fi —— 
Ich bin u. 5 mia — 










** * 
Phakime. 
Abdallah. 
10 Eu Phatime, 
Ibrahim. 
Sklave. 


86. I. 
Abrahim. Phafime. Br 
45 Es heißt, daß Abdalla angekommen. Sie haben einen Sttanen 
den Hafen geſchickt jich danach zu erfundigen. Die Zeit feiner beſ⸗ 
lichen Aufſicht iſt en vorüber. 
Se. I. 


- 


N Der Sflave beftätiget die Ankunft des Apdallah. 
20 Se. HI. 


Ibrahim erregt Phatime, ihn mit aller Hitze der Sie 
pfangen. Er weis nicht Worte gnug zu finden, ihr die Liebe —* 

zu beſchreiben; und verräth * va das Geheimniß. Er « 
entgegen. | 4 Er | 

2 | ‚Se. IV. | EN 
Phatime allein. Exrbittert, über das was fie erfahren? | 


user. V. 


Abdallah, voll Feuer und Inbrunſt fie wieder zu De 
pfängt ihn falt. Er klagt, weint, tobet, Beabel verjpricht — Mr 


Phafime. | ' 391 





er und er geht ruhig ab; zum Ausſchiffen Befehl zu 















Se. v1. 


—9— Phatime erſt allein. Ibrahim tommt, und hat den Unwillen des 
u bemerkt. Sie dringt ihm, unter Drohungen, das Gift ab. 5 


6. VII 
Er hohlt e8, — giebt es ihr, nachdem er die — davon zu⸗ 
f behalten. 
Sc. VIL. 
Abdallah zu ihnen; er jchikt den Ibrahim —* um das übrige zu 10 
seforgen. 
80.1 IX; 


Abpallah. Phatime. 
Sie macht ihm, wegen des Aufgetragenen, bittere Vorwürfe. 
; geräth in Wuth. Wirft ihr vor, daß fie das Geheimniß nicht umfonjt von 15 
dem Ibrahim werde erfahren haben. Geht wüthend ab, ihn aufzufuchen. 
Se. X. 
Eutſchluß der Bhatime. Ein Sklave bringt ihr eine Schale |. . .]' 
nimt das Gift darinn. | 

—* Sc. X. 20 
Abpalla. Phatime. Ein Sklave, 
9 Sklave. Ibrahim ließ es fragen. Was willſt du, Herr, daß mit 

en Gefangenen geſchehen ſoll, die ſich auf deinem Schiffe befinden. 

Abdalla. Er ſoll ſie ermorden. 
ee Br Sklave. Alle ? 25 


J 


r O der Wütrich! der Unmenſch! 
Bl Mn wieder, Sklave! — Gieb bie RER 
Uave. Alle? - 


A Theatraliſcher Pachlaßz. 





Abdalla, Freylich, weiß ich es nicht! Doc, Sklave! Gieb 
ermorde fie; mache was du willſt. Geh — 


‚Se. XI. | — 


Abdallah. Phatkime. — 3 
5 Geht! ab den Mervan zu ſuchen. ss 
Se. RIE:* 1% 01:4. 26 
Phatime nimt Gift. 
Sc. XIH. 
Abdallah. Phatime. 
10 Bittere nicht, mein Herz, zittere nit. Es gilt nicht dir. 
dem Abdallah! ; ; 
Se. XIV. n — 


Sie bringen den Mervan geführt. 
Abdallah. Wo bijt du Verräther? | 
15 Mervan. Wo ich nicht lange mehr jeyn werde. 








Lehte Scene. ii — 
Phakime. Wie freue ich mich, dich zum Gefehrten zu haben. 
werden Einen Weg gehen. Wir werden zu einer Zeit vor dem % 
des Propheten erjcheinen. Ah, er war ein begrer Mann, als * 
20 folger find! Er wird meine Klage hören; und du Ibrahim w 
unterjtügen — — Ad — — a 
Abdallah. Eure Klage! Schon recht. Der Beklagte vird 
erſcheinen. | “ ; 
Phafime. Sch fterbe. 
25 Ibrahim. Es ift aus. Be. 
Abdallah. Sie fterben! — Ihre lage geht an. — — 
ich werde gefordert! — Ich komme! Sie werden mich verklagen, 
du, Prophet, mich verdammen. Er durchſticht ſich. 





1 [Dies und die folgenden zehn Zeilen ſcheinen erſt ſpäter beigefügt zu ſein.] 


Fattiwe: : F 393 





“Fatime. 
Gin Trauerlpiel. 


Perfonen. 


Fatime, 
Abdallah: 
Mervan. 


1759. 
ang. den 5. Auguſt. 


Erſter Rubkkriktk. 


Mervan. Jatime. 

J— “NEE (der zu Fatimen in das Zimmer tritt.) Erwünſchte, freudige Nach⸗ 

icht! Hat man ſie dir ſchon hinterbracht, Fatime? — Glückliche Fatime! 

ein Abdallah kömmt zurück. 

Jatime. Ach! — 

Mervan. Er iſt mit Aufgang der Sonne auf der Höhe erſchienen. 

Hünftige Winde jchwellen feine Segel; feine Beute treibt vor ihm her; 

ni der begrüßende Donner feiner Kartaunen wird immer vernehmlicher. 
toch wenige Augenblicke, Fatime, und du jchließeit den feurigjten Lieb- 

wieder in deine Arme. 

Jatime. Ah! — 

Mervan. Du ſeufzeſt? — Und diefe Thräne! Fatime, du weineſt? 

Ich entſetzte mich vergebens. Du weineſt; aber du weineſt vor Freuden. 

dein Freude war immer eine jehr jtille, eine melancholiiche Freude. 

’ R _ Fafime. Sreude? — O nenne mir das nicht, was ich auf ewig 

ıt muß. 

Fr ——— Fatime! 

ratime. Und wäre diefe Entbehrung mein —— Unglück! Man 

h ſehr glücklich, wenn man bloß nicht glücklich iſt. 

F —— — eine Sprache! Was iſt dir? Was befürchteſt du? 
— 1 gi flicher, wenn ich dem Abdallah dich mißvergnügt über⸗ 30 
























10 


25 


— 


394 Cheatraliſcher Bachlap. 





















gegen dich zurechnen. Er wird glauben, daß ich mich dir, in 9— 
weſenheit, als einen Tyrannen, und nicht als den gefälligen, freun 
lichen Aufſeher erwieſen, zu dem mich ſein ah, fähig hielt. 
kennſt ihn ja, wie argwöhniſch er iſt — 
5 Fafime. Iſt Abdallah jo argwöhniſch? | 
Mervan. Das fragit du noch, Fatime? ; — 
Fatime. Sey ohne Sorgen, rechtſchaffner Mervan! Deme hnge 
joll er auf einen ſolchen Argwohn gegen dich nie gerathen; ich w is ſ 
wie ich das verhüten muß. Ich will ihm jo viel Gutes von dir erzeh 
10 ich will deine mir erwieſenen Dienfte fo rühmen; ich will did, feiner erk 
lichen Großmuth fo oft, jo innig, jo dringend, jo feurig empfehlen; ch 
es ihm unendlichmal wiederhohlen, daß kein Vater, kein Bruder gegen 
liebreicher ſeyn können; daß du dich allen meinen Wünſchen günſtig 
vorkommender erwieſen, als der innbrünſtigſte Liebhaber; daß - 
15 Mervan. Um des Himmels Willen, Fatime! — So haft du me 
Berderben geſchworen? Womit habe ich das verfchuldet? — Als % er 
brünftigite Liebhaber! — Enthalte dich dieſes ſchrecklichen Worts von ı 
Wenn du auch einen noch jo unſchuldigen Sinn damit ver bin 
weißt ja, wie eyferſüchtig er it — 3 | Be 
20 Fafime. Iſt Abdallah jo eyferfüchtig? Bm - 
Mervan. Und auch das fragjt du noch, Fatime? ee 
Fatime. Ich fragte beydes, Mervan, um mich aus deinem ei 
Munde zu entjchuldigen. — Diejer argwöhniſche, dieſer eferfüchtige 
daallah kömmt wieder! 
25 Mervan. Sey nicht ungerecht, Fatime! — 
Fafime. Und du, ſey nicht grauſam; und laß — wei en! 
Mervan. Diejer enferfüchtige Abdallah ift ſonſt der veblichite 9 


der bs Freund — 9— 
Zweyker Aufteitt e * 
——— Fafime. Mervan. Ein Sklave. e. — 
Der Sklave. Ich verkündige euch die Ankunft des Abdallah. 


tritt er ans Land! , > 
Fatime. Itzt ſchon? 2 ha 
Mervan. Faße dich, Fatime! La einen verrätheriie 

35 nicht jo tief in deiner Seele leſen. ; 


Satime. 395 








































Der Sklave. Das Schreden des Meeres! Die Geißel der Ungläu- 
bigen! Er fümmt als Sieger, und drey eroberte Schiffe führen die Keich- - 
thümer von ihm verheerter Küften. Die Männer der Stadt jtürzen aus dem 
Shore, und empfangen ihn mit Jauchzen. Das jahe ich, und eilte mich 
mit dem Anblide einer noch größern und veinern Freude zu bejeligen; 5 
f en Entzüden feiner Fatime — Aber (indem er fie ernſtlich betrachtet) 

Mi Mervan. Aber was weis ein Sklave, wie edlere Seelen fich freuen. 
Se 

er Pritfer Auftrift. 


| Mervan. Fatime. 10 
* Mervan. Fatime! Fatime! — Noch iſt es Zeit; noch kannſt du 
uns retten! Hemme dieſe Thränen; erſticke dieſe Seufzer; und ruffe die 
euterkeit, wo nicht in deine Seele, wenigſtens auf dein Geſicht zurück. 
8 eitelle dich — Ach! was muß ich dir rathen, ich Unglüclicher! 
Jalime. 15 


Bi 


Wir kommen — 
1 - Euch zu jehn, iſt mir jehr lieb, 
Sch: angenehm. Nichts fünnte mir jo lieb, 
ht8 angenehmer jeyn, ‚es wäre denn — 
uch nicht zu jehn. Wozu auch diefer Zwang ? 
Osmanns Geboth, dir Fürſtin ſeines Herzen, 5 
Di ‚ jeiner Auserwählteſten von uns, 
Mit jedem Morgen unjrer Ehrfurcht Opfer 
1 Bogen; dir den öden langen Tag 
Indeß jein Schwerd von den Ungläubigen | 
i Zoll des Meers in fernen Wäßern hebt) 10 
Nit Freundſchaft und Geſpräch, mit Scherz und Spiel 
Zu füllen, zu verfürzen: dieß Geboth — 
* ſein Mannsbild! den tyranniſchen 
durzſichtigen Gebiether! — Nicht genug, 
x ehmals gleich vertheilten Lieb euch alle, 15 
eine, zu berauben; ſoll der einen, 
Ihr, die ſein Eigenſinn zur Glücklichſten — 
(Zur Glücklichſten! wofür ich leider gelte!) 


De? 


396 Theakraliſcher Bachlap. 





Nicht ihr Verdienſt zur Beiten macht, der einen 

20 Soll von euch allen noch gefeyret, noch | 
Gefchmeichelt werden? Eiferfucht focht Gift 
Am eitervollen Herzen; erſtickter Neid 
Preßt Gall und Fluch auf die verbißne Zunge: 
Und doch Toll Honig vom den Lippen fließen, 

25 Und Scherz und Freundfchaft aus den Augen lachen, 
Die gern des Bafilisfen Vorrecht übten, 

Und gern mit.jedem Strahl mic tödteten? ee 
Sch kenn euch, Schweitern; denn ich Fenne mid). 
Ihr jeyd mir unausftehlich, weil ich euch 
30 Es jeyn muß; und ich haß euch, denn ich fühl, 
Sch fühl es, daß ihre mich nicht ‚Lieben könnt. 
Nicht fünnen? 
Nein, nicht könnt! 
Fürwahr — 
Fürwahr, 
Daß du es wenigſtens nicht kannſt, das ſpricht 
Schon dieſer hönſche Ton, ſchon dieſe Mine, 
35 Die auch den ſchönſten Mund verzerren würde. 
Auch deinen! Nicht? Du irreſt dich in mir 
Ich könnte dich nicht lieben? Ich nicht? Bloß 
Daß du ſo ſehr gerecht biſt gegen dich 
Und uns, blos darum könnt ich dich ſchon lieben, 
40 Wär ſonſt auch gar nichts liebenswerth an dir. 
Fahr nur ſo fort! Wer heute mich erbittert 
Der thut mir einen Dienſt. Du kannſt ſo wild 
Mich ſchwerlich machen, als ich heut gern wäre. 
Was iſt dir, theure, liebſte Buſenfreundin? 

45 Was willſt du, theure, liebſte Buſen — ſchlange? 
Dein ſanftes Aug iſt blau, dein Herz iſt ſchwarz; 
Dein Mund kan lächeln, wenn die Zähne knirſchen; 
Harmoniſche Bezauberungen ſpricht 
Die glatte Zunge, ſpricht Verderben, das 
50 Im Hinterhalt des Doppelſinnes laurt. 

Schweig! Lieber will ich noch von der gekränkt, 





a 397 



























Jöhnet va als Tiebgefojt von dir. 
Me Prinzeſſin — 

Nannte man dich ſo 
3 du der Liebling unjer3 Bajja wareſt? 
Q > wit dus noch! Prinzeſſin, Königin, 55 \ 
Sollt ich dich gern beym dritten Worte nennen, 
| U id tief dabey, tief bis in Staub, mich bücken. 
Dehn nur den majejtätichen Hals, und führ 
® großen Augen langjam rund umher! 
Im Schwindel deiner vorgen Höh, der noch 60 
Dich nicht verlaßen, mag ich leicht 
Dir viel zu unwerth jcheinen, diefen Pla 
Nach dir, Prinzeffin, zu beffeiden. Doch) 
Ich mag auch nicht mit dir zu mefjen, zu 
Vergleichen ſeyn; man mißet und vergleicht 65 
Nur ähnliches — Spricht feine mehr ein Wort? 
Ich mag mein Lob nicht hören, ich! 

Und nun? 

ä da ſtehn ſie! Was iſt euch befohlen? Was? 
6 Sejellichaft mir zu leiften? jtumme? Wenn 
Ich wieder ruhig, wieder kalt joll werden, 70 
= würd ichs lieber wohl allein. — O gebt! 
Ich bitt euch, geht! — Was giebt ein Sflav auf Bitten? — 
j Sa! Wollt ihr die Erniedrigung ertrogen, 
E Dab eure NebenSklavin euch befiehlt ? 
En ich befehl euch: geht! — Ihr wit, wie viel 75 
) über ihn vermag. Er fümmt nun bald, 
) dann! — Gehorcht, wo nicht — Da friechen fie! 
— kommt doch nur! ha! ha! 
Gelacht? Verlacht? 
$ Bart du e8, Jaffith? | 
= | Ja! 


Auftritt II. 
Bleib hier! Du ladjit, 
u sit win * die Redlichſte. 





398 Cheatraliſcher athlah. 
80 | Das bin 
Ich auch. 
Bleib bier! Und warum lacht du? 
Beil 
Sch Leichtlih Tach, und Lachen mir bekömmt. 
Doch lachſt du doch wohl nicht jo wie du gähnit, 
Sp wie du Athem hohlſt? Ohn äußern Anlaß — 
85 Was brachte dich sum Lachen ? 
Darnach fragit du? 
Das Lächerliche, glaub ich; denn das macht 
Zu laden — 
Und wo war das Lacherlche⸗ 
An euch? an mir? 
= Laß jehn! Es war doch wohl 
An — dir! 
An mir? 
Was dünket dich Fatime? 
90 Wär nicht ein kleines, ſchwaches, weißes Taubchen 
Mit großen ſcharffen Uhuhsklauen, mit 
Gekrümmtem ſpitzen Adlerſchnabel, wär 
So ein Geſchöpf der wilden Phantaſie 
Des Mahlers, in der weiſeren Natur 
95 Ein Unding, wohl nicht ein —— zum Enden? ? 
Nun denn? 
Erfennft du dich, mein Taubchen, mein 
Berftelltes Täubchen? Oder willft du auch, Be: 
So wie die wahre Taube vor dem Spiegel, 
Dich gegen dein getreues Abbild jträuben, 
100 Und mit dem kleinen Schnabel darnach baden? 
Die närriſchen Gefihter! Ich muß laden. 
Denn jede, wett ich, figet num zu Winkel, 
Wägt deinen Zorn und zittert Findifcher, 
Als du gedroht. Dein Zorn! Du zornig? Du? 
. 105 Dein Horn it Laune; launiſch fanjt du jeyn, 
Nicht zornig. Und dein Drohn! Die Nachtigall, 
Sie will aus ihrer fleinen Kehle donnern. 





Alribiades. | 399 























er drot a mil, ler zu hegen wißen. 

du das? Dir ſteht das — ſo 

e mir das Weinen. | 
Br Kanft du gar nicht weinen? 110 

tein, aber auch nicht — weinen jehn. Du weinſt? 





"Alkibiades. 
Erſter Aufzun. 


Erſter Aufteitt. 


Alribiades, Sulamithres. (Zaris) 


Die zärtliche Freundſchaft des Alcibiades gegen den Sujamithres, 5 
feich die Eiferfucht feines Waters, des Pharnabaz, zum EIN daran 

uld iſt, daß er den Hof verlaßen. 

— Su. Das weis ich, mein Vater iſt ehrgeitzig. 

Alei. Und weßen iſt ein Ehrgeitziger nicht fähig; wie der größten 

I — ſo der ſchändlichſten Laſter, mit dem Unterſcheide nur, daß dieſe 10 
ſter ganz unfehlbare Laſter, und jene Tugenden ſehr zweifelhafte Tugen— 
find, — Wie jpät habe ich das erkennen lernen! Daß ich es nicht 
erkannt, lag an dir nicht, göttlicher Sokrates! Mit welcher lebenden 
igfeit verfolgteft dur meine Jugend, um mich zur Kenntniß meiner 

f, meiner eignen Unwürdigkeit zu bringen, um den Stolz in mir zu 15 
ER.” 

m "gm der. Ebene von Perſepolis, Elymais) an dem Fluße Araxes. 


TU de s 
ee 


Be Her Auftritt. 
BENER TR 
| — 2 Aeibiaben. Sulamithres. Timandra. 
ndra jpottet über ihre jocratijche Liebe, und jpottet den jungen 20 


400  Iheafralifcher Barhlap. 





Zker Aufteitt. Be. 

Alribiades. Timandra.. Eu. 
Sie beflagt fich nunmehr ernitlicher, daß er fie nicht m mehr | 
Alcibiades verjett, daß Timandra ihn nie geliebt habe, daß fein? Fre 
5 zimmer einer wahren Liebe fähig ſey. Er ſey zu wohl über; Re 
Timandra nichts, als eine eitle Nachahmerin der Afpafia ſeyn 4— 
Unterdeß wird dem Alcibiades durch einen Hemerodrom die? 
des Königes gemeldet. Weil Alcibiades den Artarerres nicht Ku 
muß Artarerres den Alcibiades juchen. J— 
10 Tim. Wo ſind ſie hin, die glücklichen Zeiten, da, ſtatt ati tri 
Sinnbilder, ein kleiner Liebesgott, den Blitz in der Rechte, von d 
goldnen Schilden ſchreckte? Da der lange Purpur nachläßig hinter dir 
floß. Plut. p. 400. da dich die Ariſtophons in dem Schoße der * | 
Nemea mahlten 2c. Pl. p. 404, und der drengende PBöbel das Ger ihl 
15 voll Wohlgefallens angafte. — 
Ale. Iſt es dir noch nicht genug, daß ich vierzig Jahr der W 
und dem Ehrgeitze, der ganzen ſchreklichen Schaar der Laſter, g Me 
habe? Die Thorheit hat den beiten und größten Theil meines Leb er 
hindre mich nicht den kurzen Falten Reſt der Weisheit zu weihen.! $ 
20 in diefer Einſamkeit — bier in diefer ruhigen Einöde will ich, als 
ſelbſt, und mir ſelbſt leben. Habe ich mich ſonſt leicht in alle Geftal 
umgejchaffen, war es mir ſonſt einerley, ob ich den arbeitjamen, ft: e 
und mäßigen Spartaner, oder den wollüftigen, faulen Jonier, ot J 
ſchwärmenden bacchiſchen Thracier ſpielen ſollte, ſo will ich von nu 
25 der wahre Alcibiades leben. = 
Tim. DVortreflih! Ein zweyter Timon, umd Läcerficher. a als 

erſte — — — 
Ale. Timon war ſo lächerlich nicht, als du vielleicht denk 
Tim. War Timon nicht etwa gar ein Prophet? Als er hr: 

30 von dem jauchzenden Volfe begleitet fahe, wie freundlich, . was u 
gethan, fam er auf dich zu. Erinnerſt du dich was er fagte: Vort 
mein Sohn, und ergriff dich bey der Hand; .es freut mich her; | 

' [Der folgende Schluß der Rede des Alcibiades (bis Zeile 25) ift in der Hi. als nad rat lid 
gänzung hinzugefügt. Und zwar weiſen zwei Einſchaltungszeichen auf dieſe Srgänzung fi 
es jcheint, wollte Leſſing ſie urjprünglich hinter Zeile 6 anbringen: die Scene jollte d 


Zeile 9 ſchließen. Darnach aber, als der Dichter das Geſpräch zwiſchen Alcibiades und © 
ausführlicher andeutete, wies er den eingefchalteten Worten bier (bei Zeile 19) ihren Platz 

























Altibiades. 401 





von Tag zu Tag größer zu fehen, denn deine Größe ift das Verderben 
des Volks. Pl. p. 405. 
Alti. Timon jagte die Wahrheit zc. Ich elender — War ich es 

2 nicht, der aus Ehrgeitz die Athenienjer zu dem thörichten Unternehmen, 
Sitcilien zu erobern brachte? (Pl. 405.) Nicht um die Athenienfer mäch- 
7 tiger zu wißen, nein um meine eigne Größe auf das überwundne Siceilien 
zu gründen. Der ich alle Nächte im Traume Karthago einnahm, Afrika 
unter das Joch brachte, von da nach Italien überging, als der Sieger 

des ganzen Peloponnes zurückkam, ich wollte aus Sicilien nicht3 als einen 
bequemen Waffenplab für mich machen. Umfonft widerjegte ſich der ver- 10 
ſtändige Nicias; umſonſt ahndte dem Socrates der unglüdliche Ausgang, 
den ohne Zweifel fein Gott begeijtert hatte; umſonſt ergriff der. jtern- 
kundige Meton die brennenden Fackeln, verbrannte im heiligen Unfinne 
jein Haus, und weißagte bey der Flamme Niederlage und Verderben; 
| unmſonſt ertönten am Adonifchen Feſte (Pl. 409) vorbedeutende Klagen. 15 

3 (p. 410.) Umſonſt, mein Ehrgeiz mußte gejtillet werden — ꝛc. 


4er Auftritt, 


Timandra. 


Sie ilt voller Born und Wuth, und entjchloßen mit dem Critias 
3 und den übrigen griechiichen Gejandten gemeinjchaftliche Sache zu machen. 20 


a 


Zweytker Rufug. 
Iter Auftritt. 


Artaxerxes. Pharnabaz. Alcibiades. 

Verbindliche Vorwürffe des Artaxerxes. Der König eröfnet das An— 
bringen der griechiſchen Geſandtſchaft. Er verſpricht fie abzuweiſen, und 25 
erklärt vorläuffig den Aleibiades zum oberſten Feldher von — Heeren, 
und zwar an die Stelle des alten Pharnabaz. 

Art. Du jollit der erite an meiner Linken jeyn. (WO. IV. $. 444.) 


2ter Auftritt. 


Pharnabag. 30 
— iſt darüber empfindlich und voller rachſüchtigen Anſchläge. 


Siehe Otways Aleibiad. p. 8. die ähnliche Rede des Tiſſaphernes. 
Leſſing, ſämtliche Schriften. III. 26 


\ 





#8: 7 Iheafralifiher Nachlaß. 





3ter Aufteitt. 
Pharnabaz. Sulamithres. Be 
Siehe die ähnliche Scene beym Otway p. 22 zwijchen dem T L pi 
und Patroclus. | ge 
5 Alter Aufteitt 5 u CE 
Pharnabaz. Critias und Abgeſ. — n iM 
Pharnabaz verbindet fich mit den griechijchen erbgelanbien 
derben des Alcibiades. Br: 


Dritter Aufzug. 
Be Kor Aufkr. 


Alxibiades. Arkaxerxes. 


Artaxerxes eröfnet dem Alcibiades ſeinen ganzen Sntwunf; ı 
jeiner Anführung nehmlich nicht jo wohl feinen Bruder -Cyrus, 
Griechen zu befriegen. Siehe — Theil die Scene in des Gampif 

15 Alcibiades p. 33. 

Art. Schon halten fich meine Herofbe kertig, Erd und fer m 

den griechifchen Staaten zu fordern (W. G. IV. 8.187.) 


2ter Aufl. 

i Altibiades. Suſam. i Bei: 
20 Sufamithres Freude, unter dem Alcibiades bald zu fechten. Q 
biades benimt ihm dieje Hoffnung. Von der Liebe zum Vaterlande. 


‚Ser Aufl. 
Timandra. Alribiadeg. Sulamithees, 


Zimandra jpottet wieder; bittet aber, daß Alcibiades die q 
25 Gejandtchaft vor ſich laßen wolle. Alcibiades macht deswegen Se = 


feiten. 
4er Aufte. 
Pharnabaz. Timandra. Altibiad. Sufam. ER 
Pharnabaz hebt diefe Schwierigkeiten. Und Alcibiades ver 
30 die griechiſchen Gejandten an dem Altare, welchen er dem en je ft 
Socrates aufgerichtet zu ſprechen. 1 8 





Pe 403 





öfter Auftritt, 


Pharnabaz. 
Remba beſchließt dieſe Unterredung den Artaxerxes hören zu 
























Vierker Aufzug. 5 
ifer Aufte. 


RArfaxerxes. Pharnabay. 

: Sie fommen, die griechischen Gefandten und den Alcibiades im ver- 
borgenen zu hören. Der Perfifche heilige Abichen gegen den Altar, dem 

Schußgeifte des Sokrates. 10 
j Phar. Siehe wie jeder diefer Ungläubigen fich einen eignen Gott 
Haft! Anftatt den einigen Gott im Feuer auf jeinem ewigen, fichtbaren 
Th one der Sonne, anzubeten, betet jeder ſein eigenes Hirngeſpinſt, oder 
velches noch lächerlicher iſt, und du hier ſiehſt, das Hirngeſpinſt eines 
Freundes an! | Man. 


‚2er Auftritt. 


* Altibiades. Critias und Abgeſ. 

Sie wenden alle Künſte an, ihn zu erſchüttern, daß er mit ihnen 
tach Griechenland zurüc komme. 

3 Cr. „Durch dich ſchwört noch jest die athenienfiiche Jugend in 20 
„dei Agraulifchen Hayne, jo oft die Friegrifche Trompete fie ruft, ihres 
„Baterlands Grenzen nicht enger als jenjeit aller bewohnten und bebauten 
Seide zu jeßen.“ Plut. p. 399. 

Alx. Ich jollte dem Volke trauen? Sch diefem vielköpfigen Um _ 
eheuer? Heut wird es dich vergöttern, wenn du willſt; und morgen dich 25 
8 den Schaum der Uebelthäter verdammen. Ein einziger heimtückiſcher 
——— ein einziger Teucer iſt genug es wieder dich in Harniſch zu 

t. (Pl. p. 416.) Da ich mich am feſteſten in ſeiner Gunſt glaubte, 
dig al3 der verfluchte Verſtümmler heiliger Bildfeulen, als der 
* der Geheimniße der Ceres angeklagt und verdammt. Sollte 30 
Sluch ſchon vergeßen haben, den damals ſeine Eumolpiden wider 


5 ausrade? 


404 Cheatraliſcher Bachlaf. 





Zker Auftritt. 
Timandra. Mlribiades. Critias und Abgef. 
Timandra thut gleichfalls ihr möglichjtes, und ea; 
biades bewegt, und jcheinet wenigſtens ſchlüßig zu feyn, bey de 
5 heimlich ihr bejtes zu bejorgen. 

Ater Auffe. 

zu diefen: Arkaxerxes um Pharnabaz. 3 

Der aufgebrachte König bricht hervor, und macht dem Aleibis 

die härteften Vorwürfe und erklärt ihn von nun an, jeinem Schi 

10 zu überlaßen. Er befiehlt den Altar des Sokrates zu zerſtören, de t 

zu reinigen, und ein Pyreum an die Stelle zu bauen. — 


Fünfter Aufzug. 


ter Aufte. 
Alribiades. Critias. * 
15 Die heimtückiſche Freude des Critias, den Alcibiades ben — 
verdächtig gemacht und in Ungnade gebracht zu haben. 


2ter Aufkr. 
Alribiades. Suſamithres. 
Suſamithres iſt entſchloßen, jedes Geſchick mit dem Aleibi 
20 theilen. 






Z3ker Aufkr. 
Suſamithr. Pharnabazj. TA 
Pharnabaz, nachdem der König im Zorne nach jeiner Reſide 3 
gefehrt, fümt jeinen Sohn abzuhalten, ſich mit dem Alcibiades ı 
25 Berderben zu jtürzen. | J 
Suſam. beruft ſich auf dag perſiſche Geſetz wider die Und danft 
nach welchem er durchaus jtrafbar jeyn würde, wenn er den 9 
in ſo gefährlichen Umſtänden verließe. (W. G. IV. 8. 138.) 


Ater Nuft. | EB h 

ww Alribiadeg, verwund. Sulamifhres. Pharnabg. y 
Alcibiades kömmt verwundet zurück und ftirbt. Sufamith es 

ſich in das Schwerd ſeines gereitzten Vaters. — 


















Alribiades in Perſien. 405 


Was hält — ab (indem Suſam. das Schwerd sieht) eine That 
sn, die der Meinung, daß ich dein Sohn geweſen, wiederjpricht? 
— W. H. IV. 8. 197.) 

Aleibiades verlangt, daß ihn — vollends tödten ſoll, und weil 
fi der Freund defen weigert, jo thut es Pharnabaz. 5 
Bei 

a Ser NANufkrikk. 

zu diefen ruft Pharnabaz herein Timandra, Critias und Abgeſ. 


; Kommt herein! Was jchleichet ihr draußen herum, wie die feigen 
Jager vor der Höhle des verwundeten Löwen? 


9 


Alcibiades in Perſien. 10 


Se. I. 


8 O wie glüdlich hat den Alcibiades jein freywilliges Elend gemacht! 
Es war der göttlichjte Gedanke, den ich jemals gehabt, mich nach Berfien 
zu verbannen! Aus dem weijen Griechenlande, wo Aberglaube und 
geſetzloſe Frechheit den Pöbel, Ehrgeitz und Ohnegötterey die Großen 15 
regiert, in das barbariſche Perſien, wo Wahrheit und Tugend den alten 
Thron beſitzen. 

Bi). Sc. II. 


Komm, sehr junger edler Freund. Hier auf diefem anmuthigen 
Hügel, über dem jpiegelnden Arares, das prächtige Perſepolis im Gefichte, 20 
habe ich deiner unter den Palmen gewartet. 

F Zaris. Er hat vor der aufgehenden Sonne angebetet. 

2 Aleib. Auch ihn hat diejes prächtige Schaufpiel entzücdt, und die 
Seele mit würdigen Gedanken von ihrem Schöpfer erfüllt. — Laß ung 
dieſen Tag in unſrer Freundſchaft glücklich ſeyn — 25 
3 Zaris. So glücklich, als es uns das annahende Geräuſch des 
Hofes erlauben wird. Der kommende Frühling ruft ihn von Suſa nad) 

Perſepolis. Der Zug geht heute hier durch. 


— — 


406 Chealralifcher Badhlaf. 





Aleib. O möchte es’ dem König nicht einkommen, mich 
meiner Einöde zu bejuchen. Ich will mich nicht wieder in Gefe 
wideln laßen; ich will den Reſt meines Lebens der Ruhe oh 1 
trachtungen widmen. — O fünnte ich noch einen aus dem St ift 

5 meines Vaterlandes retten! den göttlichen Sofrates — Bi 

Baris. Du haft mir ſchon jo viel von diefem Manne e zehlt, 
ich eine wahre Hochachtung für ihn bekommen. Die Vorſicht, — . 
daraus erkannt, erwedt in allen Ländern von Beit zu Zeit Mi R 
es verhindern müßen, daß fich die Menfchen von ihrer var 














10 ehrung nicht- zu weit verirren. — So war unſer Boroajter — — | 
Altib. Auch Sokrates hat von diefem großen Manne geht ta 
mir von ihm erzehlt. — Wann er doch jeine Nachfolger, feine Lehn 


bier näher erfennen fünnte! Wenn er doch hier fünnte einfehen lernen, 
daß feine. : .* feine abergläubifche Zauberkunft, jondern eine © mu | 
15 von den eroberte Lehren der Gottheit jey. J— 
Zaris. Wie entzückt es mich, daß du, als ein Grieche, uns ii 
Gerechtigkeit wiederfahren läßeſt. Deine ſpöttiſche Timandra, ist von k 
Art nicht. — Alles kömt ihr hier Fächerlich und unfinnig vor. 
Alrib. Gedenke mir ihrer nicht! Ich haße fie jegt mehr, als 
20 fie eingmals zu lieben glaubte. Wenn fie mich doch verlaßen, und wied 
in ihr Vaterland ae wollte — — Da kömt fie ſchon — J 


Se. IH. 


Tim. Immer beyjammen? Und jchon jo früh. Ihr Unger 

fihen, wie joll ich euch nennen, Freunde oder Liebhaber? Be 

25 Alt. Alle Freunde find Liebhaber, Timandra, aber nicht ales 
haber Freunde — 

Tim. ch verſtehe deinen Vorwurf — 





[Philoktet.]’ 








1 [Hier fehlt in der Handſchrift ein Wort] eu. 
? [linter den Papieren des Nachlaſſes nicht mehr erhalten. Den Titel nennt Karl ©. Leffing 
in der Vorrede zum zweiten Teil des theatralifhen Nachlaſſes, S. XXIX.] = 


Die Wiklinge, | 407 





"Pie Piklinge. 
Berr Blunf. | | 
Madam Blunt. 


Miranda 3 | 
Charlotte. } Zwillinge und Töchter des Blunt. F 


Ber x: 2 Aubeter der Miranda, und lächerliche Witzlinge. 
J— Philinf. Liebhaber der Charlotte. 
A Graf von Cheville. \ 
Tilefte. 10 


2.1 BeL 

Madam Blunt Miranda. 
Zwey affectirte wigig ſeyn twollende Närrinnen. Miranda iſt das 
kind ihrer Mutter, weil fie vortreflich in ihre Weife einichlägt. 
* Philint iſt den Abend vorher gekommen. Sie weis daß es ein 15 
Freyer iſt und hoft, daß er ſich an Miranda wenden werde. 
J Die Mutter will durchaus, daß Miranda eher heyrathen ſolle, und 
der Vater, daß Charlotte; .feine will der andern den Vorzug laßen. 
Diie Mutter aber jchmeichelt fich, ihrem Manne diesmal den Rang 







abzulauffen, und tröſtet ihre Tochter deswegen. 20 
Sr r F ! 

* Sec. H. 

E Pie vorigen und Charlokke. 

= Sie kömmt der Mutter einen guten Morgen zu bieten, und fich zu 


£ ‚erfundigen, ob fie in Anfehung der angefommenen Gäfte etwas zu be- 
| habe. Charlotte bejorgt das Hausmwejen ; und Miranda ſpielt die 25 


3 gefhet Dame. Pareiotie geht ab. 

Be Se. TI. 

E - | Madam Blunf. Miranda. 
| Sc. IV. 


Berr Fuhl und die vorigen. 30 


Fuhl iſt der erftbafte Afterwigling. Dorinde und Engenius. — 
die Rou⸗ des zum p. 4. 










408 Theakraliſcher Vachlaß. 
BEN A Bi; 
Lilefte und die vorigen. —— 


Sie meldet, daß Philint einen Grafen mitgebracht habe. 
p. 18. Die Scene mit der — Verſe. ® 


5 \ Se. VL — J 
| B. Juhl. —— 
Madame Blunt und Miranda ſind abgegangen, Pe auf 
franzöfifchen Gaftes wegen zu putzen. Fuhl macht jeine Anmerkur en 


die Verrüdung der Miranda, daß fie wie verliebt in den Grafen zu 
10 jcheine, ohne ihn gejehn zu haben. | 


Act. II. Se. I. 
| Philint und der Graf. he: 
Man erfährt die Intrigue. Der Graf ift ein Berrigue en * 
und ſoll in die Miranda verliebt thun, daß die Mutter deſto e 
15 Verheyrathung der Charlotte * Einwilligung gebe. 


Se. II.:-f48 u — Pr 
‘ B. Blunt und die Porigen. J——— 

Er bewillkommt fie nunmehr förmlich. Er iſt einer von den ( 
Witzlingen, fiehe den Charakter des Oldwit. Er verfpricht dem Phil 
20 die Tochter, wenn er nur jeiner Frau Einwilligung erhalten fönne.. 


Sc. HI. | 

Madame Blunt, Miranda, Iharloffe, die vorigen. 

Der Bater ftellt feine Frau und Töchter ihnen vor. Der ( 

jtellt fich fogleich, al3 ob er die Miranda bewundre. Er führt ſie 

25 ohne von ihrer Toilette an dem Haarputze etwas zu Ändern; ı ni 

Mutter folgt ihnen. i — 
Sc. IV. 

B. Blunt. Philint und Charlokke. 



















Der Schlaftrunk. 


Ein Eanpiet in drey Aufzügen. 


J — MR ——— 
2 | Bertholp, 
Celiante, deßen Tochter. 5 
Lyſidor. 
| Dorant, degen Sohn. t 
—— Finette, der Celiante Mädchen. «u 


Act. I. 


AR ‚Sc. 1. 10 
inette. Dorant. Früh. Ster Termin. Geſtern dran gedacht und 
Be. alle Leute gebeten, ihn zu erinnern. 


ER 80. 2. 
J Nnelte. Dorant. Celianke. 


| zinette Geliante — iſt verſteckt.) 


Se. 4. 
Berthold. Jinette. Celiante. 


Se. 5. 
Finetfe, Doranf. —— 


Sc. 6 
Fineffe. Berthold. 





410 ; | Theakraliſcher Bachlah. 
Sc. 9. S 


Berthold. Celiante, Finefte, 


* al: 






Act. -IL! A 
| r Se. J a Er 
5 Finette Celiante. Sie freuen fih und wundern fi 
noch jchläft. 
30.x2; 
Finefte. 
5 188; 3. i Be 
10 Geliante. Finette. Sinette verichnappt — Getian 
und ift zufrieden. ] 3 
N Sc. 4. i ee 
| #ineffe. Dorant, 
Se. * | — 
35 Geliante. Finette. Dorant. Celiante, die ihn nicht ert 
können [macht ihnen] Vorwürfe und iſt um das Leben ihres Vater: 
jorgt, und fchiet [nach dem Doktor © N 
Se; 6513 % S - 


au 


Der Doktor, befiehlt ihn aufs — zu teen, und in | 


20 —— Act. III. 


Se. "E, 
Berthold. Der Doktor, Celiante, Finette. 
wacht und befindet ſich ſchwach. a. 
| 11.08. 2, en wi; 
25 Die Duittung wird ihm von ſ. Bedienten eingehänbdigt | 
verlangt ein Zeugniß von dem Arzte, dab ihn eine Krankheit ven 





1 [Das Folgende, hier zum erften Mal gevrudt, ift mit Bleiftift gefchrieben und darum f 
zu entziffern. Auch ift ein Stüd der Handſchrift abgerifjen. Meine ungeführen Er = 
Fehlenden ſchließe ich in eckige Klammern ein; Unleſerliches bezeichne ich durch . 

von dem zweiten, es hi Entwurf des Luftipiels bis zur vierten Scene des zn 


Der Schlaftrunk. ; ’ 411 














JJ — I. | 

| ö Dorant dazu. Berthold jagt ihm, daß er fich nicht auf ſ. Leute 

ba — dürfen [?]. 

=“ * Se. 4. 

Lyſidor fümmt dazu, erklärt, daß es ihm genug ſey, ihn gejund [?] 5 
zu Briten; das Geld läßt er ihm, damit er [?] es j. Tochter mitgebe. 


"un. 1. 8c. 1. 


Celianfe. Berkhold, Liejet. 

Celiante räth ihm, nicht zu leſen, und fich den Kopf —2 
en und das Gedächtniß anzugreiffen. 10 
Ber. Ich hab ein gut Gedächtniß, ich kann alles merken, und die 
Geſchichte [?] iſt mein Haupt Studium — — 
—3— Celiante. Legen Sie das Buch nur weg. Sie — Beſuch 
bekommen. 
Bexrkh. Was für einen Beſuch? 15 
Cel. H. Lyſidor und Dorant. 
Berkh. Ja, ja, H. Lyſidor. Ey, ey, was will der H. bey mir? 
r bat mich verklagt. 

v Se. 2. 
Der Bruder kömt ihn zu erinnern. Wirft ihm ſ. Vergeplichfeit 20 
vo ; umd ihm zu zeigen, daß er nicht vergeßlich ift, zählt er ihm alle 
e Scufben vor, die er für ihn bezahlt. Der Bruder jagt: Er will 
it n morgen wieder erinnern. 


is 


—— Se. 3. 
Bi; Finette kömt den Coffetiſch zu recht zu machen. Wozu? Er hat es 25 
chon wieder vergeßen, daß er Beſuch bekommen ſoll. 


— Der. Sc. 4. 

Es . Die vorigen. Dorank und Iyfivor. 

; — erplieiren ſich; keiner will die Einwilligung zu der Heyrath 
5 en, im * er den Proceß verliert. Finette ſchenkt Coffe ein, und 30 


— 


412 Theakraliſcher Dadjlah. 





















vo 
— 
Bes; 


er vergißt, wie viel er — Lyſidor geht ab, und er wit 
zum Abendeßen behalten. Er hat ſ. Situng |?] vergeßen, w ran i 
Neckiſche [?] erinnert. 2 
Porante. Sie find allein? Darf Sie auf den Abend 
5 Schweſter beſuchen? % — 
Berthold kleidet fih an... Celiante [2]... zii 


Act. II. Se. 1. si 

Celiante und Dorantes Schweiter und Finette. Sie hat z e$ 

10 gejpeift und getrunfen — | — 
Se. 2. A 3 

Dorante fümt jeine Schweiter Wruhbhlen und zwar rl 

ichlag ihn auf morgen zu zerjtreun, oder ihn nicht ausgehn zu la laße 


Se. 3. = 

15 Der alte aus dem Kränzchen, ein wenig angejtochen‘ Ku men. 
Dorantes Schweſter. | J—— 

Se. 4. 


Berthold. Celiante Finette. Bindet ſich einen Knoten in vie 
krauße. 


20 "#8 a6 He 7; 


Se. 8. 
Turinde. Ohaiofie.- Fingkfe, 
Berdient der Kerl nicht dag Rad, bloß ſeines Vorſaz 
Haben Sie ihn gehört? Lucinde droht ihn zu denunciren. 


25 30.9, 
Der junge Berkhold zu ihnen. F 
Er ſagt es ſey alles verloren, wenn man nicht Mittel fi 
machen, daß der alte Richard den Termin verfäume. Aber Be R 
anzufangen? Philipp hat gejagt, daß er morgen gleich wieder 
30 und den Bruder nochmal3 erinnern wolle. Der junge Berthofb ve 
ihn aufzufuchen, und bis an den Morgen mit ihm zu trinfen, da 
wohl vergehen joll. Aber freyfich ift das noch nicht genug. Sei 


Der Schlaffrunk. 413 






























schlag mit dem Schlaftrunfe, den er Finetten heimlich entdeft. Charlottens 
Unruhe über diefe Vertraufichkeit, und Lucindens Heberey. Der Wagen 
mit dem alten Richard kömmt. Berthold nimmt mit jeiner Schweiter Ab— 
ſchied, und Finette führt fie die Hintertreppe, um von dem Alten nicht 
bemerkt und aufgehalten zu werden. 5 


Se. 10. 


Drer alte Richard, von Anton geführt, ein Kleines Räufchchen und 
Charlotte. Er erinnert fich, daß er ihr verfprochen hat, die Gejchichte 
aus dem Ziegler zu erzehlen. Verwirrt ſich aber darinn und will zu 
Bette. Anton will ihn zu Bette bringen, aber Finette foll e8 thun. Er 10 
knüpft fich einen Knoten in j. Haldtuch wegen de3 Termins; und fragt 
Finetten den Augenblif darauf, was diejer Knoten bedeute; und macht 
noch einen Knoten. Ab, zu Bette. 


. ü—— — — —— — — a 5 


Met. III. Se. 1. 


Der Hausfnecht, der den jungen Berthold hereingeführt bringt. 15 
Gehen Sie ſachte; es jchläft noch alles im Haufe; Finetten will 
ich Ihnen gleich weden. | 

u - Sc. 2. 

| Finette fümmt dazu. Der Hausfnecht ab. Berthold beruft fich auf 
. gefteige Unterredung mit ihr, und giebt ihr das ſchlafmachende Mittel; 20 
und jchleicht fich nach den größten Berjicherungen, daß nichts Schlimmes 
daraus entjtehn könne, wieder a 


Sc. 3. 


3 Finette it entichlogen, das Mittel zu brauchen. Anton temmt 
dazu, der den Herrn wecken will. Sie ſagt ihm, es nicht eher zu thun, 25 
als bis ſeine Chocolade fertig ſey; die ſie zu machen gehe. Er bittet ſich 
pen « eine — davon aus. 


Se. 4. 


ln, der dem Herrn j. Kleider ausfehrt, die er gelegentlich 
iii Er räumt ihm die Tabafsdoje leer, und jucht ihm die Fleinen 30 
N Gelbmarten aus der Schnuptabaksdoſe. 


414 Cheatraliſcher Vachlaß. 





‚Se. 3, 
Philipp Richard, der noch halb trunfen ift, dazu; 


den Bruder weden. Es ift alles Canaillenzeug hier im — 
Finetten trau nicht. über dieſes Gereuſch, wacht der Alte Pr 















5 Sc. 6. 
Per alte Richard, Philipp. Anton. 
Der Alte ärgert fich über — Bruder, und hat den 
vergeßen. 


“Der Schlafkrunk. 


EUR Gin Luflpiel in drey Aufzügen.! 


Perfonen. 


Samuel Rihard.) cr A 
Philipp Richard, \ leibliche Brüder. 
Charloffe. Nichte ae on 

15 Bexrkhold. 
ze ) Kinder des Berthold. 
FJinette. Mädchen der Charlotte. 
Anfon. Bedienter des Samuel. 

20 Bausknedhf, des Samuel. 





1 [„Die Entjtehung dieſer Komödie ift fonderbar genug. Mein Bruder machte dazu ion 1 
er noch in Berlin var, den erften Entwurf. In einer Gejelljhaft guter Freunde, wo eri 
Profefjor Rammler auch waren, fam die Rede auf die Stoffe, welche zu einer Komödie a an 
paßten. Mein Bruder behauptete, man fünne aus allem eine Komödie oder Tragödie — 
es mehr auf die Bearbeitung des Stoffs, als auf den Stoff ſelbſt ankäme. Der Stoff vã 
arm, wenn es der Dichter wäre. Dieſes ſchien der Geſellſchaft etwas parador; und He ir. 
Rammler fragte ihn, ob er es jelbft mit der That beiveifen wollte. Warum nicht, eri 
Bruder. Nun fo machen Sie, verfeste jener, ein Luftipiel, wo ein Schlaftrunf die Ra 
und benennen e3 darnach. Die ganze Geſellſchaft billigte e3 einmüthiglih, und mein Bru 
ſprachs. Sp gieng man auseinander. Den erjten Morgen drauf fieng er auch gleich ar x 
‚er durch nichts geftört wiirde, arbeitete er im Bette. Nach einigen Tagen war er nit 
fertig, und wollte fih eben an die Ausarbeitung machen, als er den Vorſchlag nad & 
Theater erhielt und annahm. Nachdem er dort angelangt, nahm er auch dieſes S id wi 
ließ 1767. drey Bogen, nehmlich bis zum Tten Auftritt des 2ten Akts ©. 127. (©. 439, 
ein Junggefell, du eine Junggejfellin; er ein alter Junggefell“, druden, und zwar in der 


Per Sıhlafteunk. 415 





Wi: | 
Erler Aufzug. 


Erſter Aufteitt. 


Samuel Richard. Charlofte.! 


, eine Wohnſtube; wo Richard, in einem Lehnſtuhle, vor einem Schreibepulte ſitzt, und durch 
le in einem Folianten? lieſet. Charlotte ſitzt am Fenſter, auf einem Taburet, und macht 5 
Kndtchen.) 3 




























Charlotte. Legen Sie doch das Buch weg, lieber Onfel — 

S. Rühard. (indem er immer fortliefet) Warum denn, Lottchen ? 

Charlotte. Der Beſuch wird gleich da jeyn. i 

3. Richard. Jh muß exit die Gejchichte* auslejen. 10 
Charlotte. Sie ſchwächen ji ja nur Ihre Augen noch mehr. 

3. Richard. Du haft wohl Redt. 

Charlotte. Und ftrengen Ihr Gedächniß an. 

S. Kichard. Es iſt wohl wahr. 
Charlotte. Da Ihnen Ihr Gedächtniß ohnehin jo ſehr ablegt. 15 
S. Richard. (indem er die Brille abnimmt, und das Buch zumacht.) Nein, Lott⸗ 

i, nein; das ſage nicht. Mein Gedächtniß iſt noch recht ſehr gut. Ich 
ollte dir wohl die Geſchichte, die ich itzt geleſen habe, von Wort zu 
ort wieder erzehlen. Leg deine Arbeit weg, und höre mir zu. — Es 
einmal ein König von Frankreich — nein, ein König von England 20 
e3 — ja, ein König von England, der führte einen jchweren Krieg. 
die Mohren — wider die Mohren — Sagte ich ein König von 
ud, Lotthen? Nein, ſiehſt du, man kann fi irren; es war ein 


ER Pr 
FERN mit jeinem Freunde, Herrn Boden, gemeinjchaftlich befaß. Allein er hatte von jeinem 
ripte ein Blatt verlegt, oder vielmehr verloren, und darüber gerieth die Sache ind Steden. 
ruck erhielt 1768. eine neue Sorte Pappier aus Italien; er ließ dieſe nehmlichen drey Bogen 
if umdrucken, mit dem feſten Vorſatze, es zu vollenden. Aber auch da blieb es bey dem Vorſatze, 
ch habe nicht die eigentliche Urſache erfahren können, die ihn wieder davon abgebracht.“ Karl 
e 1784 in der Vorrede zum erſten Teil des theatraliſchen Nachlaſſes, S. XV ff. Unter den 
x Papieren befindet fih außer einer vollftändigen Handſchrift des erjten Aufzuges (doch ohne 
onenverzei ), welche das Stück als „Ein Luſtſpiel in fünf Aufzügen.“ bezeichnet, noch eine 
te m Leſſingiſchen Druck aber nicht zu Grunde gelegte Reinſchrift des erſten Auftritts bis 
allen befohlen, mich fleißig“ (S. 417, 8. 32). Der folgende Abdruck iſt nach dem Text 
; — 3 — von 1784 veranſtaltet, da Leſſings Originaldrucke von 1767 und 1768 
gemacht werden konnten.] 1 2nttchen [jo immer in der jpäteren, fürzeren Hſ.] 
Schauplatze der Zeit, einem Folianten, [ſpätere 9f.] 3 macht Filet. [ipätere 
A meine tägliche Geſchichte [ipätere Hf-] 5 doch Tältere Hi.] 6 Lege [ältere Hj.] 


Bir 


46 Theatraliſcher Nachlaß. 






















König von Spanien; denn er führte ine mit den Dohren - — 
König — 
Charloffe. Ich höre wohl, lieber Onkel, daß Sie ale ‚ed 
behalten haben. Aber Sie haben es auch, nur erjt dieſen — * 
5 geleſen. Wenn! Sie es auf den Abend wieder erzehlen follten — 
3. Richard. Nun gut, gut; erinnere mich auf den An 
daran. Ich will dirs auf den Abend erzehlen — Be 
Charlotte. Wohl, lieber Onkel — — 
S. Richard. Sprachſt du u“ vorhin von Bejuche? Ber = 
10 denn bejuchen ? Be: 
Charloftfe. Ihr alter —* Freund, Herr Der und | 
Sohn —? — 
3. Richard. Der junge Herr Berthold? Nu, nu, der köm — 
ſo wohl zu mir, als zu dir, und der mag immer kommen. Aber 
15 der Vater mit will? — Br 
Charloffe. Der Vater? Ift er nicht Ihr älteſter, heiter 2 und 
3. Richard. Geweſen, Lottchen, geweſen! Sieh, wie vergeßlic 
bift. Hat mich nicht diefer ältefte, befte Freund verffagt? Um e in 4 
verflagt, die ich längſt richtig gemacht habe? Bin ich nicht I 
20 Stern! gut, daß ich daran gedenfe! — Lottchen, geſchwind — 
Kalender her. 
Charloffe. wor ſich) Ah, nun erinnert er ſich an den ungl tet 
Termin. ai; 


J 





1 Wann [ältere Hſ.] 2 [In der jüngern HT. fteht jtatt diefer und der beiden feigensen d 
Lottchen. Sie wifjen ja — Herr Bertholv. er 
Samuel R. Sa, ja! Herr Berthold, der junge Herr Berthold. Nu, nu; der om 

ſowohl zu mir, al3 zu dir. Aber mags doch, mags doch! Er bringt doch wohl auch fein 

Wie ift mir denn? Die junge rafche Wittwe, die ich jo gern leiden mag? — Sit 2 

oder jeine Schwägerin ? 

Lotthen. Seine Schweiter. 

Samuel R. Ganz recht; die junge Madame Berthold. 

Lottchen. Niht Madame Berthold — Madame Frohſtädt. en: 

Samuel R Ganz recht; Madame Frohftädt, jeine Schwägerin — feine Schweſte 
ſagen. Die bringt er doch mit? — 

Lottchen. Ich glaube ſchwerlich, lieber Onkel. 

Samuel R. Ey, das wär Schade! — Und er kömmt ganz allein? Eh, — 
chen! Das iſt ein bißchen ſehr eigennützig. So krieg ich ja gar nichts ab, von dem 2 - 

Lottchen. Nichts, lieber Onkel? — Der alte Herr Berthold kömmt ja 

Samuel R. Der alte? der Bater? der kömmt mit? O weh! O wohl 

Und was will denn der? 

Lottchen. Was er will? Iſt er nicht Ihr älteſter, beiter Freund ? 


* 


Der Schlafkrunk. | 417 





3. Richard. Hörſt du nicht, Lottchen? den Kalender — 
Charlotte. Wir fchreiben den jechszehnten,! Tieber Onfel, — 
3. Richard. Den Kalender, Lottchen! 
Charlofte. Den jechszehnten! September, lieber Onfel — 
—— S. Richard. Lange mir ihn doch nur her, Lottchen; er ſteckt hinter 
dem Spiegel. Ich habe mir was darinne notirt. Wenn dichs zwar in— 
3 fommodirt — (er rüct mit feinem? Sehnftuhle, als ob ev aufftehen wollte.) ? 
Charlotte. Nicht doch! Lieber Onfel; bleiben Sie doch ſitzen. (ie 
hohlt ihm den Kalender.) Hier iſt er! | 
E: 3. Richard. ch danke, Lottchen. Was für einen Monat haben wir? 
Charlotte. September. 
3. Richard. Und den wie vielten, jagjt du, jchreiben wir? 
Charlotte. Den jechszehnten..! 
2 3. Richard. Den jechszehnten September! — Da ift er! Richtig! 
richtig! Lieber Gott! was habe ich für vergeßliche Leute in meinem Haufe! 
Kein Menjch erinnert mic an was! Und wenn es vergejjen ift, jo joll 
ichs vergefjen haben! 
Charlotte. Was denn, lieber Onfel? 
| 3. Richard. Ihr habt mich den eriten Termin verjäumen Lafjen. 
Idhr habt mich den zweyten Termin verfäumen Lafjen. Komm her, Lottchen, 
was fteht hier bey dem fiebzehnten ? 
Y Charlotte. Drey Kreutze, Lieber Onfel. 
3. Richard. Und was bedeuten die drey Kreuße? 
Charlotte. Das muß wifjen, wer fie gemacht hat. 
J S. Richard. Siehſt du, das haſt du vergeſſen! Rufe mir Finetten 
’ herein; ich muß doch jehn,* ob die es auch vergejjen hat? | 
Bi Finette hat zu thun. 
3. Richard. Nun, jo rufe mir Antonen. Ih muß euch nur ein- 





3 mal alle überzeugen, wie vergeßlich ihr jeyd. 


Charlotte. Anton ijt ausgejchict. 
3. Richard. Sch habe es euch allen gejagt, was die drey Kreuße 


j bedeuten, und habe euch allen befohlen, mic) fleißig an die drey Kreutze 
| ; zu erinnern. Ja, ja, wer erinnert jeyn will, erinnere ſich jelber. 


. Charlotte. Werden Sie nicht ungehalten, lieber Onfel. 





| ſechehnten [beide Handferiften] dem [jüngere Hf.] * tolle. [ältere Sf.) — 


daltere Sf.) 
Seſſing, ſämtliche Schriften. II. 27 


10 


15 


20 


25 


x 


10 Charlotte. Itzt befinne ich mich — Morgen muß der dritte © 


418 Theatraliſcher Barhlah. 






















3. Richard. —— Worüber denn? Ich freue * 
Herzen, wenn ich ſehe, wie viel mein alter! Kopf noch behalten £ 
(ih an die Stirne fhlagend.) und wie jo gar nicht3 in euren jungen 
haften will! Ha, ha, ha! — Die drey Kreuge bedeuten — beſin 

5 dich noch nicht, Lottchen? — | 

Charlotte. Daß Sie morgen zur Ader laffen müfjen? 

3. Richard. Ey ja! Herr Berthold würde meinem Beutel | 
zur Ader laſſen, wenn ich jo vergeßlich wäre, wie du! — Die $ 
bedeuten — nu? — Ich dächte, ich hülfe dir merklich genug — 


auf dem Gute gefiſcht werden — O ja, lieber Onkel, ich will es — — 
Kutſcher ſagen; wir fahren morgen früh heraus, und fiſchen. | “ 
3. Richard. Fiſchen? Ja, Herr Berthold denkt zu fiſchen. Aber 
Herr Berthold, man fängt nicht immer, wenn man fiſcht! — u 
15 die drey Kreuße bedeuten, daß morgen der dritte Termin ijt; der | 
und legte Termin zu Produeirung meiner Quittungen. Nun freylich wi 
ich nicht, wo die verdammten Quittungen hingekommen ſind. Aber id 
will doch hoffen, daß man einen ehrlichen Mann, wie ich bin, wird zu 
Schwure fommen laſſen! — Ich ſchwöre und Herr Berthold — 
20 gewieſen. IR 
Charlotte. Aber, lieber Onkel, ich dächte, Sie lieſſen es — wei 
nicht kommen. — Ein Schwur iſt doch immer eine ſehr wichtige — 
und Geld iſt nur Geld. Be 
3. Richard. Nein, Lottchen, Geld ift die wichtige Sache, und e i 
25 Schwur iſt nur ein Schwur. Nicht, daß ich, um wer weiß wie vie 
einen falſchen Schwur thun ſollte! Nein, da ſey Gott vor! Aber wen 
man Recht hat — — 
Charlotte. Auch dann, dächte ich, lieber Onkel, ſollte man, 1 Be 
es nur eine Kleinigkeit betrift, fich Lieber —— laſſen, Vet 
30 kommen, al3 zu jchwören — 2 
3. Richard. Ja, das dächteft du; aber das verſtehſt dum * b — 

Morgen ſoll ſichs zeigen. Ey denkt doch! Was würde das 
Freude für Herr Bertholden geweſen ſeyn, wenn ich auch * te 
Termin verſäumt hätte, und hätte mich kontumaciren laſſen, —*— 
35 ihm noch einmal bezahlen müſſen — — 
I der alte [Hi.] 2 prauf [9i.] 





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Per Sıhlaffrunk. 419 





Charlotte. Es kömmt jemand, lieber Onkel. Er iſt es wohl ſchon 


et. — 


Zweyker Auftritt. 
Philipp Rühard, und die Porigen. 


Charlotte. Nein, es iſt Onkel Philipp. 5 
Philipp Richard. Guten Tag, Bruder Samuel. 

3. Richard. Lottchen, hat der ſich! auch melden laſſen? 

Charlotte. Nein, aber — Seyn Sie gütig gegen ihn. 

Philipp R. Wie jtehts, Bruder? Noch geſund? noch friſch? 

3. Richard. Gejunder und friicher, Bruder, als ihr wünſcht — 10 


Philipp R. Als ihe wünſcht? Wen meynft du, Bruder? 

8. Richard. Ich habe dirs hundertmal gejagt, daß mir gewiſſe 
Leute, wenn fie jich nach meiner Gejundheit erkundigen, recht jehr ärger- 
lich find: Siehft du, Bruder; ich iehe dich herzlich gern kommen, aber 
auch herzlich gern bald- wieder gehn.’ 15 


Charlotte. Lieber Onkel, bedenken Sie, daß es Ihr Bruder ift — — 
Philipp R. Mühmchen, menge Sie fich unter uns nicht. — Bruder, 


du bift die wunderlichite, argwöhniichite Slate, die? fich jemals in einem 
Großvaterftuhle geichüttelt hat. 


3. Rühard. Hörſt du, Lottchen, hörſt du? 20 
Philipp R. So was verhört Lottchen nicht! — Aber warum ift 


die denn mein Anblick jo zuwider? Ich fehe doc dem Tode fo ähnlich 
nicht. Gefund, fett und frölich, wie ich bin — — 


3. Richard. Die Gefundheit erhalte dir Gott; dein Fett bift du 


schuldig, und deine Frölichkeit gehört ins Tollhaus. Was Wunder alfo, 25 
daß ich den Tod lieber jehe, als dich? Wenn ich den Tod fehe, fo fehe 
ich meine letzte Stunde; und wenn ich dich ſehe, ſo ſehe ich die nächſten 

3 Stunden nad meiner legten. Einem ehrlichen Manne, der e8 ſich in der 
Welt hat jauer werden laſſen, ift die Vorjtellung des Grabes lange nicht 

- jo marternd, als die Vorſtellung eines lachenden Erben. Aber, Bruder, 30 
y haft du gelejen von einem Maler, der mit einem einzigen Pinjelitriche 
ein lachendes Geficht in ein weinendes verwandeln konnte? Ich bin jo 
ein Maler. 





j fi der [Oi sehen [gl Sal [of 


se 


420 Iheafralifcher Nachlaß. 





Philipp R. Je nu, wenn ich nicht lache,! jo wird an ' — 














deſto mehr lachen. — — Lache Sie doch einmal, Lottchen! Sie lac 
hübſch — — 
Charlotte. Sie verfahren ſehr grauſam mit mir, Onkel — 
5 - Philipp R. Im geringſten nicht! Denn gelacht wird bey dem 


eines reichen Geitzhalſes doch; er mag es anfangen, wie er —— a 
3. Richard. Undankbarer, gottlofer Bruder! 
Philipp R. Zanke mit der Natur, und nicht mit mir. Du t 1 
zwanzig Jahre früher in die Welt, als ich; du mußt swangig " 
10 früher wieder heraus. — — 
3. Richard. Jh muß? id — Ich will doch ſehn, wern 
zwingen joll? — a 
Philipp R. Ha, ba, ha! nun machſ du, Bruder, daß ich IR: 
vor deinem Tode über dich lache. — Fe 
15 3. Richard. Gejchwind, Bruder, jage mir, mag du bey mir vi 
und pade dich alsdenn wieder deiner Wege. — — 9— 
Philipp R. Ich kam blos zu deinem Beſten. — Ich weiß, du 
ein alter vergeßlicher Mann; ich wollte dich an etwas erinnern, a 
dich Rottchen wohl jo leicht nicht erinnern möchte. — — 
20 S. Richard. O Bruder, ich bin ſo vergeßlich nicht, als du meyn 
Soll ich dir eine Probe von meinem guten Gedächtniß geben? rom 
ber, ich will dir e8 auf den Finger herrechnen, wie viel du Be ſe 
funfzehn Jahren, gekoſtet haſt. — Bey deinem erſten Bankerotte verloh 
ich dreyzehn tauſend, vier hundert, ſechs und achtzig Thaler, neunze 
25 Groſchen — 
Philipp R. Und ſieben Pfennige — Das habe ich ſo oft v 
hören müſſen, daß ich es endlich ſelbſt behalten habe. — 3 
3. Richard. Bey deinem zweyten Banferotte fam ich um | fi 
taufend, drey hundert, und drey und dreyßig Thaler — je 
30 Philipp R. Da war der Verluſt ſchon Heiner, wie bey Da # 
Denn du warſt um eben fo viel klüger, als härter geworden | J— ft 
3. Ridjard. Bey deinem dritten Banferotte — 
Philipp R. Verlohrſt du faſt gar nichts. Eine Poſt Rh) wei 
für die du in Cölln für mich? gut gejagt hatteft — —— 





lachte, [Hſ.] 2 fiir die du fir mich in Cölln [1784] 


Der Schlafkrunk. 421 









| 3. Richard. Iſt das nichts? Die Poſt betrug achtzehn hundert 
Thaler. Diefe achtzehn hundert, und jene fieben taufend, drey hundert 
und drey und dreyßig, mit den erjten dreyzehn taufend, vier hundert, 
und! ſechs umd achtzig — — | 
Philipp R. Neunzehn Groſchen, fieben Pfennige — 5 
. 3. Richard. Betragen zufammen zwey und zwanzig taufend, jehs 
hundert, und neunzehn? Thaler — | 
Philipp R. Neunzehn Grojchen, fieben Pfennige — 
$ 3. Richard. Und die fofteft dur mich baares Geld. Was kofteft du 
mich nicht? fonft? — Nu,* Bruder Unverfchämt, habe ich ein gutes Ge- 10 
dächtniß oder nicht? 
E Philipp R. Rabbi Samuel, alles das beweifet für dein gutes Ge— 
dächtniß gar? nichts; denn das -waren Schußtwunden, die dir ein Paar 
Knochen zerjplitterten, und nachdem fie furirt waren, einen ewigen Ka— 
Sender in den wieder verwachjenen Knochen zurück lieſſen; aber ein Kalender 15 
iſt fein Gedächtniß — — 
J S. Richard. Höre einmal, Lottchen, hör einmal! Weiſe ihm doch 
die Thüre, Lottchen! 
| Philipp R. Bemühe Sie fich nicht, Lottchen; fie iſt mir befannt. 
Aber, Bruder, alle deine Grobheit ſoll mich doch die gute Abficht nicht 20 
vergeffen machen, in der ich herkam. ch will dich nur erinnern, daß 
te der jechzehnte“ September ift. 

8. Richard. Sit das wahr, Lottchen? — Nu? und? — 

- Philipp R. Und daß Morgen der fiebzehnte iſt — 

8. Richard. Sit das wahr, Lotthen? — Nu? und? 25 
ä Philipp R. Was ift auf den fiebzehnten, Lottchen? Ich wette, Sie 
mag es? nicht willen — 
» Charlotte. D Herr Onkel, haben Sie ſonſt what Daran bat ſich 
Ihr Herr Bruder ſchon ſelbſt erinnert. 
S. Richard. Ja, daran habe ich mich ſchon ſelbſt erinnert — 30 
achte zu ihr.) Was meynt er denn, Lottchen? 
Charlotte. Eben das, lieber Onfel — 
3. Richard. So? — Schon gut, Bruder, ich danfe dir für deine 





: und [fehlt in der i.] 2 dreh hundert und neun und zwanzig [9j.] 3 mir nicht noch 
[Si Rum, [Sf] noch gar [$i.] ſechzehnte [Hſ.J mass [$f.] 


492 | Tpentralifiher Barhlaf. 



















Mühe, jo unnöthig fie auch war. (achte zu ihr.) Lottchen, du vi m 
wohl hernach! jagen, was er meynt — i 
Philipp R. Erfenne meine Aufmerfjamfeit auf dein Def 
erkenne fie nicht: nur verfäume mir morgen den dritten Termin 
5 fo wie du den erften und zweyten verſäumet haft — — | — 
S. Richard. Den Termin, Bruder? den dritten Termin? - Be. | 
hen? — * 
Philipp R. Den dritten und letzten Termin gegen Werten. 
denke, du haft dich Schon ſelbſt daran erinnert? = 
10 S. Richard. O ja, das habe ih. Nicht wahr, —— f 
Lottchen, das macht Bruder Philipp doch gut, daß er uns u 
hilft. — See dich doch einen Augenblid bey mir nieder, Bruder Phi il 
— Recht! den dritten Termin muß ich-nicht verfäumen. — Was meh; 
du, Bruder, wie die Sache laufen wird? 
15 Philipp R. Sie mag laufen, wie fie will, wenn du bi $- 
- gehörig eingelafjen halt. Das Vornehmite bey einem Fe 
man jeinem Gegenpart die Hölle fo heiß, und das Leben fo jauer a 
als möglich. Ich habe jego? nicht Zeit, Bruder. Aber wenn du will 
jo fomme ich auf den Abend wieder zu dir, und mir wollen — 
20 ſchwatzen. — 
S. Richard. Ja, Bruder Philipp, thue? das, komm! Du J mi m 
angenehm ſeyn. — vo 
Philipp R. So lebe umterdeffen wohl. — ER 
3. Richard. Auf Wiederjehn! — Begleite* ihn doch, gen, 
25 gleite* ihn doch — 
Philipp R. Ohne Umftände, Lottchen! — Wir fennen einande 
Charlotte. Wohl fenne ich dich! — 


Dritter Aufkrikk. 
Damuel Richard. Charlokke. 


30 S. Richard. Lottchen, Bruder Philipp mag doch weit 
gute Ader haben. Ei 
Charlotte. D ja, lieber Onkel — 





mdarnach [Ö 2 ÄEL s thu loſJ Begleit [Of 


a nA Zn = un". = — 





Der Schlafkrunk. | 423 





a 3. — Er — doch noch dafür, daß ich nicht in Schaden 
Br * — Finette, gut, daß du kömmſt. 


vVierker NRufkrikk. 


Fineffe und die Vorigen. | 
Finette. Es ift alles fertig; fie mögen nun kommen, wenn fie wollen. 


Eie rückt einen kleinen Koffeetiſch zurechte, bedeckt ihn, und ſetzt Taſſen darauf.) 
S. Richard. Finette, Bruder Philipp wird heute zu Abend mit 


uns eſſen. Laß einen Krammetsvogel mehr braten — 


Finette. Einen? Das wäre jo viel, als eine Mücke für einen 


- Hungrigen Wolf. Bruder Philipp muß auf jeden Zahn einen haben. 


3. Richard. Nu, nu, Mädchen, traftive ihn nur heute, jo gut, als 


du kannſt. Er hat mir einen Dienft getban — | 
Fineffe. Bruder Philipp, Ihnen einen Dienſt⸗ Den möchte ich 


doch hören. 


S. Richard. Er hat gethan, was ihr hättet thun ſollen. Er Re 


3 mich erinnert, daß morgen der dritte Termin ift. 


Finette. Das hat er? — Ih muß Ihnen nur jagen, Herr Richard, 


es ſetzt heute Feine Krammetsvögel. Es find auf dem ganzen Markte keine 
zu befommen gewejen. 


8. Richard. Das iſt Schade! der arme Bhilipp! was wirit du ihm 


denn num vorjeßen? 


Fineffe. Nichts. Und das wiſſen Sie do auch, daß ich den Keller: 


ſchlüſſel verlohren habe? 


3. Richard. Den Kellerichlüffel? Und du haft feinen Wein haußen? 


h | Was ſoll denn Bruder Philipp trinken? 


Fineffe. Nichts; und das iſt gerade jo viel, al3 er mit jeinem 


E Dienſte verdient hat. Merken Sie denn nicht, Herr Richard, was er 


darunter ſucht? Er will Sie und den alten Berthold nur vollends zu— 


| : ſammenhetzen, damit Charlottchens Heyrath mit dem jungen Berthold 
# Darüber zurücgehen möge. 


- +3. Richard. Lottchen, jollte das wohl wahr jeyn? 
Charlofte. Ich weiß nicht, Lieber Onkel; aber wenn das auch Onfel 


4 Philipps Abficht wäre, fo weiß ich doch, daß Ihnen mein Glück viel zu 
\ angelegen * — 


10 


15 


25 


30 


424 Theatraliſcher Nachlaß. 






















S. Richard. Ja, Lottchen, — wenn das auch ſeine Abſicht wäre. 
Finette. Wenn? Sie iſt es ganz gewiß. — St! ‚der def 
(Charlotte gebt ihm entgegen.) 
3. Richard. Wer it es denn, Finette? 
5 ° Fineffe. Herr Berthold mit feinem Sohne — 


3. Richard. a, ganz recht, ganz recht! (teht auf.) 


Fünfter Auftritt. Bi 
Berthold. Karl Berthold. Charloffe. Samuel Richard. inet 

Berthold. Lieber, alter rund, ich Freue mich Ver 

10 zu jehen. SE 

3. Richard. (Sie umarmen fit) Willfommen, Herr Bruder 8 47 — 

willkommen! — Sit das dein Sohn? (Karl neigt ſich gegen ihn.) 

Berkthold. Das it er. Die acht Monate, die er weggeivefen, E 

ihn mir jelber unfenntlich" gemacht. 

15 Karl B. Ih wünſche und hoffe, Tiebiter Herr Richard, he 

dieje Zeit über, bejtändig gefund und vergnügt mögen gelebt haben. 4 

3. Richard. Ich danke, Herr Karl. Wie alte Leute nun fo Tebe 

Karl B. Sch bin höchſt ungeduldig en u. Sie 

beit zu bezeigen. — — 

20 Berthold. Es iſt wirklich fein erſter — 42 — 

3. Richard. Bedanke dich, Lottchen, bedanke dich! — Setzen 


fi) doch, meine Herren — (Sie jegen fi, indeß hat Finette Kaffee und Bad 
getragen, und fängt an, davon herumzugeben.) 


Karl B. Ich fchmeichle mir, liebſter Herr Richard, daß mei ne 4 

25 wejenheit, oder was während derjelben etwa vorgefallen jeyn fönnte, n m 

in Ihrer ſchätzbaren Gewogenheit nicht wird zurückgeſetzt haben. 
S. Richard. Darinn kann Sie nichts zurückſetzen; Sie find u 

noch jo lieb, al3 Sie uns jemals gewejen find. — Nicht wahr, Lottch n? 

(zu Finetten, die ihm eine Taffe Kaffee gebracht.) ? Die wie vielte® Taſſe iſt d0 

30 ich trinfe? = 

Finette. Die erite. J 

Berthold. Freund Richard, mein Sohn iſt ein ſeltſamer Hei { 

er denkt, weil wir in feiner Abwejenheit ein wenig an einander geratl 

find, weil ich dich habe verklagen müffen — Be 


— 





1 ganz unkentlich [Hſ.] 2 eine Taſſe gereicht Hat) [Hſ.)] 3 Die wie vielſte [1784] 





Der Schlafkrunk. 425 


h 3. Richard. Ja, lieber Karl, hätten Sie fi) das wohl jemals 
träumen Yaffen, daß mich Ihr Herr Vater verflagen würde? — 

i Barl B. Es ift ihm leid — 

Berkhold. Mir leid? Was jprichit du da? — 

Rarl B. Es ift mir leid, fage ih — — 

4 Berthold. Geck, was braucht dir das Leid zu jeyn? Wird er dir 
darum das Mädchen nicht geben? Er hat fie dir einmal verfprochen, und 
ein ehrlicher Mann hält Wort. 

N 3. Richard. Freylich! Aber, Freund Berthold, ein ehrlicher Mann 
muß auch einen andern ehrlichen Mann mit PBrocefjen verfchonen. 

i Berthold. Ich weiß gar nicht, warum die ganze Welt jo wider 
- die Brocefje eingenommen ift. Wollen denn die Advofaten nicht auch leben? 
S. Richard. Sie wollen wohl, aber fie müjjen darum nicht. 

Berthold. Das ift dein Spaß. 

S. Richard. Das ijt mein völliger Ernit. 

Charloffe. (zu Karın) Wo fie nur nicht higig gegen einander werden. — 
| Karl B. Wir müfjen fie auf ein anderes! Gejpräch lenken. — 
EM Richard, ich- habe in London das Vergnügen gehabt, einen alten 

Freund von Ihnen fennen zu lernen. 

S. Richard. So? — Mein völliger Ernſt, Freund Berthold! Sch 
wuüßte nicht, welchem Dinge ich in der Welt gramer wäre, al3 dem Pro— 
ceffiren. 

Berthold. Und ich habe Zeit meines Lebens gern procefjirt. Mein 
| erſter Proceß war mit meinem leiblihen Vater. Die beiten Freunde können 
einmal uneins werden, und diefe Umeinigfeit auszufechten, ift der fried- 
lichſte und gütlichſte? Weg, der Proceß. So lange man ſich nur ſo ſtreitet, 
jo lange ärgert man ſich. Sobald aber die Sache den Advokaten über— 
geben ijt, müſſen jich die Advofaten an unjerer Statt ärgern, und wir 
ſind wieder ruhig. 



















nur ein einzigesmal proceffirt, aber das weiß ich doch befjer. Man ärgert 
ſich noch immer, und ärgert fich über die Advokaten oben drein. — 

| Karl B. Diejer Ihr Freund in London fagte mir — 
S. Richard. Hörft du? das hat mein Freund in London ihm auch 
gejagt. — 


# I ander [Hi] 28gütigſte [1784] 





\ 


10 


15 


20 


25 


3. Richard. Nein, Freund Berthold; ich habe in meinem Leben 30 


35 


426 Theakraliſcher Nachlaß. 






















Karl B. Daß er ehedem in Amſterdam — — 
3. Richard. Die ganze Börſe in Amſterdam denkt J— — öl 
Berthold. Karl, fein Wort mehr von London und $ ri 
Kaum find die jungen Laffen einmal hingerochen, fo ift ihr dri st 
5 London und Amsterdam. J— 
S. Richard. Nein, nein, laß ihn nur mitreden. Er {pri 01 
recht nicht. — (su Finetten, die ihm die zweyte Tafje reicht.) Die wie viel 
iſt das, Finette? 
i Fineffe. Wieder die erite. — ⸗ 
10 S. Richard. Habe ich die vorige auch mit Milch getznunken Br ir 
laß mich ja nicht zu viel Kaffee trinken. Du weißt, er iſt mir ſchäd 
Karl B. Gewiß, Herr Richard, der Kaffee iſt be— 
unzuträgliches Getränke. 
Charloffe. Sagen Sie dad aud, Herr Karl? — & 
5° Rarl B. Ich weiß wohl, daß er feine größten? Verheiiger u 
dem schönen Gejchleht? bat — E 
Berkhold. Kinder, diefe wichtige Frage: ob der Kaffee 4 
oder unzuträglich iſt, macht aus, wenn ihr allein ſeyd — Falls * 
euch ſonſt nichts wichtigers zu jagen habt. Itzt* laßt die Alten m ei 
20 ander reden. — Freund Richard, morgen wird fich viel zeigen — — 
S. Richard. Morgen? — Ja, es ift wahr, morgen iſt der d i 
Termin. Aber denke nicht, Freund, daß ich den auch verſäumen ver 
Berthold. Gleichwohl wäre es das Beſte — A 
S. Richard. Und ich ließe mich kontumaciren? 
5 Berthold. Nicht anders. 
3. Richard. Und ich bezahlte dich noch einmal? F 
Berthold. Das würde ſich zeigen. Karl, du weißt, mas i 
gejagt habe. — DI 
3. Richard. Nein, nimmermehr, das wird nimmermehr — 
30 Berthold. Wenn du die Quittungen, auf die es ankömm 
zeigen kannſt, jo wird e3 freylich nicht geſchehen. | J — 
3. Richard. Was Quittungen? Ich offerire mich zum Schi 
Berthold... Du bijt ein ehrlicher Mann, aber ein —— 
man wird dich nicht zum Schwure — — 





1 Die wie vielſte [1784] ? größte [9i.] 3 Geſchlechte [Hf.] Jetzo [ST] 


Der Schlaftrunk. 47 





N .£ 


8. Richard. Nicht zum Schwure laſſen? Alfo wäre e3 ja fo gut, 
als gewiß, daß ich dich noch einmal bezahlen müßte? 

3 Berthold. Wenn die Gerechtigkeit geſprochen hat, ſo werde ich wiſſen, 
was ich zu thun habe. 

8, Richard. Ich werde es auch wifjen; ich auch. — Lottchen! (sie 5 
ſich mit Karln unterpätt) [aß dich da nicht zu tief ein! — 

Berkhold. Wie meynit du das? 

= 8. Richard. Sch ſehe ſchon, es ijt weder Freundichaft, noch Treue, 
noch Glauben mehr in der Welt. Wenn ich kondemnirt werde, noch ein— 
mal zu bezahlen, ſo bin ich ein ruinirter Mann; Lottchen iſt ein ruinirtes 10 
Mädchen, und iſt keine Frau für deinen Sohn. — | 

Berthold. So meynſt du das? Freund Richard, das geht zu weit. — 

- Charlotte. Liebiter Onfel — 

8. Ridjard. Laß mich, Lottchen, laß mich — 

Karl B. Herr Bater — — 15 
Berthold. Schweig, Karl! Der Alte denkt, mich zu trogen? Ach 
kann eben jo eigenfinnig jeyn, als er. — Alfo, Herr Richard, wenn Sie 
kondemnirt werden, ift Lottchen feine Frau fir meinen Sohn? — Recht 
} wohl! Und wenn ich Eondemmirt! werde, ijt mein Sohn fein Mann für 
Lottchen. Das ift das Ende vom Liede! — Sohn,? nimm Abjchied — 20 
Karl B. Liebfter Vater — 

Charlofte. Liebjter Herr Berthold — 

; Berthold. Sohn, du kennſt mich! — Lafien Sie mih, Mamfell. 
— Leben Sie wohl, Herr Richard. (seht ab. 

3— S. Richard. Was iſt denn das? — Je, Freund Berthold, Freund 25 
Berthold! — Haltet ihn doch! | 

Rarl B. Sch folge Ihnen jo gleich, Tiebiter Vater. 





J | Serhlter Nufkrikk. 

Rarl Berthold. Samuel Richard. Charloffe. Finette, 
Finette. Das iſt ein Mann! 30 
2. Richard. Was fehlt ihm denn? Warum geht er denn jchon ? 
Charlotte. Sie haben: ihn unwillig gemacht, liebſter Onkel. 
S. Richard. Wer wird denn gleich ſo empfindlich ſeyn? Man 





kondemniret [1784] 2 Mein Sohn, [1784] 


428 Cheatralifiher Barhlah. | k Mi 4 





ipricht ja wohl was. — Seyd ohne Sorgen, Kinder! Ich will d 
nicht verlieren, und das Uebrige wird fich ſchon geben. — & Bi 
fich doch wieder,! Herr Karl. — — = 
Rarl B. Ich darf mich nicht länger aufhalten. — . Lieb 
5 lotte, meine Schwefter bittet um das Vergnügen, Sie — Get 
juchen zu dürfen. — — 
S. Richard. Sie ſoll uns herzlich willkommen gehe 

Karl B. Liebjter Herr Richard, trauen Sie meinem Bat 
Beſte zu. Er ift von allem Eigennuß? entfernt; nur feinen Wi — 
10 er haben. Ich darf mich nicht näher erklären; er hat mir es verb: 
Ich fage Ihnen nur, Sie verlieren nichts, wenn Sie den re eh v 
fieren. — - ei 

S. Richard. Nichts? Sind zwey taufend Thaler nichts? 
Karl B. Sch muß eilen, daß ich meinen Vater noch einhole. 
15 Sie aber erlauben, jo bin ich mit meiner ia biejen —— 
hier. — 
3. Richard. Es wird mir lieb jeyn, Herr Kart. — Beglei te il 
doch, Lottchen. — 
Siehender Auftrill. 3 
20 Samuel Richard. Finette. Be 3 
Fineffe. An alle dem hat niemand, al3 Bruder Philipp € Si 

Was braucht er Sie an den Termin zu erinnern? Sie hätten ni 
gejien — : R- 

3. Richard. Und wäre fontmarirt worden. — Du weißt m 
25 Mädchen, was das ift. Ich hätte bezahlen müffen. 
Finette. Nun ja, Sie hätten bezahlt. Genug, daß das G 
der Familie bleibt, wenn Herr Karl Lottchen befümmt. — — m | 
„3. Rühard. In der Familie bleibt! Das Geld bleibt alles in 
Welt, und die ganze Welt jollte nur eine Familie jeyn; aber weı — 
30 der hats. | h 














Achter Aufteitt. 
Anfon. Samuel ‚Richard. Fineffe. 


Anton. Herr Richard, Jochen hat angefpannt. — 
S. Richard. Was angeipannt? 


I nieder, [1784] 2 Eigennuse [9f.] 3 wer es [9j.] 





Der Schlaffrunk. WE. v4 





Ankon. Die Pferde — 

S. Richard. Die Pferde? 

= Anton. Oder den Wagen; wie Sie wollen. Was weiß-ich, ob die 
Pferde an den Wagen, oder der Wagen an die Pferde gejpannt wird. 
8. Richard. Aber wozu denn? 5 
Anfon. Fit denn nicht Donnerjtag, heute? Fahren Sie denn nicht 
ins Kränzchen? 

J 3. Richard. Wahrhaftig! Jochen hat Recht. (er ſteht auf.) Finette, 
heute iſt Kränzchen; und das Kränzchen, weißt du! wohl, verſäume ich 
am wie viel nicht. 10 
| Fineffe. Wer fagt denn, daß Sie es verjäumen jollen? 

3. Richard. Geh, Anton, jage Jochen, ich käme? gleich. (Anton gest 


ab, indem Charlotte zurüdfümmt.) 





Beunfer Auftritt. 
Charlotte Samuel Richard. Fineffe. 15 


3. Richard. Gieb mir meinen Hut, Finette. 
Charlotte. Wo wollen Sie hin, liebſter Onfel? 
2 3. Richard. Ins Kränzchen. Ich muß Strafe geben, wo ich nicht 
komme. 
J Charlokke. Aber — 20 
Fineffe. Gu CHarlotten) So lajjen Sie ihn doh! — 
8. Richard. (indem ihm Finette den Hut giebt.) Und meinen Stod. 
Charlotte? Aber er vergißt ja — 
Fineffe. Mag er doch vergejjen. 
F 3. Richard. (indem ihm Finette den Stod giebt.) Und meine Rauchtabads- 25 
% dofe - — 
Charlotte. Gu Finetten) Aber wir bekommen Philippen über den Hals. 
Fineffe. Den wollen wir ſchon los werden. — 
8. Richard. (giebt ihm die Doſe) Iſt auch Tabad drinne, und der Stop= 
per? Ihr laßt mich doch an alles allein denken. 30 
Finette. Steden Sie doch nur ein, und gehn Sie — 
S. Richard. Nun jo führe mich herunter, Lottchen. Es thut mir 
leid, daß ich dich allein Lafjen muß. Bertreib dir den Abend, jo gut du 
kannſt. Halb zehn bin ich wieder da. 


e. du weißt [81.1 2 fomme [91.] ° _? Charlotte. (u Finetten) [9i-] 





20 Lurinde. Sit das wahr, Finette? du biit ja ihre DVertraufe. - 


15 und neun und neunzig wohl abgehen? Nicht wahr? — 


430 Cheatralifcher Badhlaf. 





Finette. Gehn Sie nur, und laſſen Sie fid das Gläße = 
ſchmecken! (Charlotte führt den Alten ab, und Finette räumt den Kaffeetiſch wieder u 
Luftig, Finette, das wird ein Abend für dich werden! — J— 

Ende des erſten Aufzugs. vg | 


s na: Zweyker Aufzug.“ 
Erſter Auftritt. 


(Tuxinde, die auf der einen Seite von Jinekken herein geführet wird, und BR 
Charlotte, die auf der andern Seite ihr entgegen fümmt.) — "a 

Finette. Hier herein, Mademoijell! J— 

10 Charlotte. Oh, ſey mir tauſendmal willkommen, liebe, fiebe & 
einde — Be 
Turinde. Küffe mich, meine Charlotte! — du ſiehſt di) unit? 1 

Kind, ich komme allein, mein Bruder kömmt nicht mit; und num iv 24) 
von den taufendmalen, die ich dir willfommen jeyn jollte, neun 9 














Charlotte. Glaubſt du in al That, daß ich ihn — 
Xucinde. Verſtelle dich nur? nicht! Er Be 
Charlotte. Und du, ſey doch nicht* fo gar eitel auf deinen Br ru et 
Wenn ich ihn liebe, jo liebe ich ihn blos, weil ich dich liebe. “ 
Finette. So etwas mag davon wahr jeyn. Die Zindröhre f 
wohl durch das Herz der Schweiter gegangen jeyn. Aber — * 
einmal Feuer gefangen — ſehn Sie, Mademoiſell — ſo könnten w 
Zündröhre zur Noth entbehren. — 
25 Iurinde. Da haben wirs! at Er 
Fineffe. Erſt liebten wir den Bruder, blos der Sciweiter m 
allein alles fehrt fich mit der Zeit in der Welt um. — — ver 
wir die te blos des Bruders wegen lieben. 


30 habt ihr meinen Bruder wirklich nicht mit ER — 





ı Ende des erſten Aufzugs. [fehlt in der Hſ.] 2 [Die beiden J Auftritte des * 

bis „von meinem Verſtande“ (S. 432, 3.12) finden ſich auch, mit Bleiſtift ſehr unleſerlich a 
der Rand des Blattes abgerifjen, unter den Breslauer Papieren.] 3 — Sr 
4 doch nur nicht [Hſ.] 


Se —— 
— 


Der Schlafkrunk. | 431 

























Ainette. Ich, für mein Theil, allerdings. 
Charlotte. Dein Theil ift mein Theil nicht, Finette. 

Jinette. O ich weiß wohl, daß Ihr Theil das größere ift. — 
Lurinde. Nun, Finette; mein Bruder läſſet dich taujendmal um 
Bergebung bitten. Du ſollſt ja nicht glauben, daß er eine andere 5 

Gejellichaft der deinigen vorgezogen. Sondern er muß bey dem Vater 
' a den ihr uns heute ein wenig jehr unwillig nach Haufe ge= 
ſchickt habt. | 
F Charloffe. So, Lucinde? Hat dein Bruder zu Finetten, oder u 
‚mir fommen wollen ? 10 
Xuxinde. Eigentlich, wohl zu dir. Aber da du ihm nicht erwartet 
haft: jo wäre e8 lächerlich, ihn bey dir zu entfchuldigen. Ich entjchuldige 
ihn da, wo er die Entihuldigung braucht. — Indeß, Finette, hat er 
h verjprochen, mich wieder abzuholen. 
Charlotte. Hat er das? 15 
Xuxinde. Und ihr werdet euch noch fehen, Finette, obgleich ein 
wenig jpät; obgleich nur auf einen Augenblid — 
Charlolkte. Sage mir, Finette, haft du drauſſen be zu thun? 
Ainette. Alle Hände voll — - 
Er ‚ Charlotte. Nu, jo thu mir den Gefallen und_geh. — Wenn Lucinde 20 
Eanden bat, mit dem fie ihre Poſſen über mich treiben kann, wird 
fie wohl ernithaft werden. — Ich bitte dich, geh! 
Ainette. (su Lueinden.) Soll ich? 

Turinde. Geh nur, und nimm meine Bofjen mit. 


Biweyfer Auftritt, 25 
Turinde. Charlotte. 


Bir Charlotte. Nun, liebe Lucinde — 
= Luxinde. (in einem affeftirten ernſthaften Tone, mit vielen Verbeugungen.) Uber, 
Mademoiſell, ich habe noch nicht die Ehre gehabt, dem wertheiten Herrn 
Richard mein Kompliment zu machen — 30 
Charlotte. Er iſt nicht zu Hauſe, Lucinde — 

Tucinde. Ey, das betaure ich ja recht ſehr — 

Charlolle. Gewiß? 


432 Theakraliſcher Vachlaß. 





Lueinde. Ganz gewiß, Mademoiſell. — Aber er kömmt doch be 
nach Haufe? | — — 
Charlotte. Vor zehn Uhr ſchwerlich. Be, 
Turinde. Ey! Sie erjchreden mich, Mademoifell. — 
5 Charlotte. Was ijt nun das, Lucinde ? mer 
Turinde. Ich verſprach mir, in der Gefellichaft dieſes eh em 
Alten — * 
Charlotte. Du biſt doch eben. ſonſt feine Lebhabernn von © e 
ichaft mit alten Leuten. , — 
10 Xucinde. Wie, Mademoiſell? Gewiß, Mademoiſell, Sie — 
mich! Ich feine Liebhaberin von Geſellſchaft mit alten Leuten? Ich m 
mich fehämen, daß Sie von meiner Sittfamfeit, von meinem Ve = d 
von meiner Tugend einen jo nachtheiligen Begriff haben. Inen 
Geſellſchaft ift unfere unerfahrne Jugend, unser leicht zu verführ, 
15 Herz, wohl befjer aufgehoben, al3 in Gejellichaft der Alten? * 
wo wir nichts als weiſe Sittenſprüche, nichts als fromme Ausrufu ing 
über die verderbten Zeitläufte, nichts als lehrreiche Es war einmal 
hören bekommen, ſollte ſich ein junges Mädchen wiegt freuen, ganze s ni 
Abende zu — zu — J— 
20 Charlokke. Zu vergähnen? — Spricht ſie nicht, ala 9— 
der Onkel in ſeinem Lehnſtuhle ſäße, und ihr zuhörte? — 
Xucinde. Werthe Mademoiſell, laſſen Sie uns immer jo rede 
als ob wir von ernſthaften weiſen Männern gehöret würden — 
Charlottke. Wird das noch lange jo dauern, Lucinde? | 
‘25 Turinde. Ich weiß, daß mich meine ernjthafte Freundinn im | 
andern Tone zu hören wünjcht — 2 
Charlotte. (euft in die Scene) Finette! 
Turinde. Was wollen Sie, Mademoifell? 
Charloffe. Sie mag nur wieder fommen. — Finette! 
30 —— Ich ‚ehe ungern, Mademoiſell, daß Sie ſo — ert 
















Charlotte. Finette! FZieltel 
LIucinde. Muß ſeine Untergebene jederzeit in einer gewiſ 
fernung zu halten wiſſen. — a 





1 [Das Folgende bis in die Mitte des fiebenten Auftritt3 (S. 438, 3. 2) ift bandj riftli⸗ 
erhalten.] wa 


Per Schlaffeunk. ' 433 








Dritter Auftritt. 
} Ginelte, die in der Vertiefung aus einem Zimmer kömmt, in welchem man einen kleinen Tiſch 
auf zwey Perſonen ſervirt ſieht. Charlokke. Lucinde.) 

Fineffe. Sie ſind auch ſehr ungeduldig, Mademoiſell? — 
Charloffe. Bleib ja bier, Finette — 

E: Fineffe. Nun fann ich au; es ijt angerichtet, und Sie dürfen 
ſich nur jegen. 

Charlotte. Gu Sinetten) Lueinde ift noch ausgelafjener worden. 
ji Turinde. (wiederum natürlich.) Finette, ſage mir nur, was deine Jungfer 
will. Sie will mich nicht hören Poſſen treiben, und moralifiren will fie 
mich auch nicht hören — 
| Charlofte. Weil dein Moralifiren eben die tolliten Bojjen find — 


Finette. Setzen Sie ſich nur; er wird Ihnen ſchon ſchmecken. Etwas 
recht gutes, recht ſüſſes — 
Lucinde. Süſſes? Ueber die Närrin! — 
Finette. Vino Santo, Mademoiſell — 
| Turinde. Und wenn e3 Santo Vino wäre! — Bleibe mir damit 

vom Halje. Ich will Wein, und fein Zuderwafjer. Werden wir mit dem 
- füllen Zeuge nicht in großen Gejellichaften jchon geplagt genug? Wollen 
wir uns unter uns ſelbſt auch noch damit martern? - = Etwas füfjes für 
die Damen! = = Denken denn die Herren Hüte, daß die Damen nicht aud) 
Wein trinten wollen? — 

Charlotte. Nu, jo befiehl! Was willit du für welchen? 

E Xuxinde. Es ijt nichts Wein, als was Geijt hat. — Champagner 
will ich — 
Charloffe Haben wir denn Champagner, Finette? — 

Fineffe. Bravo, Mademoijell; Sie find meines Geſchmacks! Gleich 
ſollen Sie bedient jeyn. (läuft ab.) 


vVierker Aufteitt. 
Charlotte. Lurinde. 
3 Charlotte Weißt du, liebe Lucinde, daß du mir Heute allzu luſtig 
biſt? Dafür wirft du es auch ganz allein ſeyn müſſen. Denn ich, ich 
beſfinde mich in einer Verfaſſung — Hat dir denn dein Bruder nichts 
3 Leſſing, ſämtliche Schriften. TIL 28 


10 


Turinde. Ehe wir uns jegen, Finette: was haft du für Wein? 


15 


20 


25 


30 


434 Cheafralilcher —— 





geſagt? Die Alten haben mit einander ſo gut als gebt um > 


Heyrath — 2 
Turinde. Behält ja * Richtigkeit, wenn ſie beyde den 9 














gewinnen. Ge — 
5 Charlokke. Beyde! Und wie iſt denn das möglich? 
Turinde Das ſieht der Bruder auch nicht. J — 


Charlotte. Nun da! Und du haſt kein Mitleiden mit 

Turinde. Kein Mitleiden mit dir? Sit das fein Titfeiben, w 

ich dich zu zerſtreuen juche? Wenn ich mehr tolle, al3 mir jel ur £ 
10 Herz ift, um dich von Grillen abzuhalten? Sey gutes Muths, Cha 
fotte! Wir kriegen den Mann doch, den wir haben jollen. 


# anfter Auftritt. 


(Finefte, mit einer Bonteille Champagner, von dem Bausknecht begleitet, J ng 
) Korb mit ſechs Bouteillen herein bringt. Charlokke. Turinde.) = 
15 Finette. Bin ich nicht geſchwind wieder da? (su dem Sanstneit) ‚& 
nur bier nieder! (worauf er ftehen bleibt, und fie alle nad) einander Bi — — 
Nun, was lachſt du? — 
Bausknecht. Eins, zwey, drey! (indem er die Bouteillen im Korbe überzäß 
Eins, zwey, drey, vier, fünf, ſechs! — — 
20 Finette. Was willſt du damit, Kerl? 
Bausknecht. Sonjt heißt es: der Mann einen n Vogel. dier h 

e3: jede Jungfer zwey. 
Fineffe. Stockfiſch! Bi 
Bausknechk. Nu, nu, Sinettchen, meinetwegen nehme &“ all 
25 jechje auf ſich. Gehts doch nicht von dem Meinigen. ur 

Finette. Wirſt du. dich paden! (er geht.) 


—— er 
9— 
J 


Sechſter Rufkrikk. 
Lucinde. Charloffe. Finefte, 
Lurinde. Mädel, was machſt du für Streihe? — J 
30 Finefte. Haben Sie doch nur feine Sorge! Für uns ift (Gi 
die Bouteille auf den Tiſch fest.) Das! Und das (auf den Korb zeigend.). it f 
tieben Gaft, den wir nicht haben mögen. (su Cyartotten.) Denn jo jd ſch 
dings, Mademoiſell, werden wir Onkel Philippen nicht los. — | 


RE Ei, 


wa 


Der Schlaffrunk. 435 





Charlotte. Wann du ihn auch nur jo los wirjt. — 2 
Fineffe. Es Elingelt!! — Wahrhaftig, er hat die Krammetsvögel 
über die Straße. gerochen. Geſchwind, Mademoifells, in das Zimmer! 
Eſſen Sie ftille; ich will nah Ihnen zumadhen, und ihn hier er— 
FE Marten; — 3 

| Luinde Was habt ihr denn? 

Charlotte. Komm nur geſchwind, Lucinde. — 







or. 


Siebender Hufteift. 
Jinette, die das Zimmer in der Vertiefung hinter ihnen zumadt; jodann Philipp Richard. 
Finefte. Er iſt es! — Wenn uns nur der Hausfnecht nicht Schon 10 
verrathen hat. Dem hätte ich vorbeugen jollen. — Herein! 
Philipp R. Ha, Finette — Guten Abend, Finette! Wo ift der 
Bruder? 
Fineffe. Er iſt ausgefahren — 
Philipp R. Wo ijt Charlotte? 15 
Finette. Die ift ausgegangen. | 
Philipp R. Sie fommen doch bald wieder? 
Fineffe. Um Bürgerszeit. Ueber zehn Uhr bleibt aus unjerm 
Haufe niemand. _ — 
Philipp R. Haſt du mich zum Narren, Finette? 20 
Finefte. Wie jo? 
Philipp R. Der Bruder hat mich zum Abendejjen gebeten — 
= Fineffe. Site kennen ja Ihren Bruder! Als er Sie bat, hatte er 
bergeſſen, daß heute Kränzchen iſt; und al3 er fich erinnerte, daß heute 
Kränzchen jey, war es ihm jchon wieder entfallen, daß er Sie gebeten 25 
habe. Woran er fich zuleßt erinnert, das thut er. 
| Philipp R. Charlotte war dabey, als er ‚mich bat. Hätte mich 
wenigitens nicht Charlotte erwarten jollen ? 
| Finette. D! das junge Ding ift eben jo unbedachtſam, als der 
Alte vergeblich ift. Sie glauben nicht, Herr Philipp, was für Noth ich 30 
mit ihnen babe. 
Philipp R. Warum jagte denn aber der Schurfe von einem Haus— 
knecht, als er mir die Thüre aufmachte, ich würde recht gute Gejellichaft 
Ä finden? 


436 Theakraliſcher Barhlap. 





_ Fineife, Sagte er das? D der Strick! er hat fich über mid mo 
Ich! ich bin die rechte gute Geſellſchaft für einen Mann, wie * 
Richard! — —— 

Philipp R. Rabenaaß! wenn du nur ſonſt wollien — — * 

5 Fineffe. Er wird freylich wiſſen, daß ich die einzige int 
bin, die es mit Ihnen gut meynt. Sie werden gleich eine — 
hören. Es war mir unmöglich, den Alten wegfahren zu — 
ihm ſeine unhöfliche Vergeßlichkeit aufzumutzen. Noch als er in Wag 
ſtieg, ſchrie ich ihm nach: „Aber der Herr Bruder! Es iſt doch A 

10 „laubt, ‚einem Manne, um den fich die Stadt reift, jo zu begegnen 
„Ohne Zweifel würde er, ohne Ihre Einladung, zwanzig luſtige Or 
„gehabt haben, wo er ſeinen Abend hätte zubringen fönnen!! — 

Philipp R. Die hätte ich auch wirffich gehabt! mn 

Jinette. Etwas half mein Keuffen. Denn als der Bediente der 

15 Schlag zuwarf, rief er mir endlich zu: „So ſchicke mer ein Baar B 
teillen Wein herüber, und laß mich entjchuldigen.” 

Philipp R. So? — Und wo find die Bonteilfen? — 

Fineffe. (zeigt ifm den Korb.) Hier, * Philipp! — Das find 
ein Baar? — Be: 

20 Philipp R. Nein, Kind! ein Baar find wenigitens zwey; und da 
iſt nur ein Korb — Es wird doch nichts ſchlechtes ſeyn? Ei 

Fineffe. Von umjerm beiten Burgunder! — Der re 
fie Ihnen gleich herüber tragen. (als 06 fie ihn rufen wollte.) h; 

Philipp R. Warte noch ein wenig, Finnette. — Hole ein Gla 

















25 Finefte. Wozu? F 
Philipp R. (indem er eine Bouteille aus dem Korb zieht.) Fein auf der € 
gefojtet, jo weiß man, was man hat. — Hol ein Glas! (indem 5 


die Scene gebt, e3 aus einem Wandſchranke zu holen) Das Mädel jagt, fie her 
gut. Daraus läßt ſich was machen. Be 
30 Fineffe. (giebt ihm das Glas.) Hier! — ; — 
Philipp R. Noch eins, Finette. — 
Finette. Noch eins? wozu? —— 

Philipp R. Es könnte Gift ſeyn; du mußt alſo mit it foften. - — 
noch ein Glas! indem Finette es Holt, ſtellt er die Bouteille und das eine Gl a a 


35 Tiſch, und ſetzt zwey Stühle dabey.) 
Finette. Nun da! 


- 


@ı 





Der Schlafkrunk. 437 





ij Philipp R. Gut! Setze dich, Finette!, Laß uns thun, al3 ob wir 
zu Haufe wären. 

% Ainelke. (bey Seite) Himmel! den habe ich num auf dem Halfe — 
— Philipp R. (fest ſich, und ſchentt ein) Gebe dich, Finette. — Was fehlt 
dir? du thuft ja jo ängitlich. — 

Ainette. Ah, Here Philipp, ich wäre de3 Todes, wenn uns je— 
mand fo fähe. Was würde er denfen? So unter vier Augen? Bey der 
Bouteille? 

L Philipp R. Lari Fari! Fari Lari! (indem ev ihr das Glas reicht) Nimmt, 
Firnette! 


MR muß RR 
Philipp R. Finette, auf dein Wohljeyn! — i 

| Fineffe. Sie erzeigen mir zu viel Ehre. Auf das Ihrige, Herr 
- Richard! (fie trinten.) 

Philipp R. Und du trinkſt nicht aus? 

ö Finette. Aus? was denken Sie von mir? Es wäre in meinem 
Leben das erfte Glas, das ich auf einmal austränfe — 

| Philipp R. Ich müßte es lügen, wenn ich da3 von mir fagte. 
Echentt ſich wieder ein) Finette, der Alte joll leben! Gachdem er getrunten.) AU pro= 
pos, Finette! wie lange denkt du wohl, daß er noch leben wird? Gott 
weiß, wenn ich nicht ein jo gutes Herz hätte, die Zeit würde mir ſchon 
_ verdammt lang geworden jeyn. 

ö Finztte. O das glaube ih — 

Philipp R. Da jind wir nun ihrer drey, ich, du und Charlotte, 
7 die wir auf feinen Tod lauern. St es wohl erlaubt, daß einer ihrer 
drey jo lange aufziehen darf? (chentt fih wieder ein) Was wir wünjchen, 
Finette! (achdem er getrunten.) Nun? du thuft mir nicht Beſcheid? Wünſcheſt 
du denn nichts ? 


inette. Aber mit der Bedingung, daß es das erjte und legte ſeyn 


10 


15 


20 


25 


Fineffe. Für unfer eins it das Wünfchen bloße Träumerey. Das 30 


i Wenige, was ich dabey zu hoffen habe, kann ich ganz gelafjen erwarten. 
BE: Philipp R. | Das Wenige? (indem er ihr halb leeres Glas voll fchentt.) Siehſt 
du, Finette, das Wenige iſt des Mehrern fähig! Freylich, was hier hin— 


zukommen ſoll, muß anderswo abgenommen werden. So meine ich es 
auch. Charlotte iſt unſere Verwandte; aber iſt fie deine? So ein weit- 35 


| E läuftigeg Mühmchen bey einem alten Hagejtolze auszuftechen, bey Gott, 


438 Theafralifcher Nachlaß. 























Finette! das würde eben jo wenig Sünde ſeyn, als — (nimmt ſeine Ic 
Lottchen ſoll leben! — als ein Glas Wein auszuftechen. (und teint —9— 
Fineffe.! O, der Sünde wegen! — vr 
Philipp R. Mädchen, du haft englifchen Verjtand. Eindel € 
5 Weißt du, was die größte Sünde in der Welt it? — Ein — u 
ijt eine große Sünde. (indem er einſchenkt. Aber e3 giebt doch noch — hen 
Du meinft: ein volles Glas nicht austrinfen? (indem er trintt) Auch 
große Sünde! — Aber die größte? Die größte Sünde ift Hier ei ind 
— wider da3 Tempo. Ich nenne Tempo — Setze dich nieder, Finette 
10 und höre mir zu! 
Fineffe. Ich bitte Sie, Herr Philipp, laſſen Sie mich — — 
geſſen, wer ich bin. 
Philipp R. Aber, wenn Ich es nun vergeſſen wollte? Wenng 
es nun vergeſſen wollte, wer du biſt, und wer ich bin? RN 
15 Finette. So iſt es meine Schuldigkeit, Sie daran zu erin ern. 
Philipp R. Schuldigkeit! Man ift niemanden in der Welt 
ſchuldig, als fich jelber. Und ſiehſt du, Finette; eine folche mißverjtande 
Schuldigfeit, daS wäre gerade eine Sünde wider das Tempo. 
Finette. Sch verjtehe Sie nicht, Herr Philipp — E 
20 Philipp R. Du wirst mich verjtehen, wenn ich dir jage, daß Tem 0 | 
fo viel iſt, als das italienische Tempo. Ein jeder Menſch hat fein T npo; 
einer früher, der andere jpäter. Aber nur wenige haben e3 in 
Leben mehr als einmal. Deſto jchärfer muß man aufpafjen. “ 
Finette. Ich merke, Herr Philipp, daß der Wein beredt, aber eber 
25 nicht deutlich macht. 3 
Philipp K. Nur Geduld; was ich bey der erſten in J 
bin, werde ich bey der zweyten jeyn. (chenkt ſich ein.) * 
Fineffe. Gey eit.) So helfe mir der Himmel! 
Philipp R. (indem er an ihr Glas anftößt) Unjer Tempo, 
30 gemeinfchaftlichesg Tempo! und trintt.) Ich nenne ein gemeinſchaf 
Tempo — a jo, du verjtehejt überhaupt noch nicht, was das % 
it. Sch will dir gleich jagen. Zum Erempel: du bift jung, 
ſchön, du bijt liebenswürdig; aber du haft nichts, und du mußt d en 
Du dienft in dem Haufe eines alten, veichen Junggeſellen. Mer Hi : 





1 [Bon bier an bis zum Schlufje auf einem einzelnen Oftavblatt unter den Breslauer Bap 
balten.] 





Die Mafrone von Ephefus. 439 


— 





bald das Tempo? Er ein Junggeſell, du eine Junggeſellin; er ein alter 
» Sunggejell," du eine junge Junggeſellin; er reich, du arm; du ſehr ver— 
führeriſch, ex jehr verführbar. Nun lerne ein für allemal: das Merk- 
: mal de3 Tempo ijt das Widerjpiel. Wo jo viel Widerjpiele zujammen- 
treffen, da liegt ficherlich ein Tempo; entweder für den einen, oder für 
den andern Theil; auch wohl für beide. Denn in der Natur, fiehjt du, 
ſtrebt alles nach feinem Contrario; und diejes Streben des Bollen nad 


dem Leeren, (indem er ſich einſchentt) des Naßen nach dem Hitigen, (indem er trinkt.) 


und wiederum zurüc des Leeren nac dem Bollen, des Hitigen nach dem 
Naßen, und jo weiter (indem er wieder einſchentt) ift e8 eben, was die 


"Die MWatrone von Ephefus. 


Ein Tufllpiel in einem Aufzuge. 


| 2 1. Auftritt. 
Die Matrone in der Entfernung jchlafend. Ihre Bediente. 


2. Auftrift. 


Man hört hinter der Scene jemand kommen. Die Bediente fragt. 
Endlich tritt ein gemeiner Soldat herein, welcher bittet, daß man ihm 
jein Licht anzuzünden erlaube. Er hat Ehen bey fih. Die Bediente be- 
kömt Appetit 20. 


RE Str. Auftritt. 
Der Officier fümt und jucht feinen Mann. Er jieht die Matrone; 





1 [Hier endigt der Drud; in der Hi. findet fich hier das Seterzeichen Pr. D. p. 49.] 

- 2 [Dem folgenden Abdrud liegen die Originalhandſchriften zu Grunde, die ſich im Befig des Herrn 
Ernſt Mendelsjohn=- Bartholdy zu Berlin befinden. Es find zwei Hefte, das eine, Ältere in 4°, meift 

ſehr unlejerlich gejchrieben (12 Blätter), das andere, fpätere in 8°, ſchön und deutlich (15 bejchriebene 


und mehrere leere Blätter). Das Duartheft enthält zunächit auf dem Rand den erjten, kurzen Plan 


des Stüds in älterer Handſchrift, dann einzelne Bemerkungen ſowie den zweiten, genaueren Entwürf 
und die ſchließliche Ausführung der erjten vier Scenen ziemlich ungeordnet durch einander gewirrt. 
Auf der legten Seite ſteht von Leſſings Hand:) PferdeMarkt im Sten Haufe von der JacobiTiviete 
‘ bey dem Speersort. [Das Dftapheft enthält die endgültige Ausführung der erften acht Scenen.] 


10 


15 


20 


440 Theatraliſcher Bachlah. 






















er hört ihre traurige Gejchichte, ch verliebt iich Er nähert 
und ſie erwacht. 


4. Aufteitt. u 

Der Officier fchikt den Soldaten weg, um zu fehn, ob der G he 

5 noch da ift. 

b. Rufteitt, — 

Der Soldat kömt wieder. Erzehlt daß der Gehangne geftok > 

Der Officier will verzweifeln. Die Bediente kömt auf den Einfall de 

toden Mann an die Stelle zu hängen. Die Matrone wilfiget er d 

10 darein, und da ſie ſich eben darüber machen, entdekt der — he 

daß der Gehangne noch da jey. F 
Sie ſchläft feſt! — Luſtig! Nun kann ich meinen —— B vis er 

kauen! — Wer doch eine Närrin wäre, und hungerte und w nte fi 

mit ihr zu Tode! Zwar verfpracd ichs ihr; aber wie fonnte id: m 

15 träumen laßen, daß fie Ernft daraus machen wiirde? — Meinetweg e 

— Knack! — Er ift verzweifelt harte — Aber! welch Geräuftt 9— 


Ankiphila, die Wittwe. 
Philokrakes. 
Myſis. Die Magd. 
20 Dromo. Der Diener. 


1. Aufteift, 3 

Myſis erwacht — Wo bin ich? — Ah, noch in dem ve pn h 

Grabe! — Ich war eingeſchlafen. Und ſie ſchläft auch — das ee 
von einem Weibchen! Schlafen Sie, werthe Frau? — Nein, ich wi [ 
25 nicht weden — — Wenn fie doch jo in jenes Leben herüber ſchlumn vie. 
Hu! wie ſchaudert mid. Die Nächte werden fchon falt. Es muß ſchli jlin 
Wetter über ung ſeyn. Wie der Wind durch die Luftlöcher ſauſet 
der Regen auf das fupferne Dach ſchlägt — — Welche Sebfung! 1 / 
Feuchtigkeit hier — — Wenn fie den Schnupfen beföümmt, jo mag 


1 [Darauf folgt in der älteren Hi. Auftritt 2—4, großenteils- übereknftiimmenp mit —— la 
jüngern Hſ. Ich verzeichne die Abweichungen auf S. 446—459 unter dem Texte.J = Er 





Pan EL) 
Pe Pan 
IH 


Pie Wafrone von Epheſus. ® 441 




























n aben — Ja fo, fie will jterben. Ob man mit oder ohne Schnupfen 
ſtirbt; fterben ift jterben — Uber ich, die ich nicht jterben will - — O 
eine Sklavin ift wohl jehr unglüdfich — — Hoch, welch Geräuſch — 


2. Auftritt. 


Dromo, draußen. 5 


3. Aufl. 

WMyſis indem Antiphila jchläft. Glücklich, wenn fie jo in jenes 
Leben hinüber ſchlummert. — — Antiphila die mit dem Kopfe auf dem 
Sarge ruht, jpricht von Zeit zu Zeit, im Schlafe. 


An. Myſis; ad — Myſis! 10 
—  Byf. Hier bin ich; was joll ih? — Sie liegen fo, jehr unbequem. 
E Bm Sie doch eine befere Stellung — — : 


An. Myſis, iſt die Tafel gedekt? — 

miuyſt. Die Tafel 

An. Iſt aufgetragen? 15 

2 Myſis. Was aufgetragen. | 

Br An. Der Wein, Myfis, der Wein! e 
myl. Sie ſpricht im Schlafe! — Ach! wenn fie mir das wachend - 

\ fehlen wollte — — Wachen Sie, meine Frau? — Sitzen Sie doch, lieber 

‚ IC ! (fie gerade jegend) 20 

I“ An. erwacht und glaubt gegehen zu haben — Eifert desfalls 

mit Myfis — Hört, dab e3 nur im Traume gejchehen und jchläft wieder 

ein — - 

 Byl. Sch will Del — mich in einen Winkel ſetzen und 

auch zu ſchlafen juchen — — Oder, wenn Dromo doch wieder käme — — 25 

’ : n Ber wirffih er fümmt — — 


4. Auftr. 
—— Philokrates un Promo — — 
a Drome, Folgen Sie mir nur. — — — Hier bin ich jchon wieder, 
d, und bringe Geſellſchaft mit. Mein Herr, hat mir nicht glauben 30 


m len — — Sehn Sie, mein Herr, das iſt das Mädchen, und hier ſchläft 
Bean —— 


442 Chealraliſcher Barhlap. 





v-/- Ds 
„a Ve 
















Eylis. Leiſe, Ieije, daß fie nicht erwacht —— 
Philofrates der jich ihr nähert und fie bewundert — — Sie e 

er fängt fie an zu tröften, und fich bey ihr einzujchmeicheln — — Er 
wie lange fie gefaftet, jagt, diejes erinnre ihn, daß er jelbit —9 
5 Abend nicht gegeßen und ihn hungre — — und befiehlt dem Dromo 
und Ehen zu hohlen und aus jeinem Zelte einen Tiſch umd 7 
mit zu bringen — — Laß dir helfen — — 


J 


5. Aufl. 


Phil. Anf. Myſis. — 
10 Ant. Wie? Sie wollen Ihre Wohnung hier aufſchlagen — 


Phil. Haben Sie Mitleid mit mir ſchöne Betrübte; es 4 1 

unter dem Zelte zu falt — Bis morgen mit Anbrud des Tale 
Sie mid immer — — 
Anf. Sie wollen mich ungfüdtich machen ? Was’ wird v 

15 mir denfen, wenn die Stadt hört, dab ich Sie eine ganze Nacht b n 
geduldet — — — | 
Philok. Die Folge wird die Stadt ſchon Iehren, wie ungern 
geichehen — Wenn fie Sie dem ohngeachtet tod bey Ihrem 8 —* 
findet — — Wer fein Mitleid mit ſich ſelbſt haben will, muß darum ı 
20 aufhören, es mit andern zu haben. F 


6. Aufkriltt. 
Promo mit einem Gehülfen, der einen Heinen Tiſch bringt.! 


Philok. Kruftiges [?] Brod und Datteln und Feigen und Wein. 

iſt die Küche eines Soldaten! Er bewegt fie zum eßen. Endlih 
25 ihm das Drafel bey, daß er die beite Frau bey den Toden finden 

Er habe immer geglaubt, das Drafel wolle ihn zum beiten hak 

jehe er die Erfüllung — — 2 

Promo. Nun das gejteh ich, mein Ser kann aus dem © Ste 

vortrefflich fügen. — — a 
30 Philok. jchift den Dromo fort nah dem Gehangnen zu — 


u 





ı Hringt [fehlt in der Hi.] 


Die Wafrone von Ephefus. 443 , 





7. Aufteift. 
Anfiphila. Myſis. Philok. 
Fortſetzung. Antiphila- ſcheint anfangen zu wanken. | V 


| 8. Aufteift. 

| Dromo fümt mit der Nachricht zu rük. Verzweiflung des Off- 5 * 
ciers. Erklärung der Wittwe. | i 

| Promo. St! ©t! 
Philok. Was gibts? — Komm, faß an! 
Drum. St! St! 
Philok. Nun? | 10 
Dromo. Bardon für den Todten! 
Philok. Was joll das? — Was meinjt du? — 
Dromo. Es hängt drauſſen noch alles: der Liebe Mann mag nur ruhn! 
Philok. Wie? So haft du mich belogen? Und mir diefen Schref 
eingejagt? Verruchter! Das foll dir dein Leben koften. Du ſollſt unter 15 
dem Schwerte fterben — — | 
Promo. Vortrefflih. Iſt das mein Dank, daß ich durch meine 
- Erfindung, die Schöne Wittwe zur Erklärung gezwungen? Würde fie wohl 
ſonſt jo bald mit der Sprache herausgegangen- jeyn. 
| Philok. Dromo, du haft Recht — Vergeben Sie ihm, meine Antiphila. 20 
3 Ant. Ihr Oötter, welche Beichimpfung ? — Wozu bin ich gebracht 
worden? — | 
Dromo. Sch will hoffen, mein Kind, daß du mit in den Kauf geheſt. 
Ich brauche aljo nicht lange um dich zu handeln. — Wenn du heyrathen 
willſt, heyrathe einen ehrlichen Soldaten. Bleibt er, jo tritt fein Vorder- 25 
- mann, jein Nebenmann, jein Hintermann an feine Stelle. Bleibt der 
auch, jo ijt ein andrer Cammerad gleich bey der Hand. Kurz, wenn du 
einen Soldaten heyratheft, jo kanſt du eigentlich nicht eher Wittwe werden, 
als bis der Henker die ganze Compagnie auf einmal hohlt. Und das ge- 
ſchieht jo leicht nicht. Wir haben itt ein ArmeeWeib, das beynahe die 30 
ganze Compagnie jchon zweymal auf und nieder geheyrathet hat. 
Myſis. Ja jo gut wirds der zehnten nicht. | 
Dromo. Solls dir wohl auch jo gut werden? — Nein, aladann 
möchte ich doch wohl Tieber dein Ießter, als dein erjter Mann ſeyn — 





444 Iheafralilcher Baıhlaß. 















Mylis. Mache, mache, daß wir ihnen nachtommen — 
Dromo. Und dieſe heilige Stäte verlaßen, wo ſich ein Beyſpiel der 
ehelichen Liebe ereignet hat, dergleichen, o a — dergleichen die 
Welt alle Tage fieht.! 
5 Mylis. Grauſames undankbares Geſchöpf! at e3 nicht genug, . 
ihr uns verführt, müßt ihr und auch noch — 


* 


Wir ſind heut über den Cayſter gegangen, kommen aus dem Ge⸗ 

biete der Colophonier wo wir Geiſſel aufgehoben. 
In dem Flecken Lariſſa, der Epheſus gehörte, und in der Cayf 

10 jhen Aue lag. 


* 


7. Auftritt. 


Philok. Der Tode jollte auf mich zürnen, daß-ich in feine de- 
ſitzung trete? Mit mehrem Rechte Fünnte ich zürnen, daß er mir zuvor⸗ ‘= 
gefommen. — 


15 Ankiphila. Gut, wenn ſich die Liebe nur auf diefes Leben ein⸗ 
ſchränkt. Aber werden wir nicht auch jenſeit dem Grabe lieben? Uı N 
die Umbeftändige, die mehr als einen geliebt hat, weßen till fie oo 
Elyfium [?] ſeyn, ohne ih zu beichuldigen ? [?] 

Philok. Ah, Tiebite Frau, wer hat Nachricht von dort her? - 

20 Der Genuß des gegenwärtigen Augenblides ift für uns alles — — MR 


* 


Wegen der zwey Särge. Ich lag im vorigen Monate Fre 
und lag ohne Hoffnung. Ich hatte ſchon alles zu meinem — 
reitet. [?] Ich ließ einen Sarg vor mich beginnen, meine Sterbeklei 
Aber ich werde befer und erfahre, daß mein Mann zugleich ainch To 

25 Sarg, auch, feine Sterbeffeider beitellen laßen. Hier wurden fie bei 
niedergejegt; Ah! wer hätte glauben follen, daß er den jeinigen ; zue 
füllen würde! — 

1 [An.der Hf. ſteht dieſe Rede zweimal, jebesmal unvollftändig, doch ergänzen fich beide Serum 

gegenfeitig:] Dromo. Und dieje heilige Stäte verlaßen, wo fih ein Beyſpiel der ehelid 


dergleihen, o dergleichen — dergleichen die Welt alle Tage ſieht. Dromo. — und dieſe be [ 
Stäte, two fih ein Beyſpiel der ehelichen Liebe ereignet hat, dergleichen — Bi, 2 


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Die Makrone von Ephefus. u 445 





Beſchreibung ihres Mannes. 

Myſis ſagt, daß er dem Philokrates ähnlich geſehn; und geht es 
Stückweiſe- duch; welches Antiphila Stückweiſe leugnet. * 
yſis. Wir wollen ihm nicht ſchmeicheln. Nein — Er war ein 
feiner, wohlgeftalteter Mann, aber kein jchöner Mann — Die Schönheit - 5 
thut zur Liebe auch jo wenig — — 

| Philokrafes. Sollte fie ihr aber auch wohl ſchaden? 

Anfiphila. Sollten Sie das wohl erfahren haben ? 

Philokrafes. Ich? 





4 ji % . 


Die Makrone von Ephefus. 10 
Ein Luflpiel in einem Aufzuae. 


Perfonen. 


Antiphila. 

Myſis. | 
Philokrafes. 15 
Dromo. 


Die Seene iſt ein Grabmahl, in deßen Vertieffung zwey Särge; der eine verdeckt, 
der andere offen; von einer aus der Mitte des Gewölbes herabhangenden Lampe 
F nur faum erleuchtet. 


Erſter Auftritt. 20 
Antiphila um Myſis; 


3 beide ichlafend; Antiphila auf dem offenen Sarge, den Kopf gegen den verdedten Sarg gelehnet; 
{ rn zum Fuße des offenen Sarges, auf einem niedrigen Steine, die Arme auf die Aniee geſtützet, 
das Geficht zwiichen beiden Händen. 


R Myliz (indem fie erwacht) Wo bin ich? (und um ſich fiept) Ah! noch in dem 25 
F verwünjchten Grabe! — Ich war eingefchlaffen. (segen die Antipgila fih wendend) 
Und fie ſchläft auch — Schlafen Sie, werthe Frau? — Nein, ich will 
ſie nicht weden — — Wenn fie doch jo in jenes Leben herüber jchlummerte, 
und meiner und ihrer Quaal ein Ende machte! — Hu! wie ſchaudert 


5 


10 


15 


20 


25 


446 Theafraliliher Bathlaß. 





mich! — Die Nächte werden jchon kalt. Es muß jchlimmes Wetter i 
uns ſeyn. Wie der Wind durch die Luftlöcher pfeift! Wie der Rege en 
das kupferne Dach jchlägt! Welche Hohlung! welche Feuchtigkeit hi 
Wenn jie den Schnupfen befümmt, jo mag fie es haben. Ja Au 
jterben. Ob man mit oder ohne Schnupfen ftirbt; jterben iſt ſt ſterben. 
Aber ich, die ich nicht ſterben will — dindem fie auffpringt) — a 
ift wohl ſehr unglücklich! — Horch, welch Geräufh — 0 













* Zweoeyker Nufkrikk. 
Dromo. Myſis. Ankiphila. 
Dromo (no von draußen)? Holla! 
Myſis. Was iſt das? Eine Stimme?? 
Dromo. Holla! niemand da? 
Myſis.* Wer ſucht hier lebendige Menſchen? 
Dromo. Wil niemand hören? 
Myſis. Es kömmt näher. 
Dromo. Gleichwohl‘ ſehe ich Licht ſchimmern. — — 9 in! 
geht in die Tiefe. 
Myſis. Wer muß das jeyn? 
Promo (indem er herein tritt)” Ha! wo komm ich hin? > 
Myſis. Sch dacht es wohl, daß Er fih müßte verirrt haben. 
Dromo (erjgroden® Wo bin ich? 
Myſis (ie auf ihn zugeht) Im Grabe! a 
Promo. Was? Grabe? — Da habe ich nicht hngenol | 
Myſis. Bey Todten! 
Promo. Todten? —!? Gott behüte die Todten! Sch will gen 
mand!! ſtören. (indem er zurüdgehen will) 
Myſis. Nein, guter Freund — der arme Tropf het fh — 
kömmt Er bier nicht wieder weg. éhn aufpattenn) Was till ro ee 





1 Zwepter Auftritt. Der Soldat. [ältere Hf.] ? Soldat. (vraußen) [ältere Hf.] di 
und die folgende Zeile fehlen in der älteren Hf.] Doris. [ältere Hf.; fo durchaus bi ©. 
3 2, von wo an die Schrift einen beträchtlich jpätern Charakter aufweift; von da an fi 
mäßig die Namen Myſis und Dromo gebraucht.] >Sold. Holla! Niemand da? 
6 Soldat. Will niemand hören? — Gleichwohl [ältere Hi.] 7 Soldat (indem e ex he 
erichrosten) [ältere Hſ.] 8 (erichroten) [fehlt in der ältern Hf.] 9 [Diefe Zeile 
ältern 9f.] 10 Todten? — [fehlt in der ältern Hi.] u gerne niemanden [i 
12 Dori3, (Die ihn aufgätt) Nein, gut Freund, jo kömt man bier nicht wieder DER 
[ältere 9f.] 


TEN 





Pie Makrone von Ephrefus. _ 447 





Dromo. Bliß! ein weiblicher Geift gar! der wird mic quälen! . 


Mylis. Was will Er? 
Promo. Nichts, gute Geiftin,! nichts; — fo viel wie nichts. — Der 
Wind blie8 mir oben meine Laterne aus; fremd bin ich; jtocpechfiniter 


J iſts; ich wußte nicht wo hin; da ſchimmerte mir hier ſo was; da ging 


ich dem Schimmer nach; und ging und ging, und auf einmal führt mich 
mein Unglück dir in die Klauen. — Thu mir nichts, liebes Geſpenſt. 
Sch habe es wirklich nicht gewußt, daß du bier dein Weſen haſt. 

Myſis. Alſo will? Er nichts, wie fein Licht wieder anzünden? 
Dromo. Weiter nichts; jo wahr ich lebe! — Wenn ich anders noch 
lebe — ; 

Myſis. Nun da! qhn auf die Sampe weifend) Zünde Er an! 

Dromo. Ey jadoch! Wie jpaßhaft die Geſpenſter find! Das ift feine 
rechte Flamme; das jieht nur aus, wie eine Flamme! Das brennt nicht; 
das jcheint nur zu brennen! Das jcheint nicht, das ſcheint nur zu fcheinen.* 
Bon jo einem Gejpenfterlichte ift ein recht Licht nicht anzuzünden. 


Myſis. Geb? Er her! (nimmt im die Laterne und geht, das Licht darinn bey 
der Lampe anzuzünden) 


Dromo. Das bin ich begierig zu ſehn!“ — Wehrhaftig, es brennt: 
ja mir würde es ſo nicht gebrannt haben. 

Myſis. Hier! (indem ſie ihm die angezündete Laterne wieder? zurückgibt) 

Dromo. Ein dienſtfertiges Geſpenſt! Es mag wohl auch eine gute 
Art geben. — Ich danke, ich danke recht ſehr. 

Myſis. Wie ich nun ſehe, ſo iſt Er ja wohl gar ein Soldat. 

Promo. Zu dienen, mein freundliches Geſpenſt — — 

Myſis. Aber für einen Soldaten ift Er auch verzweifelt furchtfam. 

Dromo. Ya, ich bin nicht Soldat, mich mit dem Teufel zu balgen — 
Diß gejagt, ohne dich erzürnen zu wollen, lieber Geiſt — 
Myſis. Er ift nicht Hug mit Seinem Geifte! Noch leib ich, und 
feb id. 

Dromo. Wie? im Ernjt?? — Mit Erlaubniß! (indem er fie mit der 
flachen Hand hier und da behutſam betafte) Gewiß, das Ding ift doch ziemlich 





4 Nicht3 lieber Geift, [ältere Hi.) ? meine Laterne aus — und da glaubt ich einen Schimmer 
zu jehen — und ging dem Schimmer nah — und da führt mich mein Unglüd dir in die Klaue, 
lieber Geift — [ältere Hſ.] 3 wollte [ältere Hf.] 4 [Der folgende Sag fehlt in der ältern 
Si.) 5 Gebe [ältere S.J] ° * fehen! [ältere $i.] ? wieder [fehlt in der ältern Hf.] 
8 Wie? Jm Ernite? [ältere Hſ.)] 


10 


15 


20 


25 


448 —— Thealraliſcher Rachlaß. 




















compact (geht mit der Laterne rund um jie herum, und leuchtet ihr endlich ins ı 
ein alferliebjtes Gefichtehen! Nein das Gefichtchen gehört uch 
Geſpenſte. Welch ein Baar Augen! Was für ein — J— 
ein Paar Bäckchen! (indem er fie in den einen Baden kneift.) 

5 Myſis. Nun? was ſoll das? — Weg doch! 

Promo. Ich muß mich ja wohl überzeugen, daß — 
Fleiſch iſt. — Wahrhaftig, wirkliches Fleiſch! Und geſundes, —— 
(indem er fie auch in den andern kneif) — Wird mir doc) wieder ganz —* 
Herze! — Was ſagte Sie denn, mein ſchönes! Kind, ich wäre im ( 

10 bey Todten? Ä ——— 

Myſis. Das iſt er dem ohngeachtet doch! | : 4 


Dromo. Doch? (ieht ſich mit der Laterne um) — Ah! Särgepin * - Umi 
was fibt denn auf dem einen? — J— 


Mmyſis. St! geh Er nicht zu nahe! Er möchte fie ain F 

15 Dromo. Schläfts nur? Was iſt es denn? — | 

Myſis. Es ift meine arme Frau; eine unglückliche junge Wit 

Dromo. Junge Wittwe? Und was macht ihr denn hier zuſan 

Myſis. Iſt das noch zu fragen? Sie hat ihren Gatten verloren 

Dromo. So muß ſie ſich einen andern nehmen. Aber — 9 

20 ſie ihn ſchwerlich finden. ei — 

Myſis. Einen andern? Sein Glück, mein Freund, daß fie fehl 

und biefe Läfterung nicht hört. Einen zweyten Gatten! O Gott, 

die Weiber, die einen zweyten Mann nehmen können! —— 

Dromo. Nun? warum nicht? Gier zweiten, einen britten, ine 

25 vierten — Nur nicht alle- auf einmal! — — 

Myſis. Weil ihr Männer? es mit den Weibern jo haltet! — — N i 

weiß Er, daß meine Frau eine tugendhafte Frau iſt. RN 
Dromo.* Welche Frau wäre das nicht! 













1 ichönes [fehlt in der ältern Hi.] 2 Nur nicht alle auf einmal! — [fehlt in der * 
3 ihr Mannsperſonen, [ältere Hſ.] * [Das Folgende bis ©. 450, 3. 2 ift in der Alt N 
doppelter Fafjung vorhanden. Die zweite ftimmt ziemlich mit dem Tert der jüngern ara 
die erjte lautet:] Ber 
Dromo. Das glaub ich fehr gern. D ich glaube an die Tugend der are * 
an die Geſpenſter. Und wie feſt ich an die glaube, das hat ſie geſehn, mein Kind. Zwar i 
ſich manchmal in diejem Glauben, und das hat fie auch gejehn — — a —J 
Myſis. Was irren? — Meine Frau iſt keine von den leichtſinnigen, unbeſt igen 
änderlichen Weibern, wenn es anders dergleichen gibt — die ihr Herz verſchenken, Bas yieder 
nehmen und wieder verichenfen. Hier liegt er, an den fie es einmal verichenft — u 
Dromo. Aber er ift ja todt — [Diefe und die vorige Rede find wieder ausgeſtrie n.J 


Die Mafrone von Ephefus. 449 








Mylis. Sie ift! feine von denen die ihr Herz verjchenfen, und 
‚wieder nehmen und wieder verjchenfen — ! 

Dromo. Giebt es dergleichen? 

Myſis. Wer es einmal beſeßen, ſoll es ewig beſitzen. 

Dromo. Ey! 

Myſis. Sie hat ihren Mann über alles in der Welt geliebt — 

Dromo. Das iſt viel! 

Myſis. Und liebt ihn noch über alles! 

Dromo. Das iſt gar zu viel! — Er iſt ja geſtorben. 

Myſis. Drum will fie auch fterben. ? 

Promo. D geh Sie, Kind; mach Sie mir nichts weiß. ? 

Myſis. Wiet könnte fie einen folchen Verluft auch ertragen? Ihre 
Verzweiflung ift aufs äußerfte geftiegen. Wenn Gram und Hunger tödten 
fünnen, jo wird jie es nicht lange mehr machen. Hier, neben? dem Sarge 
ihres geliebten-Mannes, will fie den Geiſt aufgeben. Schon haben ſie 
alle Kräfte verlaßen. Nachdem fie zweymal vier und zwanzig Stunden 
nicht3 als gejammert, und geweint, und gejchrieen, und die Hände ge= 


J rungen, und die Haare zerrißen, iſt fie vor Ermüdung eingeſchlaffen — 


Dromo. Und jchläft ziemlich feit. Gut; Schlaf bringt auf beßere 
Gedanken. Wenn fie wieder aufwacht, wird alles vorbey jeyn. Ich 
fenne daß! | 

Myſis. Gitter) Ich kenne das? Was kennt Er denn, Herr Soldat? 


2% 


15 


20 


Er mag viel kennen! — So? ift der Herr auch von den abgejchmaften 


Spöttern, die an die Treue der Frauen nicht glauben? 

Dromo. Ich? behüte! Ich glaube ja an Geſpenſter — wie 
Sie gejehen hat, mein Kind® —, warum follte ich an die Treue der 
Frauen nicht glauben? Ich glaube an alles, was nicht ſo recht glaub— 

lich iſt. 
| Myſis. D, wenn Er in diefem Tone jprechen will, fo gehe? Er 
nur wieder! Er war es nicht werth, an diefe heilige Stäte zu kommen, 





Myfis. DO Herr Soldat, tvenn Er in dem Tone ſprechen will jo geh Er nur wieder! Er 
iſt es nicht iverth, mehr zu hören — Bald wird die Welt das erjtaunlichite Beyſpiel, von der zart⸗ 
lichen Treue einer Frau haben. 

1 Sie iſt [fehlt in der zweiten Faſſung der ältern Hf.] 2 Myſis. Und fie will fterben — [zweite 
Faſſung der ältern Hi.] 3 Dromo. Ya, alt und lebensfatt — [zweite Fafjung der ältern Hf.] 
4 Nein je eher je lieber. Wie [zweite Fafjung der ältern Hj.] - > auf Leite Faſſung der Altern 
Hi.) s wie Sie gejehen bat, mein Kind [fehlt in der zweiten Fafjung der ältern Hf.] 7 geb 
Istweite Fafjung der ältern Hſ.] 

Lefjing, ſämtliche Schriften. IH. S 29 


25 


* 


450 Theatraliſcher Vachlaß. 
















wo ſich nun! bald ein Beyſpiel der ehelichen Liebe er wit, & | 
gleichen die Welt noch nie gejehen. Bi... 
Promo. Noch nie? Sieht Sie; fo? giebt Sie mir ja ge vom 
Spiel. Denn ich denke immer, was nie? gefchehen ift, das — 
5 nie geſchehen, das kann gar nicht gefchehen. — Ha! was hör ich!* a 
hört draußen, als in der Entfernung, von verſchiednen Stimmen ruffen: Wer d JE 
Patrulle! — Steh, Batrulle! —)? | En 
Mylis. Was ilt das? er. 

Promo. Die Patrulle; und ich bin nicht da. — Ich mu 
10 ih muß fort — — Mein Hauptmann ift ein Teufel — 2 
Mſis. Wo ift Sein Hauptmann? 
Dromo. Nicht weit — Leb Sie wohl, mein Kind, leb Sien 
Denn Sie will doch nicht etwa auch ſterben? — Pfuh, ſterbe Sie nic 
(geht eilig ab, und ruft noch zu rüd) Wenn ich wieder abfommen fann — — | 
15 Myſis. O, bemüh Er ſich nicht — | - 


Dritter Aufteift. R 
Myſis. Anfiphila, noch fhlafend.® - 


Myſis. Es müßen Truppen in der Gegend eingetroffen — 
Was es fir Männer giebt! Die meiſten find feine Thräne 
20 ſchweige, daß man mit ihnen jterben wollte. — Aber es ift doch fon 
bar, daß die Frau über den Bejuch nicht aufgewacht ift! (ie ide na a 
Wenn fie gar todt wäre! — Nein, das ift fie nicht! — F 
(ſtößt fie an) Ki 
Antiphila dm Sclafe) Ah — Nein, nein — weg, weg! 
25 Myſis. Beſte Frau! — > 
Antiphila. Beiter Mann! — Wo? wo denn? — 
Myſis. Sie redet im Schlafe. — — Erlauben Sie; Sie lie 
nicht gut; der Kopf muß Ihnen jo noch wüſter werden — 
Antiphila. Sch Liege gut; recht gut — Bey ihm — auf il 
30 recht gut! — D, mein Arm — (indem fie den Kopf erhebt) 
Myſis. Er muß Ihnen ja wohl fchmerzen; fo berwandt © 
mit gelegen. Sie haben ihn ganz wund gedrüdt. * 


— Ki 


ı num [feplt in der zweiten Faſſung der ältern Hſ.)] 2 da [ältere 9. 3 Br nie] 
4 Ha! höre Sie doch — [ältere Hf.] 5 [Statt der folgenden Schlußreden des ziveiten Aı E 
bat die ältere Hſ. nur:] Jh muß Dur — — Ich muß fort — Mein Hauptmann fo * ei 
ein Teufel im Dienfte — — 6 noch fchlafend [fehlt in der alten S.] ji; 





En Dee en 





— — — — 
. - * 





Die Makrone von Epheſus. 451 





Antiphila. D mein Arm! mein Nacken! — Gie erwacht vollends) Ah, 


Myſis, biſt du es? — Iſt er nicht bey uns? 


Myſis. Wer, meine werthe Frau? 
Antiphila. Er! er! — Ah, dieſer Sarg — (indem fie aufſpringt) dieſes 


ſchaudernde Gewölbe — dieſe verlöſchende Lampe — ſie erinnern mich, 


wo ich bin! wer ich bin!! — Und mein Unglüc ftehet ganz wieder vor 
mir! — Myfis, Zeuginn meiner Verzweiflung — (fie bey der Sand ergreiffend) 
Myſis. Laßen Sie mich;? ehe die Lampe verlöfcht. Ich will Del 
aufgießen — (welches fie thuths | 
Antiphila. Laß fie verlöfchen! — Laß die Sonne und alle Geftirne 
des Himmels mit ihr verlöfchen! — Alles werde um mir fo Dunfel und 
Nacht, als es in mir ift! — Sieh, Myſis! E3 wird heller; die Flamme 
lodert neu aufl — Komm her, wie haft du das gemacht? 
Mylis. Ich habe Del zugegoßen und den Dacht gereiniget — 
Antiphila. Kannſt du das? — O, jo wirft du mehr können. — 


Kannſt du eine fterbende Flamme eriweden — fomm, jo muft du mir 

auch meinen Mann erweden! — Komm, — gieß neues Leben in feine 

Adern, — reinige jeine Nerven von dem Moder der Verweſung — Komm! 
Gieht fie gegen dent Sarg) Du mußt, du mußt! — (fie wieder loslaßend) O ich 
wahnſinnige! | 


Mylis. Wie jammern Sie mich! 

Anfiphila. Aus den eijernen Armen des Todes ijt feine Rettung. 
Er ift dahin, unmwiederbringlich dahin! — Und doch, je öftrer ich mir es 
jage, je unglaublicher wird e3 mir. — Er, er, mein Telamon todt? — 


Sage, Myjis, blühte er nicht noch vor fieben Tagen, gleich einer Roſe? 


Als ich ihn vor fieben Tagen verließ, wie verließ ich ihn? Rede, wie 
du es weißt! Und gejtern, wie fand ich ihn wieder? — Reime mir das 


zuſammen, wenn du kanſt! Wie ich ihn verließ, und wie ich ihn wieder- 


fand! — Nein, da ift Betrug dahinter! Er ift nicht todt; er iſt nicht 


todt! — Geſteh e8 mir, Myſis, daß er nicht todt ift! Sage: er Iebt! 


und nimm deine Freyheit dafür, und nimm mein Gejchmeide, nimm alles, 
was ich habe!’ 

Myfis._ Und wenn ich e8 jagte? — 

Antiphila. So wäre es darum doch nicht wahr? So wäre er doch 





I diefe verlöſchende Lampe — erinnern mich — [ältere Hj.] 2 mich [fehlt in der ältern Hſ.J 
3 (tut ca) [ältere Hſ.] % zu dem [ältere Hſ.] 5 [In der ältern Hf. folgt noch) Ja — 


10 


15 


20 


25 


30 


452 | Cheabraliſcher Bade, 



















todt ? — Wo bin ich denn indeß gewejen ? Fern über Land und 
Warum hohlte man mich nicht? — Bin ich weiter als in der — 
weſen? Hätte ich nicht den Augenblick hier ſeyn können? Er $ 
meiner Abwejenheit jterben wollen? — Das macht die ganze Side we 
5 dächtig. — Sage, habe ich ihm sterben jehen? . 2; * 
Myſis. Frehlich nicht.! J———— 
Anliphila. Aber ich hätte ihn jehen fünnen? Sage — 
Myſis. Allerdings. ? | | 
Antiphila. So? Sch hätte ihn können fterben jehen ? — 
10 ihn nicht gefehen?? — O, fo iſt er auch nicht geſtorben! — Und ı 
war ich in der Stadt? — Ein neuer Beweiß, daß ihr mich — 
ihr mich zum Beſten habt! — Wo war ich? In dem Wirbel der I 
finnigen Welt? Jugendlichen Heritreuungen, verführerijchen Ergötzlich 
überlaßen? Ich nehme dich ſelbſt zum Zeugen, Göttinn Diana, * 
15 etwas anders als dein Feſt da beſchäftigte? Täglich und — i 
deinem* Tempel, wo ich zu dir betete, dir Hymnen ſang, dir o ie, 
und deine Briejter bejchenfte — Und du hättejt indeß diß — ** 
mir nicht? abgewandt? Du hätteſt ihn ſterben laßen? — DO fo wäre ri 
du nicht die große Diana von Ephefus — a 
20 Myſis. Wo gerathen Sie hin, meine Frau? — | | a 
Antiphila. Nein, jo ift fie es nicht! So will® ich nie mehr — 
beten, nie mehr ihr Hymnen fingen, ! nie mehr ihr opfern, nie mehr ihre 
Briefter befchenfen! 5** = 
Mylis. Die Göttinn wird Ihren Schmerz anfehen, und | 
25 verzeihen. Ri. 
Antiphila. Und laß auch die Göttinn nichts beweijen! A 
nicht gewollt oder nicht gefonnt haben! — Was hier, hier noch klopft 
(auf ihr Herz) iſt mir glaubwürdiger, als alle Götter. Mein Herz je | 
mit feinem Herze jo innig verwandt, fo gleich geftimmt,® fo völlig m 
30 ein Herz mit ihm war, diß Herz wäre nicht zugleich mit jeinem — 
chen? Reiße die Blume am Bache von ihrem Stengel, und ihr Bild i 
Waßer verschwindet zugleich. Verdunfle die Sonne, und der Mond 





1 Nein nicht — [ältere Sf. ? Warum nicht? — [ältere Sf.) 3 &0? Ich habe ihn mi 
fterben jehen und hätte ihn doch jehen können — [ältere Hf.] 4 dem [ältere SI — 1 
von mir [ältere Hf.] 6 mag [ältere Hſ.) ? fingen [fehlt in der ältern Hf.] 8 

[ältere $f.] | 








Die Mafrone von Ephefus. | 453 


auf zu fcheinen — Nein, nichts kann fich ſelbſt überleben. Und nur mein 


Herz überlebte fich jelbft? überlebte das Herz, in welchem es lebte, durch 
das allein es lebte? — Widerfprich mir das, wenn du kannt! Wider- 


Iprich mir das, Myſis! — Wie jtumm und befhämt du da ftehit! Habe 


ich dich ertappt? — Nun gut, ihr habt mich aufgezogen, graufam auf= 
gezogen." Aber macht auch einmal dem unmenjchlichen Scherze? ein 


Ende! — Komm, hilf mir den Sarg aufmachen. Ich wette mit dir, der 
Sarg iſt leer — Telamon iſt nicht darinn; oder wenn er darinn ift, 
jo wird er plößlich auffahren, und mir lachend in die Arme fallen. — 
Ich werde auch lachen wollen,* aber das Weinen wird mir näher ſeyn. — 
Nun, komm doch, Myſis; wenn er allzulange jo liegt, fich allzulange fo 
zwingt und verjtellt — es fünnte ihm jchaden. 

Myſis. O, laßen Sie dem Leichname feine Ruhe! Wie oft haben 
‚Sie den Sarg fchen? aufgerißen! — Sie werden ihn fehen, und zu 
Boden finfen. — Wenn ich Ihnen vathen dürfte? — | 

Antiphila. Warum darfit du niht? — Ja,‘ liebe Myſis, rathe 
mir! Ich weiß mir jelbjt nicht zu rathen. — Wie foll ich e8 machen, 
daß ich ihm zurüdruffe? daß ich ihm nachkomme? 

Mylis. Keines von beiden! Jenes ift unmöglich, und diefeg — 

Antiphile, So bleibt mir nur diejes! — Ya, ich will ihm nad! 
— Nichts ſoll mich? halten! — 

Myſis. Verlaßen Sie diejen traurigen Ort, meine Frau!’ Kehren 
Sie in Ihre Wohnung zurück! Hängen Sie dort Ihrem Schmerze nad)! 

Antiphila. Kehre du nur zurück, wenn du willit. Mein Gejchäft 
bier, kann deines Dienftes entbehren. Ich erwartete von einer feilen Sklavin 
nichts anders — Aber ich? ich jollte diefen Ort verlaßen? Bey allem, 
was in jener Welt ſchrecklich und heilig iſt, bey ihm, bey dem die Götter 


zu ſchwören ſich ſcheuen, — ſchwöre ich, daß ich nie, nie dieſen Ort, ohne 


dem Geliebten meiner Seele, verlaßen will. 

Myſis. Ich darf Ihnen nichts verheelen.” Ich ben wir werden 
bier nicht lange ruhig feyn. Es müßen Truppen in der Nähe ftehen. 
Eben, als Sie jchlieffen, kam ein Soldat, jein Licht hier anzuzünden. Er 





I graufam aufgezogen [nur einmal in der ältern Hf.] 2 Mache aber dem unmenſchlichen Scherze 
einmal [ältere Hf.] 3 Er [ältere Hſ.] 4 tollen [fehlt in der ältern Hf.]- ſchon den 
Sarg [ältere Hſ.] 6 Antiphila. Dürfte? Ja, [ältere Hi.] ? mich bier [ältere. 97.] 
Myſis. Recht, meine Frau, verlaßen Sie diefen traurigen Ort. [ältere Hf.] Ah muß Ihnen 
‚nichts verheelen, meine Frau. [ältere Hf.] 


10 


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20 


25 


30 


5 


10 


15 


20 fällt was ein — — Gehen Sie gefchwind,d werffen Sie fi auf 


25 


* 


454 Theakraliſcher Baıhlap. 





ſprach von einem — nicht weit von Be er ſprach von ? 
kommen — \ = x 
Anfiphila. Was fagft du? — Ich will — — 2m 
mich von niemand jehen laßen. — Was wollen fie hier? Shre 9 ‚gen 
an meiner Verzweiflung weiden ? 
Mylis. Stille! horchen Sie doch, meine Frau! — voren 
nichts? 
Ankiphila. Ich höre reden über uns. — Geſchwind, Myſis, 
verjchließ,! verriegle den Eingang. 
Myſis. Was würde das helffen? Es find Soldaten. Bee 
Soldaten an Schloß und Niegel?? 
Antiphila. Eile, halte fie ab! 
Mylıs. Ich? 
Anfiphila. Sage ihnen, ich jey nicht mehr bier. 
Myſis. Werden jie es glauben? 
Antfiphila. Sage ihnen, ich jey außer mir, ich tobi ich cafe 
Myliz: Deſto neugieriger werden -jie ſeyn. 
Antiphila. Sage ihnen, ich jey ſchon todt — — er; 
Mylis. So wird noch ihr Mitleid* zur Neugierde kommen. — N 


















Sarg; thun Sie, als ob Sie noch? fchlieffen. — So dürffen Sie t 
nicht mit ihnen ſprechen — Ich will juchen fie jobald al GE vi e 
108 zu werden. u 

Antiphila. Das will ib, ja — Aber laß dich nicht mit ihnen ei 





— Und laß mir feinen zu nahe kommen! — (Sie wirft fih auf den au; 
einer nachläßigen, aber vortheilhaften® Stellung) > 3, 
1 verjchließ, [fehlt in der ältern H.] 2 IIn der Altern Hi. folgt zunächſt hier gleih:] 


Vierter Auftritt. 

Myſis. Was Sie wollen. 

Philokrates. Jh will die Frau tröften — 

Myfis. Sie will nicht getröſtet jeyn. 5 

Philokrates. D die getröftet jeyn wollen, die find ſchon getröftet. Chen — e 
getröftet jeyn will, muß man fie tröften. Die andern tröjten fich ſelbſt — Wo tjt fie? Auf 
fpäteren Seite ift aber der verlängerte Schluß des dritten und der Anfang des vierten Auftritts 
bis „Die nicht getröftet jeyn wollen, denen ift der“ (S. 455, 8. 21) hinzugefügt, mit geringen, 
Folgenden angemerkten Abweichungen von der jüngeren Hj.] — 
3 ich ſey außer mir, ih raſe vor Betrübniß — [ältere Hf.] 4 Mitleiven [ältere HI 
ſchwind [fehlt in der Altern Hf.] 6 auf den [ältere Hf.] "noch [fehlt in der älte: 
8 in nachläßiger, aber vortheifhafter [ältere Hf.] z 


=» 





Die Mafrone von Ephefus. 455 


Vierker Aufteitt. 
Philokraftes. Promo. Antiphila Mylıs. 
Dromo (noch draußen Nun kommen Sie nur. Sie werden es ſehen! 
Myfis (indem fie ihnen entgegen geht)! Liegen Sie nur ganz ftille — . 
Promo (im Hereintreten, mit einer brennenden Fadel) Sehen Sie! Fürdten 5 
Sie fih nur nicht, Herr Hauptmann — | 

Philokrafes. DO, den tapfern Dromo an feiner Seite, wer follte 
ſich fürchten? — Gieb her die Fackel — (nimmt fie ihm)? 

Myſis. Wer find Sie? Was wollen Sie hier, meme Herren? ? 

Promo. Kennt Sie mich nicht mehr, mein* jchönes Kind? — Sieht 10 
Sie; ich bin gefchtwind wieder da. — Das ijt mein Hauptmann. Ich 
mußte e3 ja wohl meinem Hauptmanne jagen, wo ich jo lange geweſen, 
und was für ein Abentheuer mir hier aufgeſtoßen. — Nun iſt mein 
Hauptmann, wie Sie ihn da ſieht, ſehr neugierig; und noch mitleidiger 
als neugierig. Weil er alſo hörte, daß eine junge Wittwe hier für Be— 15 
trübniß aus der Haut fahren wollte — 

Philokrates. Ja — fo komme ich, fie zu tröſten. . 

Mylis. Sehr viel Ehre, Herr Hauptmann! — Aber fie will nicht 
getröftet jeyn. 

Philokrafes. D, wenn fie? getröftet ſeyn wollte, jo wäre ſie jchon 20 
getröftet! Die nicht getröjtet jeyn wollen, denen ijt eben der Trojt am 
nöthigften. Die andern tröjten ich jelbjt — Wo iſt fie? 

Myſis. Sie jchläft. 

Dromo. Noch? | 

Philokrafes. Deſto beßer! So fann ich erſt jehen, ob ſie des 25 
Tröftens werth iſt. — Wo jchläft fie? — 

Myſis. Kommen Sie ihr nicht näher. Sie möchten fie aufweden. 

Philokrates. Ich will fie ruhig wieder einjchlafen Taken, wenn 
fie meine Erwartung betriegt. — Laß mich! — 
. Promo. Rind, Sie wird einem Hauptmanne doch nicht den Paß 30 


verlegen wollen? Komm Sie hierher, zu mir. (sieht fie bey Seite, und Philofrates 
gehet in die Vertiefung nah den Särgen) 
Myſis. Das find Gewaltthätigfeiten! — Herr Hauptmann, haben 








a (ihnen — [ältere Hſ.J 2 ihm aus der Hand) [ältere Hſ.] 3 Myſis. Was. wollen Sie, 
mein Herr? Wen ſuchen Sie? — [ältere Hi.] 4 Dromo. Ab, mein [ältere H.] 5 jvenn 
fie auch [ältere Hſ.] ; 


456 Iheafralilcher Barhlap. 























Sie Achtung gegen eine Unglüdliche. — Und Er, Herr Soldat — die 
liebfofend) was joll das? 
Dromo. Närrchen, laß dich umarmen, laß dich füßen — — 
Myſis. Herr Hauptmann, dieſer Unverſchämte — 
5. Promo. Ich will ja weiter nichts, al3 mich nochmals überpengen, 
daß du fein Geift bit. 
Philokrakes (voller Erftaunen über den Anblid der Antiphile) Götter! as 
erblide ih! — Dromo! — 
Promo, (ohne binzufegen, und nur mit der Myſis befchäftiget) Sit * hübſch? 
10 Hübſche Sklavinn, hübſche Frau: das habe ich immer gehört. Häßliche ? 
Frauen können nichts hübſches um fich Leiden. 
Philokrafes (ohne ein Auge von ihrs zu veriwenden) Dromo! — 
Promo. Bewundern Sie nur, Herr Hauptmann!* — Ich habe hier 
auch mein Theilchen zu bewundern. 
15 Philokrakes (no j0)5 Dromo! — 
Mylis. Sie wird unfehlbar über diefes Gejchrey aufwachen. 
Promo. Das ift, ohne Zweifel, jein Wille. 
Philokrates. Wirft du herfommen, und mir die Fadel haften! 
Dromo. (seh) Als wenn ich hier zu ſonſt nichts gut wäre — 
20 Myſis. Aber Herr Hauptmann, ich bitte Sie — Es wird mir 
hernach alles zur Laft fallen. Wenn fie erwacht, fo bin. ich unglücklich. 
Philokrafes. Da, Dromo, nimm die Fadel! — Tritt ein wenig 
damit zurüd! — Seitwärts! Sp! — Nun überjehe ich die ganze götte 
fihe Form! — Sieh doch, Dromo! (ser fih nägern win Nein, nein, bleib Ei 
25 nur jtehen! — Venus, als fie ihren Adonis beweinte, war nicht rührender! 4 
Myſis. Nun haben Sie Ihre Neugierde geitillt, Herr Hauptmann! E 
— Nun entfernen Sie fich wieder! Berlaßen Sie uns. 4 
Philokrates. Was fagjt du? — Komm her, glüdliche beneidens- 
würdige Sklavin! Denn du gehört ihre zu. — Komm. her; wie heißt 
30 deine Gebietherin? | Be 
Myſis. Antiphila. | 
Philokrates. Antiphila? Ein lieblicher, ſchmeichelnder Name! — 
Wie alt iſt * 





1 (indem.er fie anſichtig wird) [ältere Hſ.)] 2 Die häßlichen [ältere Hſ.] von der Antiphila | 
[ältere Hſ.) + Herr Hauptmann [fehlt in der ältern Hf.] 5 (nos fo) lfehlt in der Altern Hi.) 
6 überſeh [ältere Hf.] — 





Die Makrone von Epheſus. | 457 





k Myſis. Bier und zwanzig Jahr — 1:8 ! 
| Philokrates. Nicht doch; das weis ich befer. Aber meine Frage 
war auch fo abgejchmaft." Es ift Hebe, die Göttinn der Jugend, die 
keine Jahre zählt. — Und hier, neben ihr, in dieſem Sarge? — 

Myſis. Ruht ihr entſeelter Gemahl. 

Philokrafes. Wie lange hat er ſie gehabt? 

Mylis. Ins fünfte Jahr. | 

Philokrafes. Wie alt ftarb er? 

Mſis. Im dreppigiten. | 

Philokrates. Und er liebte fie? Verſtehe? mich recht; es iſt eine 
Unmöglichkeit, fie nicht zu lieben. — Ich frage:? er liebte fie doch fo 
jehr, jo innig, mit der Liebe, der inbrünjtigen Liebe? — 

Myſis. D ja; wie Sie aus ihrer Troftlofigfeit teicht“ ſchließen fönnen. 

Philokrates. Hat fie Rinder von ihm? 

Mylis. Wein. 

Philokrates. Mein?? (Antippila wendet fi hier, um ihr Geſicht zu — — 
Sieh, ſie regt ſich! Itzt wird ſie erwachen. — Ich zittere vor Erwartung. 
— Nein, ſie legt ſich nur anders — und entzieht uns ihr Antlitz. Das 
holdſeligſte Antlitz! — Aber unendliche Reitze find über den ganzen Körper 
‘ verbreitet. Auch jo könnte ich ein Jahr hier jtehen, und fie anjtaunen. 
— Diejes Haar, jo lodicht und wild! — Diejer Hals, mit jeiner ab- 
fallenden Schulter! — Diefe Bruft! Dieje Hüfte! — Diejer Fuß, To 


10 


15 


20 


frey über den andern geichlagen! — Diejer Arm, jo weiß, jo rumd! . 


— Dieje Hand, jo nahläßig im Schooße! — Dieje ganze Stellung, fo 
mahleriſch hingeworffen! — Ab, dieſe Hand — meinen Mund auf dieje 
Hand zu drüden, — da fie noch ſchläft — (er ergreift fie) 

Antiphila. (ie auffägrt, und ihre Hand zurüdziegt) Ha! — Wie gejchieht 


mir? (fi die Augen reibend, ald ob fie wirklich ertvache) 


| Philokrafes. (indem er zurüdipringt, zur Mofis) Sch bin zu kühn gemwejen; 
verrathe mich nicht — 
“Antiphila. Myſis, wo bijt du? — Wer war das? — Ver jprad) 
hier? — Wer faßte mich bey: der Hand? Warjt du es? — Oder träumte 
ih? — Was ift das für Licht?” — Wer iſt hier, Mofis? 





1 Aber meine Frage war. auch jo abgeichmaft. [fehlt in der ältern H7.] ? Verſteh [ältere Hf.] 
3 Ich, fragte, [ältere Hi.] 4 wohl [ältere Hi.) 5 Nein ? [fehlt in der ältern Hi.] 6 (Anti- 
phila wendet hiebey das Gefiht.) [ältere Hj.] 7 Bart du es? — Was für Licht? [ältere Hj.] 


25 


458 Theakraliſcher Nachlaß. 


























Philokrakes (er ihr wieder näger titt)t Verzeihen Sie, ſchönen 
tragende — — 


Antiphila (pringt auf) Götter! — 2 
Philokrakes. Erjchröden Sie nicht, fromme Wittwe? — 
5 Antiphila (auf Myfiss zuflichenn) Myfis, wo bift du? — Wer darf * 


hier ſtören? — Unglückliche, wen haſt du hereingelaßen? — 
Philokrafes.* Zürnen Sie nicht, — Frau! Die SH 

it unschuldig. | 

Myſis. Gewiß, das bin ich. 

10 Philokrakes. Ein glücklicher Zufall hat uns hieher gebrait 

Anfiphila (mit nievergefälagnen Augen) Mein Herr, wer Sie auch jind - 
Gönnen Sie einer Sterbenden die Ruhe, die man Geftorbenen veritatte 

Philokrafes. Beforgen Sie nichts, Beſte Ihres Gejchlechts. — £ sr 

weis Ihren Schmerz, und die Urjache deßelben. Ich verehre Ihre Be- | 

15 trübniß und — theile fie. Sch bin ein Soldat, aber ich weine $: 

mit Unglüclichen — —* 

Antiphila. Mitleid bringt jedem Ehre. — Aber zum Beweiſe 

dieſes Mitleids — mein Herr, unterbrechen Sie nicht länger die = 
itille diefer geweihten Stäte — verlaßen Sie ung! F 

20 Philvkrakes. Ich hätte gehoft, da mich der Zufall ſo J je 

leitet, daß ich mich feiner würde bedienen dürfen. — Sch hoffe es 

Kein, Madame, Sie können fo graufam nicht jeyn, mich in — " 

miſchen Nacht auszuftoßen. 

- Antiphila. Wie? re Man jtößt niemanden — 





1 (tritt ihr wieder näher) [ältere Hſ.] 2 fromme Wittwe [fehlt in der ‚Altern 9j.] 3 (auf 
[ältere 9.] 4 [Sn der Altern Hf. jteht ftatt des Folgenden bi! ©. 459, 3. 19]: 
Philofrates. Zürnen Sie nidt — Myſis iſt unihuldig. Ein Zufall bat — 
gebracht — Derſelbe heiligt alles — — Vergönnen 
Antiphila. Mein Herr, wer Sie auch ſind — Ich ſollte meinen, daß Pe 
die Ruhe zu gönnen jey, die man geftorbnen läßt — — Sie mögen bergefommen ſeyn ivie Siew 
ich verlange, daß Sie uns wieder verlaßen — BY 
Phil. Dieß werde ich früh genug müßen — — Hören Sie mid — Ich — Ihren S 
und die Urſache deßelben. Ich verehre Ihre Betrübniß. Ich mildre [2] gern Unglück. Ob ie 
ein Soldat bin — Beſorgen Sie nichts von mir. Ich ſuche hier bloß Schirm und Dach, in di 
ſtürmiſchen Nacht, bis der Morgen anbricht. Ich will mich ganz ruhig halten — — 
Antiph. Wie Sie wolten die Nacht Hier zubringen — — i F 
Philok. Ich bin von dem Corps des Strato; dieſes ſtreifte [?] aus dem 
Eolophon. Wir find geftern über den Cayſter gegangen und haben hier in der Aue das Lager 
— Ih halte, außer dem Lager wenige Schritte von bier Bade. Nein, fo lange ich diene hal 
fo einen unangenehmen Boten nicht gehabt. — — ; 





Die Mafrone von Ephefus. i 459 





man nicht eingenommen. — Wo kommen Sie her? Wer find Sie? — 
Nicht, daß ich diefes alles zu wißen verlangte. Ich will nur jagen, daß 
ich Sie nicht kenne, daß ich Sie nicht fommen heißen — 

Philokrafes, Nein, Madame; ich habe nicht das Glück Ihnen 
befannt zu ſeyn. Aber Werfe der Barmherzigkeit muß man auch nicht 
blos an Bekannten ausüben. — Ich juhe Schirm vor Wind und Wetter. 
— Das jchlechteite Dach iſt beßer als ein Zelt. — Ich bin von dem 
Corps des Kritolaus, welches einen Einfall in das Gebiethe der Kolo— 
phonier gethan. Gie wißen, Madame, wie heftig unjer Staat vor kurzem 
von den Kolophoniern beleidiget worden. Wir haben ihr plattes Land 
geplündert, ihre Fleden gebrandichaget, und alles was ſich von Vor: 
nehmern auf jeinen Gärten und Luſtſchlößern ergreifen laßen, mit ung 
weggeführt. Gejtern find wir über den Kayiter zurücdgegangen, und haben 
in der Aue von Larifja das Lager bezogen. Wir hatten Befehl, jobald 
wir den Epheſiſchen Boden wieder betreten, drey von den mit weggeführten 
Kolophoniern binrichten zu laßen. Es iſt gejchehen. Sie find vor dem 
Lager aufgefnüpft worden; und mich hat es getroffen, den Richtplatz zu 
beiwachen. Er ift ganz in der Nähe. Morgen mit dem früheſten brechen 
wir wieder auf — Erlauben Sie, daß ich den Morgen bier erwarte. 

Antiphila. Wie, mein Herr? Sie wollten die Nacht hier zus 
bringen? Die ganze Nadıt? 

Philokrates, Ab, fie wird mir kurz genug werden! 

Antiphila. Sie bedenfen nicht, wo Sie find. 

Philokrafes. In einem Grabmahle. Aber Grabmahl oder nicht 
Grabmahl; es ift ein bedeckter trodner Ort; weiter verlange ich nichts. 
Sch kann! unmöglich in der freyen Luft -Tänger dauern.” Es würde mir 
das Leben koſten. — Haben Sie Mitleid mit mir, Madame. Sie haben 
zwar aufgehört, es mit fich jelbjt zu haben: aber auch jo noch, haben 


8 edle Seelen mit andern! ? 


Antiphila. Und wenn Sie doch nur um fich jehen wollten! — Ein 
finjtrer Ort, ohne alle Bequemlichkeit: da ift weder Erleuchtung, noch Sitz — 





1 68 ift mir [ältere Hi.] 2? zu dauern. [ältere H.] 3 Haben Sie Mitleid mit mir. Wenn 
man jhon aufhört mit ſich ſelbſt Madame, [ältere Hſ.; darunter ift aber die fpätere Lesart bemerkt, 


- ohne das Wort „Madame“, Das Folgende lautet in der ältern 9j.:] 


Antipbile. Sie bedenken nicht bey wem Sie find — r 
Philok. Aber ich jeh es — Freylich bevenfe ich es nicht. Jh würde mich font lieber der 
roheſten Witterung ausfegen. — [Hier bricht die Ältere Hi. ab.] 


10 


15 


25 


30 


460 | Cheakraliſcher Barhlah. 






















Philokrates. Erleuchtung? Wenn diefe Tadel nur Einen Gegen- 

ftand erleuchtet! — Und Sitz? — Zu Ihren Füßen, ——— (Feurig) 
Antiphila (ehr ernftyaft) Mein Herr — sh — 
Philokrakes (auf einmal tatt) Keine Mißdeutung, Krone der = ven! 

5 — Bu Ihren Füßen — will jagen, auf der Erde. — Die nadte, ba te 
Erde, war von je des Kriegers Sitz und Lager. — — Auch wäre dem ab⸗ 
zubelfen. — Geſchwind, Dromo, fpring in mein Belt; hohle idſtül F 
Tiſch, Lichter — Lauf! laß dir helfen! — Die Fackel laß da! — Od jr 


nimm fie nur mit. — Nein, laß fie da! gieb her! — — 
10 (Dromo giebt ihm die Fafel und läuft ab.) 


Fünfter Aufteitt. 

Philokrafes. Antiphila. Myſis. J 

Antiphila. Nimmermehr, mein Herr; ich geb es ninmermehr gu | 

— Es gejchieht ohne meine Einwilligung — Das heibt Gewalt brauche 
15 mit Gewalt Befig nehmen. — Aber Gewalt wider eine Schwache, ; 
glückliche; — ein Mann ſollte jich dieſer Gewalt jchämen. A: 
Philokrafes. Ich beſchwöre Sie, Madame — — 
Ankiphila. Ich Sie hinwiederum! Entfernen Sie ſich, mein Herr 
verlaßen Sie mich! — Was würde die Welt ſagen! Meine Ehre, — 
20 Name — | er 
Philokrakes. Ihr Name, Madame? — Als ob dieſer nicht ſchon 
durch Ihren grauſamen Entſchluß über alle Verleumdung erhaben ir äre! 
— Wer wird es wagen, die Tugend zu läſtern, der an dem Sarge des 
Ewiggeliebten das Herz brach! — Ihr gewißer Tod, Madame — ey 
25 dieſem unmäßigen Schmerze, bey dieſer gänzlichen Verjäumung © 
Pflichten der Selbſterhaltung, iſt er ſo nahe als gewiß — Ihr get 
Tod drückt bald ein Siegel auf Ihre Ehre, das — Kurz, Dada, | 
habe Ihre Erlaubniß; ich kann nicht anders, als fie haben. Daran zweife) 
wirde an Ihrer Entichloßenheit ebet jo jehr, als an Ihrer Cebensart, an 
30 Ihrer Menfchlichfeit zweifeln -heißen. — Sie wollen jterben: und ich m 
feben, für das Vaterland leben, deßen Knecht ich bin. Ein jedes g 
jeinen Weg, ohne das andere zu irren. — Ya, Madame; Sie u n 
mir, dieſe Nacht hier zu bleiben; Sie erlauben mir, alles hier zu thu N 
was mir die Sorge für mein Leben befiehlt; eßen, trinken, jclafen — — 
35 Ich bedarf der Pflege. — Aber wie war es denn? Davon habe ich: IM 








Die Makrone von Ephefus. 461 


— 


Dromo nichts befohlen. Ich muß ihm nach. — Können Sie glauben, 


Madame, daß ich heute noch den erſten Bißen in meinen Mund nehmen 


ſoll? So geht es uns armen Soldaten. — (eilig ab) 


Sechſter Aufteitt. 


| Antiphila. Myſis. 
Anliphila. Myſis, Myſis, das alles ift deine Schuld! Unglückliche! — 
Myſis. Meine Shud? — Barum erwachten Sie? Konnten Sie 
nicht fort fchlafen ? 
Anfiphila. Sollte ich mid) feinen verliebten Erdreujtungen noch 
mehr ausjegen ? — 
Myſis. Freylich verlohnte es ſich der Mühe, die Augen auf einen 


oo 


10 


Mann aufzujchlagen, den man jo entzüct. Die möchte ich jehen, die eg. 


hätte unterlaßen fünnen. Auch noch am Rande des Grabes iſt e3 gut, 
einen Anbeter fennen zu lernen, von deßen Aufrichtigfeit man jo ver- 
fichert ift. Er glaubte, Sie fchlieffen wirklich. 

Antiphila. Was jpricht die Närrinn? — Fort! Diejen Augenblick 
muß ich nicht verſäumen. — Laß uns fliehen, Myſis. Er muß uns nicht 
mehr finden, wenn er zurückkömmt. 

Myſis. Fliehen? Iſt die Gefahr ſo groß? 

Antiphila. Was iſt dir? Was für Unſinn ſprichſt du? — Gefahr! 
Sch jehe Feine Gefahr: aber nichts foll meine Betrübniß unterbrechen. 
— Ohne ein Wort weiter, folge. mir! 

Myſis. Liebjte, beite Frau, in dieſer jpäten, finjtern Nacht, außer 
den Thoren der Stadt, wo wollen wir hin? 

Antiphila. Es find mehr Gräber in der Nähe — uns in das erſte 
das beſte verbergen, bis das Heer aufgebrochen, und die Gegend wieder 
ruhig iſt. (gegen den Sarg gewendet) Geliebter Schatten, verzeihe dieſer kurzen 


Trennung! — Und nun, Myſis — 


Myſis. Aber er wird uns nachfolgen; er kann nicht weit ſeyn; 
wir werden ihm ſchwerlich entkommen; er wird uns zurückbringen. Und 
ſich zurückbringen laßen, wenn man fliehen wollen: wie boshaft wißen 
— . Männer das auszulegen! — Fliehen Sie ja nicht, beſte Frau! — 
Antiphila. So bleib, Nichtswürdige! (seht) 

Myſis. D, allein habe ich hier nichts zu jchaffen! cim Begriffe, ihr zu folgen) 


20 


25 


462 Theakraliſcher — 





Antiphila (auf den Stuffen des Ausganges) Götter, es iſt zu — 
kömmt ſchon. F 
Siebender Auftritt, 
Philokrakes. Anliphila. Myſis. 


5 Philokrafes. Wohin, Madame? wo wollen Sie hin, S Schön 
(Antiphila, ohne ihm zu anttworten, fteigt die Stuffen wieder herab und geht nad den € 


in der Vertiefung) — Nede du, Myfis: wo wollte deine Gebietherinn 
Myliz. Sie fliehen, Herr Hauptmann. 

Philokrafes. Mich fliehen! mich fliehen! Was ſagſt ur B 

10 Antiphila (ie fi furz umwendet) Nein, mein Herr; nicht Sie fl Jen; 

blos Ihnen Platz machen: das wollt’ ich — das will ich. Gndem fie ſich wieder 

dem Ausgange nähert) Sie beitehen darauf, Hier zu übernachten; ich fann ei 

nicht wehren; meine Bitten find vergebens. Es fey: was Sie — — 1 Bu: 


















will ich thun. Ei zu 
15 Philokrates. Madame! — Myſis! Br & 
Myſis. Geben Sie mir die Fackel, Herr Hauptmann. Sie it. er 


hinderlich. J 
Philokrakes. (der ihr die Fackel giebt, und die — bey der Hand ergreifft) 

Und das follte ich verftatten? — 
20 Antiphila (vie ihre Hand los windet) Ich will es hoffen, mein Her= 
Philokrates. Ah, fo verzeihen Sie meinem Srrthume, Sabamel 

— Ich hätte nie geglaubt, daß fo viel Härte bey fo viel Empfindı ig 
ſeyn könne. Man iſt ſonſt ſo mitleidig, wenn man ſich ſelbſt unglücklich 
fühlt. — Ich ſehe, Madame, Sie ſind beſtimmt, in allen Dingen eine 
25 Ausnahme zu machen. — Ich beſcheide mich: ſo nachgeben wollen, heißt 
auf ſeinem Rechte mehr als jemals beſtehen. — Ich gehe, beſchämt, ge— 
kränkt, aller Rechte der Gaſtfreyheit verweigert, auch der verweigert, 
der Tyger einem verirrten müden Wanderer, der in ſeine Höhle schlafe 
kömmt, nicht immer verfagt — Aber genug, ich gehe — und — 
30 Bewunderung — FR 
Antiphila. Ich erlaße Sie, mein Herr, der Bewunderung; erweiſen 

Sie mir dafür nur Gerechtigkeit. roch 
Philokrates. Hier ift Gerechtigkeit und Bewunderung eines. 
Antiphila. Ich fühle alles Beleidigende diejer (etwas höhniſchj vers 

35 bindfichen Wendung. — Und doch (anft) ſchmerzt es mich, jo verlannt zu 
werden. Sch bitte: treten Sie an meine Stelle — 


- 


Die Mafrone von Ephefus. 463 





Philokrafes. Nein, Madame; ich gehorche Shrem Befehle, ohne . 
mich felbjt zu fragen, was ich an Ihrer Stelle thun würde. 

Antiphila. Die Götter wißen e3, wie gern immer unfer Dach den 
Fremdling, den Schußlojen aufgenommen! Ganz Ephefus nannte Caſſandern 
den Gaſtfreyen. — Aber wer fodert in einem Grabmahle das Gaftrecht? 5 

Philokrafes. Cafjander? — Wen nennen Sie da, Madame? 

Antiphila. Wen fonjt, al3 ihn? 

Philvkrafes. Ihren Gemahl? — Aber doch nicht Cafjandern, des 
Metrophanes Sohn? 

Antiphila. Des Metrophanes Sohn. 10 

Philokrafes. Des Metrophanes Sohn, den Phylarchen ? 

Anfiphila. Den Phylarchen. 

Philokrafes, Den PBhylarchen? den großmüthigen bey allen Be- 
dürfnißen des Staats fich ſelbſt erbietenden Liturgen? 

Antiphila. Ihn! eben ihn! 15 

Philokrafes. Und diejer er it todt? Und diejer Caſſander 
war Ihr Gemahl? 


Anfiphila. Und Sie haben ihn gefannt? , 

Philokrafes. Ob ich ihn gefannt habe? Diejen tapferiten, edeliten, | 
beiten aller Männer von Epheſus! 20 

Antiphila. Beiten allee Männer! Dieß war er! — mar er! 


(indem fie fih wendet, und mit gerungnen Händen nah den Särgen geht.) 
+ Philokrates @er ihr folgen wi) Ob ich ihn gekannt ? 
Myſis Ghn zurückhaltend Ein Wort, Herr Hauptmann — 
‚Philokrates. Was willit du, Myſis? 25 
Myſis. Im Vertrauen, Herr Hauptmann — Sie fünnen doch leſen? 
Philokrafes. Warum nicht ? 
Myſis. Gejchriebnes, und in Stein Gehauenes ? 
Philokrates. Beides. 
Mylis. Und haben ein gutes Gedächtniß, Herr Hauptmann ? 30 
Philokrates. So ziemlich. Aber mach ein Ende: was willit du? — 
Myſis. Nun jo wette ih, daß Sie unfern Todten nicht gefannt 
haben — 
Philokrafes. Aber du hörſt e8 ja — 
Mylis. Sondern daß Sie, bey dem Scheine Ihrer Fadel, das 35 
Epitaph draußen über dem Eingange gelejen haben. 





464 Iheatralifiher Vachlaß. 


























Philokrates. Berleumderinn!. — Aber ,‚-Tiebe Myfis, wette was 
du willſt; du ſollſt alles gewinnen: nur ſey mir nicht zu wider — Unter⸗ 


ſtütze mich — 
Mſis. Nur friſch! Das Eiſen glüht; folgen Sie ihr — | 
5 Philokrafes @er ihr in der Vertiefung nachgeht) Ob ich Caſſandern ge⸗ 


kannt? — Wir thaten zuſammen unſern erſten Feldzug. In ſo feurigen 
Jahren knüpft gemeinſchaftliche Gefahr die zärtlichſten Freundſchaften. Die 
unſere ward durch meinen Aufenthalt an dem Perſiſchen Hofe unterbrochen. E 
Darauf entjtand diejer Krieg mit den Kolophoniern. Sch mußte zu meinem 

10 Phalanx, ohne Cafjandern vorher umarmen — dürfen. Und indeß — indeß 
hat ihn die grauſame Parze abgefodert! O ich Unglücklicher! — Doch 
mein Schmerz, Madame, hat fein Recht, ſich neben dem Ihrigen zu äußern. 
Anfiphila (fi langſam mit Empfindung gegen ihn wendend.) AH! ‚Sie waren 

fein Freund! — Ich kenne die Nechte der Freundichaft, jo wie die 
15 Rechte der Liebe. Liebe ift nichts, als die innigfte Gattung der Freund» i 
ſchaft. Welder Empfindung fönnte fi die Freundſchaft vor den Augen 
der Liebe zu jchämen haben? — Nein, mein Herr, erftiden Sie nichts, 4 
bergen Sie nichts, was Ihrem Herzen jo rühmlich ift: nicht diefe Thräne, 
(indem Philofrates die Hand vor die Augen führet, und das Geficht von ihr abivendet) die Sie 

20 dem Andenken eines Mannes opfern, der uns beiden jo mwerth — 
Myſis. O, liebſte Frau, nun dulden Sie den Herrn ja nicht 

länger! Seine Betrübniß würde der Ihrigen nur mehr Nahrung geben 
Wir brauchen niemand, der und noch wehmüthiger macht, als wir ſchon find. d. 
Philokrafes. Woran erinnerjt du deine Gebietherinn? — Do 

25 ich kann dir nicht Unrecht geben. — Ich gehe — n 
Anfiphila. Ah, mein Herr, entziehen Sie mir den Freund des 
Geliebten meiner Seele nicht ſo ſchnell. — Dieſem geht nichts an, Be 
ich dem Unbekannten jagte. — Er war hr Freund! Sie allein fünne 
meinen Verlust ſchätzen: wie ich allein den Ihrigen. — 


30 | Achter Aufteitt. 
Promo mit einigen Stüden von dem befohlenen. Ankiphila. | & 
Philokrafes. Mylis. J 
Dromo. Hier bin ich, Herr Hauptmann. Das andere if oben t 
vor dem Eingange, wo ich es niederjegen lagen. Komm, Myfis, hilf m 
35 es herunter bringen. | Br 4 


be 





Pie Makrone von Epheſus. 465 





Myſis. Nicht jo jchnell, Herr Landsknecht. ES jtreitet ſich noch, 
ob ihr werdet Quartier hier machen dürfen. 
Philokrafes. O Dromo, welche Entdekung habe ich gemacht! — 


Der Entfeelte, der hier ruhet, den dieſe Göttliche beweinet — war mein 


Freund, der erfte Freund meiner Jugend. 
Promo. Was plaudert denn die aljo? — So ein Freund wird 
uns doch nicht die Thüre weifen? — Komm, komm, laß dich die Mühe 


nicht verdrießen. (Er zieht fie mit fort, und nach und nad bringen fie das Befohlene her— 
unter, und in Ordnung.) 


Philokrafes. O Sie, noch fürzlich die Wonne meines Freundes! 
O ſchönſte, beite — wie fann ich die Freundinn meines Freundes anders 
nennen, al3 meine Freundinn! — Wenn und wo ich auch jeinen Tod 
vernommen hätte, würde er mir das Herz durchbohrt haben. Aber hier, 
aber itzt — da ich e3 jehe, mit diefen glücklichen Augen jelbit jehe, mie 
viel er verloren, in Ihnen verloren — 

Antiphila. Wenigjtens zu verlieren geglaubt. Denn jeine Liebe 
zu mir war fo groß, jo unjäglih — — 

Philokrafes. Nicht größer, nicht unjäglicher, als Ihr Werth! — 
Sn welcher Verzweiflung muß er gejtorben jeyn! Ich durfte ficher jein 
Herz nad) dem meinigen beurtheilen. Was ich empfinde, das in meinem 
vorgehen würde, das gieng alles in jeinem vor. Das Licht des Tages 
verlaßen, ift ſchmerzlich; ſchmerzlich ift es, fich vielleicht ſelbſt verlaßen 
müßen, aufhören fich zu fühlen, fich jagen zu fünnen: das bijt du! das 
gilt dir! — Aber was ijt alles das gegen den Schmerz, ein Wejen zu 
verlaßen, das wir mehr als das Licht des Tages, mehr als uns felbit 
Lieben? — !Dodh welche Reden, die ich führe! ? Iſt das die Zufprade, 
die Sie, Schönjte,? von mir erwarten? Ich follte Del in Ihre Wunden 
gießen, und reihe fie von neuem auf. — Ich Unbefonnener ! 

Antiphila. Nein, mein Herr, nein: — ſolche Wunden weigern * 
fih aller Linderung. Nur? in ihnen wühlen, it Wolluit. 
| Philokrafes, Allerdings, allerdings! — Doch mir, mir verbieten 
Geichleht und Stand und Beitimmung, jo wollüftigen Schmerzen nad 
zu hängen. Allen ziemt nicht alles. Dem Mann, dem Krieger ijt eine 





1 [Das Folgende ift auch auf einem einzelnen Blatte der Breslauer Papiere enthalten.] 2 Doc, 
"was führ ich für Reden? [Bresl. Hf.] 3 Theuerjte [Bresl. Hi. 4 verweigern [Bresl. Hi.] 
$ Aber [Bresl. Hf.] 


Leffing, ſämtliche Schriften. IIL. 30 


10° 


15 


20 


25 


30 


466 Theatraliſcher Bachlah. 










Thräne vergönnt, aber fein Strohm von Thränen, der unverfleinerl 
nur aus fo ſchönen Augen über fo zärtliche Wangen rollt. — Wo denkt 
er bin, der Soldat, der ſich durch Bejammerung eines verftorbnen? 
Freundes weichherzig macht? Er foll gefaßt feyn, jeden Augenblid ihm 
5 zu folgen; er foll gefaßt jeyn, dem Tode? unter allen Be 
den gräßlichiten, entgegen zu gehen: und er weinet ob der fanfteften di 
Geſtalten, die feinen Freund in die Arme nahm und ihn? voran 
— Nicht der Tod, jondern der Tod mit Unehre, ift das einzige, mas il S 
ſchrecklich ſeyn fol. Dort durfte es mich fchaudern, bey den ſchimpflich he wi 
10 Pfählen, an welchen die nenn Kolophonier bangen. ° 





[Arabelle. ] 





[Per Galeerenfklane.]' 


I. im Wirthshaufe. 


1. Georg Cooper und feine Tochter. 

15 2 —— nn und der Capitän. Alles fert | 
Bezahlung der Nebeiter; welche le Fevre verrichten joll: weil der C » | I 
Geſchäfte hat. * 

3. Georg Cooper und ſ. Tochter, die den Vater bittet, dieſem 
was mehr als ſeinen verd. Lohn zu geben. 


— 





1Phil. Das mag wohl ſeyn. — Nur mir verbietet jo wollüſtigen Schmerzen nadzuhängen, mei 

Gejhleht, mein Stand, meine Beitimmung. Trähnen rollen aus einem ſchönen Auge, unter di | 

allen ziemt nicht alles. Dem Krieger ift eine Thrähne, aber fein Strom vergönnt; und pielleicht E 13 

[Brest. Hſ. 2 verstorbenen [Bresl. Hſ.] 3 Tod (Bresl. Hſ.] 4 ihn [fehlt in der 2 
‚9. > [Sn der Brest. Hf. folgt noch:] Auch ift mir nie ein Poſten jo unausftehlich q 

6 [Unter den Papieren des Nachlafjes nicht erhalten. Den Titel nennt Karl ©. Leſſiug 176 

Vorrede zum ziveiten Teile des theatralifhen Nachlafjes, S. XXIX.] 

? [Die Handſchrift ift ohne Titel; den letzteren fand Karl Leffing auf einem einzelnen halben 2 

aufgezeichnet (Borrede zum erften Teil des theatralifchen Nachlaſſes, S. XLVII)] 


Der Galeerenſklave. 467 





4. G. Cooper, ſ. Tochter und le Fevre. Aeußerung ſeines Cha— 
rakters. Cooper gibt ihm die ganze ungezählte Börſe, die Arbeiter zu 
bezahlen: womit le Fevre abgeht. — | 

5. Betrachtung über den le Fevre. — und ab. Cooper will nad 
dem Hafen gehen. | 5 

I. am Bafen. 


1. 2e Fevre fommt und bat bezahlt, und ihm entgegen Cooper. 
Cooper läßt ihm, was noch in dem Beutel ift, für feinen Lohn. Le Fevres 
Dank und Antrag es auf dem Wege nach Paris an einen gewißen Mann 
abzugeben. Verlaß dich darauf. Zähle wie viel du haft. 36 Louisdor. 10 
Die will ich ihm geben: behüte diefe, vielleicht daß fie dir zu Statten 
fommen. — Cooper jchiet ihn weg. 

2. Cooper erſt allein, hernach der alte le Fevre: der bey ihm Er- 
fundigung einzuziehen jucht. Cooper ab. | 

3. Der Alte mit verjchiedenen GaleerenSflaven, die er fragt. 15 

4. Der Alte voller Betrübniß: le Fevre dazu. Sie erfennen fich. 
Der Sohn beſchwört ihn fich nicht zu entdeden. Der Alte wird ſchwach, 
der Sohn führt ihn in ein Feines Wirthshaus, und verjpricht ihn zu 
bejuchen. 

II. 20 
1. Der Vater iſt wieder zu ſich ſelbſt gekommen und will feinen 
Sohn aufſuchen. 





| Bern. | 





[Der Brudermord.]' 








! [Unter den Papieren des Nachlafjes nicht erhalten. Vgl. Leſſings Kollettaneen im dreizehnten 
Bande diefer Ausgabe. Auch nennt Karl Lefjing den Titel „der Tod des Nero“ in der Borrede zum 
zweiten Teil des theatralifchen Nachlaſſes, S. XXIX.] 

2 [Bgl. Leſſings Kolleftaneen im dreizehnten Bande dieſer Kusgäbe unter der Rubrit „Tragiſche 
Süjet3“.] 





468 Iheafralifcher Vachlaß. 


[Pie feindlichen Briwder.] 4 








| Wafhildis.] 





[Pie Demoſtraken.] 





[Der König von Siam. 





| Prahomiva. | 





|&pponima.] 





| Cinnadon. |‘ 





[Per Betrühte.] 





(Mylord Rop.] 








1 [Bgl. Leſſings Kolektaneen im —— Bande dieſer Ausgabe unter der aiubrun— 
Süjets“. 

2 [Bgl. Leſſings Kollektaneen unter ber Rubrik „Romifche Siüjet3”.] 

? [Bgl. Leſſings Kolleftaneen unter der Rubrit „Romifche Süjets“; den Titel nennt a 
Zeffing in der Vorrede zum erſten Teil des theatraliſchen inte ba ©. XLVIL] 








Sparfaruz. N 469 





[Ber Projektmarber. | 





Sparkacus. 


Aus der Erzehlung des Florus (lib. 3. cap. 20.) kann ich wenig 
oder nichts brauchen. Er fpricht mit einer Verachtung von meinem Hel- 
den, die fait Yächerlih ift; und hält den Krieg, den die Römer gegen 5 
ihn führen müßen, noch für weit unrühmlicher, al3 die vorhergehenden 
Kriege mit den Sklaven. Denn Sklaven, jagt er, find doch noch wenigſtens 
eine zweyte Gattung von Menſchen, quasi secundum hominum 
genus sunt. Aber Fechter! zu blutigen Speftafeln Berdammte. Auch 
macht er von dem Spartacus eine jchlechte Jdee, wenn e3 wahr ijt, daß 10 
er auf diefe Art zum Fechter verdammt worden: de stipendiario Thrace 
miles, de milite desertor, inde latro, deinde in honore virium gladiator. 

Mein Spartacus muß das nicht jelbit gethban haben, was Florus 
von ihn jagt: defunetorum praelio ducum funera imperatoriis celebravit - 
exequiis, captivosque eirca rogum jussit armis depugnare. Er muß es 15 
nur nicht haben verhindern fünnen. Crixus muß es veranitaltet und 
gewollt haben. 

Die insignia und fasces, die er von den Prätoren erbeutet, und 
die ihm feine Soldaten übertragen; fan ich ihm brauchen laßen. Aber 
nicht jowohl aus Stolz und Berhönung der Römer: jondern zu Schügung 20 
und Heiligung jeiner Berfon in Steurung der Ausschweifungen und Grau— 
famkfeiten des gemeinen Mannes. Er kann jogar damit in dem Lager 
des Craſſus ericheinen: und Crafio, der darüber empfindlich ift, mit 
wenigem jagen, welchen heilſamen Gebrauch er für die Römer jelbjt oft 
davon gemacht. 25 

Cralfus. Ich beiwundre deine Bejcheidenheit, Spartacus — Doch 
einen Lictor weniger ala ih — Ä 

Sparlarus. Weil wir ein Beil weniger ‚von dem Cajus Caſſius 
erbeutet — Nicht weil ich beicheiden bin. — Hätten wir ein Beil mehr 
erbeutet: ꝛc. 30 





ı [Bgl. Leſſings Kolleftaneen unter der Rubrik „Komiſche Sijets“.] 








470 TIheafralifcher Vachlaß. Bi 
Doch diefes ift vielmehr geringern N in den Mund w 
legen. — 
* 

CraMıs. Man kann annehmen, daß er ſich zum Kriege gegen den 
Spartacus aus einer eigenen Urſache drang. Bey feinem jchändlichen Geite 2 

5 bielt er feine Sklaven für feinen größten Reihthum, und wußte mit £ 
mehr wie mit allem andern zu wuchern. Er hatte, wie Plutarch ſagt, 
unter ihnen jo viele und jo vortrefliche zooovrovS za Towvrovs 


avayvınzas, lectores 
VrTOYaepEıS amanuenses 

10 aEYvE0YvWuovag, argentarios 
dıoıznrag, dispensatores 
toasteLoxouovg, structores 


die er zum Theil ſelbſt abgerichtet hatte. Er wußte alfo am beiten, Re 
ein Sflave werth ‘war, und wie viel die Römer durch fie verlören. | 
15 Diejes kann ich zugleich für die Urjfache angeben, warum er CE 
in feinen Vergleich mit dem Spartacus einlaßen wollen. Denn Appian 
ſagt ausdrücklich daß Spartacus & ovvInzas rov Koaooov: rgod— 
za4,.ıro; und man kann annehmen, daß die Bedingungen, ihre gänzliche 
Frehheit gewejen. Diefe verwarf er; ob ihm gleich Spartacus verfichert, 
20 daß er jich nicht Rechnung machen dürfe, viele gefangen zu befommen. E 
Crafjus hat einen Waffenftillftand mit dem Spartacus gemacht, 
unter dem Vorwande Verhaltungsbefehle von Rom über feine Vorſchläge 2 
einzuhohlen. Aber er greift ihn an, ehe diefer zu Ende; um dem 7a 3 
pejus zuvorzufommen. E 
25 Sch erdichte, daß Erafjus ehedem eine Frau aus Lucanien gehabt, © 
von der er fich aber jcheiden laßen, um eine reichere zu heyrathen. Die 
Gefchiedne hat von ihm eine Tochter, welche in den Händen des Spar R 
tacus iſt. F 





* 


De Gladiatoribus 
30 ex sermonibus Saturnalibus Lipsi. — 


Duplex genus fuisse inter gladiatores, coactos et voluntarios. 
Coacti servi, damnati, captivi. Voluntarii, liberi, qui pretio se addice- 





Sparfarus. 471 





bant. Hi postremi proprie auctorati dieti. — Auctoramentum, pretium 
ipsum merces. 

Auctoratio liberi, juramento solenni interposito fiebat. Quod 
juramentum est apud Petronium — uri, vineiri, verberari, ferroque 
necari — | 5 

5 i 

Das legte entjcheidende Treffen zwijchen dem Spartacus und Craſſus, 
war in Lucanien, ad caput Siläri, welcher Fluß ohngefehr bey Potentia, 
(itzt Potenza) entipringt. Andre an dem Fluße und daherum Tiegende 
Städte find Aternum 

Der Silarus fließt in das Tyrheniſche Meer. Von der andern 10 
Seite fließt der Bradanus in den Tarentinischen Meerbufen. 

Pompejus kann bereit3 am Bultur, dem Gebirge in Apulien an— 
gelangt jeyn; und Craſſus kann ein Theil feines Heeres über den Bra- 
danus gejchiet haben, um den Spartacus von Tarentum und Brundifium, 
das ijt von Calabrien abzufchneiden: jo daß Spartacus gezwungen ijt, 15 


zu Schlagen. 
* 
Bey den Göttern — bey Gott! du bift 
Ein außerordentliher Mann! das biſt du, Spartacus! 


| part. 
Da jeht, wie weit ihr jeyd, ihr Römer! daß 20 
Ihr Einen Schlichten, fimpeln Menjchen müßt 
Für einen außerordentlihen Mann erkennen. 
Sch bin jehr ftolz; und dennoch überzeugt, 
Daß ich fein befrer Menſch bin, al3 wie fie die Natur 
Zu hunderten — täglich jtündlich, au den Händen wirft. 25 


* 
Sparkarus. Sollte ſich der Menſch nicht einer Freyheit ſchämen, 
die es verlangt, daß er Menſchen zu Sklaven habe? 


* 


Der Conſul. Ich höre, du philoſophirſt, Spartacus. 
Sparkaxus. Was iſt das? du philoſophirſt? — Doch ich erinnre 
mich — Ihr habt den Menſchenverſtandt in die Schule verwieſen — um 30 
ihn lächerlich machen zu können — Wo du nicht willſt, daß ich philo— 


a Theakraliſcher Nachlaß. 





ſophiren ſoll — Philoſophiren — es macht mich lachen — — Nun — | 
— Wir mollen fechten — Lebwohl — Auf Wiederfehen — mo ber, 
Kampf am bitigiten wird ſeyn! 
* r h 
Des Sparfarus gewefener Berr, welcher den Conful unterbeicht, 
5 um nachdrüdlicher, wie er glaubt, zu reden. Du fennjt mich? 
Spartarus. Wer bift u? — 
Der Berr. Wie? deinen Herrn, verleugneit du! willſt bi nit 
fennen ? 
| —— Laß es gut ſeyn, Pompejus, daß ich dich nicht Femme wit 
10° Der Berr. Räuber. 
spart. Räuber? 
Der Berr. Des Koftbarften, was ich gehabt — 
Sparlarus. Der Punkt betrift nur ung -zwey! davon unter uns 
allein: hernach — — Laß ibt den Conſul ſprechen — 3 





15 Das Kobolvrhen.]‘ 





= - [Ber —— 





Werkher, Yet DENE 


- Act. I. Se. I. — 

Es iſt Nacht, und er liegt noch im Bette, aber a und voller J 

20 Grillen und Verzweiflung. Er ſpringt auf und will Licht anſchlagen; 4 
zündet auch endlich jeine Lampe an. Dieſe drohet bald zu verlöfchen, weil iS 3 

es ihr an Del gebricht. Er will Del aufgiefjen, und es iſt keins in der 
Flaſche. Er will geſchwind noch eine Pfeife Tabaf anzünden, umd — 
rauchend der aufgehenden Sonne am Fenſter harren. Aber ſein Tabaks⸗ 
25 beutel iſt leer. Selbſt in feinem Meißnerkruge iſt kein Trunk mein, 


1 [Bgl. „Nachſpiele mit Hanstwurft” im vierzehnten Bande vieſer Ausgabe.] 











Balhan der Weile. 473 





md er getraut fich nicht dem Mädchen im Haufe zu ruffen. Er glaubt 
zwar gehört zu haben, daß fie ſchon auf ſey; er fürchtet aber daß fie e3 

endlich müde werden müßte, ihm für null und nichts aufzuwarten. Die 
Lampe erliſcht; und er wirft ſich wieder aufs Bette. 


Se. II. 
Markhchen u. Werther. 





(Dir Ehebreiherin. ]' 





[Der Richter von Balamea.]’ 





Dafhan der Weile; 


in 5 Aufzügen.? 
Zu veriiftciren angefangen den 14ten Novbr. 78. 


den 2ten Aufzug — — 6 Xhr. 

den ten Aufzug — — 28 — 

— dan — — — 2 Febr. 79. 
— den — — — 7Mäy. — 


Erſter Rufzug. | , den 12. Nbr.. 


F 


Nathan kömt von der Reiſe. Dina ihm entgegen. Dina be— 
richtet ihm, welche Gefahr er indeß gelauffen. Es ſchimmert ſo etwas 
durch, wer Rahel eigentlich ſey. 


* 





* [Bgl. „Zur Gejchichte der deutſchen Sprache und Literatur“, zum Jahr 1489, im merzetuien Bande 
dieſer Ausgabe.] 

2 [Bgl. Leſſings Brief an ſeinen Bruder Karl vom 20. September 1777.] 

> [Dem folgenden Abdrud liegt die neuerdings verglichene Handichrift Leffings (19 zufammengeheftete 
. Blätter in 4 und einige loſe Beiblätter) zu Grunde, die fi gegenwärtig im Beſitze des Herrn Ernſt 
> zu Berlin befindet.] \ 


(si! 


10 


15 


20 


474 Theatraliſcher Badhlap. 




















Pina. Gottlob, Nathan, daß Ihr endlich wieder da jeyd. Br; 
Bafhan. Gottlob, Dina. Aber warum endlich? habe ich ben A 

wieder kommen können? wieder kommen wollen? Babylon ijt von 
ſalem — Meilen; und Schulden Eintreiben ift fein Gejchäft, das 6 
5 von der Hand Schlagen läßt. — 
Dina. Wie unglücklich hättet Ihr indeß hier werden Können! | 4 
Bafhan. So habe ich Ion gehört. Gott gebe nur, daß — alles 

gehört habe. 


Dina. Das ganze Haus hätte abbrennen können. Bi 
10 Bathan. Dann hätten wir ein neues gebaut, Dinah, und ein ber 
quemres. 


Dina. Aber Rahel, Rahel wäre bey einem Haare mit verbr 
Balhan. Rahel? (uſammenfahrend) Meine Rahel? Das habe ich nicht 
gehört. — (fatt) So hätte es für mich feines Hauſes mehr bedurft. — 
15 Rahel, meine Rahel fait verbrannt? Sie ijt wohl verbrannt! — Su 
es nur vollends heraus. — Sage e3 nur heraus — Tödte mich; aber 
martere mich nicht länger. — Sa, ja: fie iſt verbrannt. 
Dina. Wenn fie e8 wäre, würdet Ihr von mir die Nachricht be⸗ 
kommen? | 
20 Balhan. Warum erjchredjt du mich denn? — O meine Rahel! 
Dinah. Eure Rahel? — | 
Dafhan. Wann ich jemals aufhören müßte, diejes Kind mein. Sind 
zu nennen! — 
Dinah. Beſitzt Ihr alles, was Ihr Euer nennt mit eben dem — 
25 Balhan. Nichts mit größerm! Alles was ich ſonſt habe, hat mir 
Glück und Natur gegeben. Diefen Befit allein danfe ich der Tugend. 
Dina. O Nathan, Nathan, wie theuer Laßt Ihr mich Eure m & 
thaten bezahlen! Mein Gewiffen — — 
BDalhan. Sch habe Euh, Dinah, einen ſchönen neuen Zeug au 
30 Bagdad mitgebracht. * 
-Dinah. Mein Gewifjen, jage ih — 
Dafhan. Und ein — — 
Dinah. Mein Gewifjen, ſage ih — 
Dalhan. Und ein Baar Spangen. 
35 Dina. So jeyd Ihr nun Nathan. Wenn Ihr nur föenten önt, 
wenn Ihr nur ſchenken könt: ne 


— 
— 
er 
* 








Bafhan der Weile. 475 


Dafhan. Wer jehenft nicht gern? 

Dina. So, denkt Ihr, müſſe man fich alles gefallen Lafjen. 

Bathan. Das heißt meine Gejchenfe ſehr eigennüßig machen. 

Dinah. Ihr jeyd ein ehrlicher Mann, Nathan, ein jehr ehrlicher 
Mann. Aber — — 5 

Dathan. Aber gleihwohl nur ein Jude: wollt Ihr jagen. 

Dinah. Ah! Ihr wißt beſſer was ich jagen will. 

Bathan. Aber wo iſt jie denn? wo bleibt fie denn? Weiß ſie denn, 
daß ich da bin? — Dajah, wo du mich hintergebit. — 

Daja. Sie weiß es, daß Ihr da jeyd; und weiß e3 vielleicht auch 10 
nicht. Das Schreden ift ihr noch in den Gliedern. Sie fajelt im N 
die ganze Nacht, und jchläft wachende den ganzen Tag. 

- Bathan. Armes empfindliches Kind! 

Paja. Sie hatte ſchon lange mit verjchlofjnen Augen gelegen umd 
war wie todt, al3 fie auf einmal auffuhr und rief: horch! da fommen 15 
meines Vaters Kameele, horch! das ijt meines Vaters Stimme! — Aber 
fie Schloß die Augen wieder und fiel auf das Küffen zurüd. — Ich nad 
der Thüre: und da jahe ich Euch von ferne, ganz von ferne. — Denkt 
nur! Aber, was Wunder? ihre ganze Seele war die Zeit her nur immer 
bey Euch; oder bey ihm — — | 20 

Bathan. Bey ihm? welchem ihm? 

Daja. Bey ihm, der fie aus dem Feuer rettete. 

Bathan. Wer war das? — Wo ilt er? 

‚Daja. Ein junger Tempelherr war e3, der einige Tage zuvor als 
Sefangner bier eingebracht worden, und dem das Leben zu jchenfen, der 25 
Sultan die ungewöhnliche Gnade gehabt hatte. „ 

Bafhan. Wo it er? — Ih muß ihm danken, ehe ich fie jehe. — 
Wo ilt er? 

Daja. Wenn wir das wüßten! — 


2. ven 13. 30 
Zu ihnen Rahel, die von dem gehabten Schreden noch oft aufjer 
ſich kömmt, und nur ihren Netter zu jehen verlangt. Nathan verjpricht 
ihr, es jolle jein erjtes jeyn, ihn aufzujuchen. Dina führt Rahel ab, 
am jie zu beruhigen. 
Die eriten Tage hatte fich der Tempelherr noch jehen laſſen, unter 35 


476 Theafralifiher Barhlap. 






















den Palmen, wohin Rahel manche vergebene we an ihn wett, 
Aber feit einigen Wochen iſt er verjchtwunden. 7 
Rahel. Sage nicht verſchwunden. Sage: ſeit einigen Wochen ha J 
er aufgehört, zu erſcheinen. Denn es war ein Engel, wahrlich es war 
5 ein Engel. — m: 
Rahel. So ſeyd Ihr es doch ganz umd gar, mein Vater. Ich 
glaubte, Ihr hättet nur Eure Stimme vorausgeſchickt. Wo bleibt Ihr 
denn, Eure gute Rahel zu umarmen, die indeh fait verbrannt weise ’ 
O e3 ift ein garftiger Tod, verbrennen. A 
10 Bathan. Mein Kind! mein liebes Kind! (fe umarmend) A 
Rahel. Ihr jeyd über den Euphrat, über den Jordan, was J 
ich über welche Flüſſe alle, gekommen. Wie oft habe ich um Euch ge⸗ 
zittert! — Aber wenn man jo nahe iſt, zu verbrennen; dünkt ung er⸗— 
jauffen, evrettet werden. — Ihr feyd nicht erſoffen: id, bin nicht ver⸗ 
15 brannt. — Wir wollen uns freuen, und Gott loben. — Gott war es, 
der Euch auf den Flügeln ſeiner unſichtbaren Engel über die treuloſen 
Waßer trug. — Gott war es der einen ſichtbaren Engel herabſchickte, 
deſſen weiſſer Fittig die Flammen verwehte, deſſen ſtarker Arm mich — 1 
das Feuer tragen mußte. 
Bi Dajah. Weiffer Fittig — Hört hr. Des Teiipeibiiik w— 
Mantel. — (ven Nathan anſtoſſend.) | | N 
Dafhan. Und wenn e3 auch fein Engel gewejen wäre, der hi 
rettete: er war für di Einer. — 
Rahel. Es war wirklich ein Engel, wirklich ein wirklicher Engel. — 
25 PVakhan. Dieje deine warme Einbildungskraft könnte mir — 
wenn fie dich nicht von deiner Pflicht abführte. Indem du das Bert 
zeug, durch welches Gott dich rettete, im Himmel ſuchſt, vergißt d * 
Dankbarkeit ſich auf Erden danach umzuſehen — wo es doch auch fen 
fünnte. Komme wieder zu dir! werde ruhig, werde kalt! 
30 (Und durch dergleichen Vorftellungen wird fie es wirklich.) 


3. 


Nathan und der Schagmeifter des Saladin. Diejer will 
von Nathan borgen. Nathan jchlägt es ihm ab, weil er von den Sch ilde 
die er zu Baſſora eincaſſiren wollen, nicht die Hälfte einbekommen, un — 





Bathan der Weile. 477 





bier eine groſſe Schuld zu bezahlen vorfinde. Der Schaßmeijter, über 
die unweiſe Freygebigfeit des Saladin. Die Marime, welche die Araber 
dem Ariftoteles beylegen: es jey bejjer, daß ein Fürjt ein Geyer jey 
unter Aeſern, als ein Aas unter Geyern. 
* 

Müde Kameele jeufzen vor dem Thore, ihrer Lajt entladen zu 
werden. VBermuthlich ift mein Freund wieder nad) Haufe — 

Das iſt er. — Mer ihm mit Freundſchaft entgegen tömmt) Willlommen, edler 
Zweig eines Stammes, den der Gärtner noch nicht auszurotten beſchloſſen, 
fo lange er jolche Zweige noch treibet! Willfommen ! 


Du jollteft mich jo nicht beſchämen; denn ich denke du biſt mein 10 


Freund. 

Kannſt du deinen Werth — ohne den Unwerth deines Volkes 
zu fühlen? 

So laß meinen Werth auch mit für den Werth meines Volks gelten — 

Der groß genug iſt, daß ſich ein Volk darein theilen kan. 

Höre auf! ich bitte dich. — Wie ſteht es bier? Wie lebt ihr? 

Deiner Hülfe bedürftiger, al3 jemals. 

War e3 darum daß du mir 

Bey Gott nicht. Und wenn alle deine Kameele mit nichts als Gold 
beladen wären: fo follteft du dem Schate des Saladin nichts mehr Leihen. 
Denn er ijt ein gar zu großer Verſchwender zc. 


Ein Heer von hochbeladenen Kameelen 
Liegt unterm Thor, aufs müde Knie gelagert. — 
Bermuthlich ift mein Nathan wieder heim — 


4. den 14ten 
Nathan: zu ihm Dinah wiederum, die ihm berichtet, daß fie die- 
jen Augenblid den jungen Tempelvitter aus dem Fenſter auf dem Plate 
vor der Kirche der Auferftehung unter den Palmen gehen jehe. Nathan 
befiehlt ihr, ſie ſoll ihn einladen, zu ihm ins Haus zu kommen. 


* 


20 


25 


Dinah citid Nathan, Nathan, er läßt ſich wieder ſehen; er läßt 30 


ſich wieder ſehen. 
Bathan. Wer er? 


478 Theakraliſcher Bachlak. 





— 


Dinah. Er, Er — — J va 

Bathan. Er! — Wenn läßt fih der nicht sehen? I: 

Pinah. Er gehet dort unter den Palmen auf und nieder, und 

bricht von Beit zu Heit Datteln. | —— 

5 Bathan. Die er ißt? Nun verſteh ih! Es iſt euer Er. De 
Tempelherr: nicht wahr? : 
Pinah. Rahel Augen entdeckten ihn ſogleich. Mit Eud), PR > 

Ihm, ift ihre ganze, jchöne, ruhige, helle Seele wieder e— — Sie 
läßt Euch bitten, zu ihm zu gehn, ihn herzubringen. 24 
10 Bathan. ch wäre meine Reifefleider doch erjt gerne log. — Geh 
du, Dajah; bitte ihn zu mir zu kommen. 
Dajah. Zu Euch zu kommen? Das thut er gewiß nicht. 

Bathan. Nun fo geh, und laß ihn wenigſtens ſolange nicht aus 

den Augen, bis ich nachfommen fan. — Und warum follte ex nicht zu 
15 mir kommen, wenn ihn der Vater ſelbſt bittet. Daß er in meiner Ab⸗ 
weſenheit mein Haus nicht betreten wollen; daß er auf deine ii 
auf die Einladung meiner Tochter nicht fommen wollen — 















5. 


Die Scene ändert fi. Unter den Balmen. Curd von Stauffen 
20 und der Klofterbruder, mwelder ihm zu verjtehen giebt, daß ihn der 
Patriarch gern ſprechen und in wichtigen geheimen Angelegenheiten brauchen 
wolle. Er läßt ihn ablauffen. Der Klofterbruder freuet jich einen fo 
würdigen jungen Mann in ihm ,gefunden zu haben. Er entjchuldiget vor 

ſich jelbit jeine unwürdigen Anträge mit der Pflicht feines Bez % 
* v \ 


95 Curd geht auf und nieder. Ein Klojterbruder, folgt ce in 
einiger Entfernung von der Seite; immer al3 ob er ihn anreden wollte. 
Curd. Mein guter Bruder, — oder guter Vater, wer nur felbjt 
was hätte. (Der gute Mann! Er hoft umſonſt, jieht mir umfonft vo m 
die Hand.) — 
30 | ei Bi 
Curd von Stauffen, und Dinah, die er gleichfalls als eine 
Kupplerin abfertiget. Dinah zweifelt ob er ein Mann fen. — * Dede s ne 


mann ein halber Mann. 
* 








Nakhan der Weile. 479 





Curd. @er die Daja fommen fiegt) O ſchön! Der Teufel wirft mich aus 
einer feiner Klauen in die andere. 

Paja. Ein Wort edler Ritter — 

Curd. Biſt dur feine rechte, oder feine linke? — 

Daja. Kennt Ihr mich nicht? 

Curd. Ey wohl! Du bijt nur feine linke, aus der ic) Schon öftrer 
entwifchte. 

Paja. Was linfe? 

Curd. Werde nicht ungehalten. Sch jage es nicht, dich zu ver- 
fleinern. Denn wer weiß ob der Teufel nicht links iſt; ob er feine Linfe 
nicht jo gut brauchen kann, al3 jeine Rechte! Und jodann hat weder der 
Mönch die Vettel; noch die Vettel den Mönch zu beneiden. Siehjt du? 
— Aber was giebtS Neues, Mutter? Du wirft mir doch nicht immer 
die nehmliche antragen ? 


Zweyker Aufzug. 
l. 


Zimmer im Pallajt des Sultan. Saladin und jeine Schweiter 
Sittah ſitzen und jpielen Schach. Saladin jpielt zerjtreut, macht Fehler 


über Fehler und verliert. 
# * 4 


Sittah. Bruder, Bruder, wie jpielit du heut? Wo biſt du? 
Saladin. Wie das? 

Sittah. Sch ſoll heute nur taufend Dinare gewinnen, und nicht 
einen Aſper mehr. 

Saladin. Wie jo? 

Sitfah. Du willit mit Gewalt verlieren. — Dabey finde ich 
meine Rechnung nicht. Aufjer daß ein jolches Spiel edel ijt: jo gewann 
ic immer mit dir am meijten, wenn ich verlor. Wenn haft du, mid 
de3 verlornen Spieles wegen zu fröften, mir nicht den Sat doppelt ge= 
ſchenkt. | 

Saladin. Ey ſieh, jo verloreft du wohl mit Fleiß, wenn du verloreit? 

Sittah. Wenigitend hat deine Freygebigfeit gemacht, daß ich nicht 

bejjer jpielen lernen. 


10 


20 


25 


30 


480 Theakraliſcher Pachlaß. 





2. 


Zu ihnen der SchatzMeiſter, den Saladin ruffen laſſen; um an 
Sittah die taufend Dinare zu bezahlen, um welche jte gejpielet. Der 


Schatzmeiſter beflagt, daß der Schat jo völlig erjchöpft jey, daß er auch 


5 diefe Summe nicht auf der Stelle bezahlen fünne. Er fchidt ihn wieder 
fort, fogleich Anftalt zu Widerfüllung des Schabes zu machen, weil er 
auch ſonſt ehſtens Geld brauchen werde. Alle Quellen, jagt der Schatz⸗ 
meiſter, ſind durch deine Freygebigkeit erſchöpft; und borgen — bey wem? 
auf was? Nathan ſelbſt, bey dem er ſonſt immer offene Caſſe gefunden, 

10 wolle nicht mehr borgen. — Wer iſt dieſer Nathan? — Ein Jude, dem 
Gott das kleinſte und größte aller menſchlichen Güter gegeben, Reichthum 
und Weisheit. — Warum kenne ich ihn nicht? — Er hat dich ſagen 
hören: glücklich wer ung nicht kennt, glücklich, den wir nicht fennen. — 
Geb, bitte ihn in meinem Namen. 


* 


15 Saladin. Bey wen? Nur nicht bey denen, die ich reich gemacht. 
E3 würde meine Gejchenfe wieder fodern heifjen. — Auf was? Auf 
mein Bedürfniß. Geh, du wirft mich gegen die Menfchen nicht miß- 
trauijh machen. Sch gebe gern, wenn ich habe: wer hat, wird auch mir 
gern geben. Und wer am Geibigiten ijt, giebt mir am erjten, denn noch 

20 haben es meine Gläubiger immer gemerkt, daß ihr Geld durch meine 

Hand gegangen. 


Das Heinfte und größte aller menihlihen Güter. Was nennit du 
das kleinſte? 
Was ſonſt als Reichthum. 
25 Und das gröfite 
Was jonit als Weisheit? 


Sch wußte nicht, daß ich einen fo erleuchteten Sophi zu meinem 


Schatzmeiſter hätte. 
3. 

30 Saladin u. Sittah. Sittah fpottet über feine Freygebigfeit, die 
ihn in jolche Verlegenheit fege; und bietet ihm doch in dem nehmlichen 
Augenblide alle ihre Baarjchaft, alles ihr Gefchmeide an. — Das würde 
ic genommen haben, wenn du verjpielt hätteſt. — — Habe ich jchon gegen 


> 








Bafhan der Weile. 481 





’ 


dich verjpielt? Schenftejt du mir nicht immer das Doppelte des Sabes, 
wenn ich verlor. — Aber wer ijt diefer Nathan? fragt Saladin. Kennit 
denn du ihn. — Er foll durch feine Weisheit die Gräber des David 
und Salomon gefunden, und unjägliche Reichthümer darinn entdeckt haben 
— — Das ift gewiß falſch: hat er ReichthHum in den Gräbern entdedt: 


5 


jo waren e3 gewiß nicht die Gräber Davids und Salomons. — Aber 


jie verzweifelt, daß er ihm helfen werde. Denn er jey ein Jude, der 
nicht alles an einen Nagel hänge. Indeß, wenn er nicht in guten leihen 


wolle: jo müſſe man ihn mit Lift dazu zu zwingen fuchen. Ein Jude 


ſey zugleich ein jehr furchtiames Geſchöpf — Saladin geiteht ihr feine 
äußerſten Geldbedürfniſſe. Der Waffenjtilleiftand mit den Kreußfahrern 
jey zu Ende. Die Tempelherrn haben die Feindjeligfeiten bereit3 wieder 
angefangen. Gejchichte des jungen Tempelherrens, den er begnadiget. — 
Sittah jagt, fie wolle auf eine Lit denken, den Nathan zu vermögen. 
* 

Sittah jagt, daß er auf diefe Weiſe feinen Kindern nichts Hinter- 
lajjen wird. Er antiwortet mit der Fabel vom Pfau: wenn e3 meine 
Kinder find, wird e3 ihnen an Federn nicht fehlen. 


i 4, 
Die Scene ändert jich, und it vor dem Haufe des Nathan. 


10 


Unter der Thüre des Haufes erjcheinen Nathan und Rahel. Rahel 20 


hat den Tempelherren wieder aus ihrem Fenſter erblict, und beſchwört 
ihren Vater, ihm nachzueilen. Sie jehen Curden gegen fich zufommen, und 


Rahel geht wieder in das Haus. 
D. 


Nathan u. Curd. Nathan dankt ihm, und bietet ihm feine Dienfte 
an; welches Anerbieten erſt jehr frojtig angenommen wird, bis Curd fieht, 
wel ein Mann Nathan it. Er verjpricht zu ihm zu kommen. Curds 
Geſtalt und einiges was er von ihm begtäufig gehört, machen ihn auf- 


merfjam. Curd ab. 
* 


Bathan. Verzeih edler Franke — 

Curd. Was, Jude? 

Bathan. Daß ich mich unterſtehe dich anzureden. Verzeih, und 
eile nicht jo jtolz und verächtlich vor einem Manne vorbey, den du dir 
ewig zu deinem Schuldner gemacht haft. 

Leſſing, ſämtliche Schriften. III. 31 


25 


482 Iheafralifcher Barhlap. 





Curd. Ich wüßte doch nicht. 
Bathan. Ich bin Nathan, der Vater des Mädchens — 
Curd. Ich wußte nicht, daß es deine Tochter war. Du biſt mir 
keinen Dank ſchuldig. Es iſt eines Tempelherrn Pflicht dem erſten dem 
5 beiten beyzuſpringen, der feine Hülfe bedarf. Mein Leben war mir in dem 
Augenblice zur Laft. Ich ergriff. die Gelegenheit gern, es für ein andres 
Leben zu wagen — wenn e3 auch ſchon nur das Leben einer Jüdin wäre. 
Bathan. Groß und abjcheulih! — Doc, ich verfteh. Groß biit 
du; und abſcheulich machſt du dich, um nicht von mir bewundert zu wer— 
10 den. Aber wenn du diefen Dank, den Danf der Bewundrung von mir 
verſchmäheſt: womit kann ich dir ſonſt bezeigen..... 
Curd. Mit — nichts. - | 
Balhan jagt daß er ſich alfo zum eritenmale arm fühle. 
Curd. Sch Habe einen reichen Juden darum nie für den beſſern 
15 gehalten. 
VPakhan. Sp brauche wenigſtens, was das Beſſre an ihm iſt — 
ſeinen Reichthum. 
Curd. Nun gut, das will ich nicht ganz verreden. Wenn dieſer 
mein weiſſer Mantel einmal gar nicht mehr taugt, gar keinen Fetzen 
20 mehr hält — Vor itzt aber ſiehſt du, iſt er noch ſo ziemlich gut. Blos 
der eine Zipfel iſt ein wenig verſängt — das bekam er, als ich deine 
Tochter durch das Feuer trug. 
Der Jude ergreift diejen BErIeHgIeN, gipfet und läßt feine Thranen 
darauf fallen. 
25 2. Daß doch in diefem Brandmahle dein Herz beffer zu erfennen 
it, als in allen deinen Reden. 


T. Jude, was erdreiftet dich, jo mit mir zu jprechen. 
2. Ab, wer einen Menjchen aus dem Feuer rettet, bringt feinen 


ins Feuer. 
30 6. 


Dinah u. Nathan. Zu ihnen eine Bothe des Saladin, der ihn uns 


verzüglich vor ihn fodert. 
* 


Vakhan. Haſt du — Dinah? 
Dinah. Iſt der Bär gezämt? — Wer kann Euch widerſehen. 
35 Einem Mann, der wohlthun kann, und wohlthun will. 











Bathan der Weile. 483 





Bathan. Er wird zu uns fommen. Sie wird ihn jehen; und ge- 


fund werden — Wenn fie nicht Eränfer wird. — Denn wahrlich es iſt 


ein herrlicher junger Mann. - So hatte ich in meiner Jugend einen Freund 
unter den Ehriften. — Um ihn Liebe ich die Chriften, jo bittere Klagen 
ich * über ſie zu führen hätte. 


Dritter Aufzug. 


F 
Im Hauſe des Nathan. Dinah u. Rahel die Curden erwarten. 
Nathan iſt zu Saladin gegangen. 


* 


Rahel. Gieb Acht, Dinah; er kömmt doch nicht. 

Dinah. Wenn ihm Nathan, auf dem Wege zum Sultan begegnet 
iſt: ſo kann es leicht ſeyn, daß er ſeinen Beſuch verſchieben zu müſſen 
glaubt. 

Rahel. Wie jo? iſt er bey uns allein nicht — 

Dinah. Liebe Unſchuld! Wo ſind Leute ſicher, die ſich ſelbſt nicht 
trauen dürffen. Und wer darf ſich ſelbſt weniger trauen, als der un— 
natürliche Gelübde auf ſich genommen hat. 

Rahel. Ich verſtehe dich nicht. 


2. 
Curd kömmt und wird von Rahel über alle Maaſſe eingenommen. 
Er führt ſich ſein Gelübde zu Gemüthe, und entfernt ſich, mit einer Eil— 
fertigkeit, welche die Frauenzimmer betroffen macht. 
Kecha. Nicht wahr, Ihr ſeyd nicht krank geweſen? — Nein, Ihr 
ſeyd nicht krank geweſen. Ihr ſehet noch ſo wohl, 1 glühend aus, ala 
da Ihr mich aus dem Feuer trugt. 


3. 


10 


15 


20 


25 


Im Pallaſte des Saladin. Saladin und Sittah. Er lobt ihren - 


Einfall von Seiten der Verjchlagenheit; jagt daß er bereits nach Nathan 
gejchieft habe; daß es ihm aber Überwindung foften werde, wenn es ein 
guter Mann jey, ihm eine jo Kleine Falle zu stellen. Nathan wird ge: 30 
meldet, und Sittah entfernet fi. 


484 Iheatralifcher Vachlaß. 





—— 

Saladin und Nathan. Die Scene aus dem Boccaz. — Nathan 
bietet dem Saladin zweymal ſo viel an, als er dem Schatzmeiſter ab— 
geſchlagen hatte. Er würde ihm noch mehr geben können, wenn er nicht 

5 eine Summe zu Curds Belohnung zurückbehalten müßte. Er erzählt, 
was Curd gethan, und Saladin freuet ji einem jolhen jungen Mann 
das Leben gejchenft zu haben. Er jchenfe ihm hiermit auch jeine Frey- 
heit. Nathan will eilen ihm diefe Nachricht zu bringen. 

5. 

10 Unter den Balmen. Curd, der. ji in den plößlichen Eindrud nicht 
finden fan, den Rahel auf ihn gemacht — Sch habe eine jolche himm= 
liſche Geſtalt Schon wo geſehen — eine jolche Stimme ſchon wo gehört. 
— Uber wo? Im Traume? — Bilder des Traumes drüden fich jo tief 
nicht ein. ’ 

* 

15 Noch weiß ich nicht was in mir vorgeht. — Die Wirkung war ſo 
ſchnell! ſo algemein! Sie ſehen und ſie — was? ſie lieben? Nenn es 
wie du wilſt — Sie ſehn, und der Entſchluß, ſich nie von ihr wieder 
trennen zu laſſen, war eins! | 


Koch weiß ich nicht, was in mir vorgegangen! — 
20 Die Wirkung war fo jchnell, jo allgemein! | 
Sie jehn, und fie — was? — Lieben? — Tieben? nicht? 
Nimm e3 wie du willit: Sie jehn und der Entſchluß 
Sie aus den Augen wieder nie zu lafjen, 
War eins! — Eins durch ein drittes doch? Was war 
25 Dieß dritte? — Sehn ift leiden; und — Entſchluß 
Sit thun; fo gut al3 thun. — Durch was ha; 
Aus leiden thbun? — Das f 


Ich bin umſonſt geflohen. 


Noch weiß ich nicht was in mir vorgeht — mags 
30 Beinah nicht wiffen! Aber weiß wohl, daß ich nur 

Umſonſt geflohen — Sie jehen und der Entſchluß 

Sie aus den Augen wieder nie zu lafjen 

War eins — bleibt eins —. 








Bathan der Weile 485 





Genug: ich. bin umſonſt geflohen 
Umſonſt! — fliehn war auch alles was ich Fonnte. 
Sie jehn und der Entſchluß nie aus den Augen 
Sie wieder zu verlieren 
6. 5 
Zu ihm Nathan, der ihm ſeine Freyheit ankündiget. Curd, Be 
ob er fich darüber freuen oder betrüben joll. Ihn bindet, jeitdem er Rahel 
gejehen, an diejen Ort, er weiß nicht was. Er fühlt Abneigung zu feiner 
vorigen Beitimmung. Doc will er gehen, und jich dem Saladin zu Fühlen 
werffen. Zugleich jagt er, daß er Rahel gejehen; und preijet Nathan 10 
glücklich eine ſolche Tochter zu haben. — Nathan hülfft ihn auf den 
Gedanken, ob wohl nicht Rahel jeiner Mutter gleiche, die er jung ver— 
foren, — Bey Gott das wäre möglich. So ein Lächeln, jo einen Blid, 
habe ich mir wenigjtens immer gedacht, wenn ich an meine Mutter dachte. 
— Wie glüdlich der fie einjt bejigen wird. — Er wirbt nicht umdeutlich 15 
um fie; aber Nathan thut, als ob er ihn nicht verjtünde, und geht ab. 
Curd allein macht ſich Vorwürfe, in eine jüdische Dirne verliebt zu jeyn. 


7 


Curd ſieht Dinah zum Hauſe heraus und auf ſich zukommen. 
Curd. Soll ich ihr wohl Rede ſtehen? — 20 
Dinah. Sollte wohl nun auch die Reihe an ihn ſeyn? Wenn ich 
thäte, als ob ich ihn gar nicht gewahr würde? Laßt doch ſehen — 
Curd. Aber ſie ſieht mich nicht. Ich muß ſie ſchon ſelbſt anreden. — 
Er entdeckt ihr ſeine Liebe, wofür er ſeine Faſſung gegen Rahel 
hält. Dinah, die in dieſer Liebe ein Mittel wahrzunehmen glaubt, 25 
Rahel wieder zu ihren Religionsverwandten zu bringen billiget fie, und 
verräth ihm, daß fie eine Chriftin ijt, die Nathan nur an Kindesſtatt 
angenommen. So gleich entjchließt er fich, fie aus feinen Händen zu 
retten; und den Batriarchen aufzufordern, ihm darin behilflich zu jeyn, 
noch ehe er dem Saladin gedanft. 30 


Vierker Aufzug. 
2 


Im Klojter. Der Layenbruder und Curd. — Der Patriarch wird 
gleich da jeyn; gedulde dich nur einen Augenblid. 


486 Theakraliſcher Vachlaß. 





Der Layenbruder glaubt, daß ſich Curd nun beſonnen, und wider 
ſein Gewiſſen ſich zu allen den Dingen will brauchen laſſen, die er ihm 
ehedem vorgeſchlagen. Das jammert ihm; er habe müſſen gehorchen, 


und es ihm antragen. 
* 


5 Scene. Kreutzgang des Kloſters, d. h. Auferſtehung. 
Rlvſterbruder. 

Der Patriarch ſchmält mit mir, daß ich alles, was er mir aufträgt, 
ſo links ausrichte, daß ich in nichts glücklich bin; und gleichwohl unter— 
läßt er nicht mir immer neue Aufträge zu machen. Ja, ich habe zwar 

10 das Gelübde des Gehorſams gethan, 


Es hat mir freylich noch von alle dem, 
Nicht viel gelingen wollen, was er mir 
So aufgetragen! Warum trägt er mir! 
nur lauter jolhe Sachen auf. Sch mag 
— nicht fein ſeyn, mag nicht überreden, mag 
Mein Näschen nicht in alles ſtecken, mag 
mein Händchen nicht in alles haben. 
Gehorchen muß ich; aber wen denn nüßen fie [?] 
Sch bin ja aus der Welt gefchteden nicht, 
20 Um mit der Welt mich erit recht zu verknüpfen. 


Er hat Schon Recht, der Patriarch 

Ya, ja. Es will mir freylich nichts gelingen 

Was er mir aufträgt. Warum trägt er mir 

Auch lauter, lauter Sachen auf, zu denen 
25 Man feinen Bruder jchiekt [7] 

Nun endlich, guter Bruder! 
Endlich neff ich Euch. Ihr werft mir groſſe Augen zu. Kennt 
Ihr mich nicht mehr. 

Doch, doch! Ich fenn den Herrn recht gut. Gott gebe nur, daß 
30 er derjelbe immer bleibt. Aber e3 iſt mir ganz bange. 

Warum? | i 





J 
1 [In der Hi. folgen bier ein paar kaum leſerliche Worte, die feinen Sinn geben:] da iſt nun mir [?] 
dem ftehen [? Allem Anſchein nach vergaß Leifing nur, fie auszuftreichen.] 





Bathan der Weile. | 487 





Wenn meine Rede nur nicht etwa noch 

Gewirkt hätte. Sch habe Euch freylich einen Antrag machen mäffen, 
aber ich habe ihn doch’ jo verführerifch eben auch nicht, den Nutzen fich 
ihm zu unterziehen, nicht jehr groß gejchildert. Gott, wenn Ihr Euch 
gleichwohl bejonnen hättet, und Ihr kämet dent — Eure Dienſte 
anzubieten. 

Das mwolltet Ihr nicht. 

Um alle Welt nidt. 

2 

Der Patriarch und Curd. Der Patriarch will Gefälligkeit um 
Gefälligkeit erzeigt wiſſen. Er verſpricht ihm das Mädchen, und ver— 
ſpricht ihm die Abſolution ſeines Gelübds vom Pabſte zu verſchaffen, 
wenn er ſich ganz dem Dienſte der Creutzfahrer wider widmen will. Curd 
ſieht, daß das auf völlige Verrätherey hinaus läuft, wird unwillig, und 
beſchließt, ſich an den Saladin ſelbſt zu wenden. 


3. 


10 


15 


Im Ballaft. Saladin und Sittah. Saladin hat feine Schweiter 


bezahlen lafjen, von dem Gelde, welches Nathan in den Schaß liefern 
lajjen. Er rühmt ihr den Nathan, wie ſehr er den Kamen des Weijen 
verdiene. Curd wird gemeldet. 


Sittah. Nun, lieber Bruder, da du nun auserzehlt haft, will ich dir 
geitehen: ich habe gehorcht. Nur weil ich nicht alles [?] verjtanden habe, 
babe ich e8 noch einmal von dir hören wollen. !. Aber einer Sache er— 
wehnſt du ja gar nicht; des Tempelheren, dem unfer Bruder, ſagſt du, 
jo ähnlich gewejen ꝛc. 

ir 4, 


Curd und die Vorigen. Sittah hat ihren Schleyer herabgeichlagen,, 


um jo bey diejer Audienz gegenwärtig jeyn zu können. Curd zu den 
Füſſen des Saladin. Saladin bejtätiget ihm das Gejchenf der Freyheit, 
mit der Bedingung nie wider gegen die Mufelmänner zu dienen, fondern 
in jein Baterland zurüdzufehren. Er lobt auch ihm den Nathan. Curd 
widerspricht zum Theil. Er jey doch ein Jude, und für feinen jidi- 
chen Aberglauben allein eingenommen, der nur den Philofophen fpiele, 
wie ihm vielleicht nächjtens die Klage des Patriarchen überzeugen werde. 


ı wollen [fehlt in der Hf.] 





20 


25 


30 


488 Theakraliſcher Vachlaß. 





Laß den Patriarchen aus dem Spiele, jagt Saladin, und ſage-du 
jelbft, was du von ihm weißt. Er jagt, daß Nathan ein aufgelefenes 
Chriſtenkind als jeine Tochter und folglich, als eine Jüdin erziehe. Sa— 
ladin will das näher unterfuchen Lafjen, und beurlaubet Curd. 

* 
5 Curd. Sultan weder mein Stand noch mein Charakter leiden es, 
dir ſehr zu danken, daß du mir das Leben gelaſſen. Aber verſichern 
darf ich dich, daß ich es jederzeit wider für dich aufzuopfern brenne. 


Ich, dein Gefangner, Sultan — — — — 
Mein Gefangner? 
10 Wem ich das Leben ſchenke, werd ich dem 
Nicht auch die Freyheit ſchenken? 
Was dir ziemt 
Zu thun, das ziemt mir nicht vorauszuſetzen, 
Ziemt mir, erſt zu vernehmen. 
15 
Sittah und Saladin. Sittah verräth nicht undeutlich, wie ſehr 
ihr Curd gefallen. Sie werden einig, das Mädchen vor allen Dingen 


kommen zu laſſen. 
6 


20 | Flur in Nathan Haufe, wo ein Theil der Waaren aus. 
* 

In Nathans Hauſe. Dinah geſteht ihm, daß ſie Curden entdeckt 
habe, daß Rahel eine Chriſtin ſey, weil ſie dieſes für die beſte Gelegen— 
heit angeſehen, ſie wieder aus ſeinen Händen unter ihre Religionsver— 
wandte zu bringen. Nathan hierüber höchſt mißvergnügt. Daja ab. 

25 i ji | | | 

Sittah jchiet, die Rahel abzuhohlen. Der Patriarch jchieft Nathan 
zu beobachten; worunter der Layenbruder jeyn kann. 

Sittah läßt Recha zu fich entbiethen, zu ſich Laden. 

| 8. 

30 Curd kömmt auf diefes Lermen dazu; und tröftet den Nathan, 
etwas ſpöttiſch. Saladin fey fein Freund, und wolle ihn vielleicht nur 
zwingen eben jo gut zu handeln, als er jpreche. Nathan erfundiget fich 





Bathan der Weile. 489 





nebenher und gewandtsweije nad) Curd näher, und wird in jeinem Arg- 
wohne bejtärft, daß Curd Rahel Bruder jey. Sie wollen beide zum 
Saladin. 


* 


Vakhan. Iſt ſie darum weniger Chriſtin, weil ſie bis in ihr 
17. Jahr in meinem Hauſe noch kein Schweinefleiſch gegeſſen. 5 


T, 
Dathan und der Klofferbruder. ! 


8. 
ji Per Tempelherr un Bathan.! 
Nathan, wir haben einander verfehlt. Ich komme von Saladin, 10 
und er will, daß wir beyde vor ihm erjcheinen jollen. Sit es Euh ge 
fällig mich zu ihm zu begleiten. ! 


Fünfter Aufzug. 
L 

Im Seragliv der Sittah. Sittah und Rahel. Sittah findet an 15 
Rahel nichts, als ein unjchuldiges Mädchen ohne alle geoffenbarte Religion, 
wovon fie faum die Namen fennt, aber voll Gefühl des Guten und Furcht 
vor Gott. 

2. 

Saladin zu ihnen. Er freuet ſich zu finden, daß Nathan feine 20 
Jüdin aus einer Chrijtin machen wollen, und ihr nur eine Erziehung 
gegeben, bey der fie in jeder Neligion ein Muster der Vollfommenheit 
jeyn fünne. Nathan wird gemeldet. 


3. 
Nathan und die VBorigen. Saladin unterjtügt Curds Geſuch. Na— 25 
than weigert fich noch; welches dem Saladin? faft unbegreiflich wird. | 
4, 
Curd dazu, und die Entdedung geichieht. Als Curd herein fümmt, 
ſchlug Sittah den Schleyer herab. Sie jchlägt ihn wieder auf, führet 
ihrem Bruder die Rahel zu. Ihr Bruder führt ihr Curden zu, den er 30 





1 [Der zweite Entwurf diefer Scene ift von Leifing etwas jpäter in die Hf.. eingefügt.] 2 dem 
Eurd [Hf.] 


x 


490 Iheafralifiher Barhlap. 





zum Fürften von Antiochien macht, von deren Gejchlechte er abjtammtet. 
Sittah erröthet, und läßt den Schleyer wieder fallen. | 


* 


Bathan. Du biſt nicht Curd von Stauffen. 
Curd. Woher weißt du das? 
5 Dafhan. Du bift Heinrich von Filnef. 
Curd. Ich erſtaune. | 
Bafhan. Du wirft noch mehr erjtaunen — Und das ijt deine 
Schweſter. 
Curd (ver auf Nathan zugept) Nathan, Nathan, Ihr ſeyd ein Mann — 
10 ein Mann, wie ich ihn nicht veritehe — nie vorgekommen ift — ich bin 
aber nichts al3 ein Krieger — ich hab Euch unrecht gethan — Bergebt 
mir — Ich bitte Euch nicht darum, als ob es Euch Mühe koſten würde 
— Ich bitte Euch, um Euch gebeten zu haben. 


| Schluß. | 
15 Saladin. Du jollft nicht mehr Nathan der-Weife, Du ſollſt nicht 
mehr Nathan der Kluge — Du ſollſt Nathan der Gute heiſſen.“ 


NB. Für Dinah lieber Daja. Daja heißt, wie ich aus den Ex- 
cerptis ex Abulfeda das Leben des Saladin betreffend, beym Schultens 
©. 4 jehe, ſoviel als Nutrix; und vermuthlich, daß das Spanische Aya da- 

20 von herfümt, welches Covarruvias von dem Griehiichen ayo, sraudaywyog 

herleitet. Aber gewiß kömt e3 davon nicht unmittelbar her, fondern ver— 
muthlich vermitteljt des TREE: welches wohl aus dem FEN 
fönnte gemacht ſeyn.? 

Die Mameluken, oder die Leibwacht des Saladin, trug eine Art 

25 von gelber Liberey. Denn diß war die Leibfarbe ſeines ganzen Hauſes; 
und alle, die ihm ergeben ſcheinen wollten, ſuchten darinn einen Vorzug, 
daß ſie dieſe Farbe annahmen. 

Marin. L 218. 





1 [Saladins legte Worte find ebenjo noch einmal unter der überſchrift] Ende [in Leijings Papieren 
erhalten; doch fehlt Hier das zweite] mehr 2 [Diefe Anmerkung fteht auf der Rüdfeite des 
Titelblattes, die folgenden am Ende der Handichrift.] 





VNathan der Weile, | | 491 





8 
Die Kreutzbrüder, die ſo unwiſſend als leichtgläubig waren, ſtreuten 
oft aus, daß ſie Engel in weiſſen Kleidern, mit blitzenden Schwerden 
in der Hand, und inſonderheit den heiligen Georg zu Pferde in voller 
Rüſtung hätten vom Himmel herabkommen ſehen, welche an der Spitze 
ihrer Kriegsvölker geſtritten hätten, 5 
Ebend. I. 352. | 
Ludwig von Helfenftein und verjchiedne andre deutjche Herrn, 
bezeugten mit einem Eide auf das Evangelium, daß fie in dem Treffen, 
welches Kayſer Friedrich I. bey- Jconium gewonnen, den h. Victor u. den 
b. Georg an der Spite des hriftlichen Heeres, in voller Rüftung, u. zwar 10 
zu Pferde u. in weiſſen Kleidern, hätten fechten jehen. 
Ebend. II. 176. 
8 
Unter den Titeln, deren ſich Saladin bediente war auch — 
der Welt und des Geſetzes“. 
Marin. II. 120. | 15 
8 
Daß die gefangnen Tempelherrn für ihre Loskauffung nichts geben 
durften, als eingulum et cultellum, Dolch und Gürtel. 


Ebend. J. 249. 
S- 3 | 
Iſlam ein Arabifches Wort, welches die Überlafjung feiner in den 
Willen Gottes bedeut. 20 
Ebend. I. 79. 
8 


Der grüne Ritter, den Saladin beſchenkte, weil er ſich ſo tapfer 
gegen ihn erwieſen hatte. 

Ebend. II. 85. 78. 

In dem Hiftorifchen was in dem Stüde zu Grunde liegt, habe ich 25 
mich über alle Chronologie hinweg gejest; ich habe jogar mit den einzeln 
Namen nad meinem Gefallen gejchaltet. Meine Anjpielungen auf wirkliche 
Begebenheiten, jollen blos den Gang meines Stücks motiviren. 

Sp hat der Patriarch Heraflius gewiß nicht in Jerujalem bleiben 
dürfen, nachdem Saladin e3 eingenommen. Gleichwohl nahm ich ohne 30 


Si 


10 


15 


20 


499 ur Theakraliſcher Nachlaß. 





Bedenken ihn daſelbſt noch an, und betaure nur, daß er in meinem Stücke 
noch bey weitem ſo ſchlecht nicht erſcheint, als in der Geſchichte. 

Saladin hatte nie mehr als ein Kleid, nie mehr als ein Pferd in 
feinem Stalle. Mitten unter Neichthümern und Überfluß freute er ſich 
einer völligen Armuth. E. 331. Ein Kleid, ein Pferd, einen Gott! 

Tach feinem Tode Fand man ih des Saladin Schage mehr nicht 
als einen Ducaten und 40 filberne Naferinen. 

Delitiae orient. p. 180. 

Sc. 1. 

A. Geiftliher Herr —' 

B. Bin nur ein Layenbruder, zu chriftlichem Dienſte — 

A. Nun denn, frommer Bruder; warum [?] fiehjt du mir jo nad 
den Händen? — Uber ich habe nichts. Bey Gott ich habe nichts. 

B. Geben wollen it auch geben! — Zu dem erwarte id) von dir 
nichts. Ich bin dir gar nicht nachgefchieft, um dich um etwas anzuflehen. ? 

A. Alſo bift du mir doch nachgeichiet? ? 

B. Aus jenem Clojter. — 

A. Wo ich eine Mittagsjuppe* ſuchte? — und die Tifhe ſchon 
bejegt find?? — Es thut nichts. Sch habe noch vorgeitern warm ge= 
geſſen: und die Oliven find reif. (Er langt nad) einer auf der Erde und it fie) 

B. Sey nur jo gut, und fom mit mir wieder zurüd. 

RA. Darum wardit du mir nachgeſchickt? Nein, guter Bruder. Sch 
habe ehegeftern noch eine gegefjen, und die Datteln find ja reif. 

B. Nim did nur in Acht, Sremdling! Du mußt diefe Frucht 
nicht zu viel geniejjen. Sie verjtopft Milz und Lunge, macht melandoli- 
iches Geblüt. 

A. Sey es! — Aber du wardſt mir doch nicht blos darum nach⸗ 
geſchickt? 

B. Mein, nicht blos darum. Der Patriarch hat dich — — und 
will® Ich ſoll mich erkundigen wer du biſt. | 





ı [Mit Rotftift korrigiert in] Chrwürdger Vater 2 [Um Rande daneben jteht:] Die Gabe macht 
der Wille. Auch ward ich dir nicht nachgefchieft, um etwas mir von dir zu betteln. 3 [Korrigiert 
in:] Aber nahgejhidt? * [Darüber ift gejchrieben?] ein Mittagefjen 5 [Am Rande jteht:] 
Bo ich ein fleines Pilgermahl juchte [sc. ven] Tijch ſchon bejegt finde. Es thut nichts — 6 Der 

Patriarch Hat dich erblidt, und will [ift wieder ausgeftrichen] 











Bafhan der Weile. 493 





Und wendeſt dich deßfalls jofort an mid). 
Wozu nicht? 
Und wer ift jo neugierig mich zu kennen? 
Niemand geringerer, als der Patriarch). 
Der fennt mich ſchon. Sag ihm nur das. 5 
Das dünkt ihn auch. Aber er kann jich nicht erinnern, wo 
‚er dich * thun ſoll. [?] 

RA. ch laſſe mich von Eurem Herren nicht zum zweyten [?] vergeſſen. 

B. Er wird alt; es fam ihm lange jo die Gejchichte ein [?] — 
Eins würgt [?] das — Ohne... . . [?], lieber Fremdling, dein 10 
Name. [?] ! 

A. Und wie heißt er? 

B. Curd von Stauffen? 

RR. Sa! 

B. Der junge Tempelherr den Saladin der Mächtige [?] allein 15 
begnadigte, der ihn nad) der Schlacht ! | 


Bun 


An 

B. Nun ſage! So war das Bild von heiligen — nicht in 
Be mn ..... [?) Eile ihm nah! Ich muß 
ihn ſprechen. — 20 

RA. Nun jo komm. 

dem. ..»..... [?] 

A. Su der... [2]? Hat er fi mir, oder habe ich mich ihm 
TEN [?]? — 

B. Wohl feines von beyden. Aber du ey PERF) [?] Sala: 25 


din läßt auf alles. 
D Nathan! Nathan!? Gott fey ewig Dan, 
Der endlich doch Euch wieder zu uns führet! 
Sa, Dajah, Gott jey Dank! Doch warum endlich? 
Hab ich denn- eher wiederfommen wollen ? 30 
Und wiederfommen fünnen? Babylon 
Iſt von Serufalem, wie ich den Weg, zu machen, 
Genöthigt worden, gute hundert Meilen; 





! [Darunter fteht:] B. Der zu Tebnin, da Saladin einen gefangnen Tempelherrn allein begnadigte, 
nah der Schlacht. ? [Am Rande daneben jteht:] Nathan. Er ift es! Nathan, 


or 


10 


20 


25 


494 


Theaktraliſcher Barhlap. 





Und Schulden eincaffiren, ift gewiß 
Auch Fein, Gejchäft, das merklich füdert, das 
Sp von der Hand fich fchlagen Läßt. 
J — D Nathan! 
Wie elend, elend hättet Ihr indeß 
Hier werden können! Euer Haus — das brannte — 
So hab ich ſchon gehört. Gott gebe nur, 


Daß ich auch alles jchon gehört mag haben. — 


Und wäre leicht von Grund aus abgebrannt. — 
Dann Dajah hätten wir ein neues Haus 
Gebaut und ein bequemeres. 
Schon wahr! 
Doch Rahel wär bey einem Haare mit 
Berbrannt! 
Berbrannt! Wer? Meine Reha? jie? 
Das hatt ich nicht gehört. — Nun denn! So hätt’ es für 
Mich feines Haujes mehr bedurft! — Berbrannt! — 
Bey einem Haare! — Ha. Sie ift es wohl! 
Iſt wirklich wohl verbrannt! — Sag nur heraus! 
Heraus nur! — Tödte mich; und martre mich 
Kicht länger. — Ta, ſie iſt verbrannt. 
| Wenn ſie 
&3 wäre, würdet Shr von mir es hören? 
Warum erjchredeit du mich dann. D Rahel! 
D Meine Rahel! 
| Eure? Eure Rahel! 
Wenn je ich wieder mich entwehnen müßte 
Dieß Kind, mein Kind zu nennen! 
Kennt Ihr alles, 
Was Ihr beſitzt, mit eben ja viel Rechte 
Das Eure? 
Nichts, mit größerm! Alles was 
Sch ſonſt bejige hat Natur und Glüd 
Mir zugetheilt — Dieß Eigenthbum abe 
Dank ich der Tugend. 








Bathan der Weile, 495 





Saladin. Ob j. Gejuch [?] übergeben. 


* 


Act 1. 


Saladin. zu Curd, der ihn um Erlaubniß bittet, fein Gelübde 
‚erfüllen zu ‚dürffen. Ein Baar Hände mehr günne ich meinen Feinden 
gern. Uber ein Herz mehr, wie deines; ein Kopf mehr wie deiner: bey 5 
- Gott, den gönne ich ihnen nicht. 


[Pr Derwiſch. 


en Nachſpiel zum Bafhan.]! 
[Der Fromme Samariker, 


ein Trauerlpiel ind Aufzügen, 10 
nach der Erfindung des Herrn Jeſu Chrifti.]? 


— 


[London-Prodigal.]' 


[Pie Gebrüder Penner.]' 
|Tonfine. |‘ 
[Ernſt von Staupik.] 15 





— 





! [Bgl. Leſſings Briefe an feinen Bruder Karl vom 15. Januar, 16. und 19. März 1779.] 

2? [Bgl. Leifings Briefe an Elife Reimarus vom 25. Mai und. vom November 1779 und ‚Elijens 
Antworten vom 30. Dftober 1779, 17. November 1779 und 21. Januar 1780.] 

3 [Bgl. Leifings Brief an Eſchenburg vom 9. November 1780.] 

* [Dieje drei Titel, der erjte zu einem Luſtſpiel, die beiden andern zu Trauerjpielen, werben von 
Karl Leifing in den Borreden zum theatraliihen Nachlaß, Teil I, S. XLVII und Teil II, 


496 Theakraliſcher Barhlah. 





u 


Comiſche Einfälle und Züge. 


I. 
Sie hat ja nur ein Auge — — 
O deito eher wird fie jterben, da fie nur eins zuzuthun bat. 
5 | II. | 
Kurz, ich hab es beichloßen, kann ich Angeliquen nicht erhalten, fo 
joll mich bald diejer Degen von meinem traurigen Schidjale befreyen. 
Die Thorheit werden Ste doch nicht begehen. Das Ding iſt von 
übeln Folgen. 
10 Wie ſo? 
Ja. Ja, ich verſichre Sie, es iſt von ſehr übeln Folgen. 
Wie denn ſo? 
Ich habe von einem ſehr geſchikten Medico gehört, daß der Ge— 
ſundheit nichts nachtheiliger wäre, als ſich einen Dee durch den Leib 
15 ſtoßen — — 
Ah das muß ein gejchifter Medicns geweſen jeyn — — 
Das verfihre ich Sie, ein rechter gejchikter. Er jagte auch noch 
dazu e8 wäre der nächte Weg in jene Welt. | 


III. 


20 Der Untreue, der Gottloje, der Nichtswürdige — — — ſprach ſie. 

Laß nur jezt dieſe Beynahmen weg — — 

Ab, ich bin ein gewißenhaffter Hijtoricus — — Seine Flucht bringt 
mic ums Leben. Sie jtand in vollem Eyfer auf, ergriff ihr Borcellain, 
warff es zu Erden, zerriß ihre Bilder, ſchmiß ihre ganze Möbeln zum 

25 Fenſter hinaus und jich ſelbſt warff fie - — — — 

Sich jelbit — — Wohin? wohin? 

In GroßBaterStuhl. 





©. XXVIII f. erwähnt. Jh füge fie hier am Schlufje bei, da über die Zeit, in der fich Leſſing 
mit diejen Entwürfen bejchäftigte, jeder Aufichluß, ja felbft eine nur halbwegs annehmbare Ber 
mutung fehlt. F. M.] 

1 („Den komiſchen Einfällen und Zügen, die den Beſchluß machen, fieht man freylich die Jugend am.“ 
Karl ©. Leifing 1786.] 








Comifche Einfälle und Züge. | 497 





IV. 
Der B. um Pefer. 


Beter! Beter! 

Ku, wer rufft - — 

Ich. \ 5 

Ey Ihr - - - 

Komm raus! 

Nein nein - — — ich fan nicht. Mein Herr möchte mich ruffen. 
Sch muß drinne bleiben. Daß ich da bin. Rn | 

Komm raus — — — 10 

Kommt rein, wenn Ihr was mit mir zu reden habt ꝛc. 


V. 
Haſt du wohl Luſt zu reiſen? 
O ja — — wenn die Schenken nicht weit von einander. liegen. 
VI. 15 


Den Medieum um Berzeihung zu bitten, daß man jo lange nicht 
frank gewejen. 

VII, 
Briave. Pefer. 

Pet. Nu Herr, habe ich Euch nicht einen rechten kurzen Weg ge= 20 
führt? Hier jeyd Ihr nu, wo Ihr habt feyn wollen. Da ift H. Anfelmos 
Hauß. Adjeu. | 

Drf. Nu das ift gut. Sch bedanke mich. Adjen. 

Peter. Ich will immer gehn; Adjeu Herr, Adjen. 

Prfave. Adjeu, guter Freund, Adjeu. 25 

Peter. Haben Sie mir fonjt nicht? zu jagen? Ich will nu gehn. 

DPriave. Nein. Geht nur geht, Adjeu. 

Prfer. Ah bey Gelegenheit Herr Detave, nehmen Sie mir doch 
nicht übel: Meine Frau jagte, wenn Sie mir etwa was geben wollten, 
ich jollte ja nicht nehmen — — 30 

DPriave. Ha ha. Sch veriteh das Deutſch. Da haft du einen hal- 
ben Gulden zu vertrinfen. 


Peter. Ah, großen Dank mein Herr, großen Dantf. 
Leſſing, ſämtliche Schriften. III. 32 


498 Theakraliſcher Barhlaß. 








Priave. Ich dachte, deine Frau hätte dir befohlen nichts zu neh- 


men — — — 
Peter. Ja mit der Iinfen Hand — — Adjen. Adjen. 
VI. 
5 Die Weiber müßen über die Kinder zu befehlen haben, und nicht 


die Männer; denn ſonſt würden die Männer oft über was diſponiren 

was ihnen doch nicht zugehörte. Das Geſez iſt ganz deutlich Mater certa, 

pater vero incertus. | 
IX. 


J Ich kenne ihn nicht. Aber ich habe einen guten Freund, der 
einen andern guten Freund hat, und der ein guter Freund von einen 
guten Freunde des Pierrot ift. 


X, 
Berdrüßen dich dieje Verweiſe nicht? 
15 Ah — was verdrüßen? Die Pillen muß man verſchlucken und 
nicht kauen. 
XI. 


Wer ein alt Hauß repariren und eine junge Frau befriedigen will, 
der muß immer wieder von forne anfangen. 


20 XII. 
Xiſette. Yohann. 


Inhann. Ja jo, daß ichs micht vergeße. Da hier Liſette, von 
meinem Herrn — — — 
Liſette. Was? Hält mich dein Herr für fo ein intereßirt Mägdchen?: 
25 Iohann. Greiff nur zu, und nimms. Wer wird fich jo Shähmen ? 
Liſette. Nein. Nein, Jch diene deinem Herren aus bloßer Groß— 
muth. Wie viel ift in dem Beutel? 
Iohann. Zwölff Ducaten. Greiff zu, ich friege ſonſt ln - 
Liſette. Sind fie neu? 
30 Aohann. D wenn dur nicht wilt, ſo ſacke ich fie wieder ein. 
Lifeffe. Nu, gieb fie nur ber, gieb fie. Dein Herr möchte dich 
ausſchelten. Und ich mag nicht gern daran ſchuld jeyn. 








Comiſche Einfälle und Züge. 499 





- XI. 


Es jind doch rechte uncivilifirte Leute in der Stadt. Wenn man 
etwa einmal einen galanten Fluch von fich hören Yäßt, jo erjchrefen die 
Narren, als wenn ein Stüde loßginge. Wenn man fich etwa mit einem 
Mägdgen, ohne Beyhülffe des Prieſters einläßt und ihr ein Feines Merk: 
mahl der Zärtlichkeit hinterläßt, jo ift gleich allerorten fo ein Aufruhr, 
daß ein ehrliher Mann davon Lauffen muß. Das Trinken iſt noch das 
einzige, was fein Aufjehen macht, aber das Getränke ijt auch ſo ſchlecht, 
daß man es durchaus verbieten jollte, aus Furcht ein vechtichaffner Kerl 
möchte einen Edel für alles Trinken befommen. 


XIV. 


Die en find in der That nichts anders als Erfindungen 
der Priejter dann und wann einen Eleinen Profit zu haben. Aber die 
—1 wenn ſie mir nur folgen wollten, ſo ſchafften ſie die Trauungen 

: ich weiß gewiß was fie hiebey einbüßten käm ihnen an den Kind— 
—9 zehnmal wieder ein. 
XV. 
Turinde verliebt in Eraſten. Morton, 
T. Sit er ausgegangen? 
M. Wer denn? 

T. Ob er ausgegangen ift? 

M. Euer Bruder? 

T. Rein. 

M. Euer Bedienter ? 

T. Wer redt von meinem Bedienten? ift Eraft ausgegangen ? 

m. Sch glaube nicht. Aber wie habe ichs jollen vathen, daß Sie 


von dem reden ? 
XVI. 


Morton. Palguin. 
mM. Wen juchjt du denn Pasquin? 


P. Ich juchte eine Närrin. „Sch habe dich —— und nun ſuche 
ich niemanden mehr. 
XVII. 


Wenn der Teuffel und ein Eremite lange beyſammen leben, ſo wird 


10 


15 


20 


25 


30 


entweder der Teuffel ein Eremite, oder der Eremite ein Teuffel werden. 35 













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